Haftung des Prüfingenieurs gegenüber dem Bauherrn

BGH, Urteil vom 31.3.2016 — Aktenzeichen: III ZR 70/15

Leitsatz
1. Der vom Bauherrn mit der Prüfung der Standsicherheit beauftragte Sachverständige nimmt kein öffentliches Amt im Sinne von § 839 Abs. 1 Statz 1 BGB i.V.m. Artikel 34 Satz 1 GG wahr. Zwischen beiden Personen wir ein privatrechtlicher Werkvertrag geschlossen.

2. Dieser Werkvertrag bezweckt auch den Schutz des Bauherrn (Auftraggebers) vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik. Er dient nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts und ist nicht lediglich darauf gerichtet, eine Prüfbescheinigung zu erstellen, die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden kann.

Sachverhalt
Die Kläger (Bauherren) beauftragten den Beklagten (Prüfingenieur) mit der Prüfung der bautechnischen Nachweise und der Bauüberwachung in statisch-konstruktiver Hinsicht. Nach Abschluss der Arbeiten kam es aufgrund des von einem Hang ausgehenden Erdmassendrucks zu Schäden am Gebäude, deren Beseitigungskosten die Kläger geltend machen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage der Bauherren mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte übe ein öffentliches Amt im haftungsrechtlichen Sinne aus. Für etwaige Mängel seiner statischen Berechnungen hafte er deshalb nicht persönlich, sondern grundsätzlich der Staat und die Körperschaft, in deren Aufgabenbereich er tätig war (Urteil vom 25.03.2014, Az.: 14 U 202/12).

Entscheidung
Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Zur Begründung hat er festgestellt, dass der Prüfingenieur bei der Erfüllung des Auftrags der Bauherren nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes, sondern privatrechtlich tätig geworden sei. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei ihm um den richtigen Beklagten. Ein Fall der Amtshaftung liege lediglich dann vor, wenn ein Prüfer oder Sachverständiger in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden sei. Dies sei dann der Fall, wenn die Arbeit des Prüfers oder Sachverständigen mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhänge und die Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten behördlichen Tätigkeit bilde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die HBO 2002 (Hessische Bauordnung) bewusst die entsprechenden staatlichen Prüfungs- und Überwachungsaufgaben auf den Bauherrn bzw. die vom ihm einzuschaltenden privaten Prüfingenieure übertragen habe. Dieser privatrechtliche Auftrag verpflichtet den Prüfstatiker gegenüber dem Bauherrn dazu, etwaige statische Mängel zu erkennen und den Eintritt von Schäden aufgrund einer mangelhaften Statik abzuwenden.

Praxishinweis
Die Beauftragung des Prüfstatikers ist in den einzelnen Bundesländern verschieden geregelt. In den jeweiligen Bauordnungen der Länder finden sich verschiedene Regelungen dazu, wer jeweils den Prüfingenieur zu beauftragen hat. Im Falle einer Beauftragung des Prüfingenieurs durch das Bauamt hat der BGH nicht entschieden. Dass in diesem Falle weiterhin von einer hoheitlichen Tätigkeit des Prüfstatikers auszugehen ist, erscheint nicht unwahrscheinlich.

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