Heilung für verdecktes Geschäft zu ermöglichen: Nicht Schutzzweck der Notarpflicht!

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

BGH, Urteil vom 4.4.2019 — Aktenzeichen: III ZR 338/17

Leitsatz
Die notariellen Belehrungspflichten beschränken sich auf das konkret zu beurkundende Geschäft. Ein innerer Zusammenhang besteht nur mit einem Schaden, der im Bereich dieses beurkundeten Geschäfts entstanden ist, nicht jedoch mit einem verdeckten Geschäft, das der Notar nicht kennt oder kennen muss.

Sachverhalt
Ein Bauträger will eine Reihe von Wohnungen verkaufen. Der Notar gestaltet die Verträge so, dass der Erwerber ein bindendes Angebot abgibt, welches nach Ablauf der Bindefrist zwar widerrufen werden kann, ohne Widerruf aber fortgilt und weiterhin annehmbar ist.

Der Bauträger nimmt ein solches Angebot des Käufers auf Erwerb einer Wohnung zum Preis von 81.500,00 € nach Ablauf der Bindefrist an. Der Käufer schließt einen entsprechenden Darlehensvertrag ab. Der Vertrag wird abgewickelt und das Eigentum im Grundbuch eingetragen.

In Wahrheit hatten die Parteien allerdings vereinbart, dass der Käufer eine Eigenprovision von rund 13.000,00 € erhalten soll. Der wirklich gewollte Kaufpreis ist daher geringer.

Der Käufer verlangt in einem Vorprozess vom Bauträger erfolgreich die Rückabwicklung des Vertrages. Denn die Klausel, wonach das Angebot nach Ablauf der Bindefrist weiter fortwirkt, verstößt gegen AGB-Recht und ist unwirksam. Die Annahmeerklärung des Bauträgers war daher nicht mehr auf ein bestehendes Angebot bezogen, sondern galt als ein neues Angebot, welches niemals angenommen wurde. Trotz der Eintragung im Grundbuch wird das Geschäft rückabgewickelt.

Der Bauträger verlangt im vorliegenden Prozess Schadensersatz vom Notar wegen fehlerhafter Vertragsgestaltung. In den Instanzen mit wechselndem Erfolg.

Entscheidung
Der BGH weist die Klage ab.

Eine Pflichtverletzung liegt vor. Der Notar hätte — auch schon 2006 — das notarielle Angebot nicht mit Fortwirkung über die Bindefrist hinaus konzipieren dürfen. Er hätte die Annahmeerklärung des Bauträgers daher nicht beurkunden dürfen, sondern hätte darüber belehren müssen, dass der Vertrag so nicht wirksam zustande kommen kann.

Auch die Kausalität zum Schaden ist gegeben. Wegen des fehlenden Vertragsschlusses war der Vertrag auch nach Eintragung in das Grundbuch rückabzuwickeln. — Diese Konsequenz wäre nach dem problematischen Parallelgeschehen allein nicht eingetreten. Zwar war das beurkundete Geschäft als Scheingeschäft nichtig (§ 117 BGB). Das tatsächlich gewollte Geschäft — einschließlich Eigenprovision bzw. mit dem geringeren echten Kaufpreis — war nicht in der vorgeschriebenen Form beurkundet (§ 125 BGB). Dieses Malheur wäre aber durch die Eintragung in das Grundbuch geheilt worden. Der Käufer hätte also ab diesem Zeitpunkt mit dem wirklich gewollten Vertragsinhalt leben müssen. Er hätte keine Rückabwicklung bekommen.

Eine Haftung scheidet dennoch aus. Der Schutzzweck der notariellen Belehrungspflichten bezieht sich auf das beim Notar zu beurkundende Geschäft. Dieses aber war ein Scheingeschäft und wäre somit ohnehin nichtig gewesen und nichtig geblieben. Auf den verdeckten — und dem Notar nicht erkennbaren — Vertragsinhalt bezieht sich die Belehrungspflicht nicht.

Anmerkung:
Das Ergebnis erscheint richtig. Der Notar ist nicht dafür verantwortlich, ein verdecktes Geschäft zur Geltung zu bringen, welches die Parteien ihm nicht mitgeteilt haben und das ihm nicht bekannt sein konnte. Der Notar hat ja nur „verhindert“, dass das wirklich gewollte — aber gar nicht beurkundete — Geschäft später aufgrund einer Heilungsklausel durch Eintragung ins Grundbuch noch Wirksamkeit erlangen konnte.

