Aufklärungspflicht in Bezug auf Innenprovisionen bei Kaufgeschäften

Simone EibenSimone Eiben

BGH, Urteil vom 13.8.2020 – Aktenzeichen: III ZR 148/19

 

Leitsatz
Zur Aufklärungspflicht in Bezug auf Vetriebsprovisionen (Innenprovisionen) bei der Veräußerung von Erdöl- und Erdgasförderrechten in den USA („working interests‟) unter Einsatz eines Prospekts.

 

Sachverhalt
Der Kläger verlangt mit seiner nur noch gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klage, der u.a. Gründungsgesellschafter der Beklagten zu 1) war, Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Erdöl- und Erdgasförderrechten in den USA.
Die vormalige Beklagte zu 1) wurde nach dem Recht des US-Bundesstaates Texas mit dortigem Sitz gegründet und bot als Kapitalanlage den Erwerb von Beteiligungen an Erdöl- und Erdgasförderrechten in den USA an.
Der Kläger wurde auf Empfehlung seines Finanzberaters auf das Projekt „B.‟ der Beklagten zu 1) aufmerksam. Er erhielt eine Projektbroschüre, eine Imagebroschüre und ein Dokument mit „Informationspflichten‟.
Im Jahr 2010 schloss der Kläger mit der Beklagten zu 1) schließlich einen Vertrag über den Erwerb einer Beteiligung am „B.‟-Projekt über 21.000 USD zuzüglich 5 % Agio. Hierfür zahlte der Kläger an die Beklagte zu 1) einen Betrag von ca. 17.600,00 Euro. Er erhielt bis zum 21.03.2016 eine Ausschüttung i.H.v. rund 900 Euro.
Die Klage gegen die Beklagte zu 1) wurde seitens des Klägers zurückgenommen. Nun begehrt er nur noch gegen den Beklagten zu 2) Schadensersatz in Höhe des Differenzbetrages zwischen seiner Zahlung und den erhaltenen Ausschüttungen, Zug um Zug gegen Abtretung der erworbenen Förderrechte, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie Feststellung des Annahmeverzugs. Der Kläger stützt den Anspruch auf eine deliktischen Haftung nach §§ 826, 823 Abs. 2 BGB. Der Kläger sei über eine Reihe von Gesichtspunkten nicht bzw. nicht richtig aufgeklärt worden. Insbesondere habe man ihn nicht darüber informiert, dass über das ausgewiesene Agio von 5 % hinaus weitere Vertriebsprovisionen (Innenprovisionen) gezahlt worden seien und seine Investition von 21.000 USD somit nicht vollständig in das Projekt geflossen sei. Nach Abweisung der Klage in den ersten beiden Instanzen hat der Kläger versucht, mit der Revision sein Klagebegehren zu erreichen.

 

Entscheidung
Der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne sind nach den Ausführungen des Bundesgerichthofs verjährt. Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bestehen nicht, da eine Haftung des Beklagten zu 2) als Gründungsgesellschafter der Beklagten zu 1) schon deshalb ausscheide, da der Kläger der Beklagten zu 1) nicht als Gesellschafter beigetreten sei, sondern von dieser nur US-amerikanische Erdöl- und Erdgasförderrechte („working interest‟) gekauft habe. Damit fehle es an einem gesellschaftsrechtlichen Aufnahmevertrag, bei dessen Anbahnung dem Beklagten zu 2) als Gründungsgesellschafter ggf. Aufklärungspflichten oblegen hätten.

Ein deliktsrechtlicher Anspruch lasse sich weder auf einen Betrug bzw. Kapitalanlagenbetrug nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1, 264a Nr.1 StGB noch auf eine sittenwidrige
vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB stützen. Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor. Der Prospekt enthalte weder unrichtige Informationen zu den Vertriebsprovisionen noch werden diesbezügliche Angaben pflichtwidrig verschwiegen. Das über das Agio von 5 % hinausgehende Innenprovisionen von 6-7 % gezahlt werden, sei nicht aufklärungspflichtig gewesen und habe daher im Prospekt nicht erwähnt werden müssen

Eine Aufklärungspflicht folge nicht aus § 8g I, II VerkProspG a.F. i.V.m. § 4 S. 1 Nr. 12 Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung. Die von dem Kläger erworbenen „working interest‟ fielen nämlich nicht in den Anwendungsbereich des VerkProspG, da es sich nicht um den Erwerb von Anteilen, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens i.S.v. § 8f I 1 VerkProspG gewähren, handele, sondern um den Erwerb einzeln zuzuordnender Vermögensgegenstände.

Der BGH hat Aufklärungspflichten des Beklagten zu 2) auch im Übrigen abgelehnt. Der Umstand, dass bei dem Käufer eine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit des erworbenen Renditeobjekts entstehen könne, begründe für sich allein selbst dann noch keine Offenbarungspflicht, wenn die Höhe der Provisionen tatsächlich zu einem Kaufpreis führe, der den objektiven Wert des Kaufgegenstandes – erheblich – übersteige. Der Käufer habe nämlich grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Erwerb des Objekts zu dessen Verkehrswert. Bis zu den Grenzen der Sittenwidrigkeit und des Wuchers bleibe es vielmehr den Vertragsparteien überlassen, welchen Preis sie vereinbaren. Mithin bestehe für den Verkäufer grundsätzlich selbst dann keine Pflicht zur Offenlegung über den Wert des Kaufobjektes, wenn dieser erheblich unter dem geforderten Preis liege. Im Regelfall müsse der Verkäufer auch den Käufer nicht auf ein für diesen ungünstiges Geschäft hinweisen, sondern dürfe davon ausgehen, dass sich sein künftiger Vertragspartner selbst über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit verschafft. Es sei im Grundsatz Sache des Verkäufers, wie er den Preis kalkuliere, insbesondere auch, was er darin für den Vertrieb ansetze. Auf der anderen Seite müsse der Erwerber seinerseits immer damit rechnen, dass der ihm genannte Erwerbspreis einen gewissen Vertriebskostenanteil enthalte.

Zwar habe ein Verkäufer eine Aufklärungspflicht über die Höhe von Innenprovisionen, wenn er Kapitalanlagen unter Verwendung eines Prospekts vertreibe, allerdings nur, wenn diese gemeinsam mit dem Agio 15 % des einzubringenden Eigenkapitals übersteigen. Denn ab dieser Größenordnung lassen sich aus der Höhe der Innenprovisionen Rückschlüsse auf die geringere Werthaltigkeit des Objekts und die Rentabilität der Anlage ziehen. Diese Grenze sei vorliegend mit dem Agio von 5 % und den Innenprovisionen von 6-7 % nicht überschritten, so dass im vorliegenden Fall keine Aufklärungspflicht bestehe.

