Keine generelle Pflicht des Notars, Einsicht in die Grundakten zu nehmen

BGH, Urteil vom 4.12.2008 — Aktenzeichen: III ZR 51/08, NJW 2009, 516 = WM 2009, 279

Sachverhalt
Im vom BGH entschiedenen Fall verlangten die Kläger vom beklagten Notar Schadensersatz, weil der Notar nicht in die Grundakten Einsicht genommen hatte. Bei der Beurkundung gingen alle Beteiligten davon aus, dass zu der verkauften Wohnung ein Zimmer im Dachgeschoss gehörte; dieses Zimmer stand jedoch im Gemeinschaftseigentum, war also nicht Bestandteil des von den Klägern erworbenen Sondereigentums. Dies war nur aus den Grundakten, die der Notar nicht eingesehen hatte, ersichtlich. Der Notar hatte die Beteiligten auch nicht darauf hingewiesen, dass sich allein aus den Grundakten der Umfang des Sondereigentums ermitteln lasse und dass er diese Grundakten nicht eingesehen habe.

Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Entscheidung
Der BGH führt im Einzelnen aus, dass sich eine generelle Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten weder aus § 21 Abs. 1 BeurkG noch aus § 14 BNotO ergibt. Grundsätzlich hat der Notar die Pflicht, sich über den Grundbuchinhalt zu unterrichten. Ansonsten soll er nur beurkunden, wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen. Eine generelle Pflicht zur Einsichtnahme der Grundbuchakten folgt daraus aber nicht. Zweck der Vorschrift ist, dass der Notar seinen Belehrungspflichten nachkommen kann und keine Urkunden erstellt werden, die nicht vollziehbar sind.

Die Pflicht zur Einsicht erstreckt sich aber dann auf den Inhalt der Grundakten, wenn die Grundbucheintragung auf dortige Vorgänge Bezug nimmt, die für das zu beurkundende Geschäft von Bedeutung sind. Bei dem Verkauf von Eigentumswohnungen die in Wohnungseigentumsanlagen belegen sind, wird diese Pflicht allerdings begrenzt, so dass eine Einsichtnahme in die Grundakten nur bei Vorliegen besonderer Umstände notwendig ist, etwa weil Zweifel am Umfang des Sondereigentums bestehen. Dies deshalb, weil die Ermittlung des Umfangs des Sondereigentums bei Wohnungseigentumsanlagen nicht ohne größeren Aufwand stattfinden kann, und sich dies ohne einen konkreten Anlass dafür als unverhältnismäßig darstellt. Zudem ist die Gefahr einer Fehlvorstellung über den Umfang des verkauften Wohnungseigentums gering, da sich regelmäßig die tatsächliche Nutzung der Räume in der Wohnungseigentumsanlage auch mit dem zugewiesenen Sondereigentum deckt.

Eine Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten ergibt sich auch nicht aus einer erweiterten Belehrungspflicht nach § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO; denn eine solche Pflicht setzt voraus, dass für den Notar erkennbar eine Gefahrenlage für die Urkundsbeteiligten besteht. Solange es keinen Anlass gibt, daran zu zweifeln, dass der Umfang des Sondereigentums und die tatsächliche Nutzung übereinstimmen, gibt es für den Notar keinen Grund, von einer Gefahrenlage auszugehen, die eine Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten begründet. Auch aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergibt sich keine Pflicht zur Einsichtsnahme in die Grundakte; denn der Notar darf sich regelmäßig auf die tatsächlichen Angaben der Beteiligten verlassen.

Es besteht auch keine Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG, wonach der Notar die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und darauf achten soll, dass Irrtümer und Zweifel vermieden werden. Zur rechtlichen Tragweite gehören die formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen sowie die außerhalb der Beurkundung erforderlichen weiteren Voraussetzungen zur Erreichung der mit dem Rechtsgeschäft beabsichtigten Wirkungen ferner die unmittelbaren Rechtsfolgen und etwaige Hindernisse beim Vollzug des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Die zu errichtende Urkunde soll den Willen der Beteiligten vollständig und inhaltlich richtig und eindeutig niedergeben. Diese Voraussetzung war gegeben; der Kaufvertrag konnte vollzogen werden. Fehl gingen lediglich die gemeinsamen Vorstellungen der Beteiligten über den Umfang des Wohnungseigentums. Im notariellen Vertrag genügt zur Bezeichnung der Wohnung jedoch die Angabe des betreffenden Wohnungsgrundbuches.

