Nachträgliche inhaltliche Kontrolle eines Telefax nicht erforderlich

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017 – Aktenzeichen: II ZB 19/16

Leitsatz
Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der einzelnen Schriftstücke im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht erforderlich. Es bedarf insbesondere keiner Anweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, den fristgebundenen Schriftsatz und zusätzlich zu übersendende Schriftstücke getrennt per Fax zu übermitteln oder sich durch telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle des Berufungsgerichts zu versichern, dass der fristwahrende Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist.

Sachverhalt
Der Kläger lässt gegen ein seine Klage abweisendes Urteil des Landgerichtes durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. Das entsprechende zehnseitige Telefax, bestehend aus der ersten Seite der Berufungsschrift, einem Schreiben des Landgerichtes an seinen Prozessbevollmächtigten, dem Empfangsbekenntnis seines Prozessbevollmächtigten und einer Abschrift des angefochtenen Urteils, wird am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelt. Das Original der Berufungsschrift einschließlich der zweiten Seite mit abschließender Unterschrift des Rechtsanwaltes erreicht das OLG erst nach Fristablauf.

Es stellte sich nachfolgend heraus, dass versehentlich nicht die zweite Seite der Berufungsschrift, sondern versehentlich ein zweites Schreiben des Landgerichtes gefaxt worden ist, weshalb die fehlende Seite auf dem Sendeprotokoll nicht aufgefallen ist. Da die Berufungsschrift mithin keine Unterschrift eines Rechtsanwaltes enthielt, wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Auch der fristgerecht eingereichte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde vom OLG abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die im Ergebnis erfolgreiche Beschwerde des Klägers.

Entscheidung
Der Kläger hatte im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages ausgeführt, dass die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und geprüfte Rechtsfachwirtin R. übersehen habe, dass die Berufungsschrift nicht vollständig übermittelt worden sei. Zwar bestünde in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten die Arbeitsanweisung, dass die automatisch ausgedruckten Sendeprotokolle darauf zu überprüfen sind, ob der Schriftsatz vollständig und ordnungsgemäß übermittelt worden sind und darüberhinaus im konkreten Fall eine entsprechender gleichlautender mündlicher Auftrag durch den Prozessbevollmächtigten, allerdings habe die im Sendeprotokoll ausgewiesene Seitenzahl mit der zu übermittelnden übereingestimmt und die Übersendung sei laut Protokoll auch erfolgreich gewesen. Daher sei die Frist gestrichen worden. Im Weiteren wurde der Vortrag durch eine eidesstattliche Versicherung der R. glaubhaft gemacht und vorgetragen, dass die R. stets zuverlässig gearbeitet habe und regelmäßig beanstandungsfrei überprüft worden sei.

Der BGH betont, dass der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO nur das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zugerechnet werden kann. Entgegen der Auffassung des OLG sei vorliegend jedoch gerade ein zurechenbares Organisationsverschulden nicht ursächlich für das Versäumen der Frist. Für eine wirksame Ausgangskontrolle reiche es – soweit vorliegend von Bedeutung – aus, wenn der Prozessbevollmächtige seinen Büroangestellten die Weisung erteile, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen.

Soweit das OLG die Auffassung vertrete, dass gerade das Versenden eines fristgebunden Schriftsatzes mit weiteren Schriftstücken die Gefahr mit sich brächte, dass versehentlich anstelle einzelner Seiten des fristgebundenen Schriftsatzes andere Schriftstücke mitgeschickt werden und dieser Gefahr durch ein bloßes Zählen der gesendeten Seiten nicht ausreichend begegnet werden könne, überspanne das OLG die Anforderungen an die Ausgangskontrolle.

Das versehentliche Vertauschen einer Schriftsatzseite mit einer anderen Seite aus der Handakte stelle kein spezifisches Risiko der Telefaxübermittlung dar, welchem durch die Ausgangskontrolle nach Abschluss des Sendevorgangs gesondert Rechnung getragen werden müssen. Es bedürfte daher keiner Anweisung, dass der fristgebundene Schriftsatz und weitere zu übermittelnde Schriftstücke getrennt per Fax übersendet werden müssen, so dass zwei Sendeprotokolle vorlägen. Auch eine telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle, ob der fristgebundene Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist, sei nicht erforderlich. Daher sei dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mangels ein dem Kläger zurechenbaren Verschuldens zu entsprechen.