Der BGH hat damit für Kaufgeschäfte, wie den Erwerb von Förder- und Eigentumsrechten, die gerade nicht eine Beteiligung an einer Fondsgesellschaft darstellen, klargestellt, dass insoweit der Grundsatz gilt, dass Angaben zu Innenprovisionen nur dann erforderlich sind, wenn der Vertrieb über einen Prospekt erfolgt und die Grenze von 15 % überschritten wird.

 

 

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Haftung des Abschlussprüfers

Simone EibenSimone Eiben

BGH, Urteil vom 12.3.2020 – Aktenzeichen: VII ZR 236/19

Leitsatz

1. Eine Haftung des Abschlussprüfers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass Gegenstand der Prüfung eine nach Maßgabe des Handelsrechts vorgeschriebene Pflichtprüfung ist. Eine solche Pflichtprüfung liegt nicht vor, wenn die Prüfung der Jahresabschlüsse und der Lageberichte lediglich auf der Grundlage wertpapierrechtlicher Vorschriften über den notwendigen Inhalt eines Prospekts für die Emission einer Orderschuldverschreibung erforderlich ist.

2. Ein Anspruch eines Anlegers aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen einen Wirtschaftsprüfer kommt in Betracht, wenn der in einem Wertpapierprospekt enthaltene Bestätigungsvermerk nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (Anschluss an BGH, Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383).

 

Sachverhalt

Der Kläger hat den Beklagten als Wirtschaftsprüfer wegen Erstellung von in Anlageprospekten veröffentlichten Bestätigungsvermerken über die Prüfung der Jahresabschlüsse nebst Lageberichten einer Anlagegesellschaft auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Der Kläger zeichnete im Oktober 2012 sowie im Januar 2013 jeweils eine Orderschuldverschreibung der Anlagegesellschaft. Beide Zeichnungen beruhten auf mit einer Vermittlerin geführten Beratungsgesprächen, wobei die Anlageentscheidungen nach den Angaben in den Zeichnungsanträgen aufgrund der Emissionsprospekte, insbesondere des Basisprospekts für Orderschuldverschreibungen 2011/2012 und der Geschäftsberichte der Anlagegesellschaft sowie infolge der mündlichen Erläuterungen der Vermittlerin getroffen worden sein sollen. Der Basisprospekt enthielt für die Geschäftsjahre 2009 und 2010 Bestätigungsvermerke des Beklagten, in denen jeweils bekundet wurde, dass die Prüfungen zu den Jahresabschlüssen zu keinen Einwendungen geführt hätten und die Lageberichte der Gesellschaft im Einklang mit den Jahresabschlüssen stünden, insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage der Gesellschaft vermittelten sowie die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend darstellten. Im April 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Anlagegesellschaft eröffnet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Anlagebetrages Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus den Orderschuldverschreibungen gem. § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB sowie gem. § 826 BGB verurteilt sowie festgestellt, dass die Ansprüche des Klägers aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultierten.

 

Entscheidung

Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Es verblieb bei seiner Verurteilung.

 

Allerdings hat der BGH ausgeführt, dass der Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB hat. Der Beklagte habe keine Pflichtprüfung, wie sie von § 332 Abs. 1 HGB erfordert wird, durchgeführt. Im Ausgangspunkt zutreffend habe das Berufungsgericht angenommen, dass § 332 Abs. 1 HGB auch im Hinblick auf einen Anleger ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstelle. Ein Schadensersatzanspruch könne daher grundsätzlich bestehen, wenn der Abschlussprüfer sich nach § 332 Abs. 1 HGB strafbar gemacht habe.

Nach § 332 Abs. 1 HGB werde mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft, wer als Abschlussprüfer über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses oder eines Lageberichts unrichtig berichtet, im Prüfungsbericht erhebliche Umstände verschweigt oder einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB erteilt. Das Berufungsgericht hatte die Annahme einer Strafbarkeit auf die letztgenannte Alternative der Strafnorm wegen eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks hinsichtlich der Lageberichte gestützt und ausdrücklich offen gelassen, ob eine Versagung oder Einschränkung der Bestätigungsvermerke aufgrund von Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten in den Jahresabschlüssen der Anlagegesellschaft veranlasst war.

Die Voraussetzungen dieser Strafnorm sind, so der BGH, jedoch nur dann erfüllt, wenn Gegenstand der Prüfung eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtprüfung ist. Dies rechtfertige sich daraus, dass bei gesetzlich nicht vorgesehenen Prüfungen dem Prüfer gerade keine besondere Funktion als Kontrollorgan zugewiesen ist. .

Im streitgegenständlichen Fall sei die Anlagegesellschaft als im maßgeblichen Zeitraum kleine Kapitalgesellschaft nach § 267 Abs. 1 HGB nicht gemäß § 316 Abs. 1 HGB verpflichtet gewesen, den Jahresabschluss und den Lagebericht durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtprüfung, die eine Strafbarkeit nach § 332 Abs. 1 HGB begründen könne, liege – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht vor, wenn die Prüfung der Jahresabschlüsse und der Lageberichte lediglich auf der Grundlage wertpapierrechtlicher Vorschriften über den notwendigen Inhalt eines Prospekts für die Emission einer Orderschuldverschreibung erforderlich sei.

Es könne dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen aus § 7 WpPG in der bis zum 25. Juni 2011 geltenden Fassung, in dem für die in einen Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben auf die Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 (Prospektverordnung, ABl. EU Nr. L 149, S. 1) verwiesen werde, eine generelle oder zumindest im Streitfall bestehende Verpflichtung zur Aufnahme von Lageberichten in den Prospekt folgt. Selbst wenn es im Streitfall erforderlich gewesen sein sollte, nicht nur die Jahresabschlüsse, sondern auch die Lageberichte nebst Bestätigungsvermerk in den Prospekt aufzunehmen, würde dies der Prüfung nicht den Charakter einer gesetzlichen Pflichtprüfung im Sinne von § 332 Abs. 1 HGB geben. Die Ausgabe von Orderschuldverschreibungen erfolgte freiwillig, auch wenn sie der Verwirklichung des zentralen Geschäftsmodells der Anlagegesellschaft diente. Es komme nicht darauf an, ob sich die Gesellschaft durch ihr tatsächliches Geschäfts- und Finanzierungsverhalten wegen § 7 WpPG a.F. einer Abschlussprüfung nicht entziehen konnte. Die Annahme einer gesetzlichen Pflichtprüfung im Sinne des § 332 Abs. 1 HGB setze eine nach Maßgabe des Handelsrechts vorgeschriebene Regelprüfung voraus und gelte nicht für andere Prüfungsanlässe. Eine solche gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfung unterscheide sich nach ihrem Schutzzweck deutlich von den Regelungen zum notwendigen Inhalt von Prospekten.

