Haftung des Durchgangsarztes

OLG Köln, Urteil vom 9.1.2019 — Aktenzeichen: 5 U 13/17

Der Kläger litt im konkreten Fall seit vielen Jahren unter Diabetes mellitus und Adipositas per magna. Er erlitt am 12.06.2013 einen Arbeitsunfall, bei dem er nach einem Sprung von einem Schlepper mit seinem linken Fuß auf dem Boden auftraf und umknickte. Am Folgetag suchte der Kläger den Beklagten als Durchgangsarzt auf. Dieser veranlasste eine Röntgenaufnahme des oberen Sprunggelenkes und diagnostizierte laut seinem Durchgangsbericht eine Verstauchung und Zerrung des oberen Sprunggelenks und eine Spontanruptur von nicht näher bezeichneten Sehnen. Er verordnete einen Kompressionsverband, eine Aircast-Schiene sowie das Kühlen der verletzten Stelle. Der Beklagte behandelte den Kläger in der Folgezeit über mehrere Termine hinweg bis zum 02.07.2013. Unter dem 21.6.2013 vermerkte er in seiner Dokumentation u.a.: „Minimale Schwellung, weiterhin keine Schmerzen (diabetische Polyneuropathie) … „. Er schrieb den Kläger insgesamt bis zum 10.07.2013 arbeitsunfähig krank. Zu einem an diesem Tag vorgesehenen Kontrolltermin erschien der Kläger nicht mehr. Nachfolgend kam es beim Kläger zu lange anhaltenden Beschwerden und einer Operation, nachdem bei Folgeuntersuchungen eine Fraktur im Bereich des Mittelfußes festgestellt worden war. Es bildete sich beim Kläger ein Charcot-Fuß aus. Zur Haftung des Beklagten hat das OLG Köln zusammengefasst ausgeführt:

1. Ein Durchgangsarzt, der nach einem Arbeitsunfall mit Aufprall des Fußes auf der Erde zunächst nur ein Umknicktrauma diagnostiziert, muss jedenfalls dann, wenn er im Rahmen der selbst weitergeführten Behandlung von der Diabetes mellitus-Erkrankung des Patienten und einer darauf beruhenden Polyneuropathie erfährt, die Möglichkeit einer Mitbeteiligung von Fußknochen in Erwägung ziehen und röntgenologisch abklären.

2. Ein entsprechendes Versäumnis stellt sich als Befunderhebungsmangel und nicht als Diagnosefehler dar.

3. Für das Versäumnis hinreichender Diagnostik haftet nicht etwa ausschließlich die zuständige Berufsgenossenschaft, wenn der Durchgangsarzt neben der hoheitlichen Aufgabe, einen Arbeitsunfall und die Frage besonderer Unfallversicherungsrechtlicher Maßnahmen zu klären, auch für die folgenden Wochen die weitere Patientenbehandlung übernommen hat, sodass sein Fehler dem Bereich privatrechtlichen Handelns zuzurechnen ist.

4. Die vollständige und endgültige Ausbildung eines Charcot-Fußes bei einem 48-jährigen Mann rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 50.000 €.

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