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Der BGH konkretisiert in einer aktuellen Entscheidung die Pflichten des Rechtsanwalts zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze per Telefax

BGH Beschluss vom 27.06.2017 — Aktenzeichen: VI ZB 32/16

Leitsatz
Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeberichts zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist.

Die Kontrolle des Sendeberichtes darf sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem abgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.

Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren.

Sachverhalt
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Berufungsbegründung statt an das in die Adresszeile angegebene Oberlandesgericht an das Landgericht gefaxt. Der Schriftsatz wurde am letzten Tag der Frist gefaxt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Er hat ausgeführt, er habe die Berufungsbegründung diktiert und dabei die zutreffende Faxnummer des Oberlandesgerichts angegeben. Diese Faxnummer habe die zuständige Kanzleimitarbeiterin in den Entwurf der Berufungsbegründung übernommen. Bei der Übertragung des korrigierten Entwurfs auf den Briefbogen der Kanzlei habe die Mitarbeiterin – der allgemein erteilten Anweisung entsprechend – überprüfen wollen, ob die richtige Faxnummer angegeben sei und habe in der Handakte geblättert. Hier sei sie auf einen Schriftsatz gestoßen, in dem eine andere Faxnummer – die des Landgerichts – enthalten gewesen sei. Sie habe daraufhin diese Faxnummer in die Berufungsbegründung übernommen. Es bestehe eine allgemeine Arbeitsanweisung in der Kanzlei, dass bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ein Sendebericht zu erstellen sei und eine Überprüfung zu erfolgen habe, dass die richtige Faxnummer eingegeben und der Schriftsatz an das richtige Gericht vollständig übertragen worden sei.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dies wurde damit begründet, dass die Klägerin keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht hat, nachdem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhte.

Entscheidung
Der BGH bestätigt diese Entscheidung. Auch nach Auffassung des BGH hat die Klägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. So darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem aufgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügte Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist; denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihre Übertragung in den Schriftsatz ausschließen.

Dem Erfordernis kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu den vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen.

Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diesen Erfordernissen nicht genüge getan. Es fehlte an der unmissverständlichen Weisung, dass die Überprüfung, ob die Nummer des richtigen Gerichts eingegeben wurde, anhand einer zuverlässigen Quelle zu erfolgen hat. Entsprechend war die fehlerhafte Eingabe der Faxnummer von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu verschulden; das Wiedereinsetzungsgesuch war unbegründet.

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Kein Anscheinsbeweis für RSV

LG Dortmund , Urteil vom 23.3.2017 — Aktenzeichen: 2 S 21/16

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsschutzversicherung, die den beklagten Anwalt wegen der Führung eines aussichtslosen Rechtsstreits für ihren Versicherungsnehmer in Anspruch nahm. Dabei hat sie allerdings nicht konkret vorgetragen und auch keinen Beweis dafür angetreten, wie sich der Versicherungsnehmer bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten verhalten hätte; stattdessen stützte die Klägerin ihre Argumentation auf einen Anscheinsbeweis, dass ein Mandant keinen aussichtslosen Rechtsstreit führen wird.

Das Amtsgericht hat Pflichtverletzung des Beklagten und Kausalität aufgrund der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bejaht.

Entscheidung
Die Berufungskammer des Landgerichts Dortmund hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts Dortmund kann sich auf die Vermutung beratungskonformes Verhalten nur dann berufen werden, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine einzige Entscheidung nahegelegen hätte. Im Fall einer nicht durch Falschangaben erwirkten Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers gibt es aber keinen Anscheinsbeweis, dass der Mandant einen Prozess nicht geführt hätte.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Dortmund die Klage im Vorprozess deshalb abgewiesen, weil die Versicherungsnehmerin der Klägerin kein ALG 1, sondern ALG 2 bezogen hatte und damit die in den Versicherungsbedingungen gegenüber der Beklagten im Vorprozess geregelten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlagen; das Anspruch hätte niemals durchgesetzt werden können. Zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen enthielt das Schreiben, mit dem um Deckungsschutz ersucht wurde, allerdings gar keine Angaben.