Eine analoge Anwendung der Strafnorm des § 332 Abs. 1 HGB zu Lasten des Abschlussprüfers sei gem. Art. 103 II GG ausgeschlossen.

 

Soweit das Berufungsgericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Beklagten zuerkannt hatte, hat der BGH diesen bestätigt.

Das Testat des Beklagten als Abschlussprüfer für die Jahresberichte 2009 und 2010, dass die jeweiligen Lageberichte den Anforderungen des § 322 Abs. 6 HGB entsprächen, sei unzutreffend gewesen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätten die Lageberichte einem durchschnittlich informierten und unbefangenen Leser den Eindruck vermittelt, dass die Geschäftsentwicklung der Anlagegesellschaft unverändert dadurch geprägt gewesen sei, dass sie neben den Beteiligungs- und Immobiliengeschäften in ihrem bisherigen Hauptgeschäftsfeld des Erwerbs kapitalbildender Lebens- und Rentenversicherungen im Sekundärpolicenmarkt tätig gewesen sei, wobei das ursprüngliche Geschäftsmodell darin bestanden habe, die Policen regelmäßig bis zu ihrem vertragsgemäßen Ende fortzuführen und dann gewinnbringend zu verwerten. Tatsächlich habe die Anlagegesellschaft ihr Hauptgeschäftsfeld aber jedenfalls seit den Geschäftsjahren 2009 und 2010 nicht mehr in der in den Lageberichten und in den Jahresabschlusserläuterungen beschriebenen Art und Weise verfolgt. Vielmehr haben diese ihr Geschäftsmodell systematisch dahin umgestellt, dass sie im Rahmen von sogenannten Eigengeschäften großvolumige fondsgebundene, gewöhnlich auf unternehmenszugehörige Personen lautende Lebens- und Rentenversicherungen erwarb beziehungsweise vermittelte. Diese Neuausrichtung der Geschäfte weg von Zweitmarktgeschäften mit gebrauchten klassischen Lebens- und Rentenversicherungen hatte zur Folge, dass diese Eigengeschäfte auf die Generierung zusätzlicher Provisionseinnahmen zielten, die allerdings aufgrund stornohaftungsähnlicher Vereinbarungen nur dann fließen, wenn die versicherungsnehmende Gesellschaft beziehungsweise Person finanziell in der Lage war, die vereinbarten hohen Versicherungsprämien aufzubringen. Die Vermittlungsgeschäfte „zu eigenen Gunsten‟ hätten eine erhebliche Verbreiterung der Bilanz durch die Aktivierung von Provisionserlösen ermöglicht, die Anlagegesellschaft habe jedoch nicht mehr von den angeblich günstigen Zugriffsmöglichkeiten auf klassische Zweitmarktpolicen mit deren idealem Investitionsumfeld profitieren können.

Der Beklagte habe die dargestellten Mängel der Lageberichte in den Geschäftsjahren 2009 und 2010 im Rahmen seiner Prüfertätigkeit auch erkannt, so dass beanstandungspflichtige Einwendungen im Sinne des § 289 Abs. 4 und Abs. 6 HGB vorlagen. Danach habe der Beklagte in bewusster Abweichung von eigenen Erkenntnissen und den erzielten Prüfungsergebnissen zu Unrecht testiert, dass die Lageberichte ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens vermittelten und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung richtig dargestellt seien.

Dies rechtfertige die Annahme, dass der Beklagte im Sinne des § 826 BGB sittenwidrig gehandelt habe.

Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige Gutachten und Testate komme ein Sittenverstoß bei einer besonders schwer wiegenden Verletzung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwidrig sei dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nehme, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genüge. Der Sittenverstoß setze ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Diese allgemeinen Grundsätze der Expertenhaftung seien unmittelbar anwendbar, wenn – wie im Streitfall – einem Wirtschaftsprüfer angelastet wird, ein unrichtiges Testat erteilt zu haben. Die Vorlage eines unrichtigen Bestätigungsvermerks allein reiche dabei nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, dass der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint.

Dies hat der BGH im vorliegenden Fall bejaht, da der Beklagte positive Kenntnis von der Unrichtigkeit seiner Testierung gehabt habe. Dies ergebe sich daraus, dass  sich der Beklagte der Abhängigkeiten und Risiken durch das auf Eigengeschäften basierendem geänderten Geschäftsmodell der Anlagegesellschaft bewusst gewesen sei und sich damit die punktuelle Erwähnung einzelner Risiken ohne Zusammenhänge und Wechselwirkungen in den Lageberichten als offensichtlich unzureichend darstellte. Der Beklagte sei seiner gesetzlichen Verpflichtung als unabhängiger Experte nicht nachgekommen und habe die potentiellen Anleger in trügerischer Sicherheit gewogen, indem er die Risikodarstellung in den Lageberichten der Geschäftsjahre 2009 und 2010 beanstandungsfrei testiert habe. Dadurch sei es der Gesellschaft möglich gewesen, ihre nahezu einzige Refinanzierungsquelle – die Orderschuldverschreibungen – aufrecht zu erhalten. Bei der gebotenen Gesamtschau sei dieses Verhalten des Beklagten als gewissenlos und verwerflich zu bewerten, wobei das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, den Beklagten gerade auch in Bezug auf die arglos zeichnenden Anleger treffe.

Der BGH hat auch die Kausalität der Pflichtverletzung bejaht. Insoweit sei es irrelevant, dass der Kläger die Bestätigungsvermerke des Beklagten nicht eigenständig zur Kenntnis genommen habe, da die Zeichnung der Orderschuldverschreibungen über die Vermittlerin erfolgt sei, die eine prospektgestützte Beratung durchgeführt habe und Kenntnis von den Basisprospekten nebst Jahresabschlüssen, Lageberichten und Bestätigungsvermerken des Beklagten gehabt habe.

