Einfache Signatur – schwere Komplikationen

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz
BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20

Leitsatz

Die einfache Signatur i.S.d. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Sie darf nicht fehlen, wenn ohne qualifizierte elektronische Signatur aus dem eigenen Anwaltspostfach in beA Schriftsätze versendet werden sollen.

 Sachverhalt

Gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes wird per beA Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist nicht qualifiziert elektronisch signiert. Am Ende des Schriftsatzes befindet sich lediglich das Wort „Rechtsanwalt“. Der Schriftsatz ist aus dem beA-Postfach des zuständigen Anwalts von diesem selbst versendet worden. Die Berufungsschrift geht am 20.03.2019, einen Tag vor Fristablauf, ein.

Der Vorsitzende teilt den Prozessbevollmächtigten am 21.03.2019 um 14:02 Uhr den Eingang der Berufungsschrift und das Aktenzeichen mit und weist auf die Berufungsbegründungsfrist hin.

Das Landesarbeitsgericht bemerkt bei der ein Jahr späteren Bearbeitung das Fehlen einer einfachen Signatur und verwirft die Berufung als unzulässig. Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wird nicht gewährt, da dieses Fehlen vom Anwalt verschuldet sei.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gewährt dagegen Wiedereinsetzung mit folgenden Erwägungen:

Eine qualifizierte elektronische Signatur unter dem Berufungsschriftsatz fehlt.

Die Möglichkeit, aus dem eigenen Postfach mit einer sogenannten einfachen Signatur wirksam Schriftsätze zu versenden, ist nicht genutzt worden. Denn es fehlt an einer einfachen Signatur. Hierfür ist ein maschinenschriftlicher Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte (lesbare) Unterschrift erforderlich. Hieran fehlt es. Diese Signatur kann auch nicht durch Hinweise auf den Bearbeiter auf dem Briefbogen ersetzt werden, weil die Signatur am Ende des Schriftsatzes verdeutlichen solle, dass der Unterzeichner für den darüberstehenden Text Verantwortung übernimmt.

Unter den regulären Prämissen wäre eine Wiedereinsetzung aufgrund des Anwaltsverschuldens nicht möglich. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil das LAG seiner Fürsorgepflicht nicht gerecht geworden ist. Soweit es dem Gericht im normalen Arbeitsablauf möglich ist, muss es die Parteien auf Formfehler hinweisen. Es besteht zwar kein Anspruch darauf, dass das Gericht sofort auf Eingaben reagiert. Erfolgt jedoch eine zeitnahe Bearbeitung (wie hier noch vor Fristablauf am 21.03.2019) ist der Vorsitzende verpflichtet, dem Berufungsführer einen Hinweis zu erteilen, der dann auch noch zu einer form- und fristgerechten Berufung führen konnte.

Anmerkung

Der Berufungsführer hatte erhebliches Glück. Unter vielen Umständen wäre die Berufung unheilbar unzulässig gewesen.

Für die Praxis nimmt man mit:

  1. Eine einfache Signatur ist der Name der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts am Ende des Schriftsatzes und nirgendwo sonst. (Bei dieser Gelegenheit: Es war auch zu analogen Zeiten schon keine gute Sitte, Schreiben mit der bloßen Zeile „Rechtsanwalt“ zu versehen, was den Bearbeiter schwer erkennbar machte.)
  2. Wer so unterzeichnen will, muss den Schriftsatz aus dem eigenen beA-Postfach mit der eigenen beA-Karte versenden. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, also höchstpersönlich.
  3. Jedenfalls für Praxen mit mehreren oder gar vielen Anwälten plädiere ich ganz klar für die qualifizierte elektronische Signatur. Einmal signiert, können auch das Sekretariat und anwaltliche Kollegen den Schriftsatz versenden. Das bildet die herkömmlichen Büroabläufe besser ab und wappnet für hektische Tage und personelle Notfälle.
  4. Es kann von Vorteil sein, seine Schriftsätze und Fristverlängerungsanträge mit Vorlauf einzureichen, wenn man es denn schafft. Denn wenn das Gericht so rechtzeitig Kenntnis nimmt oder im normalen Geschäftsgang nehmen musste, dass ein Formfehler reparabel ist, gibt es auch bei Anwaltsverschulden noch Wiedereinsetzung, wenn das Gericht nicht reagiert hat.
  5. Ob aus dem Urteil eine Lehre in dem einen oder anderen Richterzimmer gezogen wird, eingehende fristgebundene Post lieber mal ein paar Tage bis nach Fristablauf liegenzulassen, statt sich sofort damit zu befassen, lassen wir mal offen. Die uns bekannten Richterinnen und Richter würden das niemals tun. Falls jemand dieser Meinung sein sollte, werden die Ratschläge 1-4 umso wichtiger.

Es gilt die Prognose, dass dies nicht der letzte Anwaltshaftungs-/ Wiedereinsetzungsfall rund um beA gewesen ist. Immer für einen Fehler gut ist auch das Versenden nur einfach signierter Nachrichten aus dem Postfach eines Kollegen oder über das Sekretariat. Recht einfach ist es auch, beim Klicken ein falsches Gericht zu erwischen und die Post dorthin zu versenden, gerade auch bei Unterstützung durch Anwaltssoftware.

(Dr. Harald Scholz unter Mitarbeit von stud. jur. Antonia Hinte)

 

 

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Notarpflichten bei zweifelhaftem Status als Verbraucher oder Unternehmer

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

BGH Urteil vom 28.05.2020, III ZR 58/19

 

Leitsatz:

  1. Der Notar muss klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 17 Abs. 2a Beurkundungsgesetz handelt, sofern der Status der Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist.
  2. Verbleiben Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der Notar den sichersten Weg wählen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln. Auf die Einhaltung der Wartefrist ist in diesem Fall hinzuwirken.

 

Sachverhalt und Entscheidung:

 

Der Kläger – ein angestellter Pharmavertreter – kaufte 4 Eigentumswohnungen in einem Mehrfamilienhaus zum Kaufpreis von insgesamt 140.000,00 €. Zur Finanzierung nahm er Darlehen auf, erhielt allerdings auch vom Vermittler eine „Kickback-Zahlung“ in Höhe von 20.000,00 €.

 

Der beklagte Notar hatte dem Kläger vor dem Beurkundungstermin keinen Vertragsentwurf zur Verfügung gestellt und nicht darauf hingewirkt, dass die Wartefrist von 14 Tagen bei Verbraucherverträgen eingehalten wurde.

 

Der Kläger nimmt den Beklagten Notar auf Schadensersatz in Anspruch. Bei richtigem Vorgehen, so behauptet er, hätte er die Zweiwochenfrist des § 17 Abs. 2a Beurkundungsgesetz genutzt, um anwaltlichen Rat einzuholen. Den Vertrag hätte er dann nicht mehr abgeschlossen.

 

Im Kern ging es aber darum, ob der Kläger die Eigentumswohnungen zu gewerblichen Zwecken erworben hatte, wovon der Notar offenbar ausgegangen war.

 

Das Oberlandesgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der voll finanzierte Erwerb von 4 Eigentumswohnungen eine gewerbliche Nebentätigkeit darstelle. Hilfsweise zeigte sich das Gericht überzeugt, dass der Kläger die Beurkundung nach Ablauf der Regelfrist genauso hätte vornehmen lassen.

 

Entscheidung:

 

Der BGH hat die Revision für begründet erklärt und das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben. Die Sache wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen.

 

Der BGH hat zunächst auf die Pflicht des Notars hingewiesen, bei Grenzfällen den Sachverhalt zu erforschen und den Status der Beteiligten als Verbraucher oder Unternehmer zu klären. Hiergegen habe der Notar verstoßen.

 

Sei eine abschließende Klärung nicht möglich, müsse er dem Gebot des sichersten Weges folgen und die Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers beachten. Er müsse dann einen Entwurf zur Verfügung stellen und die Wartefrist von 14 Tagen einhalten.

 

Das Oberlandesgericht hat nach Auffassung des Senats die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmereigenschaft verkannt. Es kommt darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten – dann Verbraucherhandeln – oder dem gewerblich–beruflichen Bereich – dann unternehmerisches Handeln – zuzuordnen ist. Auch eine nebenberufliche Tätigkeit fällt unter den Unternehmerbegriff des § 14 BGB.

 

Eine gewerbliche Tätigkeit ist ein planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt unter Teilnahme am Wettbewerb, wobei ein gewisser organisatorischer Mindestaufwand vorausgesetzt wird.