Das LG Dortmund meint: Wenn die Rechtsschutzversicherung ihren Nachfragenobliegenheiten vor der Deckungszusage nicht nachkommt, geht dies allein zu ihren Lasten.

Das Landgericht Dortmund setzt sich ausdrücklich der Rechtsprechung des OLG Hamm (z. B. Urteil v. 18.12.2016, Az.: 28 U 73/15 sowie Urteil v. 23.08.2016, Az.: 28 U 57/15) entgegen. Nach Auffassung des Landgerichts kann gerade nicht angenommen werden, dass der rechtsschutzversicherte Mandant von der Rechtsverfolgung absieht, nur weil sein Anwalt auf die Aussichtslosigkeit des Unterfangens hinweist. Im Gegenteil geht das Landgericht davon aus, dass der vernünftig denkende Mandant immer abwarten wird, ob die Rechtsschutzversicherung ihm nicht doch Rechtsschutzdeckung erteilt, da der Versicherer in seiner Deckungsprüfung zu einer eigenen rechtlichen Bewertung verpflichtet ist.

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Vorsorgliche Berufungseinlegung

Bayerischer VGH, Urteil vom 20.2.2017 — Aktenzeichen: 16a D 16.2092

Sachverhalt
Der bevollmächtigte Anwalt führte für den Beklagten ein Verfahren vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit wegen eines Dienstvergehens. Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 23.08.2016 zugestellt.

Der Anwalt bat den Beklagten per E-Mail um Weisung, ob Berufung eingelegt werden soll. Der Beklagte behauptete, diese nicht erhalten zu haben. Ein telefonischer Kontaktaufnahmeversuch am Tag vor Fristablauf blieb erfolglos.

Erst am 11.10.2016 legte der Anwalt für den Beklagten Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Argument, er habe innerhalb der offenen Frist keinen Auftrag des Mandanten erhalten können, weil dieser nichts vom Fristablauf gewusst habe; dieser habe daher erst nach Fristablauf nachfragen können, wie es um die Berufung stehe und auch erst dann Weisung zur Einlegung der Berufung erteilen können.
Entscheidung

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Von einem eigenen Verschulden des Beklagten im Rahmen der Fristversäumung ging der Senat nicht aus, da es erst im Oktober zu einer telefonischen Kontaktaufnahme zwischen dem Beklagten und seinem Prozessbevollmächtigten gekommen sei.

Stattdessen ging der Verwaltungsgerichtshof von einem Verschulden des Rechtsanwalts aus. Der Rechtsanwalt sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet, bei seinem Mandanten nachzufragen, ob nicht doch Berufung eingelegt werden soll, wenn er konkreten Anlass zur Sorge haben muss, dass seine Mitteilung verloren gegangen ist oder ihm der Standpunkt des Mandanten, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einzulegen, bereits bekannt war. Im vorliegenden Fall habe der Anwalt sich mit der fehlenden Reaktion des Beklagten deshalb nicht zufrieden geben dürfen, weil er im Kanzleibetrieb E-Mail-Korrespondenz nutzte, aber keine Lesebestätigung anforderte. Es sei nicht ausreichend gewesen, am letzten Tag der Frist eine telefonische Kontaktaufnahme zu versuchen.

Darüber hinaus habe der Anwalt vorsorglich fristwahrend Berufung einlegen können und müssen. Eine solche Vorgehensweise ist nach Auffassung des VGH jedenfalls dann geboten, wenn das Verfahren – wie hier aufgrund der landesgesetzlichen Regelungen – gebührenfrei ist und hierdurch keine Kostenrisiken entstehen.

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Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darf nicht unter einer Bedingung erfolgen

Beschluss des BGH vom 01.06.2017 — Aktenzeichen: V ZB 106/16

Leitsatz
Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung unwirksam, die Fristverlängerung ist hingegen wirksam.