Bezüglich des beurkundeten Vertrages hatte der Notar eben „Glück“, dass dieses Geschäft zwischen den Beurkundungsparteien eben nicht wirklich gewollt war und somit als Scheingeschäft sowieso der Nichtigkeit unterfiel.

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Kausalverläufe beim Anwaltsregress

Stefan KrappelStefan Krappel

LG Münster, Urteil vom 16.4.2019 — Aktenzeichen: 09 S 99/17

Leitsatz
Im Rahmen der Kausalität muss das Regressgericht prüfen, wie das Gericht im Vorprozess entschieden hätte. Nicht in jedem Fall aber ist die Beweisaufnahme zu wiederholen – so die Berufungskammer des Landgerichts Münster.

Sachverhalt
Der Kläger hat die Beklagten wegen fehlerhafter anwaltlicher Vertretung in Anspruch genommen.

Im Vorprozess stritt der Kläger, vertreten durch die Beklagten, um folgenden Sachverhalt: Der Kläger verkaufte einem Käufer ein Wohnmobil mit einem Wasserschaden. Inwieweit er im Vorfeld über diesen und seinen Umfang aufgeklärt hatte, war streitig. Bei Übergabe, die in Anwesenheit eines weiteren Zeugen des Käufers geschah, wurde der Wasserschaden bemerkt. Der Käufer erklärte den Rücktritt und hilfsweise die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung; im Prozess nahm der Kläger den Käufer auf Erfüllung in Anspruch.

In einer ersten mündlichen Verhandlung wurde die Ehefrau des Klägers dazu angehört, welche Angaben der Kläger u.a. telefonisch gegenüber dem Käufer gemacht hatte. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte das Vorliegen eines älteren Wasserschadens.

In einer zweiten mündlichen Verhandlung wurde der gegnerische Zeuge zum Umfang des Wasserschadens bei Übergabe angehört.

Die beklagten Rechtsanwälte hatten versäumt, den Kläger über diesen Termin zu informieren und berichteten ihm auch nicht vom Ergebnis des Termins.

Der Kläger verlor den Vorprozess in erster Instanz. Das Gericht stützte sein Urteil hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels auf das Sachverständigengutachten sowie die Aussage des gegnerischen Zeugen; hinsichtlich des arglistigen Verschweigens des Mangels stützte das Gericht sein Urteil auf die Aussage der Ehefrau.

Der Kläger wechselte zwischen den Instanzen den Rechtsanwalt; in der Berufungsinstanz wurde die Ehefrau als Zeugin dafür angeboten, dass der gegnerische Zeuge das streitgegenständliche Wohnmobil gar nicht betreten habe und überhaupt keine Aussagen zum Zustand des Wohnmobils haben machen können, weshalb es jedenfalls am Arglistnachweis fehle; der entsprechende Beweisantritt wurde in der Berufungsinstanz als verspätet zurückgewiesen; der Kläger verlor das Verfahren insgesamt.

Im Regressverfahren stellte der Kläger zwar unstreitig, dass das Fahrzeug grundsätzlich bei Übergabe mangelhaft war; er warf den Beklagten aber vor, dass man keine Gelegenheit gehabt habe, die Ehefrau noch einmal früher als Zeugin dafür zu benennen, dass der gegnerische Zeuge das Wohnmobil gar nicht betreten habe; er habe deshalb keine richtigen Angaben zum Umfang des Wasserschadens machen können; es sei dem Kläger nicht nachzuweisen gewesen, dass er arglistig gehandelt habe.

Entscheidung
Die Berufungskammer des Landgerichts Münster hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil in erster Instanz zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH hat das Regressgericht nicht zu prüfen, wie das Gericht im Vorprozess hypothetisch bei anderer Handhabung entschieden hätte, sondern wie es richtigerweise hätte entscheiden müssen.

Im vorliegenden Fall bestand nach Auffassung der Berufungskammer jedoch keinerlei Verknüpfung zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden, sodass eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht geboten war. Der gegnerische Zeuge war im Vorprozess allein dazu angehört worden, ob bei Übergabe des Fahrzeuges ein Mangel in Form eines Wasserschadens vorlag. Auch das Urteil bezog sich insoweit nur auf die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorlag.