 

Der Erwerb, die Vermietung und Weiterveräußerung von Immobilien könne auch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sein. Ein unternehmerischer Grundstückshandel komme erst in Betracht, wenn ein bestimmtes Maß überschritten wird. Dabei sind nicht, wie es das Oberlandesgericht maßgeblich getan hatte – die steuerrechtlichen Abgrenzungskriterien heranzuziehen, sondern es ist eine eigenständige zivilrechtliche Abgrenzung vorzunehmen .

 

Allein die Tatsache, dass gleichzeitig vier Wohnungen erworben wurden, stellt also allein noch keine gewerbliche Tätigkeit dar.

 

Die Hilfsüberlegung des Oberlandesgerichts, wonach der Kläger auch als Verbraucher den Vertrag mit Wartepflicht genauso abgeschlossen hätte, trug nicht. Denn das Oberlandesgericht hatte die angebotenen Beweise nicht ausgeschöpft, sondern sich die Meinung vorab gebildet.

 

Daher hat der BGH die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

 

Anmerkung:

 

Nachdem die Wartepflicht nach § 17 Abs. 2a Beurkundungsgesetz die Notare und über Jahre in Atem gehalten hat, haben die allermeisten Notariate selbstverständlich reagiert. Auch dieser Fall aus dem Jahr 2010 ist eher ein „Nachzügler“. Er bietet aber dem BGH Gelegenheit, die Rechtsprechung zum Thema abzurunden.

 

Die wesentlichen Erkenntnisse sind:

 

Es gibt Grenzbereiche zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblicher Tätigkeit. In einem Fall handelt der Käufer als Verbraucher, im anderen Fall als Unternehmer. Wenn die Sache nicht klar ist, muss der Notar den Status klären.

 

Dies gilt übrigens für beide Seiten des Geschäfts. Denn ein Verbrauchervertrag liegt nur dann vor, wenn bei dem Immobiliengeschäft auf der einen Seite ein Verbraucher und auf der anderen Seite ein Unternehmer steht. Beide Rollen können zweifelhaft sein.

 

Kann der Notar nicht abschließend feststellen, ob ein Verbrauchergeschäft vorliegt, soll der Notar im Zweifel davon ausgehen, dass dies so ist. Bei den doch komplexen und auf immer den Einzelfall bezogenen Abgrenzungsregelungen, die der BGH in diesem Urteil noch einmal anschaulich zusammenfasst, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass dem Notar eine zweifelsfreie Klärung vorab ziemlich oft nicht gelingt. Im Grenzbereich wird also manchmal vorsorglich so gehandelt werden müssen, als ob ein Verbrauchergeschäft vorliegt.

 

Eine im Urteil enthaltene Erkenntnis ist aber auch die: Verletzt der Notar seine Aufklärungspflicht, stellt sich aber bei einer nachträglichen Betrachtung heraus, dass die betreffende Vertragspartei doch als Unternehmer tätig war, gibt es für diesen keinen Schadensersatz. Der dann ggf. entstandene Schaden, weil der Notar etwa nicht den „sichersten Weg“ gegangen ist, ist vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst. Denn der Schutzzweck der Norm erfasst nur solche Vertragsparteien, die tatsächlich als Verbraucher gehandelt haben.

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Wann muss der Notar keinen Verdacht auf sittenwidrige Preisgestaltung entwickeln?

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

BGH Urteil vom 05.12.2019, III ZR 112/18

 

Leitsatz

  1. Eine besonders große Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis eines Grundstücks bei kurz aufeinander folgenden Verträgen ist ein Indiz für die Verfolgung unredlicher Zwecke, an welchen der Notar nicht mitwirken darf.
  2. Dieser Anhaltspunkt kann jedoch nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls nicht durchgreifen, insbesondere wenn der Preisunterschied erklärbar ist oder erscheint.

 

Sachverhalt:

Ein Immobilienhändler erwarb Eigentumswohnungen, die an Angehörige der britischen Streitkräfte vermietet waren, zu Kaufpreisen von jeweils 44.000,00 €. Er veräußerte diese Eigentumswohnungen als Anlageobjekte weiter, wobei der Preis dann rund 120.000,00 € betrug. Hierhin waren rund 5.000,00 € Sonderumlage enthalten, welche die Verkäuferin zu Sanierungszwecken übernommen hatte.

 

Dem Notar waren zum Zeitpunkt der Beurkundung Wertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für andere Wohnungen in demselben Wohnkomplex bekannt. Übertrug man die dort ermittelten Quadratmeterpreise auf die in Rede stehende Wohnung, dann wäre ein Verkehrswert von rd. 120.000,00 € herausgekommen.

 

Der klagende Käufer wirft dem beklagten Notar vor, das Geschäft nicht unterbunden zu haben, obwohl er von der Diskrepanz der Ankaufs- und Verkaufspreise auf Grund seiner Beurkundungen (die am selben Tag stattfanden) Kenntnis gehabt habe.

 

Der echte Verkehrswert der Wohnung lag offenbar wesentlich unter dem Kaufpreis, denn das Landgericht hatte nach Einholung eines Gutachtens der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Oberlandesgericht hatte die Klage hingegen abgewiesen.

 

Entscheidung:

Der BGH hat das Urteil des OLG Schleswig bestätigt.

 

Der Notar darf an Beurkundungen nicht mitwirken, wenn er davon überzeugt ist, dass diese einem unerlaubten oder unredlichen Zweck dienen. Bei Immobiliengeschäften geht es üblicherweise um eine sittenwidrige Kaufpreisgestaltung, weil der Kaufpreis den tatsächlichen Wert des Objekts drastisch übersteigt – die Grenze liegt bei „knapp dem Doppelten“ bzw. 90 % Zuschlag. Oder aber der Kaufpreis unterschreitet den Verkehrswert drastisch, dem Verkäufer wird also die Immobilie billig „abgeluchst“.

 

Die Differenz der Kaufpreise bei solchen „Kettenkaufverträgen“ ist ein Indiz für den unredlichen Charakter des Geschäfts. Dieses Indiz führt aber nicht sofort zu einem Verdacht, sondern der Notar muss Überlegungen anstellen, ob sachlich gerechtfertigte Gründe erkennbar sind, warum diese Preissteigerung erfolgt.

 

Dabei ist zu beachten, dass auch der Ankaufspreis den tatsächlichen Verkehrswert gar nicht abbilden muss, denn es gibt vielerlei Gründe für einen Verkäufer, sich von Immobilien zu einem niedrigen Preis zu trennen, weshalb beim Weiterverkauf hohe Preisspannen entstehen können. Der BGH kann im konkreten Fall bei der Beurteilung des Oberlandesgerichts keine Rechtsfehler erkennen. Auf die dem Notar bekannten Gutachten zu anderen Wohnungen im Wohnkomplex durfte der Notar sich verlassen, auch wenn sie – was wohl der Fall war – nicht den Eindruck besonders sorgfältiger Ausarbeitung vermittelten. Auch wenn beide Verträge am selben Tag abgeschlossen wurden, waren außerdem zwischenzeitlich in Vorgriff auf den Eigentumserwerb schon Sanierungsarbeiten getätigt worden, sodass von einer Wertsteigerung durch diese ausgegangen werden konnte.

 

Anmerkung:

 

Fälle, in denen dem Notar wegen solcher Preisaufschläge unredliches Verhalten vorgeworfen wird, sind nicht selten.

 

Es ist gut, dass der BGH noch einmal die wesentlichen Aspekte in den Blick rückt. Ein Verdacht, der den Notar zur Verweigerung der Mitwirkung – zumindest aber zur Information der Beteiligten über die erkannten Zusammenhänge – veranlassen muss, liegt dann vor, wenn sich eine drastische Preisdifferenz ohne Erkennbarkeit eines rechtfertigenden Grundes darstellt.

 

Positive Anzeichen für eine Sittenwidrigkeit sind danach:

 

  • Drastische Preiserhöhung auf das Doppelte des Ankaufspreises (oder knapp darunter). Rechnerisch soll die Grenze zur Sittenwidrigkeit bei einem Aufschlag von 90 % liegen.
  • Gegenanzeichen bzw. Erklärungen können sein:
  • Anzeichen dafür, dass der Ankauf für den Weiterverkäufer unter besonders günstigen Konstellationen zustande kam, also ggf. der Ankaufpreis selbst nicht dem objektiven Verkehrswert entsprach.
  • Wertgutachten zu diesem (oder ggf. ähnlichen) Objekten, auf die sich der Notar verlassen kann.
  • Die Kenntnis von durchgeführten Sanierungsmaßnahmen.
  • Wesentliche verstriche Zeiträume, weil sich der Markt in der Zwischenzeit geändert haben kann oder ein höherer Preis gerechtfertigt ist, weil die Immobilie inzwischen z.B. saniert oder erfolgreich langfristig vermietet werden konnte, sodass sie für Kapitalanleger interessant ist.