Sachverhalt
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte gegen ein Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die bereits verlängerte Berufungsbegründungsfrist sollte erneut verlängert werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte den entsprechenden Antrag und versicherte anwaltlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Fristverlängerung zugestimmt habe. Der Vorsitzende des Berufungssenates verfügte wie folgt:

„Fristverlängerung wird mit der Maßgabe gewährt, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine Zustimmung erteilt hat“.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilte dann nach Einreichung der Berufungsbegründung mit, er habe die Zustimmung nicht erteilt. Offensichtlich gab es hierzu ein Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten. Die Berufung wurde daraufhin als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

Entscheidung
Der BGH hat festgestellt, dass die Berufungsbegründung fristgemäß eingelegt wurde. Die Auffassung des OLG, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei wegen Fehlens der Bedingung, unter der sie gewährt worden sei, unwirksam, ist nach Auffassung des BGH unzutreffend. Der BGH hat festgestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht unter einer Bedingung verlängert werden kann, da die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bedingungsfeindlich ist. Der Berufungsführer, der um eine solche Verlängerung nachsucht, muss anhand der Antwort des Gerichts zweifelsfrei feststellen können, wann die Frist abläuft. Dies folgt aus dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Hierzu gehört, dass Fristen, von deren Einhaltung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels abhängt, eindeutig bestimmbar sind. Daran fehlt es, wenn eine Fristverlängerung unter einer Bedingung gestellt werden könnte. Der Ablauf der Begründungsfrist wäre dann nämlich nicht kalendermäßig und damit klar bestimmbar, sondern hänge von dem Nachweis des Eintritts der gesetzten Bedingung ab. Von solchen Unwägbarkeiten dürfen die Rechtsmittelgerichte die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht abhängig machen. Ob die Frist auch in dem Fall als verlängert gilt, wenn das Gericht bewusst über die Einwilligung des gegnerischen Prozessbevollmächtigten getäuscht worden wäre, war vorliegend nicht zu entscheiden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien über das Vorliegen des Einverständnisses gekommen.

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Zur Begründetheit eines aus abgetretenem Recht verfolgten Schadensersatzanspruchs gegen einen Notar

BGH , Urteil vom 20.4.2017 — Aktenzeichen: III ZR 398/15

Leitsatz
Versäumt es der Notar das Optionsrecht an Grundstücken durch eine Auflassungsvormerkung grundbuchmäßig zu besichern, so steht dem Zessionar, an den sämtliche Rechte aus dem Optionsvertrag abgetreten wurden, kein Anspruch auf entgangenen Gewinn für die nach Ausübung des Optionsrechts beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke, Zinsen für ein aufgenommenes Darlehen sowie ihm entstandener Kosten gem. § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO gegen den Notar zu, wenn die Grundstücke an einen Dritten veräußert werden. Ein derartiger Schaden ist von der abgetretenen Forderung nicht mitumfasst, sondern stellt einen nach Inhalt, Umfang und zugrunde liegendem Lebenssachverhalt anderen Gegenstand der Forderung dar, wenn der Zedent weder zum Zeitpunkt der Abtretung seiner Rechte noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Ende des Optionsraums in der Lage war, seine Rechte aus dem Optionsvertrag auszuüben und Eigentümer der Grundstücke zu werden.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung. Der Sohn der Klägerin schloss einen Optionsvertrag über den Kauf eines Grundstücks ab. Obwohl im Optionsvertrag geregelt, wurde eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs durch den Beklagten nicht bewirkt. Das Grundstück wurde von dem Optionsgeber weiterveräußert. Nach dieser Weiterveräußerung trat der Sohn der Klägerin sämtliche Rechte aus dem Optionsvertrag an die Klägerin ab. Diese erklärte die Ausübung der Option. Der nunmehr neue Eigentümer verweigerte mit Erfolg die Übertragung der Grundstücke.