Die Beantwortung der Frage wiederum, ob der Kläger den Käufer arglistig getäuscht hatte, hatte das Gericht im Vorprozess allein darauf gestützt, welche Angaben die Ehefrau des Klägers gemacht hatte; der Kläger hatte nach dieser Aussage gegenüber dem Käufer insofern „ins Blaue hinein“ Angaben gemacht, die der Arglist gleichstünden. Ohnehin war nach Auffassung der Berufungskammer eine Anhörung des Zeugen untunlich, da dieser über das Zustandekommen des Kaufvertrages keine Angaben machen konnte.

Der in Anspruch genommene Rechtsanwalt, der versäumt hat, einen Gegenzeugen zu benennen, muss daher bei seiner Verteidigung sorgfältig differenzieren. Die hypothetische Beweisaufnahme des Vorprozesses ist nicht zwingend nachzuholen. Vielmehr sind Konstellationen denkbar, in denen sich die behauptete Zeugenaussage gar nicht ausgewirkt hätte. Hierauf ist das Regressgericht hinzuweisen, damit es nicht davon ausgeht, es habe schlicht den Vorprozess unter Einbeziehung eines übersehenen Zeugen zu wiederholen.

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Grundsatz der Schadenseinheit

LG Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2018 — Aktenzeichen: 3 S 6/17

Sachverhalt
Der beklagte Anwalt hat für den Kläger im Jahr 2013 einen Arzthaftungsprozess geführt. Dabei nahm er zunächst den falschen Anspruchsgegner in eine abgesandte Klage auf. Als das Gericht ihn auf die mangelnde Passivlegitimation hinwies, nahm er die Klage zurück und reichte in Abstimmung mit dem Kläger eine neue Klage ein.

Die Gerichtskosten erhielt der Kläger im Jahr 2013 zu zwei Dritteln erstattet.

Die außergerichtlichen Kosten des falschen Beklagten wurden gegen den Kläger festgesetzt. Er erhielt den Kostenfestsetzungsbeschluss aber erst Ende 2016.

Im Jahr 2017 nahm nun der Kläger den Beklagten auf Erstattung des fehlenden Drittels Gerichtskosten und der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Das Amtsgericht hat dem Kläger die Rechtsanwaltskosten zugesprochen, während es von der Verjährung des Anspruchs auf Gerichtskosten ausging.

Entscheidung
Das LG Düsseldorf hat die Entscheidung zugunsten des Beklagten abgeändert und ist von einer Verjährung des gesamten Rückforderungsanspruchs ausgegangen.

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände. Nach Auffassung der Kammer muss sich das subjektive Moment auf Seiten des Mandanten nicht nur auf die wesentlichen tatsächlichen Umstände beziehen, sondern auch auf solche Tatsachen, aus denen sich für ihn als juristischen Laien ergibt, dass der Rechtsberater vom üblichen Vorgehen abgewichen ist.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die erforderliche Kenntnis deshalb bejaht, weil der Kläger wusste, dass die Klage zurückgenommen worden ist. Er wusste auch, dass er nicht die gesamten Gerichtskosten erstattet erhält, so dass sich der Schaden zu diesem Zeitpunkt auch manifestiert hatte.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfasst die laufende Verjährung dann auch die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten, auch wenn der Kläger erst im Jahr 2016 davon erfahren hatte. Denn nach dem Grundsatz der Schadenseinheit spielt der Zeitpunkt einzelner Schadensfolgen solange keine Rolle, als diese eine bloße Weiterentwicklung darstellen und mit ihnen bereits beim Auftreten des ersten Schadens (objektiv) gerechnet werden konnte. Der objektive Betrachter konnte aufgrund der Klagerücknahme aber von Anfang an erkennen, dass hierdurch noch weitere Kosten auf den Kläger zukommen könnten.

Er hätte deshalb bereits im Jahr 2016 verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen müssen.

Dem konnte der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben entgegenhalten, dass der Beklagte ihn nicht über den Kostenfestsetzungsbeschluss informiert hatte. Denn der Kläger war insoweit nicht schutzwürdig. Erstens wusste er von der Klagerücknahme schon im Jahr 2013. Zweitens hatte er im Jahr 2016 von den Kosten erfahren und damit zu einem Zeitpunkt, an dem er grundsätzlich noch tätig werden konnte.

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Vorsicht bei der Wiedereinsetzung

BGH, Urteil vom 19.12.2017 — Aktenzeichen: 2 StR 532/17

Sachverhalt
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 14.07.2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine Rechtsmittelbelehrung wurde ihm erteilt. Mit Schreiben vom 24.07.2017 teilte der Verteidiger des Angeklagten dem Landgericht mit, der Angeklagte habe Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Gericht teilte am 27.07.2017 mit, dass eine Revision des Angeklagten bei Gericht gerade nicht eingegangen sei. Der Angeklagte teilte daraufhin mit, er habe bereits am 15.07.2017 zu Protokoll Revision eingelegt, was das Gericht jedoch als bloße Mitteilung, nicht als Revisionseinlegungsschrift ansah; es könne nicht nachvollzogen werden, ob, wann und in welcher Form darüber hinaus ein Schreiben vom 15.07.2017 auf dem Weg gebracht worden sei. Der verteidigende Rechtsanwalt führte aus, es dürfe dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Revisionsschrift verloren gegangen sei; ihm sei Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren — verbunden wurde dies mit einer erneuten Revisionseinlegung.

Am 17.08.2017 gelangte ein vom Angeklagten verfasstes Schreiben zu den Akten, dass den 15.07.2017 als Datum auswies und mit dem der Angeklagte gegen das Urteil „Sofortige Revision“ einlegte und mitteilte, dass er die Gründe für die Rechtsmitteleinlegung seinem Anwalt mitgeteilt habe.

Entscheidung
Der BGH hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen, weil weder den Schriftsätzen des Rechtsanwalts noch dem Schreiben des Angeklagten entnommen werden konnte, wann Kenntnis von der Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der Revision erlangt wurde. Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages, dass Angaben über die versäumte Frist, den Hinderungsgrund sowie Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses gemacht werden.

Das Urteil gegen den Beklagten ist nun rechtskräftig. Der BGH hat damit die besondere Bedeutung der Formalien beim Wiedereinsetzungsantrag erneut hervorgehoben.

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Das OLG Frankfurt äußert sich zu der Pflicht des Notars, die Geschäftsfähgkeit der Urkundsbeteiligten zu prüfen

OLG Frankfurt, Urteil vom 6.12.2017 — Aktenzeichen: 4 U 178/16

Sachverhalt
Der beklagte Notar hatte von einem unter Betreuung stehenden Grundstückseigentümer eine Grundschuld zu Gunsten der Klägerin beurkundet. Grundlage war ein Darlehensvertrag, aus dem die Klägerin einen erheblichen Betrag an den Betreuten in Unkenntnis der bestehenden Betreuung auszahlte. Im Rahmen der Betreuung war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden. Die Betreuung bestand aus psychischen Gründen, nicht aus physischen Gründen.

Bei der Beurkundung hatte der beklagte Notar sich weder von der Geschäftsfähigkeit des Betreuten überzeugt, noch Hinweise auf eine eventuell schwebende Unwirksamkeit der beurkundeten Erklärungen vermerkt. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte zwar keine eigene Kenntnis von der Anordnung der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt hatte; allerdings hatte der Beklagte einer dritten Person, einem ehemaligen Anwalt, gestattet, seine Kanzleiräumlichkeiten und auch das Kanzleipersonal für eigene Tätigkeiten zu nutzen. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte der Dritte sich für den Betreuten im Betreuungsverfahren bestellt und Tätigkeiten vorgenommen. Dies war in der Kanzlei des Beklagten auch aktenkundig. Allerdings erfolgte vor der Beurkundung keine entsprechende Kontrolle einer Vorbefassung in der Kanzlei des Beklagten.

Entscheidung
Das OLG Frankfurt ist der Auffassung, dass der Beklagte der Klägerin nach § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO haftet. Das OLG Frankfurt meint, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, sich im Rahmen der streitgegenständlichen Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Betreuten zu überzeugen und in den Niederschriften sowohl auf die sich aufgrund der bestehenden Betreuung ergebende schwebende Unwirksamkeit der beurkundeten Erklärungen als auch auf das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hinzuweisen. Zwar könne ein Notar bei volljährigen Urkundsbeteiligten grundsätzlich von deren voller Geschäftsfähigkeit ausgehen. Zur weiteren Klärung ist ein Notar aber dann verpflichtet, wenn erkennbare Indizien für Zweifel an der Geschäftsfähigkeit eines Urkundsbeteiligten vorliegen. In diesem Punkt ist das OLG Frankfurt der Meinung, dass der Beklagte die Informationen über die Betreuung, die in seiner Kanzlei vorlagen, hätte kennen müssen. Die Tätigkeit des Dritten, der im Rahmen des Betreuungsverfahrens für den Betreuten tätig war, hätte dem Beklagten bei ordnungsgemäßer Kanzleiorganisation bekannt sein müssen. Dass die Betreuung nicht allein wegen physischer Umstände angeordnet war, konnte der Beklagte ebenfalls erkennen, so dass eine Betreuung aufgrund psychischer Umstände naheliegend war. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte sich über die Geschäftsfähigkeit des Betreuten vergewissern und entsprechende Hinweise in die Urkunde aufnehmen müssen.

Die Pflichtverletzung des Notars führte zu einem kausalen Schaden, da die Eintragung der Grundschulden von der Betreuerin nicht genehmigt wurde und der Betreute bereits über das Geld verfügt hatte, so dass der Klägerin ein Schaden entstanden war.

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Ein Anwalt übermittelt versehentlich ohne Abstimmung mit dem Mandanten eine Selbstanzeige an die Finanzverwaltung. Liegt in der anschließend festgesetzten Steuer ein ersatzfähiger Schaden?

BGH, Urteil vom 9.11.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 270/16

Leitsatz
Übermittelt der rechtliche Berater versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit dem Mandanten eine für diesen gefertigte Selbstanzeige an die Finanzverwaltung, liegt in der anschließend gegen den Mandanten festgesetzten Steuerpflicht kein ersatzfähiger Schaden.

Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte für mehrere Jahre monatliche Darlehenszahlungen an ihren Lebensgefährten, einen Rechtsanwalt. Sie deklarierte die Zahlungen in ihren Steuererklärungen fälschlich als Rechtsanwaltsberatungshonorar. Das Finanzamt führte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, ohne das Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden. Die Klägerin beauftragte im weiteren Verlauf den Beklagten Rechtsanwalt damit, für sie eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt vorzubereiten. Der Inhalt der Selbstanzeige wurde von der Klägerin mit dem Beklagten abgestimmt. Es war weiter vereinbart, dass die Selbstanzeige bis zu einer Freigabe durch die Klägerin nicht in den Postauslauf gehen sollte. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurde die Selbstanzeige allerdings versandt. Das darauf hin gegen die Klägerin eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde wegen der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt. Allerdings musste die Klägerin über 86.000,00 € an hinterzogenen Steuern nachzahlen. Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten Schadensersatz. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der BGH hat die Vorinstanzen bestätigt.

Entscheidung
Der BGH kommt zwar zu dem Ergebnis, dass der Beklagte eine Pflicht verletzt hat, in dem er entgegen der Weisung der Klägerin die Selbstanzeige an das Finanzamt herausgegeben hat. Nach der im Rahmen der Schadensberechnung vorzunehmenden Differenzhypothese beruht der bei der Klägerin eingetretene Vermögensverlust auf der Pflichtverletzung des Beklagten. Allerdings ist das mit Hilfe der Differenzhypothese ermittelte rechnerische Ergebnis des Schadenseintritts einer normativen Wertung zu unterziehen. Unter Berücksichtigung der normativen Wertung kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der Schaden nicht ersatzfähig ist. Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners begründet noch keine Schadensersatzpflicht; vielmehr muss der Schaden in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie deliktische Haftung. Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten, als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil. So kann auch ein entgangener Steuervorteil grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können. Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war. Deswegen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters durch Steuerzahlungen in Folge eines versäumten Einspruchs dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung hatte. Nach diesen normativen Grundsätzen ist der Klägerin in Folge der versehentlichen Versendung der Selbstanzeige durch den Beklagten ein ersatzfähiger Schaden nicht erwachsen, weil sie im Einklang mit den materiellen Recht Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterworfen wurde.

Zudem kann der mit einem rechtlichen Berater geschlossene Vertrag zwar darauf gerichtet sein, den Mandanten vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aber, den Mandanten die Früchte einer von diesem vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren. Zweck des dem Beklagten erteilten Auftrag war es, die Klägerin vor einer Strafverfolgung zu schützen. Demgemäß oblag dem Beklagten, eine ordnungsgemäße Selbstanzeige zu verfassen, um eine Bestrafung der Klägerin zu verhüten. Zwar durfte die Selbstanzeige nach den Absprachen der Parteien nur im Einverständnis mit der Klägerin zwecks Achtung ihrer Entscheidungsfreiheit der zuständigen Behörde mitgeteilt werden. Durch das von dem Beklagten zu verantwortende Büroversehen wurde die Entscheidungsfreiheit der Klägerin beeinträchtigt und die mit der Selbstanzeige verbundene Steuerbelastung ausgelöst. Da der rechtliche Berater nicht an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten mitwirken darf, gehörte es jedoch nicht zu den vertragsgemäßen Aufgaben des Beklagten, der Klägerin durch die Vermeidung einer fahrlässigen Pflichtverletzung die Erträge der von ihr begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten. Das Interesse der Klägerin, dass die von ihr begangene Steuerhinterziehung nicht aufgedeckt wird, ist auch im Verhältnis zu dem Beklagten nicht schutzwürdig.

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Verschulden des die Annahme eines Vertragsangebots beurkundenden Notars bei der Verwendung befristeter Fortgeltungsklauseln

BGH, Urteil vom 24.8.2017 — Aktenzeichen: III ZR 558/16

Leitsatz
Dem Notar stellte sich im Jahr 2008 eine Situation dar, in der zwar die Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen war, die Literatur indes nahezu einhellig jedenfalls befristete Fortgeltungsklauseln für zulässig hielt. Angesichts dieses Meinungsstands durfte sich der Notar auf die kritisch nachvollziehende Lektüre der zu Fortgeltungsklauseln vorhandenen Literatur beschränken und aufgrund dessen die Rechtslage für geklärt halten. Eine darüber hinausgehende Prüfung der Wirksamkeit der Klausel war von ihm hingegen — anders als im Fall einer unbefristeten Fortgeltungsklausel — nicht zu fordern. Eine etwaige — in der unterlassenen Belehrung des Verkäufers über eine in Betracht kommende Unwirksamkeit der Klausel und damit des Angebotes des Verkäufers liegende — Amtspflichtverletzung war daher jedenfalls nicht schuldhaft.

Sachverhalt
Der Kläger macht gegen den beklagten Notar wegen der Verletzung notarieller Amtspflichten Schadensersatzansprüche geltend. Im April 2008 gab der Kläger ein Kaufangebot betreffend eine Eigentumswohnung ab, das von einem Notar auf der Grundlage eines Entwurfs des Beklagten beurkundet wurde. In dem Kaufangebot hieß es unter anderem:
„Das Angebot ist bis zum Ablauf des 19.5.2008 unwiderruflich. Wurde es bis dahin nicht angenommen, kann das Angebot gegenüber dem Verkäufer widerrufen werden. Wird es weder angenommen noch widerrufen, erlischt es mit Ablauf von sechs Monaten ab heute. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es immer nur auf die Beurkundung, nicht auf den Zugang beim Käufer an.“
Ferner war bestimmt, dass die Annahme des Angebotes vor dem Beklagten beurkundet werden sollte. Dieser wurde auch mit dem Vollzug des Kaufvertrages beauftragt.
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, ihn im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annahme des Angebots nicht auf eine mögliche Unwirksamkeit der in dem notariellen Angebot enthaltenen befristeten Fortgeltungsklausel hingewiesen zu haben.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidung
Der BGH hat offen gelassen, ob die vorliegend verwendete befristete Fortgeltungsklausel unwirksam ist und ob der Beklagte den Kläger hierüber zu belehren hatte. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, wäre eine Pflichtverletzung des Beklagten jedenfalls nicht schuldhaft.
Die Rechtsprechung des BGH zur fahrlässigen Verletzung notarieller Belehrungspflichten bei unbefristeten Fortgeltungsklauseln könne, so der 3. Zivilsenat, nicht uneingeschränkt auf die Beurkundung befristeter Fortgeltungsklauseln übertragen werden. Für den Notar, der im Jahr 2008 eine befristete Fortgeltungsklausel habe verwenden wollen, habe sich das Meinungsbild in der Literatur so dargestellt, dass – bis auf einen Autor – keine Einwände gegen befristete Fortgeltungsklauseln erhoben wurden. Im Gegenteil seien sie, soweit Bedenken gegen unbefristete Fortgeltungsklauseln im Raume standen, sogar empfohlen worden und zwar ausdrücklich auch mit einer Länge des Zeitraums bis zum Erlöschen des Angebots von – wie vorliegend – bis zu einem halben Jahr.
Dem Beklagten habe sich daher im Jahr 2008 eine Situation dargestellt, in der zwar die Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen war, die Literatur indes nahezu einhellig jedenfalls befristete Fortgeltungsklauseln für zulässig hielt. Angesichts dieses Meinungsstandes habe sich ein Notar auf die kritisch nachvollziehende Lektüre der zu Fortgeltungsklauseln vorhandenen Literatur beschränken und aufgrund dessen die Rechtslage für geklärt halten dürfen. Eine darüber hinaus gehende Prüfung der Wirksamkeit der Klausel sei von ihm hingegen – anders als im Fall einer unbefristeten Fortgeltungsklausel – nicht zu fordern gewesen.

