BGH, Urteil vom 13.10.2016 — Aktenzeichen: 9 ZR 214/15
Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitverschulden des Mandanten im Rahmen der Anwaltshaftung anzusetzen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem früheren Rechtsanwalt, Schadensersatz. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe in dem Vorprozess – in dem es um die Geltendmachung von Versicherungsleistungen ging – unzutreffend nicht auf Hinweise des Gerichtes reagiert und nicht zu der Einlegung einer Berufung geraten. Hierdurch seien ihr Ansprüche entgangen und Mehrkosten durch die dann erfolglose Führung des Prozesses entstanden. Das Oberlandesgericht hat die Klage unter anderem deshalb abgewiesen, da es zu der Auffassung kam, es bestünde kein Regressanspruch der Klägerin, weil es ihr selbst zurechenbar sei, dass das Urteil im Vorprozess rechtskräftig geworden sei. Die Klägerin habe auf die Zusendung des Terminsprotokolls hin nicht reagiert, kein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wollen und den Beklagten darum gebeten, sich um Ratenzahlungen zu bemühen. Vor diesem Hintergrund läge nach Auffassung des Oberlandesgerichts ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vor, welches die Haftung des Beklagten ausschließe.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der BGH führt aus, dass sich nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann, soweit sich der Regressanspruch aus seiner rechtlichen Tätigkeit ergibt. Es sei nach dem Inhalt des Anwaltsvertrags allein Sache des Anwaltes, einen Schaden seines Auftraggebers zu verhindern. Bei einer gerichtlichen Fehlentscheidung ist der Rechtsanwalt vertraglich verpflichtet, dieser entgegen zu wirken. Vorliegend kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass der Rechtsanwalt zu den Hinweisen des Gerichtes im Vorprozess hätte Stellung nehmen und die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass eine Berufung gute Aussichten auf Erfolg hat. Da der Beklagte einen solchen Hinweis und eine solche Tätigkeit nicht vorgenommen hat, kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Mitverschulden nicht anzusetzen ist.
Fazit
Der BGH führt die Rechtsprechung fort, dass sich ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann. Im vorliegend entschiedenen Fall ist allerdings zu erwähnen, dass das Verschulden des Anwaltes und die Pflichtverletzung derart gewichtig waren, dass schon vor diesem Hintergrund die Ansetzung eines Mitverschuldens ausschied. So ging es insbesondere um Rechtsfragen, zu denen die Klägerin naturgemäß schwer Stellung nehmen konnte. Ein Mitverschulden kann aber dann in Betracht kommen, wenn ein Mandant dem Rechtsanwalt nicht die erforderlichen Sachinformationen zur Verfügung stellt, um den Prozess erfolgreich zu betreiben. Bei Anwaltshaftungsprozessen sollte daher auch weiterhin ein Blick auf die Frage des Mitverschuldens geworfen werden.
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