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin geltend, aufgrund der pflichtwidrig nicht bewirkten Eintragung der Auflassungsvormerkung habe sie die abgetretenen Rechte aus dem Optionsvertrag nicht durchsetzen können. Den ihr dadurch entstandenen Schaden (entgangener Gewinn für die beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke, Zinsen für von ihr aufgenommene Darlehen sowie Kosten) habe der Beklagte zu ersetzen.

Entscheidung
Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat nach Auffassung des BGH gegen den Beklagten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, da die Klägerin mit ihrem nunmehr gegen den Beklagten verfolgten Anspruch einen gänzlich anderen Schaden geltend macht, der sich von dem Gegenstand der abgetretenen Forderung maßgeblich unterscheidet und davon deshalb nicht mit umfasst war. Der nunmehr von der Klägerin geltend gemachte Schaden war bei dem Sohn der Klägerin nicht eingetreten und hätte auch nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes zu keinem Zeitpunkt bei dem Sohn der Klägerin entstehen können.

Zunächst kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der Klägerin kein originärer Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht, da der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten weder als Nebenrecht im Sinne des § 401 BGB noch als unselbständiger Bestandteil des abgetretenen Optionsrecht auf die Klägerin übergegangen ist. Die Klägerin kann daher lediglich einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht des Sohnes geltend machen. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist aber von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Vielmehr verlangt sie Ersatz entgangenen Gewinns für die von ihr nach einer Ausübung des Optionsrechts beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke und für damit verbundene Kosten. Dieser behauptete Schaden ist jedoch von der abgetretenen Forderung nicht mit umfasst, da dieser nach Inhalt, Umfang und zugrunde liegenden Lebenssachverhalt einen anderen Gegenstand der Forderung darstellt. Der mit der Klage geltend gemachte Schaden war nicht etwa in dem Anspruch mit enthalten, den der Sohn der Klägerin abgetreten hat und hätte geltend machen können, sondern unterscheidet sich inhaltlich davon und geht weiter darüber hinaus, so dass er ein aliud darstellt. Ein solcher Schaden war bei dem Sohn nicht im Grunde bereits angelegt und hätte in seiner Person auch nicht entstehen können, da dem Sohn unstreitig die finanziellen Mittel fehlten, um eine Zahlungsverpflichtung aus dem bedingten Kaufvertrag zu erfüllen und im Übrigen dem Sohn keine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt worden wäre.

Fazit
Geht ein Anspruchsteller aus abgetretenem Recht gegen einen Notar vor, so ist sehr genau zu ermitteln, ob dem Anspruchsteller überhaupt eigene Rechte gegenüber dem Notar zustehen können und ob ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch überhaupt von der Abtretung erfasst ist. Für die Bewertung gibt der BGH in dieser Entscheidung eine Richtlinie vor.

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Nur eine Verjährung pro Pflichtverletzung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2.2.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 91/15

Sachverhalt

Die Kläger hatten zu einem Festpreis von 1,3 Mio. DM die Sanierung ihres Hauses beauftragt. Den vereinbarten Fertigstellungstermin hielt die Auftragnehmerin nicht ein.

Die Kläger beauftragten zunächst eine dritte Rechtsanwältin mit der Durchsetzung ihrer Rechte, insbesondere einer Vertragsstrafenregelung. Die Auftragnehmerin, eine GmbH, war bereits zahlungsunfähig. Gegen sie erging ein Versäumnisurteil. Der Geschäftsführer der GmbH hatte eine Erfüllungsbürgschaft übernommen. Die gegen ihn gerichtete Klage wurde als „derzeit unbegründet“ abgewiesen (1. Prozess).

In einem Folgeprozess, der zuerst von einem weiteren dritten Rechtsanwalt, dann von der beklagten Rechtsanwältin geführt wurde, wurde die Klage gegen den Geschäftsführer als unzulässig abgewiesen (2. Prozess).

Die Kläger führten dann mit Hilfe der Beklagten einen Rechtsstreit gegen den dritten Rechtsanwalt, weil er die Klage gegen den Geschäftsführer nicht rechtzeitig zurückgenommen hatte. Der Rechtsstreit endete mit dem Abschluss eines Vergleichs (3. Prozess).