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Hinweispflichten des Notars im Rahmen eines Treuhandauftrages

BGH, Urteil vom 10.7.2008 — Aktenzeichen: III ZR 292/07

Sachverhalt
Im Rahmen eines Bauvertrages über die Errichtung einer Doppelhaushälfte war zwischen dem Kläger und dem Bauunternehmer die Abwicklung der vereinbarten Ratenzahlungen über ein Notaranderkonto vorgesehen. Der Notar wurde von dem Kläger angewiesen, die entsprechenden Teilbeträge an den Bauunternehmer auszukehren, sobald die Durchführung der Gewerke durch entsprechenden Bautenstandsbericht „unseres Bauleiters“ bestätigt ist. In der Folgezeit kam es zur Anzeige der Fertigstellung bestimmter Gewerke trotz bestehender Mängel, woraufhin der beklagte Notar die entsprechenden Teilbeträge auskehrte.

Der Kläger warf dem Notar eine Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der von ihm angenommenen Verwahrungsanweisung vor.

Der Beklagte blieb in allen Instanzen erfolglos und wurde antragsgemäß verurteilt.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass der Beklagte gegen die aus § 54a Abs. 3 BeurkG folgende Amtspflicht verstoßen hat, nur eine dem Sicherungsinteresse aller am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen gerecht werdende Treuhandanweisung anzunehmen. Der beklagte Notar habe es versäumt, den Kläger im Zusammenahng mit der von diesem zu erteilenden Verwahrungsanweisung auf die Risiken der Einschaltung eines möglicherweise nicht neutralen Dritten für die Bestätigung des jeweiligen Bautenstandes und damit der Auszahlungsvoraussetzungen hinzuweisen und nachzufragen, ob der Kläger sich ausreichend Gewissheit über die benannte Person , deren Stellung und Neutralität verschafft habe. Für die Verpflichtung zur Thematisierung dieser Frage komme es nicht darauf an, ob dem Notar bekannt sei, von wem die benannte Person vorgeschlagen wurde oder ob diese im Lager des Bauunternehmers steht.

Insbesondere sei bei Bauträgerverträgen darauf hinzuwirken, dass der Baufortschritt nicht nur von dem bauleitenden Architekten, sondern von einer unabhängigen Vertrauensperson, die kein eigenes Interesse an der Auszahlung haben könne, zu bestätigen sei oder Auszahlungen von der Zustimmung der Erwerber abhängig gemachten werden.

Der Notar dürfe sich nicht schlicht darauf verlassen, dass die Beteiligten ihre Sicherungsinterssen selbst ausreichend geprüft haben.

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Treuhandaufträge

BGH, Urteil vom 10.7.2008 — Aktenzeichen: III ZR 255/07 – WM 2008, 1662

Bei Abwicklung von Treuhandaufträgen entstehen Probleme häufig dann, wenn dem Notar Gelder anvertraut werden mit der Maßgabe, darüber, nur dann zu verfügen, wenn die Eintragung eines Rechts – Grundschuld — an bestimmter Rangstelle sichergestellt ist. Nach Rechtsprechung des BGH hat ein Notar Treuhandaufträge peinlich genau zu erfüllen. In Zweifelsfällen muss der Notar den Treuhandauftrag ablehnen; eine ergänzende Auslegung ist nicht zulässig. Der Begriff der Sicherstellung ist gesetzlich nicht geregelt. Der BGH hat dazu in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass der Begriff der „Sicherstellung“ sehr eng zu fassen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Eintragung eines Rechts oder eine Rechtsänderung im allgemeinen nur dann sichergestellt, wenn zur Eintragung nur noch das pflichtgemäße Handeln des hiermit betrauten Notars und des zuständigen Grundbuchbeamten erforderlich ist. Auf pflichtgemäßes Handeln anderer Personen, z. B. eines anderen Notars oder als vorrangigen Gläubigers darf sich ein Notar in solchen Fällen nicht verlassen. Es reicht daher für die Sicherstellung nicht aus, wenn z. B. für die Löschung eines vorrangig eingetragenen Rechts die Zusage der Gläubigerbank vorliegt oder das pflichtgemäße Handeln eines anderen Notars, der seinerseits einen Treuhandauftrag zu beachten hat, erforderlich ist.