Insoweit greifen die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze über die Beeinflussung der Anlageentscheidung durch Prospektfehler ein, die unabhängig davon gelten, ob das Schadensersatzbegehren auf vertragliche oder deliktische Ansprüche gestützt werde. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler auch ohne Kenntnisnahme des Prospekts durch den Anleger für die Anlageentscheidung ursächlich werde, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet werde, weil dann die Anleger auf andere als die im Prospekt genannten Risiken nicht hingewiesen werden könnten.

Es sei nicht erforderlich, dass der unrichtige Bestätigungsvermerk des Beklagten zum Scheitern der Anlage geführt habe, weil der Anlageentschluss des Anlegers regelmäßig das Ergebnis einer Gesamtentscheidung darstelle, bei der alle Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken der betreffenden Anlage gegeneinander abgewogen worden seien und durch unzutreffende Informationen des Prospekts in das Recht des Anlegers eingegriffen worden sei, in eigener Entscheidung und Abwägung darüber zu befinden, ob er in die Anlage investieren wolle oder nicht.

Eine Widerlegung der Vermutung für die Ursächlichkeit der fehlerhaften Bestätigungsvermerke im Prospekt käme nur dann grundsätzlich in Betracht, wenn der Prospekt bei dem konkreten Vertragsschluss keine Verwendung gefunden hätte. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Auch wenn die Vermittlerin dem Kläger nicht alle in dem Prospekt aufgenommenen Einzelheiten mitgeteilt hatte und die Lageberichte und deren Bestätigungen durch den Beklagten nicht besprochen wurden, sei dennoch dieser Prospekt dem Vertriebskonzept entsprechend die Grundlage des Beratungsgesprächs und der Anlageentscheidung des Klägers gewesen.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


IRR-Methode kein Prospektfehler und weiteres zur Anlageberaterhaftung vom BGH

Simone EibenSimone Eiben

BGH, Urteil vom 15.08.2019 — Aktenzeichen: III ZR 205/17

Leitsatz
1. Zur ordnungsgemäßen Risikoaufklärung des Anlegers bei der Zeichnung von Beteiligungen an geschlossenen Fonds und der diesbezüglichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

2. Verlangt der Anleger den Ersatz entgangener Anlagezinsen, so muss er darlegen, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich alternativ entschieden hätte (Bestätigung von Senat, Urteil vom 16. Mai 2019 – III ZR 176/18, WM 2019, 1203, 1207 Rn. 30 und Anschluss an BGH, Urteil vom 24. April 2012 – XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13).

3. Zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Sachverhalt
Die Klägerin hat die Beklagte teils aus eigenem Recht, teilt aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung in Anspruch genommen. Die Klägerin hat sich an insgesamt neun verschiedenen Fonds beteiligt. Im Prozess hat sie geltend gemacht, sie sei weder anleger- noch anlagegerecht beraten worden
Das Landgericht hatte die Klage zunächst abgewiesen; das OLG der Klage teilweise stattgegeben.

Entscheidung
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Im Rahmen seiner Entscheidung hat sich der BGH mit einigen seit langem in der Rechtsprechung diskutierten Fragen auseinandergesetzt und hierzu folgende Entscheidungen getroffen:

  1. Zur Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, die Emissionsprospekte seien nicht rechtzeitig übergeben worden:
    Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH trägt derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Dementsprechend trägt der Anleger für seine Behauptung, der Emissionsprospekt sei nicht rechtzeitig übergeben worden, die Darlegungs- und Beweislast. Räumt der Anleger die erfolgte Übergabe des Emissionsprospektes ein, behauptet jedoch, die Übergabe sei nicht rechtzeitig erfolgt, handelt es sich hierbei – anders als im Fall der Behauptung der unterbliebenen Übergabe – um die Behauptung einer positiven Tatsache (betreffend den Zeitpunkt der Übergabe). Deren Darlegung ist dem Anleger grundsätzlich möglich und zumutbar.
    Hat die darlegungsbelastete| Partei die von ihr darzulegende Tatsache substantiiert behauptet, hat die sodann erklärungsbelastete Gegenpartei – soll ihr Vortrag beachtlich sein – die Behauptung grundsätzlich ebenfalls substantiiert, d. h. mit näheren positiven Angaben, zu bestreiten. Mit einem bloß schlichten Bestreiten darf sie sich regelmäßig nicht begnügen. Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt indes voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich und zumutbar ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben. Die Maßgaben der Möglichkeit und Zumutbarkeit des bestreitenden Gegenvorbringens gelten insbesondere auch für die Darlegung, wann und unter welchen Umständen ein Anlageprospekt übergeben worden ist.
    Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte behauptete, die Emissionsprospekte seien der Klägerin mindestens zwei Wochen vor Zeichnung von der Beraterin übergeben worden. Insbesondere unter Berücksichtigung, dass die vormalige Beraterin nicht mehr als Mitarbeiterin oder Handelsvertreterin für die Beklagte tätig war und damit der Beklagten auch nicht (mehr) näher stand als der Klägerin, hat der BGH den entsprechenden Vortrag der Beklagten als ausreichend erachtet. Die Beklagte hatte an die vormalige Beraterin schriftliche Anfragen zu Inhalt und Ablauf der Beratungsgespräche gestellt, die diese jedoch nicht beantwortet hatte. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass ein darüber hinausgehendes Vorgehen, etwa unter Hinweis auf eine nachwirkende Auskunftspflicht oder auf bei Nichterfüllung dieser Pflicht beruhende Schadensersatzansprüche, der Beklagten nicht zumutbar sei. Solche Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes, verbunden möglicherweise mit ihrer langwierigen prozessualen Durchsetzung und deren nicht absehbarem Erfolg, können von dem Gegner einer darlegungs- und beweisbelasteten Partei auch in Abwägung mit deren Interessen nicht gefordert werden
    Diese Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast hatte das Berufungsgericht nicht beachtet, sondern die Behauptung der Klägerin, die Prospekte seien erst am jeweiligen Zeichnungstag übergeben worden, rechtsfehlerhaft als unstreitig, weil von der Beklagten nicht erheblich bestritten, zugrunde gelegt.
  2.  Der BGH hat des Weiteren die bisherige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass es sich bei der internen Zinsfußmethode (IRR-Methode) um einen vertretbaren Weg der Renditeberechnung handelt, bestätigt. Den Aufklärungspflichten eines Anlageberaters ist daher genügt, wenn auf die Besonderheiten dieser Berechnungsmethode, insbesondere auf die mangelnde Vergleichbarkeit mit Renditeangaben von einfacher strukturierten Anlagen (z. B. Spareinlagen oder festverzinslichen Wertpapieren), im Emissionsprospekt hingewiesen wird (sofern dieser rechtzeitig vor Zeichnung übergeben wird)
  3. Der BGH hat des Weiteren entschieden, dass maßgeblich für eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Blind-Pool-Risiken ist, dass dem Anleger verdeutlicht wird, dass noch nicht feststeht, in welche konkreten Sachanlagen und Projekte investiert wird und welche Nachteile dem Anleger hieraus erwachsen können.
  4. Hinsichtlich eines Fonds hatte die Beklagte der Klägerin den Emissionsprospekt übergeben und 10 Tage später hatte der Ehemann der Klägerin die Zeichnung der Anlage vorgenommen. Der BGH hat entschieden, dass bei dieser Sachlage der Anlageberater berechtigterweise annehmen darf, dass der Ehemann der Klägerin ausreichend Gelegenheit zur Prospekttüre hatte. Es erscheint lebensnah, dass ein Ehemann, der an dem Zeichnungs-/Beratungstermin teilnimmt, in dem die Prospektübergabe an seine Ehefrau stattfindet, und sich 10 Tage später zur Zeichnung derselben Beteiligung entschließt, dies aufgrund der teilgehabten Beratung tut. Im Übrigen habe der Ehemann mit der Unterzeichnung des Beraterbogens zum Ausdruck gebracht, dass er die Beratung sowie die Prospektübergabe auch für sich gelten lassen wolle. Darauf, ob er den Prospekt tatsächlich gelesen habe, komme es hingegen nicht an. Es liege im Verantwortungsbereich des Anlegers zu entscheiden, ob er den Prospekt innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden – ausreichenden – Zeit zur Kenntnis nehmen will oder nicht. Nimmt er die Informationen nicht zur Kenntnis, geht dies zu seinen Lasten.
  5. Hinsichtlich geltend gemachter Ansprüche auf Ersatz von Zinsausfallschäden hat der BGH nochmals klargestellt, dass hierzu Vortrag erforderlich ist, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sich die Klagepartei sonst entschieden hätte.
  6. Auch zur Entstehung außergerichtlicher vorprozessuale Anwaltskosten hat der BGH nochmals klargestellt, dass die Frage, ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats ist. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtlicher Einigungsversuche erfolglos bleiben.
    Im vorliegenden Fall hatte die dortige Klägerin bereits eine Vollmacht erteilt, die ausdrücklich auch die Prozessführung umfasste. Der BGH sah damit für das Entstehen einer Geschäftsgebühr keinen Raum mehr