In einem vierten Prozess gingen die Kläger, wieder vertreten durch die Beklagte, erneut gegen den Geschäftsführer vor und verlangten Zahlung von 100.000,00 € (4. Prozess).

Die Klage wurde mit Urteil vom 13.12.2007 abgewiesen. Die Berufung dagegen nahmen die Kläger im Jahr 2010 zurück.

Im streitgegenständlichen und nunmehr fünften Prozess haben die Kläger die beklagte Rechtsanwältin auf Schadensersatz in Anspruch. Sie warfen ihr vor, den vierten Rechtsstreit eingeleitet zu haben, obwohl dieser aussichtslos war. Ferner warfen sie ihr vor, es versäumt zu haben, die dritte Rechtsanwältin, die den ersten Prozess geführt hatte, wegen einer unwirksamen Fristsetzung im Jahr 2001 auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu haben, so dass Ansprüche dieser gegenüber mittlerweile verjährt waren.

Das Landgericht Neubrandenburg hat die Beklagte teilweise verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage insgesamt abgewiesen worden. Das OLG Rostock führte hierzu aus, der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte sei insgesamt verjährt (hier noch nach altem Recht gem. § 51 b BRAO a.F.).

Entscheidung
Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und bemängelt, dass sich auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen lasse, in welchem Umfang die Ansprüche der Kläger tatsächlich verjährt sind. Er hat die Sache an das OLG Rostock zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BGH ist das OLG Rostock im vorliegenden Fall zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der sog. Grundsatz der Schadenseinheit besage, dass derjenige Schaden, der aus einem bestimmten Schaden erwachsen ist, als einheitliches Ganzes aufzufassen ist. Nach diesem Grundsatz gibt es nur eine einheitliche Verjährungsfrist; für den Verjährungsbeginn ist dann maßgebend, wann der erste Teilschaden eingetreten ist und geltend gemacht werden kann. Auch im Bereich der Anwaltshaftung gilt dieser Grundsatz für alle Schäden, die aus einer bestimmten Pflichtverletzung erwachsen.

Im vorliegenden Fall haben die Kläger der Beklagten jedoch zwei unterschiedliche Pflichtverletzungen vorgeworfen, so dass bei der Prüfung der Verjährung nicht auf das einheitlich erteilte Mandat oder den zuerst eingetretenen Schaden abgestellt werden durfte. Die Kläger haben der Beklagten nicht nur die aussichtslose Klage gegen den Geschäftsführer vorgeworfen (4. Prozess), sondern auch Ersatz desjenigen Schadens verlangt, der dadurch entstanden ist, dass die Beklagte Schadensersatzansprüche gegen die früher beauftragte Rechtsanwältin (1. Prozess) hat verjähren lassen. Für zwei derartige materiell-rechtlich unterschiedliche Ansprüche läuft jeweils eine eigenständige Verjährung — dies gilt auch dann, wenn nur ein einheitlicher Auftrag erteilt worden sein sollte.

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Vollmachten zur Auflassungserklärung und Notarhaftung