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Belehrungspflicht des Notars bei Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH mit Sacheinlagen

BGH, Urteil vom 2.10.2007 — Aktenzeichen: III ZR 13/07

Leitsatz
Der Notar hat, wenn eine Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH mit Sacheinlagen erfolgen soll und Anlass zu Zweifeln an einer richtigen Bewertung der Sacheinlagen besteht, auf die Gefahr einer Differenzhaftung des Übernehmers hinzuweisen. Dabei kann auch über die Frage aufzuklären sein, ob eine einzubringende Gesellschafterforderung gegen die GmbH vollwertig ist.

Sachverhalt
Die Geschäfte einer GmbH liefen schlecht. Die Gesellschafter beschlossen daher, die Überschuldung der GmbH durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen sowie von Darlehen Dritter in Stammkapital zu beseitigen. Hierzu teilten sie dem Notar mit, die Gesellschafterdarlehen seien nicht eigenkapitalersetzend, die Darlehen seien zur Rückzahlung fällig, Einreden gegen die Rückzahlung oder Aufrechnungsmöglichkeiten der GmbH bestünden nicht.

Die Erhöhung des Stammkapitals wurde vorgenommen, die Zahlungen auf die Stammeinlagen sollten durch Verrechnung mit den gewährten Darlehen erfolgen.

In der Folgezeit wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Da sämtliche eingebrachte Darlehensforderungen nicht vollwertig waren, machte der Konkursverwalter gegen die Gesellschafter Ansprüche auf Bareinzahlung der Stammeinlage geltend. Diese traten an den Konkursverwalter ihre Schadensersatzansprüche gegen den beurkundenden Notar ab.

Die Vorinstanzen gaben der Klage des Konkursverwalters gegen den Notar statt.

Entscheidung
Die Nichtzulassungsbescherde des Notars hatte keinen Erfolg.

Der BGH bestätigte mit seinem Urteil seine bisherige Rechtsprechung, dass der Notar im Rahmen seiner Belehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 BeurkG den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und deren Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben muss. Hierbei dürfe der Notar zwar regelmäßig die tatsächlichen Angaben der Beteiligten ohne eigene Nachprüfung zugrunde legen. Lasse sich jedoch nicht ausschließen, dass die Beteiligten möglicherweise entscheidende Gesichtspunkte, auf die es für das Rechtsgeschäft ankommen kann, nicht erkennen oder rechtliche Begriffe, die auch unter Laien gebräuchlich sind und die sie ihm als Tatsaschen vortragen, falsch verstehen, müsse der Notar nachfragen.

Nach diesen Grundsätzen habe der Notar dann, wenn eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen erfolgen soll und Anlass zu Zweifeln an einer richtigen Bewertung der Sacheinlagen bestehen, auf die Gefahr der Differenzhaftung des Übernehmers gem. § 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG hinzuweisen. Zwar müsse der Notar grundsätzlich nicht die Werthaltigkeit der als Sacheinlage einzubringenden Gegenstände prüfen. Auf der anderen Seite müsse der Notar jedoch damit rechnen, dass Begriffe wie „Bareinzahlung“ oder, insbesondere in Fällen einzubringender Forderungen, der schwierige Rechtsbegriff des „eigenkapitalersetzenden Darlehens“ von den Beteiligten falsch verstanden werden. Dies gelte auch allgemein für die Frage, ob eine einzubringende Gesellschafterforderung gegen die GmbH mit Rücksicht auf deren wirtschaftliche Verhältnisse und den Grundsatz der Stammkapitalerhaltung auch „vollwertig“ ist. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen müsse sich der Notar deshalb Gewissheit darüber verschaffen, ob die Beteiligten die rechtliche Bedeutung solcher Begriffe richtig erfasst haben und sie notfalls hierüber aufklären.