 

Abseits dieser Fragen ist an weitere Verteidigungsmöglichkeiten aus Sicht des Notars zu erinnern:

 

Zum einen darf die „Kenntnis“ von der Preisdifferenz nicht unbegrenzt weit gezogen werden. Sicherlich: Wenn der Notar an einem Tag mehrere Kaufverträge der „Kette“ beurkundet, wird man diese Kenntnis annehmen müssen. Liegt in einem lebhaften Notariat die Beurkundung des Ankaufsvertrages jedoch mehrere Monate zurück oder ist sie von einem Notarvertreter vorgenommen worden, kann eine Kenntnis dem Notar nicht ohne Weiteres unterstellt werden.

 

Außerdem muss immer auch der objektive Verkehrswert ermittelt werden, um festzustellen, ob tatsächlich eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises vorlag. Denn für sich gesehen sind weder der Ankaufspreis der Immobilie noch der Verkaufspreis identisch mit dem „objektiven Wert“. Beide Preise können wesentlich von diesem abweichen. Sittenwidrig ist aber eine Abgabe des Grundstücks zum etwa Doppelten des objektiven Verkehrswerts (und nicht per se zum Doppelten des Einkaufspreises).

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Notar muss nicht auf Erfordernis des Vertragsstrafenvorbehalts schon bei Beurkundung hinweisen

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

Urteil OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2020, Az.: 18 U 133/19

 

Leitsatz:

  1. Eine Klausel in einem Immobilienkaufvertrag, wonach ein Werklohnanteil von 35.000,00 € nicht gezahlt werden muss, sofern der Verkäufer bestimmte Sanierungsleistungen nicht pünktlich fertigstellt, ist rechtlich eine Vertragsstrafe für nicht gehörige Erfüllung. Die Geltendmachung erfordert den Vorbehalt der Vertragsstrafe im Zeitpunkt der Annahme der Leistung (§ 341 Abs. 3 BGB).
  2. Der Notar, der eine solche Abrede beurkundet, muss auf diesen Umstand bei der Beurkundung nicht hinweisen.

 

Sachverhalt:

 

Der beklagte Notar beurkundete einen Immobilienkaufvertrag über ein Mehrfamilienhaus. Die Parteien hatten sich darauf geeinigt, dass die Verkäuferin u.a. noch Maßnahmen zum Brandschutz durchführen sollen. Bis zu deren Erfüllung sollte ein Kaufpreisanteil von 35.000,00 € noch zurückbehalten werden dürfen. Es heißt dann:

 

„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass, sofern der Verkäufer seine vorgeschriebenen Leistungsverpflichtungen nicht fristgerecht mangelfrei erfüllt, der Käufer berechtigt ist, diese Leistungen selbst auf eigene Kosten auszuführen bzw. die Mängel beseitigen zu lassen. Der auf diese Leistungen entfallende Kaufpreisanteil in Höhe von 35.000,00 € ist in diesem Fall vom Käufer insgesamt nicht mehr zu leisten, es sei denn, es liegen nur unwesentliche Mängel vor oder es sind nur unwesentliche Teilleistungen nicht erbracht.“

 

Die Leistungen zur Beseitigung der brandschutztechnischen Mängel – und zwar vor allem die behördliche Abnahme und die TÜV-Besichtigung – wurden nicht fristgerecht erledigt, sondern wurden noch einige Zeit danach komplettiert. Die Käufer, welche im Ergebnis keine Leistungen selbst ausführen lassen mussten, zahlten den restlichen Kaufpreis von 35.000,00 € nicht.

 

Im Vorprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass mangels eigener Leistungen zur Mängelbeseitigung durch die Käufer der Verfall der 35.000,00 € nicht eingetreten sei. Der Vertrag sei dahin zu verstehen, dass der Verfall eigene Mangelbeseitigungsleistungen der Käufer nach Fristablauf erfordere.

 

Die Käufer verlangen nun vom beklagten Notar Schadensersatz. Man sei sich mit dem Käufer damals einig gewesen, dass die Verfallklausel allein für die Zeitüberschreitung – ohne Rücksicht darauf, ob eine Ersatzvornahme durch die Käufer veranlasst werden musste – greifen sollte. Der Notar habe diese Abrede nicht zutreffend in die Urkunde umgesetzt.

 

Entscheidung:

 

Das OLG Düsseldorf – wie zuvor das Landgericht – weist die Klage ab.

 

Es kann offenbleiben, ob der beklagte Notar den übereinstimmenden Willen der Kaufvertragsparteien nicht zutreffend beurkundet hat, oder ob die Formulierung nur unklar war, so dass jede Seite ihr eigenes, voneinander abweichendes, Verständnis hineinlesen konnte.

 

Jedenfalls fehle es an dem erforderlichen kausalen Schaden:

 

Bei der Verfallklausel handelt es sich um eine Vertragsstrafe für nicht ordnungsgemäße Leistung. Diese verlangt nach § 341 Abs. 3 BGB einen Vorbehalt bei der Annahme der Leistung.

 

Die Käufer haben eine solche Vorbehaltserklärung bei Annahme der Leistung nicht abgegeben. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Kaufvertragsparteien stillschweigend auf eine solche Vorbehaltserklärung verzichtet hätten.

 

Demnach hätte auch die präziseste notarielle Formulierung nichts genutzt, weil die Käufer auch dann den erforderlichen Vorbehalt vergessen hätten.

 

Den beklagten Notar traf keine Amtspflicht, die Klägerin und ihren Ehemann über das Erfordernis des Vertragsstrafenvorbehalts bei der Beurkundung zu belehren. Die Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Beurkundungsgesetz reicht nur so weit, wie eine Belehrung für das Zustandekommen einer Urkunde erforderlich ist, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig wiedergibt.

 

Der Notar ist dagegen nicht gehalten, ohne Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten sämtliche enthaltenen Klauseln eingehend zu erläutern. Dies würde nicht nur die notarielle Verhandlung überfrachten, sondern die Aufmerksamkeit der Beteiligten von den wesentlichen Punkten ablenken. Eine Fallgestaltung, in der es zu einer Störung der vereinbarten geschuldeten Leistungen gekommen ist und eine Erläuterung, was in einem solchen Fall genau zu tun sei, ist von dieser Belehrungspflicht nicht umfasst.

 

Anmerkung:

 

Die Entscheidung ist aus zwei Gründen interessant.

 

Sie lehrt zum einen, dass eine präzise Prüfung des kausalen Schadens zuweilen lange Beweisaufnahmen zur Frage erspart, was bei der Beurkundung Wille der Parteien war und mit welchen anderen Regelungen – unterstellt man einen noch fehlenden Konsens – beide Seiten einverstanden gewesen wären.

 

Zum anderen begrenzt das Urteil richtig die notariellen Pflichten. Man kann eine Verfallklausel vereinbaren. Wie diese später im Konfliktfall zu verwirklichen ist, liegt außerhalb der notariellen Belehrungspflicht. Dafür kann die betroffene Partei anwaltlichen Rat einholen. Es trifft zwar zu, dass der erforderliche Vorbehalt der Vertragsstrafe eine „Fußangel“ bei der Durchsetzung einer solchen Verfallklausel ist. Andererseits steht diese Hürde im Gesetz und wird vom Gesetzgeber den Parteien einer solchen Vertragsstrafenvereinbarung bewusst zugemutet. Ein gesonderte Warn- oder Belehrungspflicht über eventuelle Klippen bei der späteren Abwicklung von Leistungsstörungen würde die Leistungsfähigkeit des Notariats überfrachten. Auf alle denkbaren Eventualitäten kann eben nicht hingewiesen werden.

 

Das Urteil überzeugt daher.