BGH, Urteil vom 9.2.2017 — Aktenzeichen: III ZR 428/16

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns. Der Beklagte beurkundete einen Kaufvertrag, aufgrund dessen die Klägerin und ihr Ehemann von der H. Bau GmbH eine noch zu errichtende Eigentumswohnung erwarben. Die Käufer bevollmächtigten die Verkäuferin „die Auflassung des Vertragsobjektes zu erklären und entgegenzunehmen und alle Erklärungen an das Grundbuchamt abzugeben, die zur vertragsgemäßen Umschreibung erforderlich sind“. Die Verkäuferin bevollmächtigte ihrerseits die Notariatsfachangestellten zur Abgabe aller Erklärungen, zu denen sie bevollmächtigt worden ist, wobei bestimmt war, dass der beklagte Notar seine Angestellten bei der Ausübung der Vollmacht zu überwachen habe. Während eines Urlaubes des Notars wurden die letzten Unterlagen zur Abgabe der Auflassungserklärungen vorgelegt. Die Notariatsangestellten erklärten die Auflassung aber nicht. Kurz darauf widerrief die Verkäuferin die Vollmacht. Die Klägerin musste die Auflassung von der Verkäuferin gerichtlich erwirken und verlangt nun Schadensersatz von dem beklagten Notar. Das OLG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Der BGH bestätigt das Urteil des OLG. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Der Beklagte hat seine Amtspflichten als Notar nicht dadurch verletzt, dass er es unterließ, auf seine Angestellten einzuwirken, namens der H. Bau GmbH die Auflassung der gekauften Eigentumswohnung auf die Klägerin und deren Ehemann zu erklären. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Notarangestellten nicht zu einer Auflassungserklärung für die Verkäuferin bevollmächtigt, sondern lediglich zur Abgabe der für die Auflassung erforderlichen Erklärungen der Käufer unterbevollmächtigt waren. Dies hat das OLG nach Auffassung des BGH zutreffend dem Wortlaut des Kaufvertrags entnommen, nach dem die von den Käufern bevollmächtigte Verkäuferin ihrerseits den Angestellten Vollmacht nur zur Abgabe von Erklärungen erteilt hat, „zu denen sie bevollmächtigt worden ist“. Angesichts des klaren und unzweideutigen Inhalts dieser Regelung liegt darin nicht eine Vollmacht der Verkäuferin (auch) zur Abgabe ihrer eigenen Auflassungserklärung. Gestützt wird dies dadurch, dass der Vertrag einleitend als Grundlage für die Untervollmachten auf den Passus Bezug nimmt, wo allein die von den Käufern der Verkäuferin erteilte Vollmacht geregelt ist. Erforderlich wäre gewesen, dass die Verkäuferin ihrerseits eine Vollmacht zur Abgabe ihrer Auflassungserklärung erteilt hätte. Dies war aber nicht der Fall.

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Fristverlängerung im Berufungsverfahren

GH, Urteil vom 26.1.2017 — Aktenzeichen: IX ZB 34/16

Leitsatz
Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben wird, sofern er erhebliche Gründe wie Arbeitsüberlastung oder Urlaubsabwesenheit dargelegt hat.

Der Rechtsanwalt muss sich nicht vergewissern, ob seinem erstmaligen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben wurde, wenn er nach dem Inhalt der mitgeteilten Gründe auf eine Verlängerung vertrauen durfte.

Sachverhalt
Ein Rechtsanwalt wurde in einem Verfahren in Anspruch genommen. Nach zunächst erfolgter Verurteilung legte der beklagte Rechtsanwalt Berufung gegen das Urteil ein. Unter Hinweis auf urlaubsbedingte Abwesenheit und damit einhergehende Arbeitsbelastung beantragte er fristgemäß, die Berufungsfrist um einen Monat zu verlängern. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagte dann die Berufung begründet. Dem Fristverlängerungsantrag wurde nicht stattgegeben. Der Beklagte hat Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gestellt und begründet. Die Berufung ist aber als unzulässig verworfen worden.

Entscheidung
Der Verwerfungsbeschluss ist aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Nach Auffassung des OLG hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass die Berufung nur dann als unzulässig verworfen werden durfte, wenn der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt worden war. Dies war nicht der Fall. Ungeachtet dessen hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung positiv beschieden werden müssen. Ein Rechtsanwalt kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Allgemeinen erwarten, dass einem ersten Verlängerungsantrag dann entsprochen wird, wenn ein erheblicher Grund vorgetragen wird. Der erstmalige Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist war auf die als erheblich anerkannten Gründe der Arbeitsüberlastung sowie der Urlaubsabwesenheit gestützt worden. Der Beklagte durfte darauf vertrauen, dass seinem Gesuch entsprochen wird. Der Beklagte musste auch nicht hinsichtlich der Fristverlängerung bei Gericht nachfragen. Eine Nachfragepflicht kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht. Ein solcher konkreter Anlass ist nicht schon dann gegeben, wenn der Anwalt in der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist noch keine auf seinen Schriftsatz bezogene Verfügung des Gerichts erhält. Der Rechtsanwalt muss sich nicht darüber vergewissern, ob seinem Antrag stattgegeben wurde. Für eine solche Rückfrage besteht kein erkennbarer Anlass, wenn der Anwalt — wie im Streitfall — mit der Verlängerung der Frist rechnen konnte.