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Belehrungspflichten des Rechtsanwalts bei mehreren Handlungsalternativen

BGH, Urteil vom 1.3.2007 — Aktenzeichen: IX ZR 261/03

Leitsatz
1. Der Anwalt muss dem Mandanten nicht notwendig eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise liefern, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage vermitteln. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen.

2. Nach Art und Umfang des Mandats kann eine eingeschränkte Belehrung ausreichend sein, etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit oder bei einem Aufwand, der außer Verhältnis zum Streitgegenstand steht. Inhalt und Umfang der Aufklärung haben sich nach den erkennbaren Interessen des Mandanten zu richten.

3. Zur Prüfung der Handlungsalternativen, die sich dem Auftraggeber bei pflichtgemäßer Beratung stellen, müssen deren jeweilige Rechtsfolgen miteinander und mit den Handlungszielen des Mandanten verglichen werden.

4. Dem Mandanten, der einen richtigen Vorschlag des Anwalts ablehnt, kommt im Haftungsprozess die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht zugute.

Sachverhalt
Die Klägerin hatte Ferkel unter Eigentumsvorbehalt an eine GmbH verkauft und geliefert. Da die Käuferin den Kaufpreis nicht zahlte, beauftragte die Klägerin, die eine Weiterveräußerung befürchtete, eine RA-Sozietät mit der Wahrnehmung ihrer Rechte.

Die beklagte Sozietät erklärte für die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag. Die Käuferin veräußerte die Ferkel weiter und wurde in einem Vorprozess verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich der Aufwendungen für die Mast zu leisten.

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz, weil ihr wegen des Rücktritts nicht der volle Kaufpreis zugesprochen wurde.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass aufgrund der im Berufungsverfahren ermittelten Tatsachen keine Pflichtverletzung des beklagten Anwalts vorlag.

Zwar ist der Rechtsanwalt, soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Hierzu muss sich der Rechtsanwalt über die Sach- und Rechtslage klar werden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen. Allerdings muss der Anwalt dem Mandanten nicht eine vollständige rechtliche Analyse darlegen. Vielmehr ist es ausreichend (und erforderlich), dem Mandanten die Hinweise zu geben, die ihm im Hinblick auf seine aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendigen Entscheidungsgrundlagen liefern. Hierfür ist eine annhähernd zutreffende Vorstellung über die Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteile zu vermitteln. Hierbei reicht es aus, wenn der Anwalt die wesentlichen Gesichtspunkte mitteilt. Eine lückenlose Aufklärung ist nicht erforderlich, da sie auch die Gefahr birgt, den Mandanten zu überfordern.

Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt hierauf hinzuweisen und eine entsprechend Empfehlung zu erteilen.

Im vorliegenden Fall waren von dem Rechtsanwalt der Klägerin die verschiedenen Möglichkeiten
a) Durchsetzung des Kaufpreises und Pfändung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache
b) Erklärung des Rücktritts , wodurch ein Herausgabeanspruch auf die gelieferte Sache entsteht, dem allerdings Verwendungseratzansprüche gegenüberstehen
c) Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung (altes Recht) und Forderung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung nebst Vor- und Nachteilen darzustellen.

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Anwaltshaftung für Kosten einer unschlüssigen Klage bei Deckungszusage durch den Rechtsschutzversicherer

OLG Koblenz, Urteil vom 16.2.2006 — Aktenzeichen: 5 U 271/05

Leitsatz
1. Erhebt der Rechtsanwalt schuldhaft eine unschlüssige Klage, ist der auf Erstattung der Prozesskosten gerichtete Schadensersatzanspruch des Mandanten nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Rechtsschutzversicherer die Kosten getragen hat.

2. Auch der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages geht nach § 20 Abs. 2 ARB auf den Rechtsschutzversicherer über. Diesen trifft wegen der Deckungszusage für die aussichtslose Klage in der Regel kein Mitverschulden.

