Befangenheit des Richters im Anwaltshaftungsprozess

Beschluss 18.12.2014 Bundesgerichtshof — Aktenzeichen: IX ZB 65/13

Sachverhalt
Die Parteien befanden sich in einem Anwaltshaftungsprozess wegen nicht rechtzeitig begründeter Berufung. Die beklagten Anwälte wurden daher auf Schadensersatz wegen entgangener Ansprüche in Anspruch genommen. Nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts war für die Entscheidung des Rechtsstreits die gleiche Kammer zuständig, die mit dem Vorprozess befasst war. Der Kläger lehnte den Vorsitzenden und ein weiteres Kammermitglied wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, da sie seine Klage bereits abgewiesen hatten und weil ein Ausschlussgrund nach § 41 Nr. 6 ZPO vorläge. Das Ablehnungsgesuch ist vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben.

Entscheidung
Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vordergerichte.

Die Vorschrift des § 41 Nr. 6 ZPO, wonach ein Richter ausgeschlossen sei, wenn er in einem früheren Rechtszug mitgewirkt habe, sei vorliegend nicht anwendbar, da der Regressprozess nicht die Überprüfung der im Ausgangsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung bezwecke. Der vorliegende Fall werde vom klaren Wortlaut des § 41 Nr. 6 ZPO nicht erfasst. Auch eine analoge Anwendung scheide aus, da die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Im Anwaltshaftungsprozess werde die im Vorprozess ergangene Entscheidung nicht einmal mittelbar überprüft, sondern nur die materielle Rechtslage. Die Stellung des Gerichts im Anwaltshaftungsprozess entspreche daher eher der Stellung eines Instanzgerichts, das nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch das Rechtsmittelgericht erneut über eine Sache zu befinden habe. Hierbei sei aber keine zwingende Voraussetzung, dass auch ein anderer Spruchkörper über die Sache entscheidet (vgl. § 563 I S. 2 ZPO).

Auch eine Besorgnis der Befangenheit bestehe nicht. Allein der Umstand, dass es einem Richter bei einer Zweitbefassung mit einem Sachverhalt zugemutet wird, sich von dessen früherer rechtlichen Beurteilung gegebenenfalls zu lösen und den Fall neu zu durchdenken, reicht hierfür nicht aus.

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Kenntnis von der notariellen Pflichtverletzung

BGH, Urteil vom 11.9.2014 — Aktenzeichen: III ZR 217/13

Sachverhalt

Bei der Veräußerung von Grundbesitz übersahen die beklagten Notare eine Beschränkung hinsichtlich einer Löschungsbewilligung für ein Grundpfandrecht, aus dem sodann gegen den Kläger als Käufer vollstreckt werden sollte.

Die beklagten Notare verteidigten sich damit, dass der Kläger bereits durch die Übersendung der Eintragungsbenachrichtigung vom Fortbestand der Grundschuld auf dem Grundstücksteil Kenntnis erlangt hatte, was den Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt habe.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung beim OLG Koblenz war ohne Erfolg.

Entscheidung
Der BGH hob die Entscheidung auf und wies die Angelegenheit an das OLG Koblenz zurück. Die Vorinstanzen hatten die Frage der kenntnisabhängigen Verjährung nicht richtig beurteilt.

Zwar kann im Einzelfall die Übermittlung einer Eintragungsnachricht des Grundbuchamtes für die Erfüllung der subjektiven Voraussetzung des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausreichend sein, wonach der Kläger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen haben muss. Denn ein falscher Inhalt lässt auch auf eine Amtspflichtverletzung des Notars schließen.

Dies gilt jedoch nicht in jedem Fall, da der Rechtsuchende sich in aller Regel darauf verlassen kann und darf, dass der Notar sich amtspflichtgemäß verhalten hat und Grundbucheintragungen selbst fachkundig kontrolliert hat. Gerade bei komplexen Sachverhalten und für den Geschädigten schwer überschaubaren Grundbuchvorgängen – wie hier, da die Eintragungsbenachrichtigung 11 Seiten umfasste –, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass allein mit der Übersendung einer Veränderungsmitteilung zugleich auch Kenntnis von der Falscheintragung bzw. Amtspflichtverletzung oder grob fahrlässigen Unkenntnis hiervon besteht.