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Pflichten und Haftung des Anwaltsmediators

OLG Stuttgart, Urteil vom 26.1.2017 — Aktenzeichen: 11 U 4/16

Leitsatz
Die Beratungspflicht des Anwaltsmediators erstreckt sich bei gewünschter einvernehmlicher Regelung der Scheidungsfolgen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Zur Haftung des Anwaltsmediators neben einem Terminsanwalt, der im Termin den Versorgungsausgleich durch Vereinbarung ausschließt.

Sachverhalt
Der Kläger — der Terminsanwalt aus einem Scheidungsverfahren — macht aus abgetretenem Recht der geschiedenen Ehefrau Ansprüche aus Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagte — Anwaltsmediatorin — geltend. Die Beklagte hatte die zu scheidenden Eheleute vor dem Scheidungstermin beraten. Sie erhielt Vollmachten zur Einholung der Auskünfte bei den Versorgungsträgern. Im Rahmen der Schlich-tungsgespräche sollte eine Scheidungsfolgenvereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung und den Zugewinn geschlossen werden. Ein Ausgleich über den Zugewinn fand statt. Die Beklagte holte aber keine Auskünfte bei der Rentenversicherung über die Versorgungsansprüche ein. Unter Vertretung des Klägers wurden die Eheleute rechtskräftig geschieden, wobei der Versorgungsausgleich rechtskräftig ausgeschlossen worden war. Auf mögliche Konsequenzen hat weder der Kläger, noch die Beklagte hingewiesen. Eine Einholung der Auskünfte zum Versorgungsausgleich ergab dann, dass die Ehefrau einen Anspruch i.H.v. ca. 95.000,00 € gehabt hätte. Diesen Betrag hat die Ehefrau dann gegen den Kläger wegen Verletzung des Anwaltsvertrages geltend gemacht. Nach Abschluss eines Vergleiches nimmt der Kläger nunmehr die Beklagte auf hälftigen Ausgleich des von ihm an die Ehefrau gezahlten Betrages in Anspruch. Er ist der Auffassung, die Beklagte habe die Eheleute darüber aufklären müssen, wie grundsätzlich mit dem Versorgungsausgleich umzugehen ist und welche Ansprüche daraus bestehen können. Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Scheidungsverfahren und die damit verbundenen Folgesachen nicht der Gegenstand des Meditionsvertrages gewesen seien.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Das OLG ist der Auffassung, dass die Beklagte eine Pflicht aus dem Anwaltsmediationsvertrag verletzt hat. Nach Auffassung des OLG finden auf den abgeschlossenen Mediationsvertrag die Grundsätze der Anwaltshaftung Anwendung. Die Beratung über die Folgesache Versorgungsausgleich war daher von dem Mediationsvertrag umfasst. Die Beklagte war demnach als anwaltliche Mediatorin zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung im Zusammenhang mit den Zielvorstellungen der Beteiligten verpflichtet. Sie musste gewährleisten, dass das von den Konfliktparteien angestrebte Ziel auf sicherstem Wege erreicht werden kann. Zwar schuldet sie keinen Erfolg des Schlichtungsversuchs, aber jedenfalls die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens, insbesondere die Erteilung richtiger Hinweise. Sie trifft daher auch eine allgemeine Pflicht zur Beratung der Konfliktparteien. Da von der Beklagten keine Aufklärung über die Art und Weise des Versorgungsausgleiches und die Konsequenzen erfolgt war, kommt das OLG zu einer Pflichtverletzung, die auch kausal für den geltend gemachten Schaden war. Dass der Kläger auf die Angaben, welche im Scheidungsantrag niedergelegt waren, pflichtwidrig vertraut hat, unterbricht den Zurechnungszusammenhang nach Auffassung des OLG nicht, da die Beklagte selbst durch mangelnde Kontrolle die fehlerhaften Angaben im Scheidungsantrag mit zu verantworten hat.

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