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


OwnerShip MS MarCliff Schifffahrtsgesellschaft: Landgericht Hamburg kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität erkennen

LG Hamburg, Urteil vom 11.1.2018 — Aktenzeichen: 332 O 98/16

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen der Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der OwnerShip MS MarCliff Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Der Kläger macht u.a. geltend, das Totalverlustrisiko sei unzureichend dargestellt worden. Zudem soll die Darstellung zum unternehmerischen Charakter der Beteiligung und zum Wechselkursrisiko unzutreffend gewesen sein. Dies soll insbesondere ein angeblich nicht dargestelltes Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG betroffen haben. Fehlerhaft soll auch ein Hinweis auf eine mögliche Umflaggung des Schiffes nach dem Flaggenrechtsgesetz und zu Schiffsgläubigerrechten unterlassen worden sein.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht ist der Auffassung, dass der Prospekt nicht fehlerhaft ist. Das Landgericht sieht das vermeintlich bestehende Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG als nicht aufklärungsbedürftig an. Den Vortrag zu angeblichen Risiken einer möglichen Umflaggung nach dem Flaggenrechtsgesetz hält das Landgericht nicht für substantiiert. Einen Hinweis auf Schiffsgläubigerrechte nach § 596ff. HGB hält das Landgericht nicht für erforderlich, da es sich hierbei um ein allgemeines wirtschaftliches Risiko ohne besonderen Bezug zur Anlage handelt, auf das nicht gesondert hinzuweisen ist. Insgesamt hält das Landgericht den Prospekt für korrekt und hat somit den geltend gemachten Prospektfehlern eine Absage erteilt.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Der BGH äußert sich zur Berechnung der Vertriebsprovisionen bei geschlossenen Fonds und zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der nicht rechtzeitigen Übergabe des Emissionsprospektes

BGH , Urteil vom 19.10.2017 — Aktenzeichen: III-ZR 565/16

Leitsatz
1. Anlagevermittler und Anlageberater haben den Erwerber einer von ihm vermittelten Kapitalanlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten. In die Berechnung der Vertriebsprovision ist ein auf das Beteiligungskapital zu zahlendes Agio einzubeziehen.

Orientierungssatz: Der Anleger trägt für die nicht rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospektes die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis der negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei für die behauptete fehlende Übergabe substantiiert bestreiten muss. Im Regelfall geschieht dies durch die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben wurde. Begegnen im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu bringen vermag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden.

Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds in Anspruch. Nach Auffassung des Klägers überschritten die Vertriebsprovisionen inklusive Agio im Verhältnis zu dem von den Anlegern einzubringenden Eigenkapital eine Höhe von 15 %. Die Beklagtenseite war der Auffassung, dass die Quote von 15 % nicht überschritten worden sei, da das Agio bei der Berechnung außen vor gelassen werden müsse. Ohne Einbeziehung des Agios lagen die Vertriebsprovisionen bei genau 15 % im Verhältnis zu dem einzubringenden Eigenkapital.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung hinsichtlich der aufklärungspflichtigen Höhe von Provisionen und Vertriebskosten das Agio hinzuzurechnen ist. Der BGH begründet dies damit, dass es für den Anleger bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Anlage auf den von ihm insgesamt zu zahlenden Betrag ankommt. Für den Anleger sei es allein von Bedeutung, in welchem Umfang das von ihm eingebrachte Eigenkapital in das Anlageobjekt investiert wird und wie hoch seine Rendite bezogen auf diese Summe ist; denn der Anleger wird stets den Gesamtbetrag seiner Investitionen (einschließlich Agio) betrachten, um beurteilen zu können, ob sie sich hinsichtlich Werthaltigkeit und Rendite lohnt. Keine Rolle spielt es dabei nach Auffassung des BGH, dass dem Anleger bewusst ist, dass das Agio nicht in das Investitionsobjekt fließt, sondern für Kosten und Vergütungen verwendet wird. Übersteigen danach die bei dem Fonds anfallenden Kosten inklusive des Agios im Verhältnis zu dem von den Anlegern einzubringenden Eigenkapital eine Grenze von 15 %, ist hierüber aufzuklären.