Im vorliegenden Fall bestand die verjährungsrelevante Kenntnis daher erst, als von dem Grundpfandrecht Gebrauch gemacht werden sollte – mit der Folge, dass der Anspruch gegen den Notar zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht verjährt war.

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Hypothetischer Kausalverlauf bei Deckungsschutzzusage

KG Berlin, Urteil vom 23.9.2013 — Aktenzeichen: 8 U 173/12

Sachverhalt
Neben Schadensersatz wegen eines verlorenen Prozesses verlangte die Klägerin aus abgetretenem Recht ihrer Rechtsschutzversicherung von den beklagten Rechtsanwälten Prozesskosten in Höhe von über 4.300,00 € zurück. Sie war der Auffassung, wenn man sie ordnungsgemäß über alle Risiken des Prozesses belehrt hätte, hätte sie den Prozess nicht geführt. Das Landgericht Berlin wies die Klage ab. Das Kammergericht Berlin bestätigte diese Entscheidung.

Entscheidung
Grundsätzlich gibt es eine in der Rechtsprechung anerkannte Vermutung, dass derjenige, der sich anwaltlich beraten lässt, sich beratungsgemäß verhalten hätte, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre (vgl. u.a. BGH NJW 2010, 3576).

Dieser Anscheinsbeweis greift jedoch nur ein, wenn im Hinblick auf die gesamte Interessenanlage aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Menschen nur eine eindeutig bestimmte Reaktion nahegelegen hätte (vgl. u.a. OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134).

Nach Auffassung des Kammergerichts Berlin ist dieser Fall aber nicht gegeben, wenn die Rechtsschutzversicherung für den Prozess eine Deckungszusage erteilt hat, ohne dass die Deckungszusage durch falsche Angaben erlangt worden ist. Denn auch für einen vernünftig handelnden Mandanten würde beim Vorliegen einer Deckungszusage, das persönliche Risiko, einen Prozess mit geringen Erfolgsaussichten zu verlieren, so gering erscheinen, dass der Prozess sich als eine solche Chance darstellt, dass der Mandant sie wohlmöglich ergreift. Dies gilt erst recht, wenn eine uneingeschränkte Kostendeckungszusage vorliegt.

Insofern konnte nicht zu Lasten der beklagten Anwälte vermutet werden, dass die Klägern den Prozess bei anderer Beratung über die Risiken vermieden hätte. Die Kosten des verlorenen Prozesses hatte sie selbst bzw. in diesem konkreten Fall ihre Rechtsschutzversicherung zu tragen.

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Anforderung an die Unterschrift des Rechtsanwalts am Ende der Berufungsschrift

Beschluss des BGH , Urteil vom 11.4.2013 — Aktenzeichen: VII ZB 43/12

Häufig ist die Unterschrift von Anwälten auf Schreiben und Schriftsätzen kaum lesbar. Teilweise kürzen Anwälte ihre Unterschrift auch ab. Der BGH hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Anforderungen an eine formgültige Unterschrift zu stellen sind.