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BGH konkretisiert drittschützende Wirkung von Anwaltsverträgen

Stefan KrappelStefan Krappel

BGH, Urteil vom 09.07.2020, Aktenzeichen: IX ZR 289/19

Leitsatz:

Auch im Anwaltsvertrag gilt: Wenn Dritte in die Schutzwirkung des Anwaltsvertrages einbezogen werden sollen, müssen diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen. Die erforderliche Leistungsnähe entsteht nicht bereits dann, wenn nahestehende Dritte aus demselben Rechtsgrund und gegen denselben Anspruchsgegner Ansprüche haben könnten.

 

Sachverhalt:

Bei einem Unfall im Jahr 2006 wurde die Mutter der beiden Klägerinnen schwer verletzt. Sie wurde dauerhaft pflegebedürftig und war auf einen Rollstuhl angewiesen. Nach dem Unfall beauftragte die Mutter der Klägerin eine Rechtsanwältin mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, woraufhin die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ihre volle Einstandspflicht erklärte. Im Dezember 2007 beauftragt die Mutter der Klägerinnen den beklagten Rechtsanwalt mit der Weiterverfolgung der Schadensersatzansprüchen. Das Mandat endete im Mai 2016.

Die Klägerinnen sind seit den Jahren 2013 und 2016 in psychotherapeutischer Behandlung. Sie behaupten, dass ihre Leiden ebenfalls auf den Unfall, bei dem sie auch in dem Fahrzeug der Mutter gesessen hätten und leicht verletzt worden seien, zurückzuführen sind. Sie meinen, der Beklagte hätte im Rahmen des Mandats auch über die ihm zustehenden Ansprüche aufklären und beraten müssen, dies sei fehlerhaft unterblieben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung: 

Auch der BGH hat die Ansprüche der Klägerinnen und deren Revision zurückgewiesen.

Der BGH hat sich in seinem Urteil damit befasst, wie weit ein Anwaltsvertrag im Hinblick auf Pflichten gegenüber Dritten reicht und unter welchen Voraussetzungen diese in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags mit einbezogen werden können.

Unstreitig ist kein eigenes Mandatsverhältnis zwischen den Klägerinnen und dem beklagten Rechtsanwalt zustande gekommen. Eine ausdrückliche Einbeziehung in den Anwaltsvertrag der Mutter hat ebenfalls nicht stattgefunden. Die Einbeziehung ergab sich – so der BGH – auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.

Nach allgemeinen Kriterien ist eine Einbeziehung in einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, woran der BGH festhält, nachfolgenden Kriterien möglich:

  • Leistungsnähe
  • Gläubigernähe und schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrages
  • Einbeziehung des Dritten für den Schuldner erkennbar
  • keine inhaltsgleichen vertraglichen Ansprüche.

Im vorliegenden Fall scheiterte die Annahme eines drittschützenden Vertrages schon daran, weil es an der erforderlichen Leistungsnähe fehlte. Das erforderliche Näheverhältnis zur Hauptleistung liegt nach dem BGH nur vor, wenn die Leistungen des Rechtsanwalts bestimmte Rechtsgüter eines Dritten nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall mit Rücksicht auf den Vertragszweck bestimmungsgemäß, typischerweise beeinträchtigen kann. Entscheidend für eine Ersatzpflicht hinsichtlich von Vermögensschäden des Dritten ist, ob die vom Anwalt zu erbringende Leistung nach objektivem Empfängerhorizont auch dazu bestimmt ist, dem Dritten Schutz vor möglichen Vermögensschäden zu vermitteln. Der Auftraggeber muss ein entscheidendes Eigeninteresse an der Wahrung der Drittinteressen haben. Inwieweit dieses Näheverhältnis besteht, hängt entscheidend von Ausprägungen im Inhalt des anwaltlichen Beratungsvertrages ab.

Im vorliegenden Fall hatte schon das Berufungsgericht festgestellt, dass Gegenstand des Vertrages zwischen der Mutter und dem Beklagten (lediglich) war, unfallbedingte, zuvor von einer anderen Rechtsanwältin verfolgte Schadensersatzansprüchen ausschließlich der Mutter der Klägerinnen gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zu verfolgen, wobei die Höhe zum Zeitpunkt der Mandatierung naturgemäß unklar war. Die Klägerinnen waren an diesem Rechtsverhältnis persönlich nicht beteiligt und hierdurch in ihren Rechtspositionen allenfalls mittelbar und gerade nicht unmittelbar betroffen.

Für die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter entsteht nach dem Anwaltshaftungssenat eine Leistungsnähe nicht bereits dann, wenn sich für den Rechtsanwalt Anhaltspunkte für eigene Ansprüche Dritter aus demselben Rechtsgrund und gegen denselben Anspruchsgegner ergeben, selbst wenn diese Dritten dem eigenen Mandanten (zufällig) nahe stehen.

Vorsorglich hielt der BGH fest, dass für den vorliegenden Einzelfall etwaige Hinweispflichten auch daran gescheitert wären, dass die Gefährdung von Vermögensinteressen der Klägerinnen als Dritten für den beklagten Rechtsanwalt nicht offenkundig war, da sich diesem nicht bei Übernahme des Mandates aufdrängen musste, dass diese unfallbedingt sechs und zehn Jahre später psychisch erkranken würden und ihnen aus diesem Grund möglicherweise eigene Schadensersatzansprüche aus dem Unfallereignis zustehen könnten. Die zum Unfallzeitpunkt im Auto befindlichen Klägerin hatte zunächst keine Schäden davongetragen. Deren Entwicklung verlief zunächst ohne offensichtliche äußere Probleme.

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Zur Hinweispflicht des zivilrechtlich beauftragten Allgemeinanwalts auf steuerliche Fragestellungen

Simone EibenSimone Eiben

BGH, Urteil vom 9.1.2020 – Aktenzeichen: IX ZR 61/19

Leitsatz

1. Berät ein Rechtsanwalt eine Mandantin im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung, hat er sie auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich bei sachgerechter Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist.

2. Der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung verursachte Schaden umfasst die Kosten eines von dem Mandanten eingeholten Wertgutachtens, mit dessen Hilfe ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen und die Steuerlast verringert werden kann.

3. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt nicht, wenn der vernünftigerweise einzuschlagende Weg die Mitwirkung eines Dritten voraussetzt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin traf im November 2011 mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Danach verpflichtete sich die Klägerin, an ihren Ehemann zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs neben einer Zahlung von 40.000 € ein Mietshaus zu übereignen. Bei Abschluss der Vereinbarung wurde die Klägerin, die Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, von dem Beklagten anwaltlich beraten.

Nach Umsetzung der Vereinbarung wurde gegen die Klägerin wegen eines von ihr aus der Übertragung des Mietshauses erzielten Veräußerungsgewinns ca. 95.000 € von dem Finanzamt eine Steuer von ca. 40.000 € festgesetzt. Aufgrund eines von der Klägerin gegen eine Vergütung von 2.499 € eingeholten Wertermittlungsgutachtens wurde im Einspruchsverfahren ein geringerer Verkehrswert des Grundstücks festgestellt und die Steuer auf ca. 19.000 € ermäßigt. Die steuerliche Belastung wäre gemäß § 22 Nr. 2, § 23 EStG vermeidbar gewesen, wenn die Klägerin das andere ihr gehörende Mietshaus, für das die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, ihrem Ehemann übereignet hätte.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Anwalt Erstattung des Steuerbetrages sowie der Kosten des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens. Nach Abweisung der Klage durch das Erstgericht hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 13.663 € verurteilt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

 

Entscheidung

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

1. Der BGH hat ausgeführt, dem Beklagten sei eine Pflichtverletzung anzulasten, weil er es versäumt habe, die Klägerin im Rahmen des auf die zivilrechtliche Beratung beschränkten Mandats auf mögliche mit der Übertragung des Grundstücks verbundene steuerliche Unwägbarkeiten hinzuweisen.

Zwar sei das dem Beklagten als Allgemeinanwalt erteilte Mandat auf die zivilrechtliche Beratung der Klägerin bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung beschränkt gewesen. Eine steuerrechtliche Beratung, die einen zugleich als Fachanwalt für Steuerrecht tätigen Rechtsanwalt treffen könne, habe dem Beklagten, dessen Auftrag sich auf Fragen des Zugewinnausgleichs beschränkte, nicht oblegen. Die zivilrechtliche Beratung der Klägerin durch den Beklagten lasse keine Fehler erkennen.