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Hinweispflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners

BGH, Urteil vom 7.9.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 71/16

Leitsatz
Der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen.

Sachverhalt
Der Kläger wurde von der Beklagten in einem Anlageberatungsprozess vertreten und hat dort gegenüber der Insolvenzschuldnerin einen Betrag von ca. 24.000,00 € erstritten. Anstatt allerdings die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben, wurde eine Vereinbarung mit der Insolvenzschuldnerin getroffen, nach der diese Aktien verpfändet und verkauft. Ein Teil des Erlöses sollte an den Kläger zur Abgeltung der Ansprüche aus dem erstrittenen Urteil gezahlt werden. Der Kläger erhielt dann auch einen Betrag in Höhe von ca. 32.000,00 €. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde diese Zahlung angefochten und der Kläger musste eine Rückzahlung leisten.

Der Kläger macht nunmehr Schadensersatzansprüche gegen seinen ehemaligen Anwalt geltend mit der Behauptung, dieser habe darüber informieren müssen, dass die in letzter Konsequenz freiwillig erfolgte Zahlung insolvenzrechtlich anfechtbar war.

Entscheidung
Nachdem die Klage von dem OLG abgewiesen wurde, hat der BGH das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Hierzu führt der BGH zunächst aus, dass ein Rechtsanwalt seinen Auftrag so zu erledigen hat, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Insolvenz des Schuldners des Mandanten bevorsteht, muss der Anwalt den Mandanten über das mögliche Risiko der fehlenden Insolvenzfestigkeit gemäß § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 InsO. Zwar kann der Anwalt seinem Mandanten das mit der Insolvenz des Schuldners verbundene Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderungen nicht abnehmen. Für Entwicklungen, die nicht vorhersehbar waren, haftet auch er nicht. Jedoch muss er den Mandaten soweit belehren, dass dieser — wie auch in anderen Fällen – in Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken einer eigenverantwortlichen Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.

Vorliegend hielt es die beklagte Anwaltskanzlei im Jahre 2005 für möglich, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet werden würde. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich Bestand hat, während Rechtshandlungen des Schuldners gegebenenfalls bis zu 10 Jahre vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden konnten. Die dann unterlassene Zwangsvollstreckung wäre nur dann nicht pflichtwidrig gewesen, wenn pfändbares Vermögen nicht vorhanden war oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, nicht ermittelt werden konnte. Da vorliegend der Kläger hinreichend zu verwertbarem Vermögen vorgetragen hat, kommt nach Auffassung des BGH grundsätzlich eine Pflichtverletzung der Beklagten in Betracht.

Der BGH hat aber ausgeführt, dass im weiteren zu ermitteln ist, ob eine eingeleitete Zwangsvollstreckung – die Beklagte hat über 200 weitere Gläubiger vertreten, nicht unmittelbar zu einer Insolvenz der Schuldnerin geführt hätte. Denn in dem Fall ist wohl davon auszugehen, dass keiner der von der Beklagten vertretene Gläubiger befriedigt worden wäre.

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Haftung eines anwaltlichen Mediators

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.9.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 34/17

Sachverhalt
Die beklagte Rechtsanwältin betreibt eine Schlichtungsstelle, an die sich zwei Noch-Eheleute wandten, um eine einvernehmliche Ehescheidung durchzuführen. Zur Beschleunigung der Scheidung sollte eine Scheidungsfolgenvereinbarung außerhalb des Scheidungsverfahrens getroffen werden.

Die Beklagte erhob die für den Scheidungsantrag notwendigen tatsächlichen Angaben, die sie an eine Rechtsanwältin weiterleitete, die im gerichtlichen Scheidungsverfahren den Ehemann vertreten sollte.