Leitsatz
1. Der Schriftzug eines Rechtsanwalts am Ende einer Berufungsschrift erfüllt die Anforderungen an die nach § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift nur, wenn er erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen.
2. Ist der diesen Anforderungen nicht entsprechende Schriftzug so oder geringfügig abweichend von den Gerichten längere Zeit ohne Beanstandung als formgültige Unterschrift hingenommen worden, kann der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass er den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO entspricht. Wird der Schriftzug vom Berufungsgericht in einem solchen Fall nicht als Unterschrift anerkannt, ist der Berufungskläger in der Regel gegen Versäumung der Berufungsfrist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Sachverhalt
In einem Verfahren vor dem OLG Nürnberg hatte eine Rechtsanwältin in der Berufungsbegründung unter der maschinschriftlichen Namensangabe „K.R. Rechtsanwältin“ mit einem abschließenden unleserlichen Schriftzug unterschrieben. Der Vorsitzende wies in der Folge darauf hin, dass die Berufungsschrift keine Unterschrift, sondern eine „Streichung“ des dort maschinschriftlich angegebenen Namens aufweise. Allenfalls könne es sich bei dem Schriftzug um eine Paraphe handeln, die keine formgültige Unterschrift darstelle. Die Rechtsanwältin beantragte darauf hin für die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und trug vor, sie unterzeichne alle Schriftsätze ausnahmslos mit ihrem Nachnamen L.. Über die Jahre habe sich die Unterschrift zu dem nun aktuellen seit dem Jahre 2007 praktizierten Schriftbild immer weiter abgeschliffen. Die Unterschrift sei bisher von keiner Seite, auch nicht vom Berufungsgericht, beanstandet worden. Im Hinblick darauf sei der von ihr vertretenen Beklagten jedenfalls wegen unverschuldeter Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren. Das OLG hatte den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist. Zwar sei die Berufungsfrist wegen nicht formgültiger Unterschrift versäumt worden. Bei der zu leistenden Unterschrift muss es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild um einen Schriftzug handeln, der erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen. Einen Schriftzug, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach eine bewusste und gewollte Namensabkürzung darstelle, genügt den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht. Gemessen daran habe es sich bei der Unterschrift der Rechtsanwältin nicht um eine formgültige Unterschrift gehandelt.

Es sei aber weder der Beklagten, noch der Rechtsanwältin ein Schuldvorwurf zu machen. Zwar habe sich ein Rechtsanwalt über den Stand der Rechtsprechung zu informieren; der Rechtsanwältin der Beklagten musste daher bekannt sein, welche Anforderungen für eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmter Schriftsätze bestehen. Allerdings genießt ein Rechtsanwalt über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus einen verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz, der eine Vorwarnung gebiete, falls der selbe Spruchkörper die von ihm längere Zeit gebilligte Form eine Unterschrift nicht mehr hinnehmen will. Dies war vorliegend der Fall, so dass die Rechtsanwältin darauf vertrauen dufte, dass ihre Unterschrift den der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entsprach. Die Wiedereinsetzung war daher zu bewilligen.

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Beweislast bei groben Anwaltsfehlern

BGH, Beschluss vom 13.12.2012 — Aktenzeichen: IX ZR 107/12

Leitsatz
Es bleibt dabei, dass der Kläger im Anwaltshaftungsprozess für Pflichtverletzung, Schaden und dem verbindenen Ursachenzusammenhang beweisbelastet ist, selbst wenn dem Anwalt ein grober Fehler unterlaufen ist.

Entscheidung
Der BGH bestätigt anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung (u.a. BGHZ 126, 217), dass der Mandant, wenn er seinen Anwalt in Anspruch nimmt, stets zu beweisen hat, dass die Pflichtverletzung des Anwalts für einen vermeintlichen Schaden auch ursächlich geworden ist. Daran ändert es nichts, wenn der Fehler sich als so grob darstellt, dass er schlechterdings nicht hätte passieren dürfen.

Während in anderen Rechtsgebieten die Beweislast bei groben Fehlern im Rahmen des Ursachenzusammenhangs von besonderer Bedeutung ist — insbesondere im Arzthaftungsrecht (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 08.01.2008, VersR 2008, 490; BGH, Urteil vom 24.09.1996, VersR 1996, 1535) — , verbleibt es im Rahmen des Anwaltsregresses bei den grundsätzlichen Regelungen der Darlegungs- und Beweislast.

Da beim Anwaltshaftungsprozess in der Regel über den nur hypothetischen Ausgang vorgeschalteter Angelegenheiten gestritten wird, kommen zwar Beweisschwierigkeiten auf den klagenden Mandaten zu. Diese rechtfertigen es jedoch nicht, dem Anwalt die volle Beweislast für den Gegenbeweis der Kausalität aufzuerlegen.

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Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei

BGH, Beschluss vom 12.09.2012, — Aktenzeichen: XII ZB 528/11

Leitsatz
Ein Rechtsanwalt ist zur gesonderten Prüfung der weisungsgemäßen Erstellung, Vorlage und Absendung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch qualifizierte Mitarbeiter nur verpflichtet, wenn ihm aufgrund der ihm bekannten Umstände ein von diesen begangener Fehler offenbar wird.

Sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis. Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts u.a. zur Räumung verurteilt worden. Dagegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt, die Frist zur Berufungsbegründung hingegen versäumt.

Die Beklagte hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dies damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter habe an einem zunächst erstellten Entwurf der Berufungsbegründung noch in seinem PC eine Ergänzung vorgenommen und anschließend eine Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsbegründung „auszufertigen“, d.h. die Datei mit den erforderlichen Ausfertigungen auszudrucken und zur Unterschrift vorzulegen, und mit der zur Einsicht überlassenen Gerichtsakte an das Gericht abzusenden.

Der Rechtsanwalt, der sich im Laufe des Tages in Mandantengesprächen befand, ging dann davon aus, dass die Berufungsbegründung versandt und die Unterschrift von seinem Vertreter geleistet worden sei. Entgegen seiner Anweisung sei die Berufungsbegründung hingegen nicht ausgefertigt und dementsprechend auch nicht abgesandt worden. Die Frist wurde dennoch gelöscht.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der BGH hat diesen Beschluss aufgehoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat die Zurückweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit begründet, dass sich der Anwalt angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache hätte vergewissern müssen, dass die Berufungsbegründung tatsächlich ausgefertigt und unterschrieben worden sei. Dies habe er nicht getan, weshalb ein Verschulden anzunehmen sei. Dieser Auffassung hat der BGH eine Absage erteilt.

Der BGH führt aus, dass der Anwalt nicht gehalten war, die Ausführung der von ihm erteilten Weisung – Ausfertigung der Berufungsbegründung – zu überprüfen oder die Ausführung durch organisatorische Vorkehrungen zu sichern, da es sich lediglich um eine Anweisung im Rahmen der Anfertigung fristgebundener Schriftsätze, deren Ausführung von der allgemeinen Fristen- und Ausgangskontrolle umfasst wird – handelte und die Ausführung der Weisung keine besondere Schwierigkeit aufwies.

Auch im Weiteren konnte der BGH kein Verschulden des Anwaltes feststellen. Die Fristen- und Ausgangskontrolle war vom Rechtsanwalt in zulässiger Weise seinen Büroangestellten übertragen. Dabei genügt er seinen Pflichten, indem er eine fachlich einwandfreie Kanzlei-Organisation sicherstellt, die betrauten Angestellten sorgfältig aussucht und durch Stichproben kontrolliert. Wird er diesen Anforderungen gerecht, so ist es ihm nicht als Verschulden anzulasten, wenn seine Angestellten im Einzelfall die Fristen- oder die Ausgangskontrolle nicht oder nicht sorgfältig durchführen. Ein Rechtsanwalt muss daher nur dann die Einhaltung von Fristen und den Postausgang selbst kontrollieren, wenn ihm ein Versäumnis seiner Angestellten offenbar wird. Zu einer allgemeinen Überwachung seiner Angestellten darauf, ob seine Anweisungen ausgeführt werden, ist er dagegen nicht verpflichtet.

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Verjährungshemmung durch Verhandeln

BGH

Nach § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die dafür maßgeblichen Umstände geführt werden. Ob tatsächlich Verhandlungen geführt werden, ist häufig zweifelhaft, da nach der Rechtsprechung der Begriff des Verhandelns gem. § 203 BGB außerordentlich weit gefasst wird.

Der BGH musste sich in letzter Zeit mit Fällen befassen, in denen es darum ging, ob die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Anwalt bereits dadurch gehemmt worden ist, dass der Anwalt diesen Fall seiner Versicherung meldet und dies dem Anspruchsteller mitteilt.

Der Entscheidung des BGH vom 03.02.2011 — IX ZR 105/10 — lag eine Konstellation zugrunde, bei der der Anwalt dem Anspruchsteller mitgeteilt hatte, den Vorgang der Haftpflichtversicherung vorzulegen; er hatte jedoch auch darauf hingewiesen „zur Haftungssituation dem Grunde und der Höhe nach keinerlei Erklärungen abgeben“ zu wollen. Dies sah der BGH noch nicht als Verhandeln im Sinne des § 203 BGB an.