Dem Beklagten sei jedoch als Pflichtverletzung vorzuwerfen, die Klägerin nicht über die Notwendigkeit der Beteiligung eines Steuerberaters bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung unterrichtet zu haben. Bei einem gegenständlich beschränkten Mandat könne der Rechtsanwalt zu Hinweisen und Warnungen außerhalb des eigentlichen Vertragsgegenstandes verpflichtet sein. Voraussetzung derartiger Pflichten sei, dass die dem Mandanten drohenden Gefahren dem Anwalt bekannt oder für ihn offenkundig seien oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängen. Voraussetzung sei weiter, dass der Anwalt Grund zu der Annahme habe, dass der Auftraggeber sich der Gefahren nicht bewusst sei. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin bei der Beratung über die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen der dort vorgesehenen Grundstücksübertragung und der damit gemäß § 22 Nr. 2, § 23 EStG möglicherweise verbundenen steuerlichen Belastungen auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen. Die Gefahr einer der Klägerin nicht bewussten steuerlichen Belastung dränge sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats auf. Denn im familienrechtlichen Schrifttum sei geraume Zeit vor der hier erfolgten Eigentumsübertragung darauf hingewiesen worden, dass die Leistung von Grundbesitz an Erfüllungs statt für Zugewinnausgleichsansprüche eine entgeltliche Veräußerung im Sinne des § 22 Nr. 2, § 23 EStG bilden könne. Zusätzlich sei in der einschlägigen Kommentarliteratur zum Zeitpunkt der Beratung ausdrücklich betont worden, dass die Übertragung eines Grundstücks an den Ehegatten unter Anrechnung auf den Zugewinnausgleich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft bilden könne.

2. Im Rahmen des Schadensersatzes seien, so der BGH, neben dem Steuerschaden auch die Gutachterkosten erstattungsfähig.

Es seien diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Im Streitfall sei die Beauftragung des Sachverständigen zweckmäßig gewesen, weil das von ihm erstellte Wertgutachten im Einspruchsverfahren zu einer Minderung der Steuerlast geführt habe und in einem angemessenen Verhältnis zu der erzielten Steuerminderung stehe.

3. Der Auffassung des Berufungsgerichts, das einen Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden als erwiesen erachtet hat, hat der BGH jedoch eine Abfuhr erteilt.

Der BGH hat bemängelt, dass für die Klägerin zur Vermeidung des Steuernachteils die Alternative der Übertragung des anderen Mietshauses auf den Ehemann zwar nahegelegen habe, jedoch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geklärt war, ob der Ehemann bereit gewesen wäre, diese anstelle der tatsächlich übertragenen Immobilie zu übernehmen. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens finde nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in so einem Fall keine Anwendung. Denn im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern gelte die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung seien danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Kommen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, habe der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Sei für die behauptete Vorgehensweise notwendigerweise die Bereitschaft Dritter erforderlich, den beabsichtigten Weg mitzugehen, müsse der Mandant dessen Bereitschaft hierzu im damaligen maßgeblich Zeitpunkt darlegen und beweisen.

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beA-Pflicht bei Faxproblemen: BGH zweifelt

Michael PeusMichael Peus

BGH, Beschluss vom 28. April 2020 – X ZR 60/19

amtlicher Leitsatz:
Ein Patentanwalt, der kurz vor Ablauf der dafür maßgeblichen Frist feststellt, dass die Telefax-Übermittlung einer Berufungsbegründung in einem Patentnichtigkeitsverfahren wegen nicht von ihm zu vertretender technischer Probleme voraussichtlich scheitern wird, ist nicht verpflichtet, nach einem Rechtsanwalt zu suchen, der den Versand für ihn über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) vornehmen kann.

 

Sachverhalt:
Ein Patentanwalt (Anmerkung: der kein Postfach des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs hat) wollte am Tag des Fristablaufs eine Berufungsbegründung von 39 Seiten faxen. Er begann um 22:40 Uhr mit dem Anwählen. Der Übermittlungsvorgang begann um 22:59 Uhr. Als um 23:30 Uhr der Versand noch nicht vollständig abgeschlossen war, suchte der Patentanwalt im Internet einen Faxanbieter, der ohne Registrierung ein Faxen ermöglichte. Hier begann er einen zweiten Faxversuch um 23:54 Uhr.

Im Ergebnis gingen nur 35 Seiten bei Gericht vor 0 Uhr des Folgetages ein. 4 Seiten fehlten, darunter wohl auch die letzte Seite mit der Unterschrift.

Das Berufungsgericht lehnte eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ab.

 

Entscheidung:
Der BGH gewährte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Das begründet der BGH wie folgt:

  1. Fristen dürfen vollständig ausgenutzt werden (z.B. auch BGH, Urteil vom 25. November
    2004 – VII ZR 320/03).
  2. Bei einer Übermittlung per Telefax hat der Versender mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 0 Uhr zu rechnen gewesen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn eine Übermittlungszeit von dreißig Sekunden pro Seite angesetzt wird (BGH, Urteil vom 25. November 2004 -VII ZR 320/03, NJW 2005, 678, 679; Beschluss vom 27. September 2018 – IX ZB 67/17, NJW-RR 2018, 1398 Rn. 21) und der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf die Möglichkeit einer anderweitigen Belegung des Empfangsgeräts sowie schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten um einen Sicherheitszuschlag von etwa zwanzig Minuten erhöht wird (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 – II ZB 22/03, MMR 2004, 667; Beschluss vom 19. Dezember 2017 – XI ZB 14/17, FamRZ 2018, 610 Rn. 10).
  3. Angezeigte Störungen dürfen den Versender nicht veranlassen, von weiteren Versuchen abzusehen. Er muss mindestens weitere Übermittlungsversuche unternehmen, um auszuschließen, dass die Ursache der Übermittlungsschwierigkeiten in seiner Sphäre liegen.
  4. Die Wahl eines zweiten Systems ist nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte dem Patentanwalt nicht abverlangt werden, die laufende Faxverbindung zu trennen, um einen neuen Versuch zu starten. Denn das hätte das sichere Scheitern des Versuchs und dazu noch das Fehlen eines „Berichts des Scheiterns‟ bedeutet.
  5. Wenn unter üblichen Verhältnissen mit einem Übersenden bis 23:20 Uhr gerechnet werden darf, ist ohne konkrete Anhaltspunkte (z.B. vorausgegangene Probleme mit dem Faxgerät) kein zweiter Übertragungsweg (z.B. ein zweites Faxgerät) vorzuhalten.
  6. Wenn erst gegen 23:30 Uhr zu erkennen ist, dass die Übertragung problematisch ist, ist dem Patentanwalt eine Zeit zuzugestehen, die zweite Übertragung zu organisieren.
  7. Da der Patentanwalt einerseits einen Mandanten auch in zweiter Instanz in einer Patentnichtigkeitsangelegenheit vertreten darf, er aber andererseits über kein beA-Postfach verfügt, ist dem Patentanwalt nicht zuzumuten, sich mit einem Rechtsanwalt zusammenzuschließen, damit dieser im Problemfall per beA etwas verschicken kann. Denn sonst wäre die eigenverantwortliche Stellung des Patentanwaltes konterkariert. Das gilt sogar bei einer Sozietät von Rechtsanwälten und Patentanwälten.

 

Weiteres aus der Entscheidung:

  1. Grundsätzlich ist mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung die Prozesshandlung vorzunehmen, in die Wiedereinsetzung begehrt wird. Das soll nicht gelten, wenn die Prozesshandlung bereits vor dem Wiedereinsetzungsantrag bei Gericht eingegangen ist, wenn auch „nach Fristablauf‟. Ein erneutes Übersenden sei dann nicht notwendig.
  2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen die Gerichte die Anforderungen an die den Prozessbevollmächtigten im Rahmen des § 233 Satz 1 ZPO obliegende Sorgfalt nicht überspannen. Von einem Prozessbevollmächtigten, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlungen infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – II ZB 22/16, NJW-RR 2017, 1084 Rn. 13 ff.).
  3. Offen bleibt, ob ein Rechtsanwalt, der – verpflichtet – über ein beA-Postfach verfügt, sich dessen bedienen muss. Angesichts der hohen Fehlerzahl im System äußert der BGH Zweifel an einer solchen Verpflichtung, lässt es aber ausdrücklich offen.

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Rechtsschutzversicherung an Deckungszusage gebunden

Stefan KrappelStefan Krappel

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 31.01.2020, Aktenzeichen: 9 U 845/18

Leitsatz:

Hat eine Rechtsschutzversicherung Deckungszusage für einen Prozess erteilt, ohne dass diese durch falsche Angaben erlangt worden ist, so greift ein Anscheinsbeweis, dass der Versicherungsnehmer würde den Prozess nicht geführt haben, nicht ein.

Ein Rechtsschutzversicherer ist zu einer sorgfältigen Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet, bevor eine Deckungszusage erteilt. Kommt er dieser Prüfungspflicht nicht oder nur unzureichend nach, ist er an die Deckungszusage gebunden.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin hat Ansprüche als Schadensabwicklungsgesellschaft einer Rechtsschutzversicherungs AG geltend (zusammengefasst im folgenden als Klägerin gegen Rechtsanwälte aus übergegangenem Recht gemäß § 86 VVG verfolgt.  Die Beklagten waren im Jahr 2011 für den Versicherungsnehmer der Klägerin mit einer Schadensersatzklage gegen einen Lebensversicherungskonzern wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung mandatiert. Im Dezember verfassten diese einen Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung. Der Güteantrag entsprach 12.000 ähnlich formulierten Güteanträgen anderer Anleger. Erst gut zehn Monate nach Eingang wurden die Güteanträge an die Fondsgesellschaft versandt.

Nach Scheitern der Schlichtung wurde nach Einholung einer Deckungszusage Klage erhoben.

Mit Urteil vom 18.06.2015, Az.: III ZR 198/14, entschied der BGH in anderer Sache, welche formellen Anforderungen an einen Schlichtungsantrag zu stellen sind, damit er die Verjährung hemmt.

Die Klage des Versicherungsnehmers wurde wegen Verjährung mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen.

Die Klägerin erteilte am 08.03.2016 Deckungsschutzzusage für das Berufungsverfahren gegen das landgerichtliche Urteil. Das OLG Hamm wies die Berufung durch Beschluss vom 23.08.2016 ohne mündliche Verhandlung zurück.

Die Klägerin warf den beklagten Anwälten vor, zunächst keinen ausreichenden verjährungshemmenden Güteantrag gestellt und nachher nicht von einer Klage über den verjährten Anspruch abgeraten zu haben.

Nachdem schon das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, hatte auch die Berufung vor dem OLG Jena keinen Erfolg.

 

Entscheidung: 

Zunächst hat das OLG Jena klargestellt, dass die erhöhten Anforderungen an eine Individualisierung des im Güteantrag geltend gemachten Anspruchs erst mit Veröffentlichung des Urteils des BGH vom 18.06.2015, AZ: III ZR 198/14 zu beachten waren. Zwar wurde der Güteantrag vom 29.12.2011 den Anforderungen nicht gerecht. In dieser Phase bei Einreichung des Güteantrags musste die entsprechende Rechtsprechung des BGH, den Rechtsanwälten aber noch nicht bekannt sein. Nach den Feststellungen des OLG Jena durften die Beklagten bei Klageeinreichung im Juni 2013 davon ausgehen, dass ihr Güteantrag den Anforderungen an eine Individualisierung des Streitgegenstands genügt hatte (so auch OLG Köln vom 23.05.2019, AZ: 24 U 122/18 sowie OLG Stuttgart vom 24.10.2017, AZ: 12 U 29/17). Die Beklagten brauchten auch bei Klageerhebung nicht auf ein Risiko hinweisen, dass sich die Rechtsprechung des BGH zum Güteantrag ändern könnte, weil dies nicht vorhersehbar war.

Aus Sicht des OLG Jena hätte die Klage zu diesem Zeitpunkt, als das Urteil des BGH bekannt wurde, noch zurückgenommen werden können, um so den Kostenschaden zu reduzieren. Gleichwohl versagte es der Klägerin Schadensersatzansprüche auch im Übrigen – weder habe die Klage zurückgenommen werden müssen, noch von Einleitung des Berufungsverfahrens abgesehen werden müssen.

Das OLG Jena hat in diesem Zusammenhang zunächst offengelassen, ob die Beklagten den Versicherungsnehmer auf die nunmehr nach dem BGH-Urteil gestiegenen Risiken der Klage bzw. einer Berufung bzw. auf die Möglichkeit einer Kostenersparnis hätten hinweisen müssen, da die Schadenskausalität sich allein nach der Frage bemesse, ob der Mandant dem Rat des Anwalts auch gefolgt wäre. Den Beweis, dass der Versicherungsnehmer sich bei anderer Art der Beratung gegen die Fortführung der Klage und ein Berufungsverfahren entschieden hätte, hat die Klägerin nicht geführt.

Auf einen Anscheinsbeweis bzw. die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens konnte die Klägerin sich nicht berufen. Das OLG Jena führte insoweit aus: Hat eine Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage für einen Prozess erteilt, ohne dass diese durch falsche Angaben erlangt worden ist, so greift ein Anscheinsbeweis gerade der Gestalt, dass der Versicherungsnehmer den Prozess bei anderer Beratung und Kenntnis geringer Erfolgsaussichten nicht geführt haben würde, nicht ein; denn auch für einen vernünftig handelnden, kostenempfindlichen Mandanten würde bei Vorliegen einer Deckungsschutzzusage der Rechtsschutzversicherung das Wagnis einer nur gering erfolgversprechenden Prozessführung als ergreifungswürdige Chance erscheinen (vgl. so auch OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134; KG NJW 2014, 397). Das OLG Jena meint, dass etwas anderes nur dann gelten kann, wenn die Klägerin berechtigt gewesen wäre, ihre Deckungszusage zu widerrufen, was vorliegend aber nicht der Fall war. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein, so insbesondere das nachträglich hervortreten eines Risikoausschlusses oder die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls.

Hinzukam, dass auch die Klägerin richtig informiert war. Bei Einholung der Deckungszusage durch die Beklagten wurde die Klägerin ausdrücklich auf die geänderte BGH-Rechtsprechung hingewiesen. Mit den darin enthaltenen Angaben war der Klägerin eine eigene Prüfung der Rechtslage und der Risiken möglich. Nach Auffassung des OLG Jena war der Rechtsschutzversicherer dann zu einer sorgfältigen Prüfung bedingungsgemäß verpflichtet, bevor er eine Deckungszusage erteilt.

Da die Deckungszusage vom Versicherer bei sachgerechter Information nicht widerrufen werden konnte, war vielmehr zu erwarten, dass der Versicherungsnehmer stets ein Berufungsmandat erteilt hätte. Nach Erteilung der Deckungszusage bestand für den Mandanten keinerlei Kostenrisiko mehr. Es war deshalb nicht pflichtwidrig, sondern – so das OLG – sogar gerade im Interesse der Mandanten liegend, dass die Beklagten zu einer Berufung geraten haben.

Anmerkung: 

Das OLG Jena setzt sich ausdrücklich nicht in Widerspruch zu anderen OLG-Entscheidungen, die die Bindung eines Rechtsschutzversicherers im Zusammenhang mit Anwaltshaftungsansprüchen an Deckungszusagen verneint haben, sondern sieht dies als reine Kausalitätsfrage an.

 

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Rechtsschutzpflicht begründet keinen Anwaltsvertrag

Bernhard GurgesBernhard Gurges

BGH, Urteil vom 10. Januar 2019, Az. IX ZR 89/18

amtlicher Leitsatz:
Ob ein Rechtsanwalt einen haftpflichtigen Versicherten in dessen Auftrag oder im Auftrag des Haftpflichtversicherers vertritt, hängt von den Umständen des Falles ab. Allein die Befugnis und die Verpflichtung des Versicherers, dem Versicherten durch Bestellung eines Rechtsanwalts Rechtsschutz zu gewähren, macht ihn nicht zum Vertragspartner des Rechtsanwalts.

Tatbestand:
Streitig ist, ob ein Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch für durchgeführte Tätigkeit gegenüber einem Haftpflichtversicherer hat. Der Anwalt vertritt die Ansicht, diesen unmittelbar aus dem Anwaltsvertrag herleiten zu können, weil der Vertrag zwischen Versicherer und Anwalt zustande gekommen sei und nicht zwischen dem Anwalt und den Versicherten. Hilfsweise verfolgt er Ansprüche aus abgetretenem Recht.

Dem Rechtsanwalt wurde zunächst in einem baurechtlichen selbständigen Beweisverfahren ein Mandat für drei getrennte GbR erteilt, nachdem diesen der Streit von der Antragstellerin verkündet worden war. Die Antragstellerin führte das selbständige Beweisverfahren gegen die mit der Bauausführung beauftragte Firma. Weil aber die drei Streitverkündeten wegen jeweils eigenständiger Pflichtverletzungen den vermeintlichen Baumangel zu vertreten haben konnten, wurde ihnen der Streit verkündet.