Im Scheidungstermin traf die Ehefrau erstmals persönlich auf den klagenden Rechtsanwalt, der einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs erklärte. Dieser wurde durch Gerichtsbeschluss festgestellt. Die im Anschluss an die mündliche Verhandlung zum Versorgungsausgleich eingeholten Auskünfte ergaben zugunsten der Ehefrau einen auszugleichenden Kapitalwert in Höhe von etwa 95.000,00 €. Die Ehefrau nahm den Kläger in einem Vorprozess auf Schadensersatz in Anspruch. In einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich dieser, an die Ehefrau 64.000,00 € zu bezahlen.

Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs in Anspruch. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von etwa 32.000,00 € stattgegeben.

Entscheidung
Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg.

Der BGH stellte zunächst fest, dass obwohl zwischen der Ehefrau und der Beklagten ein Mediationsvertrag geschlossen wurde, die Grundsätze der Anwaltshaftung Anwendung finden. Denn sie habe eine Rechtsdienstleistung erbracht. Als anwaltliche Mediatorin sei die Beklagte zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung im Zusammenhang mit den Zielvorstellungen der Beteiligten verpflichtet gewesen; im letzten Besprechungstermin habe sie daher gegenüber der Ehefrau klarstellen müssen, dass die Auskünfte zum Versorgungsausgleich durch das Gericht einzuholen seien und ausschließlich das Gericht die Übertragung der Anwartschaften anordnen könne.

Zudem hätte sich die Mediatorin im Interesse beider Mandanten den ausformulierten Scheidungsantrag vor Einreichung bei Gericht vorlegen lassen müssen, um Übertragungsfehler oder Missverständnisse auszuschließen.

Hätte die Ehefrau von ihrem Ausgleichsanspruch gewusst, wäre überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass sie den Kläger nicht für die Abgabe des Verzichts auf einen Versorgungsausgleich und einen anschließenden Rechtsmittelverzicht mandatiert hätte.

Zwar hatte die Beklagte in einer E-Mail den Verzicht auf den Versorgungsausgleich noch thematisiert. Diese E-Mail richtete sich jedoch an den Vertreter des Ehemannes und nicht an die Ehefrau.

Der BGH sah es als gerechtfertigt an, dass die Beklagte deshalb im Innenverhältnis mit dem Kläger für die Hälfte des geltend gemachten Schadens hafte.

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Grundurteil im Anwaltsregress

OLG München, Urteil vom 7.6.2017 — Aktenzeichen: 15 U 161/16

Sachverhalt
Der beklagte Anwalt sollte für die Klägerin Leistungen aus der privaten Unfallversicherung in Anspruch nehmen. Der Beklagte versäumte aber die Frist zur Beantragung der entsprechenden Leistungen.

Das Landgericht München I stellte den Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach fest, da der Beklagte die Klägerin auf die wichtige Ausschlussfrist hätte aufmerksam machen müssen. Feststellungen zu dem versicherungsvertraglichen Anspruch der Klägerin wurden vom Landgericht nicht getroffen.

Entscheidung
Das OLG München hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Die Frage, ob überhaupt eine Pflichtverletzung vorlag, wurde ausdrücklich offen gelassen.

Nach Auffassung des Senates war die Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach schon deshalb verfahrensfehlerhaft, weil keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob ein kausaler Schaden hinreichend wahrscheinlich sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann ein Rechtsanwalt nur dann zum Schadensersatz verpflichtet werden, wenn durch einen Fehler ein Anspruch verloren gegangen ist, der dem Mandanten überhaupt zugestanden hat. Deshalb dürfe allein die Höhe dieses Anspruchs im Grundurteil offen bleiben, es müsse aber eine Feststellung dazu erfolgen, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist.

Im vorliegenden Fall hat das OLG dann selbst Beweis erhoben und kam zu der Feststellung, dass die Klägerin bereits keine Ansprüche gegen ihre private Unfallversicherung hatte. In Folge dessen wies es die Klage insgesamt ab.

Bemerkenswert an der Entscheidung ist, dass der Berufungsführer das Fehlen von Feststellungen zur Kausalität in der Berufungsbegründung gar nicht als verfahrensfehlerhaft gerügt hatte. Nach Auffassung des OLG durfte ein Grundurteil ohne entsprechende Feststellung aber nicht ergehen.

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