Des Weiteren hat der BGH festgestellt, dass eine solche Aufklärung nach ständiger Rechtsprechung durch rechtzeitige Übergabe eines Emissionsprospektes erfolgen kann. Für die nicht rechtzeitige Übergabe ist der Anleger darlegungs- und beweispflichtig. Wird hierzu vom Anleger mit hinreichender Substanz vorgetragen, muss der Vermittler dies substantiiert bestreiten. Dabei muss dem Vermittler die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben worden ist, zumutbar sein. Begegnet im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu verbringen mag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden. Anderenfalls würde in einem solchen Fall, in dem sowohl der darlegungs- und beweisbelasteten Partei als auch der Gegenpartei Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, letztlich die Darlegungslast vollständig umgekehrt und der Gegenpartei — unabhängig von ihren Kenntnissen und Erkenntnismöglichkeiten — auferlegt. Dies wäre durch die Darlegungsschwierigkeiten des Anspruchstellers bei negativen Tatsachen nicht gerechtfertigt. Begegnet demnach die für die negative Tatsache nicht beweispflichtige Partei — mit zumutbarem Aufwand nicht überwindbaren — Schwierigkeiten und kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt von keiner Partei aufgeklärt werden, geht dies zu Lasten der Partei, die die Darlegungslast trägt — im vorliegenden Fall des Anlegers.

Bewertung: Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung der aufklärungspflichtigen Kosten das Agio mit einzubeziehen ist. Nicht geklärt ist allerdings die Frage, was in den Fällen passiert, in denen einem Anleger das Agio erlassen wurde und ob auch dann das Agio bei der Berechnung der aufklärungspflichtigen Kostenquote zu berücksichtigen ist.

Des Weiteren hat der BGH festgestellt, dass in den Fällen, in denen eine Anlagevermittlungsgesellschaft zum Beispiel von einem früher dort tätigen Handelsvertreter keine Auskünfte erhält, lediglich verpflichtet ist, Nachfragen bei dem Vermittler hinsichtlich der Übergabe des Prospektes und der Umstände der Vermittlung zu stellen. Antwortet der damalige Vermittler auch mehrfach nicht auf entsprechende Anfragen, ist ein darüberhinausgehendes Vorgehen von der Vermittlungsgesellschaft nicht gefordert. Um der Substantiierungslast dann zu genügen, kann sich die Vermittlungsgesellschaft auf die schriftlichen Unterlagen und somit die üblicherweise in den Zeichnungsscheinen von den Anlegern bestätigte Übergabe des Emissionsprospektes berufen. Im vorliegenden Fall hatte der Anleger behauptet, er habe den Prospekt überhaupt nicht erhalten. Gleichwohl hatte er den Erhalt des Emissionsprospektes im Zeichnungsschein quittiert. Dem BGH genügte die von der Vermittlungsgesellschaft auf das von dem Kläger unterschriebene Empfangsbekenntnis gestützten Behauptung einer erfolgten Prospektübergabe. Nach Auffassung des BGH ist dann über diesen Punkt ggfls. Beweis durch Vernehmung des Anlegers zu erheben, wobei der Anleger nach wie vor beweisen muss, dass er den Prospekt nicht erhalten hat.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Das Brandenburgische Oberlandesgericht äußert sich zu der Beweiskraft von unterzeichneten Beratungsprotokollen

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 2.11.2017 — Aktenzeichen: 12 U 241/16

Sachverhalt
Die Klägerin hat den Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung bzw. Anlagevermittlung in Anspruch genommen. Die Klägerin hatte eine Beratungsdokumentation unterzeichnet, in der sie die Aufklärung über Risiken, die spekulative Risikobereitschaft und den Erhalt der Prospekte bestätig hat. Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin die angeblich fehlerhafte Beratung nicht bewiesen hat. Dabei komme einem von dem Anleger unterzeichneten Beratungsprotokoll eine besondere Beweiskraft zu, welche die Klägerin im vorliegenden Fall nicht entkräftet habe. Steht nämlich die Echtheit der Unterschrift eines Anlegers auf einem Protokoll nicht in Frage, wird gemäß § 440 Abs. 2 ZPO die Übereinstimmung des Urkundentextes mit dem Willen des Ausstellers vermutet, sodass Inhaltsmängel wie eine nachträgliche Manipulation von der Anspruchstellerseite zu beweisen sind. Die aus der Urkunde vorhandene Vermutung der Richtigkeit des Vorbringens der Beklagtenseite hatte die Klägerin dann nicht entkräften können.

Bewertung:

Mit angenehmer Deutlichkeit hatte sich das Brandenburgische Oberlandesgericht zu der Frage der Beweiskraft von Beratungsprotokollen geäußert. Mit der bloßen Behauptung eines Anlegers, er habe den Inhalt des Beratungsprotokolls nicht zur Kenntnis genommen und sei gleichwohl nicht über die in dem Beratungsprotokoll beschriebenen Risiken und Umstände aufgeklärt worden, kann ein Anleger die Beweiskraft der schriftlichen und von ihm unterzeichneten Protokolle und die daraus folgende Vermutung der Richtigkeit nicht entkräften.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Verjährung von Schadensersatzansprüchen: rechtsmissbräuchliche Berufung auf die Hemmung der Verjährung durch Einreichung eines Güteantrags

OLG München, Urteil vom 19.10.2017 — Aktenzeichen: 23 U 1961/16

Leitsatz
1. Die 10-jährige (absolute) Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB läuft bei einem Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung mit Beginn des Tages nach Zeichnung der Anlage an und endet nach 10 Jahren mit Ablauf des Tages der Anlage.