Sachverhalt
Die Kläger haben den beklagten Rechtsanwalt aus eigenem und abgetretenen Recht auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages in Anspruch genommen. Aufgrund eines Brandschadens am Haus der Kläger entstand Streit mit dem Brandversicherer hinsichtlich der zu zahlenden Neuwertentschädigung. Der Feuerversicherer wies die Kläger in einem Schreiben darauf hin, dass der Versicherungsnehmer einen den Zeitwertschaden übersteigenden Ersatzanspruch nur erwirbt, wenn er fristgemäß sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.

Der Beklagte erhob namens und in Vollmacht der Geschädigten eine Leistungs- und Feststellungsklage gegen den Brandversicherer wegen der Entschädigungsleistung zum Neuwert. Die Klageschrift enthielt keinerlei Ausführungen zu der Frage, ob die Kläger die Entschädigung dafür verwenden werden, versicherte Sachen gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. Die Klage war daher unschlüssig, so dass der jetzige Beklagte die Klage in der ersten mündlichen Verhandlung zurücknahm. Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Klägern auferlegt und von der Rechtsschutzversicherung der Kläger getragen. Gleichwohl wollten die Kläger den Betrag von dem Beklagten erstattet haben, unter Berufung auf eine Abtretungserklärung des Rechtsschutzversicherers.
Entscheidung
Das OLG Koblenz hat den beklagten Rechtsanwalt zur Zahlung von Schadensersatz wegen der angefallenen Prozesskosten verurteilt.

Dieser Anspruch stand den Klägern aus abgetretenem Recht zu. Da der Rechtsschutzversicherer der Kläger sämtliche Kosten des Vorprozesses getragen hatte, waren gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 ARB die Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Beträgen, die der Versicherer für ihn geleistet hat, mit der Entstehung auf den Versicherer übergegangen. Davon wurden auch die Ansprüche der Kläger auf Erstattung von Prozesskosten erfasst, die diesen gegen ihren Rechtsanwalt wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages zustanden. Der von den Klägern behauptete Schadensersatzanspruch war mithin auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen und von diesem wiederum an die Kläger abgetreten worden.

Da der beklagte Rechtsanwalt eine unschlüssige Klage erhoben hatte, hatte er den mit den Klägern geschlossenen Anwaltsvertrag schlecht erfüllt und musste den Klägern mithin Schadensersatz leisten. Hieran ändert auch die Tatsache, dass der Rechtsschutzversicherer für die unschlüssige Klage eine Deckungszusage erteilt hatte, nichts. Die vertraglichen Pflichten eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten sind nach Auffassung des OLG Koblenz nämlich nicht dadurch modifiziert oder gar eingeschränkt, dass die Partei rechtsschutzversichert ist. Dass der Schaden wegen der Rechtsschutzversicherung und deren Deckungszusage nicht bei den Klägern verblieben ist, führe nicht zu einer Entlastung des Beklagten. Auch ein Mitverschulden des Rechtsschutzversicherers komme nicht in Betracht, da der Anwaltsvertrag einerseits und der Vertrag des Mandanten mit dem Rechtsschutzversicherer andererseits rechtlich selbständig seien. Im allein maßgeblichen Vertragsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant sei der Rechtsschutzversicherer nicht Erfüllungsgehilfe des Mandanten. Auch bestünde keine konkludente Prüfungspflicht des Rechtsschutzversicherers. Zum einen handele es sich bei der Rechtsbeziehung zwischen dem Mandanten und dem Rechtsschutzversicherer nicht um einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten des Anwalts. Zum anderen bestehe lediglich eine vertragliche Prüfungsbefugnis des Rechtsschutzversicherers, jedoch keine Prüfungspflicht. Der Rechtsschutzversicherer dürfe vielmehr darauf vertrauen, dass der Rechtsanwalt seine Vertragspflichten erfüllt und keine Deckungszusage für eine unschlüssige Klage einholt.