Einer neueren Entscheidung des BGH vom 10.05.2012 — IX ZR 125/10 – lag der Fall zugrunde, dass der in Anspruch genommene Anwalt dem Anspruchsteller mitgeteilt hatte, er habe die Angelegenheit seinem Haftpflichtversicherer zur Prüfung übersandt. In dieser Mitteilung sah der BGH ein verjährungshemmendes Verhandeln; denn dafür reiche jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall aus, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben nach dieser Rechtsprechung des BGH schon dann, wenn Erklärungen abgegeben werden, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Der Begriff der Verhandlung setzt nicht voraus, dass die Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs oder zum Entgegenkommen signalisiert wird. Verhandeln liegt demnach schon dann vor, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass der geltend gemachte Anspruch geprüft wird.

Als Konsequenz dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, dass gegenüber einem Anspruchsteller entweder der Anspruch sofort und eindeutig zurückgewiesen werden muss, oder aber bei einer Weiterleitung an die Haftpflichtversicherung keinerlei Erklärung dazu abgegeben wird, ob ein Anspruch geprüft wird. Kein Verhandeln stellt es dar, wenn dem Anspruchsteller lediglich mitgeteilt wird, dass entsprechend der versicherungsrechtlichen Obliegenheit der Anspruch der Haftpflichtversicherung mitgeteilt wird.

Der sicherste und daher zu empfehlende Weg ist es, einen geltend gemachten Anspruch ohne Erörterung zurückzuweisen, ggf. verbunden mit dem Hinweis, das Anspruchsschreiben entsprechend der versicherungsrechtlichen Obliegenheit dem Haftpflichtversicherer übersandt zu haben.

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Kaufvertrag vom Bildschirm abgelesen – Unwirksam!

OLG Brandenburg, Urteil vom 9.5.2012 — Aktenzeichen: 4 U 92/10

Die Käufer erwarben eine Eigentumswohnung. Später reute sie diese Entscheidung. Sie wollten sich von dem Vertrag lösen und behaupteten zweierlei:
1. Der gezahlte Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht gewesen.
2. Der Notar habe den Vertrag von seinem Bildschirm abgelesen.
Beides hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

Sittenwidrig überhöht war der Kaufpreis nicht; zwar hat der Kaufpreis von 65.000 € den Wert der Wohnung von rund 36.000 € um 78,9 % überstiegen; dies reichte aber nicht, um von einem wucherähnlichen Geschäft auszugehen; davon kann erst die Rede sein, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung.

Der Umstand, dass der Notar den Vertrag lediglich vom Bildschirm abgelesen hat, führt zwar zu einem schweren Formmangel und damit zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages. Dieser wurde aber durch Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch geheilt. Nur deshalb hatte die Klage der Käufer keinen Erfolg.

Leitsatz
Liest ein Notar einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung lediglich vom Bildschirm ab, führt dies zu einem schweren Formmangel und damit zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages. Der Formmangel wird aber durch die spätere Eintragung der Käufer in das Grundbuch geheilt.

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Hinweis- oder Belehrungspflicht des Notars bei der Vertragsbeurkundung

OLG München, Urteil vom 1.3.2012 — Aktenzeichen: 1 U 1531/11

Leitsatz
Für das Bestehen einer Hinweis- und Belehrungspflicht des Notars vor der Beurkundung eines notariellen Kaufvertrages ist nicht die ex post Betrachtung entscheidend, sondern ob der Notar zum Zeitpunkt der Beurkundung hätte erkennen können, dass eine bestimmte Vertragsgestaltung nicht hinreichend die Interessen der Parteien wahrt bzw. sie vorhersehbar in Haftungsrisiken bringt.

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegenüber einem Notar Schadensersatzansprüche geltend, da sie der Auffassung ist, nicht ordnungsgemäß über Risiken im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks informiert worden zu sein. Die Klägerin, die in Gütertrennung mit ihrem Ehemann lebte, verkaufte ein gemeinsamenes Grundstück. Der Ehemann hatte erhebliche Schulden. Die Gläubiger griffen letztendlich auf den Kaufpreisanspruch der Klägerin und des Ehemannes zu, so dass der Klägerin lediglich ein äußerst geringer Betrag aus dem Verkauf verblieb. Die Klägerin wirft dem beklagten Notar vor, er habe versäumt, den Kaufvertrag so zu formulieren, dass jedem der hälftigen Miteigentümer (Klägerin 1/2, Ehemann 1/2) ein separater hälftiger Kaufpreisanspruch zusteht. Ihr Kaufpreisanspruch hätte dann wegen der Gütertrennung nicht von den Gläubigern des Ehemannes gepfändet werden können. Der beklagte Notar hingegen hat vorgetragen, ihm seien Schulden des Ehemannes nicht bekannt gewesen, weshalb er nicht auf eine mögliche andere Vertragsgestaltung hingewiesen habe.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat eine schuldhafte Amtspflichtverletzung verneint. Dabei hat das Oberlandesgericht insbesondere festgestellt, dass ungeachtet der Frage, ob eine andere von den Beklagten gewählte Vertragsgestaltung die Klägerin besser gestellt hätte, der Beklagte zu einer dahingehenden Beratung nur verpflichtet sein kann, wenn er erkennen konnte, dass Risiken bestehen. Entscheidend ist dabei nicht die Betrachtung nach dem Eintritt des vermeintlichen Schadensfalls, sondern ob der Notar zum Zeitpunkt der Beurkundung hätte erkennen können, dass eine bestimmte Vertragsgestaltung nicht hinreichend die Interessen der Parteien wahrt, bzw. sie vorhersehbar in Haftungsrisiken bringt. Mangels entsprechender Informationen über die Schulden des Ehemannes, waren Risiken für die Klägerin von dem Beklagten nicht vorhersehbar.

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Pflichten des Notars bei Beurkundung/Beglaubigung einer Vertragsannahme

BGH, Urteil vom 8.12.2011 — Aktenzeichen: III ZR 25/10 = NJW 2012, 619

In dem vom BGH entschiedenen Fall nahm die Klägerin den beklagten Notar wegen einer Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung einer Vertragsannahmeerklärung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Vertragsangebot war von einem anderen Notar beurkundet worden; es ist streitig, ob dem die Annahme beurkundenden Notar das Angebot vorlag. In der Annahmeerklärung wurden nicht alle Konditionen des Angebots berücksichtigt, so dass ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande gekommen ist.

Anders als das Berufungsgericht verneint der Bundesgerichtshof eine Schadensersatzpflicht des Notars.

Nach der Rechtsprechung des BGH erschöpft sich die Pflicht zur Rechtsbelehrung bei der Beurkundung der Annahme eines vorgegebenen Vertragsangebots in der Aufklärung über die rechtliche Bedeutung der Annahmeerklärung. Der Inhalt des Vertragsangebots gehört nicht zur rechtlichen Tragweite des in einem solchen Fall beurkundeten Geschäfts. Der Umfang der geschuldeten Belehrung nach § 17 I BeurkG ist auf die rechtlichen Auswirkungen der Annahmeerklärung und damit abstrakt auf die Gefahren beschränkt, die mit jedem Kaufvertrag verbunden sind.

Dabei kann es zu den Pflichten auch gehören, darüber zu belehren, dass der Vertrag nur zustande kommt, wenn Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen und etwaige einseitige Erklärungen des Annehmenden, von denen der Vertragsschluss nach dem Angebot abhängig sein soll, abgegeben werden. Eine solche Belehrung wird jedoch nur dann geschuldet, wenn hierfür fallbezogen Anhaltspunkte bestehen; der Notar braucht nicht formelhaft oder „ins Blaue hinein“ über alle nur denkbaren, fernliegenden Risiken zu belehren.

Im vorliegenden Fall hielt es der BGH für ausreichend, dass der Notar die Klägerin über mögliche Unsicherheiten belehrt und darauf hingewiesen hat, dass es möglicherweise gefährlich sei, wenn der Notar die Annahme beurkundet, ohne das Angebot – jedenfalls in Kopie – gesehen zu haben, da in dem Angebot Fristen und Bedingungen stehen könnten, die bei der Beurkundung berücksichtigt werden müssten. Eine solche Belehrung genügt nach der Rechtsprechung des BGH den Anforderungen § 17 I BeurkG

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