2. Dem Anleger ist es gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Einreichung eines Güteantrages) zu berufen, wenn schon vor Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen der Zeichnung einer Beteiligung an dem Equity Pictures Medienfonds III. Die Klägerin beteiligte sich am 17.12.2004 als Anlegerin. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.11.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zum Schadensersatz bis zum 20.12.2014 auf. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 02.12.2014 unter Hinweis auf die eingetretene Verjährung die geltend gemachten Ansprüche zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2014 stellte die Klägerin bei der Gütestelle einen Antrag auf Einleitung eines Güteverfahrens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG sind die Ansprüche der Klägerin verjährt. Die 10-jährige absolute Verjährungsfrist lief mit Tagesbeginn des 18.12.2004, einen Tag nach der Zeichnung, an und endete mit Ablauf des 17.12.2014. Die Verjährung wurde durch Einreichung des Güteantrages vom 17.12.2014 nicht wirksam gehemmt, da es der Klägerin gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine Hemmung durch Einleitung des Güteverfahrens zu berufen. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Hemmung durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Güteantrages oder – wenn die Veranlassung demnächst erfolgt – schon durch Einreichung gehemmt. Auf eine solche Hemmung kann sich ein Anspruchsteller aber nicht berufen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrages feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und dies dem Antragsteller im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. Im vorliegenden Fall war unstreitig, dass dem Klägervertreter aus der Vielzahl von bereits geführten Verfahren bekannt war, dass die Beklagte an einem Güteverfahren nicht teilnimmt. Darüber hinaus hatte die Beklagte in eindeutiger Weise im Vorfeld des Güteverfahrenes zu verstehen gegeben, die Durchführung eines Güteverfahrens abzulehnen. Die Beklagte hatte die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unter Berufung auf die eingetretene Verjährung zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund musste die Klägerin damit rechnen, dass sich die Beklagte auch im weiteren Verfahren auf die Verjährung berufen werde. Dabei ist das OLG der Auffassung, dass die Kenntnis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin von den Umständen ausreichend ist. Auf die Kenntnis der Klägerin von den näheren Umständen kommt es nicht an.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Schadensersatzanspruch gem. §§ 823 II BGB i.V.m. 32 KWG scheidet aus bei unvermeidbarem Verbotsirrtum des Schädigers

BGH, Urteil vom 27.6.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 424/16

Leitsatz
1. Hält der Täter des § 54 KWG seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so unterliegt er aus strafrechtlicher Sicht einem Verbotsirrtum im Sinne des § 17 I StGB. Ist dieser unvermeidbar, so scheidet eine Haftung nach § 823 II BGB aus. 2. Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Täters bei der zuständigen Aufsichtsbehörde dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, so scheidet seine Haftung nach § 823 II BGB in Verbindung mit dem betreffenden Strafgesetz in Folge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Täter eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat.

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Der Beklagte war Mitglied des Verwaltungsrats der S-AG, die von Kunden Kapitallebensversicherungen ankaufte, die Policen über Treuhänder kündigen ließ und die von den Versicherern in der Folge ausgezahlten Gelder vereinnahmte. Im Gegenzug verpflichtete sie sich den Kunden gegenüber zu Zahlungen, die über den bei Kündigung durch die Kunden selbst zu zahlenden Rückkaufswerten liegen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollten. Über eine Erlaubnis nach § 32 KWG verfügte die S-AG nicht. Bei der Entwicklung des Geschäftsmodells hatte die S-AG anwaltlichen Rat eingeholt mit dem Ergebnis, dass keine Genehmigung erforderlich sei. In den Jahren 2009/2010 schloss die Klägerin mit der Beklagten unter Mittlung eines Treuhänders entsprechende Geschäfte. Die BaFin vertrat im Jahr 2011 die Auffassung, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene Geschäft kein Einlagengeschäft i.S.d. § 1 I 2 Nr. 1 KWG darstellte. Im Jahr 2012 vertrat die BaFin die gegenteilige Auffassung. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche aus §§ 823 II BGB i.V.m. § 32 KWG geltend. Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidung
Nach der Entscheidung des BGH scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32 Abs. 1,54 KWG, schon deshalb aus, da sich der Beklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Wenn der Täter des § 54 KWG seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig hält, so unterliegt er nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus strafrechtlicher Sicht einem Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB. Ein solcher Verbotsirrtum führt gemäß § 17 Satz 1 StGB zur Schuldlosigkeit, wenn er unvermeidbar war. Zivilrechtlich scheidet in einem solchen Fall eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus. Dabei hat der BGH offen gelassen, ob das durchgeführte Geschäft überhaupt einer Erlaubnis bedurft hätte. Denn selbst wenn, hätte sich der Beklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gefunden. Dabei musste der BGH nicht entscheiden, ob sich der Beklagte auf die eingeholte anwaltliche Auskunft habe verlassen dürfen. Allerdings hat der BGH insoweit ausgeführt, dass das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen vermöge. Wende sich der Kläger an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so habe er damit zwar in der Regel das zunächst Gebotene getan. Jedoch sei weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen habe vertrauen dürfen. Dies sei nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar sei oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben könne, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Ein zur Absicherung bestelltes „Gefälligkeitsgutachten“ scheide als Grundlage eines unvermeidbaren Verbotsirrtums aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft seien oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollten, könnten den Kläger ebenfalls nicht entlasten. Bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen sei regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen. Auf all das kam es vorliegend jedoch nicht an, da die eingeholte rechtsanwaltliche Auskunft mit der (damaligen) Auffassung der BaFin übereinstimmte. Insoweit sei zu prüfen, ob eine – unterbliebene – Erkundigung, wäre sie erfolgt, zu einer richtigen Auskunft geführt hätte. Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Täters dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, so scheidet, so der BGH, eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem betreffenden Strafgesetzbuch infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Täter eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat. Da die BaFin im Jahr 2011 die Auffassung vertrat, das durchgeführte Geschäft sei nicht erlaubnispflichtig, hat der BGH eine Haftung des Beklagten im vorliegenden Fall verneint.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


MS PCE Madeira: Oberlandesgericht Nürnberg kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität feststellen

OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.10.2017 — Aktenzeichen: 4 U 545/17

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der MS PCE Madeira Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Der Kläger macht unter anderem geltend, der Hinweis auf eine aktuelle Markterholung und den damit verbundenen Anstieg der Charterraten sowie auf erfreuliche Ertragsreserven sei eine im Februar 2011 zu Schiffsbeteiligungen geäußerte unzutreffende Ansicht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG mit Beschluss zurückgewiesen.

Entscheidung
Das OLG ist der Auffassung, dass die Darstellung zu einer aktuellen Erholung des Marktes nicht unzutreffend war und der Kläger nicht dargelegt hat, woran der Vermittler eine angebliche Fehlerhaftigkeit der Aussage hätte erkennen können. Darüber hinaus kommt das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte vorgetragen wurden, aus denen sich ergeben musste, dass der im Prospekt geschätzte Schrottwert von 3,6 Millionen USD nicht vertretbar geschätzt wurde.

Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht den klägerisch geltend gemachten Prospektfehlern eine Absage erteilt.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info


Rechtsprechung des BGH zu Prospektfehlern in Emissionsprospekten

BGH, Urteil vom 9.5.2017 — Aktenzeichen: II ZR 344/15

Leitsatz
Ein Beteiligungsprospekt muss weder einen Hinweis auf einen teilweisen Ausfall der Mittelverwendungskontrolle in Vorgängerfonds der Serie enthalten noch darauf, dass das im Prospekt beschriebene Fremdfinanzierungskonzept mangels Vorliegens der Voraussetzungen des erweiterten Verlustausgleichs von vornherein steuerlich nicht anerkannt werde. Der Hinweis im Prospekt auf ein bestehendes Totalverlustrisiko wird durch den Zusatz „im Extremfall“ nicht entwertet. (Red. Leitsatz)

Sachverhalt
Der Kläger hat sich im Dezember 2004 als Direktkommanditist an einer Publikumsgesellschaft beteiligt. Die Beklagte war Treuhandkommanditistin mit einer eigenen Einlage i. H. v. 1.000,00 €. Im September 2004 wurde sie als Kommanditistin in das Handelsregister eingetragen. Zugleich war die Beklagte von März 2004 bis August 2011 Mittelverwendungskontrolleurin.

Im Jahr 2014 wurde der Kläger vom Finanzamt zu einer Steuernachforderung veranlagt, da das Finanzamt die Verluste i.H. des von der Fondsgesellschaft aufgenommenen Fremdkapitals aberkannt hat.

Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, insbesondere unter Verweis auf bestehende Prospektfehler verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung wegen eines Teilanspruchs im Wesentlichen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg und hat zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt.

Entscheidung
Der BGH hat ausgeführt, dass die Beklagte grundsätzlich gegenüber Kapitalanlegern hafte, die wie der Kläger nach ihr dem Fonds beigetreten seien und dabei über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden seien. Der Beklagten oblägen als Altgesellschafter grundsätzlich Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber den später beitretenden Gesellschaftern, da der Aufnahmevertrag bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen werde. Bei einer Publikumsgesellschaft sei eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zwar insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind. Unter dieser Ausnahme falle die Beklagte allerdings nicht, da die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen verfolge, sondern als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden gewesen sei und hierfür eine jährliche Vergütung erhalten habe.

Der BGH hat jedoch hinsichtlich der vom Berufungsgericht gesehenen Prospektfehler solche verneint.

1. Zum einen müsse ein Beteiligungsprospekt keinen Hinweis auf den teilweisen Ausfall der Mittelverwendungskontrolle in einem Vorgängerfonds der Serie enthalten. Das allgemeine (abstrakte) Risiko, das die Verwirklichung des Anlagekonzeptes bei Pflichtwidrigkeiten der Personen, in deren Händen die Geschicke der Anlagegesellschaft liegen, gefährdet sei, könne als dem Anleger bekannt vorausgesetzt werden und bedürfe grundsätzlich keiner besonderen Aufklärung. Pflichtverletzungen seien regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage. Anders könne es liegen, wenn bestimmte Pflichtverletzungen aus strukturellen Gründen sehr naheliegend seien. Allerdings sei auch dann nur ein Hinweis auf ein Risiko des streitgegenständlichen Fonds erforderlich, nicht aber auf ein pflichtwidriges Verhalten der Komplementärin in einem Vorgängerfonds. Im Übrigen seien solche strukturellen Gründe in dem vom BGH zu entscheidenden Fall nicht ersichtlich. Allein die Möglichkeit der Umgehung der Mittelverwendungskontrolle begründe keine Aufklärungspflicht. Auch wirke sich die Umgehung der Mittelverwendungskontrolle im Vorgängerfonds nicht auf die Struktur des Nachfolgefonds aus. Auch daraus, dass wieder diejenigen Personen handeln, die bereits einmal Gelder ohne Mittelverwendungskontrolle investiert haben, ergebe sich ohne zusätzliche Anhaltspunkte keine strukturelle Wiederholungsgefahr.

2. Eine Aufklärungspflicht lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer im Prospekt beworbenen Vertrauenswürdigkeit der hinter dem Fondskonzept stehenden Geschäftsführung bejahen. Der zweckentsprechenden Verwendung von Geldern für die Produktion eines Films lediglich unter einmaliger Außerachtlassung der gesellschaftsinternen Verwendungskontrolle bei einem Vorgängerfonds komme eine solche vertrauenserschütternde Eignung nicht zu.

3. Der BGH hat weiter festgestellt, dass die Prospektangaben im Hinblick auf die Gefahr der Nichtanerkennung des steuerlichen Konzeptes den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anleger genügen. Im Regelfall genüge insoweit der allgemeine Hinweis, dass die Beurteilung der Finanzverwaltung von der steuerrechtlichen Beurteilung im Prospekt abweichen könne und sich hieraus für den Anleger das Risiko ergeben könne, dass die prospektierten steuerlichen Folgen nicht eintreten. Eine weitergehende Hinweispflicht bestehe nur im Einzelfall, beispielsweise, wenn nach den konkreten Umständen eine klarstellende Abgrenzung zu ähnlichen, in ihrer steuerlichen Behandlung geklärten Konzeptionen geboten sei. Es bestehe jedenfalls keine allgemeine Pflicht, darauf hinzuweisen, dass die Konzeption eines Fonds in steuerlicher Hinsicht „neu“ sei und von der Finanzverwaltung bislang nicht abschließend überprüft bzw. in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei.

4. Ferner hat der BGH entschieden, dass es ausreichend ist, wenn im Prospekt auf das bestehende Totalverlustrisiko hingewiesen wird. Dieser Hinweis werde durch den Zusatz „im Extremfall“ nicht entwertet. Soweit in einem Prospekt nach der Dar-stellung verschiedener Risikoursachen ausgeführt werde, dass bei Eintritt kumulierter Risiken ein Totalverlustrisiko nicht gänzlich auszuschließen sei, werde der dadurch vermittelte Gesamteindruck der Möglichkeit eines Totalverlustes nicht auf eine nicht fassbare geringe Wahrscheinlichkeit zurückgeführt. Es werde lediglich der nach der allgemeinen Lebenserfahrung zutreffende Umstand zum Ausdruck gebracht, dass die Insolvenz einer Fondsgesellschaft und der damit einhergehende mögliche Totalverlust des Anlagekapitals in der Regel mehr als eine Ursache haben.

SCHLÜNDER | RECHTSANWÄLTE | Bismarckstraße 16  | 59065 Hamm | Deutschland
Tel. 02381 921 55-0 | FAX 02381 921 55-99 | Mail hamm@schluender.info