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Vorliegen einer Pflichtverletzung

OLG Hamm, Urteil vom 10.6.2005 — Aktenzeichen: 11 U 180/04

Über die Frage der Baugenehmigung für die von dem Käufer eines Grundstücks beabsichtigte Errichtung von Gebäuden auf dem Kaufgrundstück hat der Notar nicht aufzuklären bzw. diese Umstände nicht zu erfragen.

(Leitsatz des Verfassers)

Sachverhalt
Der Beklagte beurkundete am 20.03.01 einen Grundstückskaufvertrag, mit dem die Kläger ein unbebautes Grundstück, das im Grundbuch als Landwirtschaftsfläche verzeichnet war, zum Preis von 146.804,00 DM kauften. Die Stadt R. lehnte mit Bescheid vom 09.10.02 einen Antrag der Kläger auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Lagerhalle auf dem Kaufgrundstück ab mit der Begründung, die Abwasserbeseitigung sei nicht gesichert.

Die Kläger versuchten ohne Erfolg, Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufs und auf Schadensersatz gegen die Verkäufer gerichtlich geltend zu machen.

Nunmehr nahmen die Kläger den beklagten Notar auf Schadensersatz in Anspruch, wobei sie geltend machten, der Beklagte sei darüber informiert gewesen, dass die Kläger auf dem Kaufobjekt eine Lagerhalle und ein Wohnhaus errichten wollten. Er habe die Kläger pflichtwidrig nicht auf die vor Erteilung der Genehmigung bestehenden Risiken hingewiesen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten, da er keine Anhaltspunkte für Risiken, die den Klägern drohten, gehabt habe.

Das Landgericht Bochum hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Beklagte habe pflichtwidrig nicht über die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstücks aufgeklärt, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen.

Diese Entscheidung hielt vor dem OLG Hamm nicht Stand.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat einen Anspruch der Kläger gegen den Notar gemäß § 19 Abs. 1 BNotO verneint. Der Notar habe keine notariellen Amtspflichten verletzt.

Im Rahmen seiner Pflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, den Willen der Beteiligten zu ermitteln und den Sachverhalt aufzuklären, habe der Notar nur über die für die richtige und wirksame Urkundserrichtung bedeutsamen Umstände aufzuklären und diese zu erfragen. Die Frage der Baugenehmigung für die von den Klägern beabsichtigte Errichtung von Gebäuden auf dem Kaufgrundstück zähle nicht zu diesen Umständen. Sie betreffe lediglich die Verwendung des Kaufgegenstandes für die Zwecke der Käufer, die mit der Wirksamkeit des Geschäfts und seinem Vollzug nichts zu tun hätten.

Auch die Pflicht zur Belehrung über die rechtliche Tragweise gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG gehe nur so weit, wie eine Belehrung für das Zustandekommen einer Urkunde erforderlich sei, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für die Wirksamkeit gebotenen Form wirksam wiedergebe. Ihr Gegenstand sei dahin einzugrenzen, dass sie

die allgemeine rechtliche Bedeutung des Geschäfts,
seine rechtlichen Voraussetzungen,
die gesetzlichen Formerfordernisse,
die Wirkungen und Rechtsfolgen des Geschäfts und
seine Abwicklung einschließlich etwaiger Vollzugsrisiken umfasse.

Die Genehmigung des von den Klägern beabsichtigten Bauvorhabens auf dem Kaufobjekt sei nicht Teil des rechtlichen Erfolgs des vom Beklagten beurkundeten Geschäfts. Die Verwendbarkeit des Grundstücks für die Bebauung liege außerhalb der genannten Reichweite der Belehrungspflicht des Notars.

Auch im Rahmen der betreuenden Belehrungspflicht aus § 14 BNotO bestehe eine Hinweispflicht des Notars nur, wenn der Notar aufgrund besondere Umstände Anlass zu der Vermutung habe, einem Beteiligten drohe ein Schaden vor allem deshalb, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht bewusst sei. Dies sei allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn der Notar Anlass habe anzunehmen, dass die Käufer die Notwendigkeit einer Baugenehmigung nicht erkannt hätten oder dass ihnen die benötigte Genehmigung nicht erteilt werde. Dies war aber im vorliegenden Fall nicht der Fall.

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