Nachdem die Streitverkündeten den Anwalt beauftragt hatten und mit dem Anwalt eine Honorarvereinbarung geschlossen hatten, unterrichteten sie ihren Versicherungsmakler, dass das Mandat zunächst ausgesetzt sei, und empfahlen über den Makler dem Versicherer, den Anwalt zu beauftragen.
In den Versicherungsbedingungen heißt es:

„Kommt es zum Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung den Versicherern zu überlassen, dem von den Versicherern bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder den Versicherern für nötig erachteten Aufklärungen zu geben.‟

Sodann gab es ein Telefonat zwischen dem Anwalt und dem Versicherer sowie ein anschließendes Schreiben des Anwalts. Darin warb der Rachtsanwalt beim Versicherer um die Wiederaufnahme des ausgesetzten Mandats. Der Versicherer erklärte über den Makler nach dem Erhalt des Schriebens des Anwalts:

„…bestätigen wir gern, dass wir im vertraglichen Umfang Rechtsschutz für das Beweisverfahren gewähren. Wie besprochen, sind wir auch damit einverstanden, dass sich die IB. und die … (IP. ) … vorsorglich durch Rechtsanwalt L. in dem Beweisverfahren vertreten lassen, wenn wir von Herrn Rechtsanwalt L. über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet gehalten werden und das Vorgehen auch mit uns abgestimmt wird.‟

Der Anwalt stellte dem Versicherer eine Vorschussrechnung, die vollständig beglichen wurde. Später stellte der Anwalt eine weitere Rechnung, die teilweise von dem Versicherer bezahlt wurde.
Die Versicherten traten ihre Ansprüche gegen den Versicherer an den Anwalt ab.

Das selbständige Beweisverfahren endete. Der Anwalt rechnete gegenüber dem Versicherer weitere Gebühren ab. Der Versicherer lehnte eine weitere Leistung ab.
Die Klage des Anwaltes gegen den Versicherer auf Zahlung seiner Gebühren aus eigenem Recht, hilfsweise aus abgetretenem Recht, blieb in den Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Der BGH bestätigte die Entscheidungen. Der Anwalt konnte gegen den Versicherer keinen Honoraranspruch durchsetzen.

  1. Kein Anspruch aus einem Anwaltsvertrag zwischen Anwalt und Versicherer
    Die Instanzgerichte haben die Ansicht vertreten, dass kein Anwaltsvertrag zwischen dem Anwalt und dem Versicherer geschlossen wurde.
    Die Bewertung, ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wurde, obliegt dem Tatrichter. Die Revision kann nur überprüfen, ob bei der Erarbeitung des tatrichterlichen Ergebnisses Auslegungsfehler eingeflossen sind bzw. maßgebliche Umstände unberücksichtigt gelassen wurden.
    Der BGH konnte keine Auslegungsfehler der Instanzen erkennen. Denn diese hatten berücksichtigt, dass ein Anwaltsvertrag auch durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden kann, wobei an das Zustandekommen eines Anwaltsvertrages durch schlüssiges Verhalten aber zur Rechtssicherheit hohe Anforderungen zu stellen sind. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Instanzgerichte die Kostenzusage des Versicherers für das Beweisverfahren unter Berücksichtigung des Anwaltsschreibens und des Telefonats vom Vortag ausgelegt haben. In dem Schreiben habe der Anwalt für die Wiederaufnahme des ausgesetzten Mandats geworben, welches von den Versicherten an den Anwalt herangetragen worden war. Die Auslegung der Instanzen, dass der Versicherer Deckung für das Anwaltsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und den Versicherten bestätigte, sei revisionsrechtlich nicht angreifbar. Im Übrigen habe auch der Versicherungsmakler die Erklärung des Versicherers augenscheinlich so verstanden.
    Dem Ergebnis widerspricht insbesondere nicht, dass der Versicherer Rechnungen des Anwalts beglich. Denn Zahlungen des Haftpflichtversicherers an den Rechtsanwalt, der die Interessen des Versicherungsnehmers gegenüber einem Geschädigten vertritt, stellen sich regelmäßig auch für den Rechtsanwalt als Leistungen auf der Grundlage der versicherungsvertraglichen Pflicht des Versicherers zur Tragung solcher Kosten dar. Denn die Abwehr unberechtigter Ansprüche ist eine Hauptleistungspflicht des Versicherers und umfasst die Führung des Haftpflichtprozesses auf seine Kosten einschließlich der Auswahl und Beauftragung des Anwalts.
    Allein aus der versicherungsvertraglichen Hauptleisungspflicht zur Anwaltsbestellung könne jedoch nicht auf deren Einhaltung geschlossen werden. Ob ein eigener Auftrag des Versicherers gegenüber dem Rechtsanwalt vorliegt, ist nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen. Dabei habe das Berufungsgericht mit Recht auch der Bestimmung in dem Versicherungsvertrag keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, wonach der Versicherer die Prozessführung überlassen bleibe. Diese Bestimmung beinhalte aber lediglich eine Obliegenheit der Versicherungsnehmer, lasse aber keinen Schluss darauf zu, dass der Versicherer Vertragspartner werden wolle.
  2. Kein Anspruch aus § 150 VVG a.F. / § 101 VVG n.F.
    Die Pflicht des Versicherers, die Kosten der Rechtsverteidigung des Versicherungsnehmers zu tragen, begründet einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung oder Zahlung, aber keinen unmittelbaren Direktanspruch des Rechtsanwalts gegen den Versicherer.
  3. Kein Anspruch aus abgetretenem Recht
    Aus abgetretenem Recht der Versicherten stand dem Anwalt auch kein Anspruch gegen den Versicherer zu. Denn die Versicherten waren gegenüber dem Anwalt nicht verpflichtet, so dass der Versicherer auch keine Freistellung schuldete. Die Versicherten konnten dem Anwalt also keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abtreten.

