Insolvenzanfechtung: Vorsatzanfechtung bei Weiterleitung von Geldbeträgen durch Treuhänder

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BGH, Urteil vom 26.4.2012 — Aktenzeichen: IX ZR 74/11

Leitsatz
Ein uneigennütziger Treuhänder unterliegt der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Der vorgenannte uneigennützige Treuhänder ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Die Beklagte ist die Steuerberatersozietät der Schuldnerin. Die Schuldnerin überweist 33.000,00 EURO an die Beklagte. Die Beklagte tilgt mit diesem Geld weisungsgemäß offene Beitragsrückstände der Schuldnerin bei verschiedenen Krankenkassen sowie Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Schuldnerin. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Zahlungsklage 33.000,00 EURO. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren über 33.000,00 EURO weiter.

Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG Hamburg auf und verweist die Sache zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH vertritt entgegen der Auffassung des OLG die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO bestehen können. Der BGH bejaht die objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO durch die Überweisungen des Schuldners an die Beklagte in Höhe von 33.000,00 EURO. Durch die Überweisungen an die Beklagte habe sich die Schuldnerin der 33.000,00 EURO entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Kein gleichwertiges Surrogat der abgeflossenen Zahlungsmittel sei der zunächst noch bestehende Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte gewesen. Der BGH hält ausdrücklich daran fest, dass bereits die Weggabe von Geldern an einen uneigennützigen Treuhänder des Schuldners für dessen Gläubiger benachteiligend ist. Der zahlungsvermittelnde Verwaltungstreuhänder sei nicht schutzwürdig. Er habe Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Durch die Ausführung einer vorsätzlichen gläubigerbenachteiligenden Weisung, die der Treuhänder als solche erkenne, werde er anfechtungsrechtlich nicht entschuldigt. Der uneigennützige Treuhänder sei unter diesen Umständen gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet.

Der BGH hat das Verfahren nur deshalb an das OLG Hamburg zurückgewiesen, da das OLG keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO getroffen hat. Allerdings hat der BGH positiv festgestellt, dass auf der Grundlage des Revisionsvortrages der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin vorlag. Wenn — was der BGH revisionsrechtlich unterstellt — die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO greifen, so wäre auch die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB zur Zahlung der 33.000,00 EURO an den Kläger verpflichtet.

Anmerkung
Zu beachten ist, dass der BGH die Rechtsprechung BGHZ 124, 298, 301 ff ausdrücklich aufgibt, indem er dem uneigennützigen Treuhänder die Möglichkeit nimmt, sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

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