Haftpflichtgesetz–Innenregress zweier Bahnbetriebsunternehmen

Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken , