Rechtsmittel und Schaden

OLG Hamm, Urteil vom 29.11.2016 — Aktenzeichen: 28 U 108/16

Sachverhalt

Der Kläger nahm den beklagten Anwalt wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung in Anspruch.

Der Kläger war zuvor wegen diverser Verfehlungen aus seinem Beamtendienstverhältnis entfernt worden. Die dagegen gerichtete, vom Beklagten geführte Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Die dagegen gerichtete Berufung wurde nicht begründet. Die Berufung wurde als unzulässig verworfen.

Der Kläger war der Auffassung, der Beklagte habe die Berufung pflichtwidrig nicht begründet. Er behauptete unter anderem, selbst wenn er das Berufungsverfahren verloren hätte, hätte er gegen ein etwaiges negatives Berufungsurteil in jedem Fall ein weiteres Rechtsmittel eingelegt; für den entsprechenden Zeitraum wäre er dann auch von seinem Dienstherrn alimentiert worden.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat das gegnerische Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen und der klägerischen Argumentation eine Absage erteilt.

Insoweit hat es beurteilt, wie sich das Geschehen bei pflichtgemäßer Vorgehensweise des Beklagten entwickelt hätte:

Da der Kläger das Berufungsverfahren vor dem OVG in jedem Fall verloren hätte, hätte der Beklagte den Kläger bei pflichtgemäßer anwaltlicher Vorgehensweise darauf hinweisen müssen, dass ein dagegen gerichtetes Rechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.

Der Kläger hätte das Rechtsmittelverfahren daher nur geführt, um eine Fortzahlung der Alimentation durch seinen Dienstherrn zu erreichen.

Die Fortgewährung von Unterhalt durch den Dienstherrn dient jedoch nach Auffassung des OLG Hamm nicht dem Zweck, den Kläger zur weiteren Einlegung von Rechtsmitteln zu veranlassen, nur um den Alimentationszeitraum zu verlängern. Der behauptete Verlust der Alimentation für den Zeitraum eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens ist daher nicht als ersatzfähiger Schaden zu begreifen, weil es für einen solchen am Zurechnungszusammenhang zu der geltend gemachten Pflichtverletzung fehlt.

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Haftung des Rechtsanwalts und Mitverschulden des Mandanten bei unterlassener Rechtsmitteleinlegung

BGH, Urteil vom 13.10.2016 — Aktenzeichen: 9 ZR 214/15

Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitverschulden des Mandanten im Rahmen der Anwaltshaftung anzusetzen ist.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem früheren Rechtsanwalt, Schadensersatz. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe in dem Vorprozess – in dem es um die Geltendmachung von Versicherungsleistungen ging – unzutreffend nicht auf Hinweise des Gerichtes reagiert und nicht zu der Einlegung einer Berufung geraten. Hierdurch seien ihr Ansprüche entgangen und Mehrkosten durch die dann erfolglose Führung des Prozesses entstanden. Das Oberlandesgericht hat die Klage unter anderem deshalb abgewiesen, da es zu der Auffassung kam, es bestünde kein Regressanspruch der Klägerin, weil es ihr selbst zurechenbar sei, dass das Urteil im Vorprozess rechtskräftig geworden sei. Die Klägerin habe auf die Zusendung des Terminsprotokolls hin nicht reagiert, kein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wollen und den Beklagten darum gebeten, sich um Ratenzahlungen zu bemühen. Vor diesem Hintergrund läge nach Auffassung des Oberlandesgerichts ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vor, welches die Haftung des Beklagten ausschließe.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der BGH führt aus, dass sich nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann, soweit sich der Regressanspruch aus seiner rechtlichen Tätigkeit ergibt. Es sei nach dem Inhalt des Anwaltsvertrags allein Sache des Anwaltes, einen Schaden seines Auftraggebers zu verhindern. Bei einer gerichtlichen Fehlentscheidung ist der Rechtsanwalt vertraglich verpflichtet, dieser entgegen zu wirken. Vorliegend kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass der Rechtsanwalt zu den Hinweisen des Gerichtes im Vorprozess hätte Stellung nehmen und die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass eine Berufung gute Aussichten auf Erfolg hat. Da der Beklagte einen solchen Hinweis und eine solche Tätigkeit nicht vorgenommen hat, kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Mitverschulden nicht anzusetzen ist.

Fazit
Der BGH führt die Rechtsprechung fort, dass sich ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann. Im vorliegend entschiedenen Fall ist allerdings zu erwähnen, dass das Verschulden des Anwaltes und die Pflichtverletzung derart gewichtig waren, dass schon vor diesem Hintergrund die Ansetzung eines Mitverschuldens ausschied. So ging es insbesondere um Rechtsfragen, zu denen die Klägerin naturgemäß schwer Stellung nehmen konnte. Ein Mitverschulden kann aber dann in Betracht kommen, wenn ein Mandant dem Rechtsanwalt nicht die erforderlichen Sachinformationen zur Verfügung stellt, um den Prozess erfolgreich zu betreiben. Bei Anwaltshaftungsprozessen sollte daher auch weiterhin ein Blick auf die Frage des Mitverschuldens geworfen werden.

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Anwaltspflichten beim Vergleichsabschluss

BGH, Urteil vom 14.7.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 291/14

Sachverhalt
Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einem Verfahren wegen der Kündigung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages. Ein Vermittlungsunternehmen nahm den Kläger in diesem Vorprozess auf Zahlung von etwa 60.000,00 € in Anspruch.

In der ersten mündlichen Verhandlung wurde ein Vergleich vorgeschlagen und vom Kläger abgelehnt.

In der zweiten mündlichen Verhandlung wies das Gericht ausdrücklich auf die Darlegungs- und Beweislast des Klägers für den Abschluss einer Sondervereinbarung hin, nach der ein zeitliches Limit für den vereinbarten Arbeitseinsatz bestehen sollte, und schlug vor, sich auf eine Zahlung in Höhe von 30.000,00 € zu einigen. Das Arbeitsvermittlungsunternehmen hätte diesen Vergleichsschluss angenommen.

Der Kläger lehnte den Vergleichsabschluss nach Beratung durch den Beklagten ab. Er verlor den Prozess dann anschließend, weil er die für ihn günstigen Umstände nicht beweisen konnte.

Der Kläger nahm daraufhin den Beklagten in Anspruch und behauptete, dieser habe ihm pflichtwidrig nicht zum Abschluss des Vergleichs geraten, sondern davon abgeraten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das KG Berlin hat den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, weil er nicht in allen Einzelheiten den Gang der Beratung geschildert habe; sein Bestreiten sei daher nicht ausreichend gewesen.

Entscheidung
Der BGH hat das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt und die Klage abgewiesen.

Zunächst hat der BGH die Grundsätze seiner ständigen Rechtsprechung wiederholt:

Beweisbelastet für eine Pflichtverletzung in einer Beratungssituation bleibt der Kläger. Der Rechtsanwalt muss den Vorwurf der Fehlberatung aber substantiiert bestreiten und darlegen, wie im Einzelnen beraten wurde. Liegt qualifiziertes Bestreiten vor, obliegt es dem Anspruchsteller den Nachweis zu führen, dass die Schilderung des Rechtsanwalts nicht zutrifft.

Im vorliegenden Fall hatte der beklagte Rechtsanwalt schriftsätzlich dargelegt, dem Kläger schon in der ersten mündlichen Verhandlung zum Vergleichsabschluss geraten zu haben; der Kläger habe aber abgelehnt. Ferner hatte der Beklagte ausgeführt, er habe — nachdem das Gericht in der zweiten mündlichen Verhandlung Hinweise zur Beweislast erteilt habe — ausdrücklich auf die Unwägbarkeiten der Beweisaufnahme hingewiesen und zu dem Abschluss des Vergleichs geraten; der Kläger sei jedoch der Ansicht gewesen, den ihm obliegenden Beweis führen zu können.

Nach Auffassung des BGH war diese Schilderung für ein qualifiziertes Bestreiten ausreichend, zumal nach den Hinweisen des Gerichts kein gesonderter Hinweis mehr erforderlich war, welche Risiken die Beweisaufnahme barg. Der BGH fordert in einer solchen Situation keine besonders eindringliche Belehrung.

Nach dem BGH bestand auch keine Verpflichtung, zum Abschluss des Vergleichs zu raten. Im Rahmen gerichtlicher Vergleichsverhandlungen besteht lediglich die Pflicht, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Der Mandant muss eigenständig über den Abschluss (oder Nichtabschluss) des Vergleichs entscheiden können, weshalb ihm Vor- und Nachteile des Vergleichs darzulegen sind.

Dabei stellt der BGH klar, dass ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung entbindet.

Von einem Vergleich kann nur dann abgeraten werden, wenn der Vergleich eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen.

In diesem Fall greift nach Auffassung des BGH dann auch eine Vermutung, dass der Mandant dem Vorschlag, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre.

Nimmt der Mandant auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit also nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung.

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Amtspflichten eines Notars bei der Beurkundung eines Vertrags über die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils an einen Treuhänder

BGH , Urteil vom 22.9.2016 — Aktenzeichen: III ZR 427/15

Von einem Notar wird die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils beurkundet. Ebenfalls wird von den Beteiligten eine Treuhandabrede getroffen. Der BGH hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Notar haftet, wenn die Treuhandabrede mangels notarieller Form nichtig ist und die Beteiligten sich hierüber im Klaren waren.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem Notar Schadensersatz wegen angeblich pflichtwidriger Beurkundung der Übertragung eines Gesellschaftsanteiles und eines Treuhandvertrages, mit dem ein Dritter den Gesellschaftsanteil treuhänderisch halten sollte. Bei dem Gesellschaftsanteil handelte es sich im Wesentlichen um Anteile an Grundstücken, über die der Dritte dann entgegen der Regelungen im Treuhandvertrag verfügte. Bei der Beurkundung wurde lediglich die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Treuhänder, nicht aber der Treuhandvertrag beurkundet. Der Notar hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Treuhandvertrag der notariellen Form unterliegt und beurkundungsbedürftig ist. Auf ausdrücklichen Wunsch der Beteiligten wurde der Treuhandvertrag nicht beurkundet. Die Klägerin macht nun Ansprüche mit der Behauptung geltend, der beklagte Notar habe entweder auf die Beurkundung der Treuhandabrede bestehen oder sich insgesamt zur Beurkundung weigern müssen.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat eine Pflichtverletzung des Notars ebenso wie die Instanzgerichte verneint. Zwar dürfe ein Notar nicht sehenden Auges ein nichtiges Geschäft beurkunden. Diese Amtspflicht habe der Beklagte allerdings nicht verletzt, weil der von ihm beurkundete Geschäftsanteilsübertragungsvertrag nicht nichtig war. Der Vertrag über die Anteilsübertragung wurde mit der erforderlichen Form geschlossen. Zwar war die Treuhandabrede wegen fehlender Beurkundung und somit wegen Formmangels unwirksam; allerdings lässt die Nichtigkeit der Treuhandabrede die Wirksamkeit des Vertrages über die Übertragung des Geschäftsanteils nach Auffassung des BGH unberührt, da es an einem einheitlichen Rechtsgeschäft nach § 139 BGB fehlt. Ein Einheitlichkeitswille liegt nur dann vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen. Die Entscheidung hierzu ist eine Tatfrage und durch Ermittlung und Auslegung des objektiv erkennbaren Parteiwillens festzustellen. Vorliegend war ein solcher Einheitlichkeitswille nicht festzustellen, da nach ausdrücklicher Belehrung durch den Notar hinsichtlich der Formnichtigkeit die Beteiligten in dem Bewusstsein handelten, dass der nur mündlich abgeschlossene Treuhandvertrag formnichtig und somit rechtlich unverbindlich war. Bei den geschäftserfahrenden Beteiligten war davon auszugehen, dass sie den sich aufdrängenden Schluss ziehen würden, dass die Treuhandvereinbarung mangels Beachtung der notwendigen Form nicht bindend ist. Zudem brachten die Beteiligten zum Ausdruck, man könne auf die rechtliche Verbindlichkeit der Treuhandvereinbarung verzichten, da eine moralische Verpflichtung genüge. Entsprechend kam nach Auffassung des BGH das Oberlandesgericht zutreffend zu dem Ergebnis, dass eine rechtliche Einheit von den Beteiligten zwischen den beiden Verträgen nicht beabsichtigt war. Zudem kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Notar nicht gehalten ist, die Beteiligten auf die Folgen der Formnichtigkeit einer Treuhandabrede hinzuweisen, wenn sich die Vertragsbeteiligten darüber im Klaren sind, dass eine ohne Beachtung der notariellen Form geschlossene Treuhandvereinbarung rechtlich unwirksam ist.

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Pflichten eines Rechtsanwaltes bei nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen

BGH, Urteil vom 17.3.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 142/14

Sachverhalt
Der vorliegend beklagte Rechtsanwalt sollte für den Kläger ein Versäumnisurteil durchsetzen. Der Beklagte ließ einen Gesellschaftsanteil des Schuldners an einer GbR über eine Eigentumswohnung pfänden, kündigte den Gesellschaftvertrag – insgesamt zwei Gesellschafter — und beantragte die Teilungsversteigerung. Der weitere Gesellschafter trat seinen Gesellschaftsanteil an den Schuldner ab und dieser wurde Alleingesellschafter, was zu einer Beendigung der Gesellschaft führte. In der Folgezeit wurde eine Grundschuld für die streitbefangene Eigentumswohnung zugunsten einer Bank eingetragen. Die Bank beantragte die Zwangsversteigerung der Wohnung und erhielt den Versteigerungserlöses. Der Beklagte empfahl, einen Anspruch auf Auskehr des Versteigerungserlöses gegenüber der Bank geltend zu machen. Das Verfahren verlief für den Kläger erfolglos. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, den Betrag nicht hinreichend gesichert zu haben, z.B. durch Fortsetzung der Teilungsversteigerung, und begehrt Schadensersatz. Das LG Stade hat die die Klage zunächst abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. In der Revisionsinstanz wurde nun das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Entscheidung
Eine Pflichtverletzung des Beklagten Anwalts konnte der BGH nicht feststellen. Der Beklagte war nach Auffassung des BGH und entgegen der Auffassung des OLG nicht verpflichtet, den Kläger auf einen nach Ansicht des Berufungsgerichts aus einer analogen Anwendung des § 888 Abs. 2 BGB folgenden Anspruch auf Wiedereintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Eigentümerin der Wohnung hinzuweisen, diesen Anspruch für ihn durchzusetzen und sodann die Teilungsversteigerung fortzuführen. Den Anwalt treffe im Rahmen seines Mandatsverhältnisses zwar die Pflicht zur umfassenden Belehrung und auftragsgerechten Erledigung, sodass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Sollte es in einem Fall keine höchstrichterliche Rechtsprechung geben, so kann der Rechtsanwalt den Sachverhalt durch geeignete Auslegung und Recherche erfassen. Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrichterlichen oder instanzgerichtlichen Entscheidung waren noch in einem der gängigen Kommentare oder Lehrbüchern behandelt wurden, hat er auf der Grundlage eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten. Vorliegend war allen Lösungsmöglichkeiten zur Sicherung der Ansprüche des Klägers gemein, dass diese einen Fortbestand des Pfandrechtes an den Gesellschaftsanteilen voraussetzten. Um zu einem Fortbestand des Pfandrechtes zu kommen, hätte es sich um Rechtsfortbildung gehandelt, die nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgte und die bisher nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung war; auch einschlägige instanzgerichtliche Rechtsprechung oder Literatur, die zu den gebräuchlichen Erläuterungsbüchern gehört und deshalb gegebenenfalls einzusehen gewesen wäre, hatte der Kläger nicht nachgewiesen. Angesichts dessen gereicht es dem Beklagten nicht zum Verschulden, dass er sich nicht für die vom Berufungsgericht allein für richtig gehaltene Maßnahme — die Durchsetzung des Anspruchs aus § 888 Abs. 2 BGB analog und die Fortsetzung der Teilungsversteigerung — entschieden hat.

Für einen Anwalt bedeutet das Urteil im Kern, dass er bei Rechtsfragen, die noch nicht geklärt sind, durchaus einen vertretbaren Weg empfehlen kann, ohne sich gleich schadensersatzpflichtig zu machen, auch wenn sich der Weg später als nicht erfolgreich heraus stellt. Erforderlich ist allerdings die Prüfung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung so wie ein fundierter und begründeter Vorschlag zur Vorgehensweise.

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Anwalt haftet nicht für kreative Rechtsfortbildung

BGH, Urteil vom 17.3.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 142/14

Sachverhalt
Der Kläger beauftragte den Beklagten mit der Durchsetzung eines Versäumnisurteils über etwa 220.000,00 € gegenüber seinem Schuldner. Dem Schuldner gehörte mit einem anderen Gesellschafter zusammen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der ihrerseits eine Eigentumswohnung gehörte. Der Beklagte ließ den Gesellschaftsanteil pfänden, kündigte den Gesellschaftsvertrag und beantragte eine Teilungsversteigerung, die mit Beschluss vom 12.10.2005 angeordnet wurde. Die Teilungsversteigerung wurde dann nicht weiter betrieben. Am 03.06.2006 trat der weitere Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil an den Schuldner ab. Am 03.04.2006 wurde eine Gesamtgrundschuld in Höhe von 250.000,00 € zu Gunsten einer Sparkasse in das Wohnungsgrundbuch eingetragen. Das Teilungsversteigerungsverfahren wurde mit Beschluss vom 14.02.2008 aufgehoben, nachdem der Beklagte keinen Fortsetzungsantrag gestellt hatte. Bei einer auf Antrag der Sparkasse betriebenen Zwangsversteigerung wurde ein Erlös von 40.100,00 € erzielt – allerdings erst im Jahr 2010. Der Kläger klagte dann vergeblich gegen die Sparkasse auf Auskehr des Versteigerungserlöses.

Im Anwaltshaftungsverfahren, welches auf Schadenersatz gerichtet war, hat das Landgericht Stade die Klage abgewiesen, das OLG Celle den Beklagten verurteilt.

Entscheidung
Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte angenommen, der Beklagte habe den Kläger unzutreffend beraten; er hätte einen Fortsetzungsantrag stellen und den Kläger darauf hinweisen müssen, dass er sonst seine Rechtsposition verlieren würde; denn die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf den Schuldner sei im Verhältnis zum Kläger unwirksam gewesen, sie hätte eine Fortsetzung der Teilungsversteigerung nicht gehindert.

Nach Auffassung des BGH hat der Rechtsanwalt seine Pflichten nicht durch unzutreffende Belehrung verletzt. Nach Auffassung des BGH kann der Mandant von einem Anwalt die Kenntnis der einschlägigen Rechtsnorm erwarten, bei deren Auslegung er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Fehle dagegen eine höchstrichterliche Rechtsprechung, kann der Anwalt sich die erforderlichen Erkenntnisse auch durch Einsichtnahme in die einschlägigen Kommentierungen verschaffen. Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrichterlichen noch einer instanzgerichtlichen Entscheidung waren, noch in einem der gängigen Kommentare oder Lehrbücher behandelt werden, hat er auf der Grundlage eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten.

Im vorliegenden Fall war eine solche Konstellation gegeben. Denn der Beklagte hatte in der gegebenen Situation angenommen, dass eine Teilungsversteigerung nicht mehr in Betracht komme und sich das Pfandrecht am Gesellschaftsanteil an dem Anspruch auf Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens fortgesetzt habe, weshalb er dann schließlich auch (vergeblich) die Sparkasse auf Auskehrung des Versteigerungserlöses in Anspruch genommen habe. Lösungsversuchen zu der aufgeworfenen Problematik ist nämlich gemeinsam, dass es sich bei ihnen allen um Rechtsfortbildungslösungen handelte, die weder aus Gesetz, Rechtsprechung noch Literatur erfolgten und deshalb nicht vom Beklagten einzusehen gewesen wären.

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Rechtsanwalt ist kein Ermittler

OLG Hamm, Urteil vom 11.8.2015 — Aktenzeichen: 28 U 136/14

Sachverhalt
Der Kläger schloss mehrere Kaufverträge über Grundstücke ab. In einem von der beklagten Anwaltssozietät geführten Prozess sollte die Nichtigkeit eines Kaufvertrages erreicht werden, um eine Auflassung und Übertragung zu verhindern. Argumentativ stützte die Beklagte sich dabei allein auf eine (behauptete) Schwarzgeldabrede. Ihr war jedoch auch bekannt, dass lediglich ein Kaufpreis von etwa 1,00 €/m² vereinbart gewesen ist.

Der Kläger war der Auffassung, die Beklagte hätte auch vortragen müssen, dass der Grundstückskaufvertrag unwirksam gewesen sei, weil der vereinbarte Kaufpreis weit unterhalb des damaligen Verkehrswertes gelegen hätte; die Kaufverträge seien deshalb wegen Sittenwidrigkeit nichtig gewesen.

Das Landgericht hat die auf Schadensersatz gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagten sei keine Pflichtverletzung anzulasten, weil der Kläger die Beklagte unstreitig nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Kaufpreis nur 25 % des Verkehrswertes ausgemacht habe; zur eigenen Nachforschung sei der Rechtsanwalt nicht verpflichtet gewesen.

Entscheidung
Das OLG Hamm wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück, allerdings nicht wegen einer fehlenden Pflichtverletzung.

Im vorliegenden Fall wusste die Beklagte nämlich aus einem der Vorprozesse, dass der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis und der übliche Kaufpreis von etwa 6,00 DM/m² weit auseinanderfielen. Auf Grundlage dieser Wertangaben hätte die Beklagte in den Blick nehmen müssen, dass nach der im Sommer 2009 einschlägigen Rechtsprechung von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bereits ausgegangen wurde, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch war wie der der Gegenleistung. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, zumindest beim Kläger nachzufragen, ob eine entsprechende Argumentation auch in den Prozess eingebracht werden soll.

Gleichzeitig stellte das OLG Hamm aber in seinem Urteil noch einmal ausdrücklich fest, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gehalten ist, von sich aus Nachforschungen in jede Richtung anzustellen, um einen für den Mandanten günstigen Sachverhalt erst zu ermitteln. Etwas anderes gilt erst dann, wenn konkrete Anknüpfungstatsachen bekannt sind, die weitere Nachfragen erfordern.

Die Berufung wurde dennoch zurückgewiesen, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er aufgrund der Pflichtverletzung einen Schaden erlitten hat. Vortrag zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages wäre nach Auffassung des OLG Hamm aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung, an der die Beklagte nicht beteiligt war, nicht mehr zu berücksichtigen gewesen.

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Kausalitätsnachweis im Anwaltshaftungsprozess

BGH, Urteil vom 16.7.2015 — Aktenzeichen: IX ZR 197/14

Sachverhalt
Die Kläger beauftragten die Beklagten im Jahr 2000, sie im Zusammenhang mit einem Kaufvertragsabschluss zu beraten. In einem späteren Prozess stellte sich heraus, dass eine Vertragsklausel wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des Aktienrechts unwirksam war.

Die Kläger haben behauptet, dass eine Vertragsgestaltung möglich gewesen sei, bei der sie im Vorprozess obsiegt hätten. Durch anwaltliche Pflichtverletzung sei ihnen ein Schaden in Höhe von 2,7 Mio. Euro entstanden.

Insgesamt legten die Kläger im Verfahren drei unterschiedliche Wege der Vertragsgestaltung mit unterschiedlichen Konsequenzen dar.

Sowohl Landgericht als auch Berufungsgericht sprachen eine (teilweise) Verurteilung der Beklagten aus.

Entscheidung
Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.

Er stellte in seiner Entscheidung zunächst noch einmal klar, dass die erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden grundsätzlich vom Mandanten darzulegen und zu beweisen ist; eine Beweislastumkehr gäbe es nicht; insbesondere sei nicht die Rechtsprechung zu Anlageberatungsfällen entsprechend anwendbar.

Der BGH betonte des Weiteren, dass für Mandanten zwar Beweiserleichterungen möglich seien, insbesondere in der Weise, dass eine tatsächliche Vermutung eingreift, dass ein Mandant sich beratungsgemäß verhält, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichtet Mandanten mit entsprechender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre.

Er hielt jedoch fest, dass die Beweiserleichterung nicht generell gilt, sondern dass die bestehenden Handlungsalternativen miteinander verglichen werden müssen, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten. Nach zutreffender Auffassung des BGH greifen die Regeln des Anscheinbeweises schon dann nicht, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der in Anspruch genommene Berater lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat.

Kämen indes mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, muss der Mandant nach Auffassung des BGH den einen Weg bezeichnen, für den er sich entschieden hätte.

Lässt der Mandant dagegen offen, für welchen Weg er sich entschieden hätte, ist die Schadenwahrscheinlichkeit nur dann gegeben, wenn diese sich für alle in Betracht kommenden Ursachenverläufe – nicht notwendig in gleicher Weise – ergibt. Legt der Mandant sich hingegen nicht fest, auch nicht in einer durch hilfsvorbringende gestaffelte Reihenfolge, muss er für jede einzelne der von ihm aufgezeigten Alternativen die notwendige Schadenwahrscheinlichkeit nachweisen.

Im vorliegen Fall führte dies zur Zurückverweisung, da die beklagten Anwälte einen der von Klägerseite behaupteten Kausalverläufe ausreichend bestritten hatten, das Berufungsgericht den Sachverhalt insoweit aber nicht aufgeklärt hatte.

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Im Grundsatz keine drittschützende Wirkung des Anwaltsvertrages

Landgericht Stuttgart , Urteil vom 24.2.2015 — Aktenzeichen: 9 O 108/14

Sachverhalt
Die beklagte Rechtsanwaltskanzlei war in diesem medienwirksamen Fall für ein Bundesland beratend tätig. Der Kläger behauptete, als Ministerpräsident des Bundeslandes in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages mit einbezogen zu sein und klagte auf Feststellung, dass ihm etwaige Schäden aus einem Beratungsfehler der Beklagten ersetzt werden sollen.

Entscheidung
Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab.

Ob überhaupt eine Pflichtverletzung und Kausalität gegeben waren, ließ es dahinstehen, da jedenfalls keine wirksame Einbeziehung des Klägers in den Anwaltsvertrag stattgefunden habe.

Da zwischen dem Kläger und der Beklagten kein eigenes Vertragsverhältnis vorlag, kam nur ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als Anspruchsgrundlage in Betracht.

Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts erlaubt der Anwaltsvertrag von seinem Wesen und seiner Struktur her allerdings nur in seltenen Fällen eine solche, unmittelbar Schadenersatzansprüche auslösende Einbeziehung Dritter in die aus dem Vertrag entstehenden Pflichten. Denn er ist auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt aufgebaut und daher vom Inhalt her streng zweiseitig und ohne Außenwirkung angelegt. Interessen Dritter am Ergebnis der anwaltlichen Tätigkeit können daher im Allgemeinen nicht zu einer Haftungserweiterung führen, selbst wenn diese dritten Person dem Rechtsanwalt benannt oder gar bekannt sind.

Im vorliegenden Fall scheiterte die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritte insbesondere am Merkmal der sogenannten Leistungsnähe. Die Beratungstätigkeit der Beklagten für das Land sollte nach dem Inhalt des Rechtsanwaltsvertrages nicht dem Interesse des Klägers dienen, der mit der Hauptleistung der Beklagten bestimmungsgemäß nicht in hinreichendem Maß in Berührung kam. Für dieses Merkmal sei nämlich nicht zu prüfen, ob sich später aufgrund eines Verhaltens der Beklagten ein Schaden realisiert habe; dies sei eine Kausalitätsfrage. Entscheidend sei vielmehr, welchen Risiken der Kläger bei Vertragsschluss aus ex-ante-Sicht durch die vertragliche Leistung der Beklagten ausgesetzt sei.

In Abgrenzung zu anderen Entscheidungen, vor allem mit erbrechtlichem Bezug ging es im vorliegenden Fall jedoch nicht darum, ein Geschäft beratend zu begleiten, aus welchem dem Kläger ein unmittelbarer Vermögensvorteil erwachsen sollte; es ging allein um die Beratung des betroffenen Landes.

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Kein Schadensersatz für „schlechten Vergleich“

OLG Hamm, Urteil vom 17.3.2015 — Aktenzeichen: 28 U 208/13

Sachverhalt
Die Klägerin befand im Jahr 2002 in länger andauernder Krankenhausbehandlung, während derer es zu mehrfachen Revisionsoperationen kam. Die Klägerin ging von einem ärztlichen Behandlungsfehler aus, der zu einer Infektion mit Staphylokokken geführt habe.

Der beklagte Anwalt leitete für die Klägerin ein Verfahren vor dem Gutachterausschuss für Haftpflichtfragen der Ärztekammer Westfalen-Lippe ein. Dieser stellte einen (einfachen) Behandlungsfehler fest.

Der Rechtsträger des behandelnden Krankenhaus bot zur Abgeltung aller Ansprüche der Klägerin einen Betrag von 16.000,00 Euro an. Nach Erörterung dieses Vorschlages teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass Sie keinen Abfindungsvergleich schießen wolle, weil später entstehende Ansprüche nicht ganz unwahrscheinlich seien. Dies wiederum teilte der Beklagte dem Klinikträger mit, woraufhin sich dieser bereit erklärte – unter Ausklammerung eines potentiellen Zukunftsschadens – noch eine Pauschalentschädigung von 10.000,00 Euro für die bereits entstandenen Schäden zu zahlen. Die Klägerin nahm den Vergleich nach Rücksprache mit dem Beklagten an. Nicht ausgeklammert waren bei dem Pauschalangebot solche Zukunftsschäden, die objektiv vorhersehbar waren.

Im weiteren Verlauf verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Klägerin, so dass sie von einem nach wie vor nicht abgeschlossenen Schaden von fast 250.000,00 Euro ausging, der aufgrund des Vergleichsabschlusses gegenüber dem Klinikträger aber nicht mehr durchsetzbar war, weil es sich nicht um gänzlich unerwartete Folgen der bereits eingetretenen Beeinträchtigung handelte.

Das Landgericht hat die gegen den beklagten Anwalt gerichtete Klage abgewiesen, da sich nicht feststellen lasse, dass die Vermögenslage der Klägerin ohne den Abschluss des Vergleichs besser gewesen wäre. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte zwar einen Behandlungsfehler erkennen, allerdings keinen groben Behandlungsfehler, der die Beweislast der Klägerin erleichtert hätte. Dass alle behaupteten Folgen auf den Fehler zurückzuführen waren, konnte er ebenfalls nicht feststellen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Selbst wenn von einer anwaltlichen Pflichtverletzung im Rahmen der anwaltlichen Beratung ausgegangen werden konnte, so hätte die Klägerin beweisen müssen, dass sie ohne Vergleichabschluss in der Lage gewesen wäre, den gesamten nun geltend gemachten Anspruch über ca. 250.000,00 Euro zzgl. Feststellungsantrag erfolgreich gegenüber dem Klinikträger durchzusetzen.

Dies hatte die durchgeführte Beweisaufnahme allerdings gerade nicht bestätigt. Der in erster Instanz nochmals bestätigte Behandlungsfehler rechtfertigte nur ein ganz geringes Schmerzensgeld, so dass der Senat sogar davon ausging, dass die Klägerin im Falle einer Arzthaftungsklage noch nicht einmal die gezahlten 10.000,00 Euro erstritten hätte.

Der Abschluss eines als „schlecht“ wahrgenommenen Vergleichs und der anwaltliche Rat zur Annahme des Vergleichs rechtfertigen daher nicht zwingend Ansprüche gegen den Rechtsanwalt.

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