Kann ein Hoferbe erben, auch wenn kein Hof mehr nach der Höfeordnung existiert?

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OLG Hamm, Urteil vom 10.4.2012 — Aktenzeichen: 15 W 77/11

Leitsatz
Eine erbvertragliche Regelung, durch die inhaltlich übereinstimmend mit § 8 Höfeverordnung a. F. dem überlebenden Ehegatten das Recht eingeräumt wird, eines der gemeinsamen Kinder zum Hoferben bzw. Hofnacherben zu bestimmen, kann, wenn Jahrzehnte später die Hofeigenschaft in Folge Aufgabe der Bewirtschaftung wechselt, ohne dass der überlebende Ehegatte bis zu seinem Tod eine weitere Verfügung getroffen hat, dahin ausgelegt werden, dass die beiden gemeinschaftlichen Kinder als Schlusserben des zuletzt verstorbenen Ehegatten eingesetzt sind.

Sachverhalt
Ein Ehepaar hatte 4 Abkömmlinge. Das Ehepaar bewirtschaftete einen Hof. Sie schlossen einen Erbvertrag, in dem sie sich zu alleinigen Erben einsetzten, hinsichtlich des Hofs als Vorerben und der überlebende Ehegatte bestimmen kann, ob der Abkömmling E1 oder der Abkömmling E2 den Hof erbt. Die Abkömmlinge E3 und E4 sollten lediglich ihren gesetzten Erbteil ausgezahlt bekommen. In der Folgezeit wurde der Hof letztendlich nicht mehr weiterbetrieben. Nach dem Tod des Ehemannes wurde weder E1 noch E2 zum alleinigen Hofnacherben bestimmt. Die Erben streiten nun darüber, in welcher Höhe sie Erben geworden sind.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erbvertrag auslegungsbedürftig ist. Es muss ermittelt werden, wie der Erblasser verfügt hätte, wenn er bedacht hätte, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls keine Hoferbfolge mehr in Betracht kommt, da tatsächlich kein Hof bewirtschaftet wird. Anknüpfungspunkt ist dabei der Erbvertrag. Diesem ist zu entnehmen, dass die Erben E1 und E2 die Nachfolge hinsichtlich des Hofgrundstücks antreten sollten; die Erben E3 und E4 sollten lediglich hinsichtlich des übrigen Vermögens ihren gesetzten Erbteil erhalten. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist davon auszugehen, dass diese Regelung auch grundsätzlich dann gelten soll, wenn der Hof tatsächlich nicht mehr als Hof betrieben wird. Dann soll sich die getroffene Regelung hinsichtlich des Bruchteils der Erbschaft, der das frühere Hofvermögen erfasst, fortsetzen; die Erben E1 und E2 sind dann als hälftige Miterben hinsichtlich des Hofvermögens anzusehen.

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