    1. kein Anspruch der Versicherten auf Freistellung von Rechtsverfolgungskosten
      Die Versicherten schuldeten dem Rechtsanwalt keine Bezahlung von Honorar für seine anwaltliche Tätigkeit. Denn der Anwaltsvertrag zwischen dem Anwalt und den Versicherten war nichtig. Denn der Anwalt hat gegen § 43a Abs. 4 BRAO verstoßen, indem er die drei Versicherten und damit widerstreitende Interessen vertrat.
      § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) konkretisiert das Verbot aus § 43a Abs. 4 BRAO dahingehend, dass der Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war. Die Regelung in § 43a Abs. 4 BRAO verbietet es dem Rechtsanwalt allerdings nicht schlechthin, in derselben Rechtssache mehrere Mandanten zu vertreten. Zulässig ist die Vertretung mehrerer Mandanten, wenn das Mandat auf die Wahrnehmung gleichgerichteter Interessen der Mandanten begrenzt ist. Dies kann auch der Fall sein, wenn mehrere Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden und ihr gemeinsames Interesse im konkreten Verfahren ausschließlich auf die Abwehr des Anspruchs gerichtet ist. Die bloße (latente) Möglichkeit, dass später bei einem Ausgleich unter den Gesamtschuldnern unterschiedliche Interessen zutage treten, steht dem nicht entgegen. Die Vertretung mehrerer Mandanten ist dem Rechtsanwalt daher nur verboten, wenn dabei nach den konkreten Umständen des Falles ein Interessenkonflikt tatsächlich auftritt. Ein solcher Interessenkonflikt war im Streitfall, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, bei Übernahme des Mandats durch den Anwalt gegeben. Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens, in dem den Versicherten der Streit verkündet wurde, war ein vermeintlicher Baumangel. Der beauftragte Sachverständige sollte nicht nur das Schadensbild festhalten, sondern auch Feststellungen zu den Ursachen des Schadensbildes treffen. Die Antragstellerin begründete die Streitverkündungen gegenüber den Planungsgemeinschaften damit, dass als Schadensursache neben Ausführungsfehlern der Antragsgegner auch Handlungen der Fachplaner und Ingenieure in Betracht kämen. Weil das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens in einem späteren Hauptsacheverfahren verwertet werden konnte, musste den Streitverkündeten daran gelegen sein, möglichen Feststellungen zu eigenen Verursachungsbeiträgen bereits jetzt entgegenzuwirken. Die jeweiligen Interessen der Streitverkündeten waren dabei nicht gleichgerichtet. Im Interesse der mit der Entwurfsplanung und der Prüfung von Sondervorschlägen der Bieter beauftragten streitverkündeten GbR lag es, dass der Schaden nicht durch Fehler aus ihrem Bereich verursacht wurde, sondern durch Fehler bei der Ausführungsplanung, die von den Antragsgegnern zu erstellen und von der weiteren Streitverkündeten zu prüfen war, oder durch Fehler bei der Bauausführung durch die Antragsgegner und damit möglicherweise auch durch Fehler der weiteren Streitverkündeten im Rahmen der von ihr geschuldeten Bauüberwachung. Auch die anderen Streitverkündeten hatten konträre Interessen.
      Ein Interessenwiderstreit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Versicherten bei demselben Versicherer versichert sind. Denn ob widerstreitende Interessen vertreten werden, hängt von den Interessen der Mandanten ab und nicht von dem Interesse des hinter ihnen stehenden Versicherers. Weil der Tatbestand der Verbotsnorm objektiv erfüllt ist und ein Verschulden des Rechtsanwalts nicht erforderlich ist, war der Anwaltsvertrag nichtig, § 134 BGB. Auf die Nichtigkeit des Anwaltsvertrags durfte sich der Versicherer auch berufen. Zwar könne Rechtsausübung unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. Aber der Versicherer hat die gemeinsame Vertretung der Streitverkündeten nicht gewünscht oder gar bestimmt, sondern ihr lediglich zugestimmt.
    2. kein Anspruch der Versicherten auf Freistellung von Vergütungsansprüchen aus GoA
      Weil die Tätigkeit des Anwalts gesetzwidrig war und der Anwalt sie deshalb nicht den Umständen nach für erforderlich halten durfte, schuldeten die Versicherten dem Anwalt auch keine Vergütung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Sie hatten deshalb auch diesbezüglich keinen Anspruch gegen den Versicherer, den sie hätten abtreten können.
    3. kein Anspruch der Versicherten auf Freistellung von Verpflichtungen nach Bereicherungsrecht
      Die Versicherten schuldeten dem Rechtsanwalt keinen Ausgleich nach Bereicherungsrecht. Zwar kommt ein Anspruch auf Wertersatz nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB bei Leistungen auf einen nach § 134 BGB nichtigen Anwaltsvertrag grundsätzlich in Betracht. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der üblichen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung. Dem Wertersatzanspruch steht aber vorliegend die Regelung des § 817 Satz 2 BGB entgegen. Denn der Leistende (Anwalt) hat sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen. Der Anwalt kannte das Verbot aus § 43a Abs. 4 BRAO sowie alle Umstände, die das Tätigkeitsverbot in diesem Fall begründeten. Aus diesen Feststellungen muss sich der Anwalt zumindest leichtfertig der Einsicht in das Gesetzwidrige seiner Tätigkeit verschlossen haben. Die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB ist nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Denn das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, richtet sich an den Rechtsanwalt. Es dient nicht nur dem Schutz des Mandanten, sondern auch Interessen der Rechtspflege. Der (auch) generalpräventive Schutzzweck wäre gefährdet, wenn ein Rechtsanwalt stets damit rechnen könnte, trotz seines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz einen an den gesetzlichen Gebühren orientierten Wertausgleich zu erhalten.

Anmerkung:
Auch wenn der Anwaltsvertrag nichtig war, waren die Prozesshandlungen wirksam. Denn die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages schlägt nicht auf die Vollmacht durch, vgl. BGH im Urteil vom 14.05.2009, Az. IX ZR 60/08

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Anwaltshaftung: Gesamtschuldnerische Haftung innerhalb einer Partnergesellschaft

Simone EibenSimone Eiben

BGH, Urteil vom 12.9.2019 — Aktenzeichen: IX ZR 190/18

Leitsatz
War ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mithaftung nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft.

Sachverhalt
Die Klägerin ließ sich von einer Rechtsanwaltspartnerschaftsgesellschaft in einer Bausache bearbeiten. Zunächst wurde das Mandat von Rechtsanwalt A bearbeitet. Dieser riet der Klägerin von einer Klage ab. Dann übernahm innerhalb der Kanzlei Rechtsanwalt B die Bearbeitung des Mandats. Nach unter Beweis gestellter Darstellung der Klägerin hatte Anwalt A der Klägerin zuvor versichert, er werde die Arbeit des Anwalts B überwachen. Die im Juli 2011 erhobene Klage in der Bausache blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg.

Die Klägerin hat beiden Beklagten eine unsachgemäße Prozessführung im Vorprozess vorgeworfen und Schadensersatz wegen der aufgewandten Prozesskosten verlangt. Ihre Klage hatte vor dem Landgericht und OLG keinen Erfolg. Das OLG Koblenz hat allerdings die Revision hinsichtlich Anwalt A zugelassen. Das OLG Koblenz hat insoweit ausgeführt, Anwalt A habe zutreffend von der Erhebung der Klage im Vorprozess abgeraten. Danach sei er nicht mehr mit der Angelegenheit befasst gewesen. Für etwaige Fehler bei der Bearbeitung des Mandats durch Anwalt B hafte er nicht. Dies folge unmittelbar aus § 8 Abs. 2 PartGG.

Entscheidung
Die Entscheidung hatte vor dem BGH keinen Bestand. Dieser hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das OLG Koblenz zurückverwiesen.

Der BGH sah die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 8 Abs. 2 PartGG als nicht erfüllt an.

Sind nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so haften nur sie für berufliche Fehler neben der Partnerschaft; ausgenommen sind Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung (§ 8 Abs. 2 PartGG). Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 PartGG begründet, so der BGH, nicht die Haftung des einzelnen Partners, sondern schränkt sie ein. Sie setzt die Bearbeitung des Auftrags durch einen oder mehrere Partner voraus und besagt, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung diejenigen Partner, die nicht oder nicht wesentlich mit dem Mandat befasst waren, nicht haften. Sinn der in § 8 Abs. 2 PartGG angeordneten Haftungsbeschränkung ist es, den betroffenen Angehörigen der freien Berufe Planungssicherheit zu vermitteln und ihre jeweiligen Haftungsrisiken kalkulierbar zu machen (BT-Drucks. 13/9820, S. 21). Das Haftungsrisiko der Partner, die mit der Sache nicht befasst waren, soll eingeschränkt werden.

Voraussetzung einer Haftungsbeschränkung gemäß § 8 Abs. 2 PartGG ist danach aber, dass der in Anspruch genommene Partner nicht mit der Bearbeitung des Auftrags befasst war oder nur einen Bearbeitungsbeitrag von untergeordneter Bedeutung geleistet hat. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Anwalt A hatte den von der Klägerin erteilten Auftrag selbst bearbeitet. Er hat die Erfolgsaussichten der von der Klägerin beabsichtigten Klage geprüft und von der Erhebung einer entsprechenden Klage abgeraten. Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass es unerheblich ist, ob sein Rat, keine Klage zu erheben, der Sach- und Rechtslage entsprach und ob er danach nicht mehr, auch nicht beratend oder überwachend, in der fraglichen Bausache tätig geworden ist. Ein Ende der Haftung eines Partners mit Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft und eine gesonderte Prüfung ordnet § 8 Abs. 1 und Abs. 2 PartGG nämlich nicht an. Für eine entsprechende teleologische Reduktion der Vorschrift sieht der BGH keinen Anlass. Der BGH hatte es mit Urteil vom 19. November 2009 bereits abgelehnt, die Haftung gemäß § 8 Abs. 2 PartGG auf Berufsfehler zu beschränken, die sich zugetragen haben, während der in Anspruch genommene Partner der Partnerschaft angehörte. Nichts anderes gilt nun für Fehler, die nach Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaft geschehen sind. Wer den Fehler intern begangen hat, können schon die Partner oft nicht leicht erkennen. Umso mehr gilt dies für den geschädigten Mandanten. Da der Gesetzgeber eine einfache und unbürokratische gesetzliche Regelung der Handelndenhaftung schaffen wollte, darf der Mandant denjenigen Partner in Anspruch nehmen, der sich – für ihn erkennbar – mit seiner Sache befasst hat.

Darüber hinaus haftet Anwalt A nach dem Vortrag der Klägerin auch deshalb, da er ihr versichert habe, dass er die Arbeit von Anwalt B überwachen werde. Damit blieb er mit dem Fall befasst.

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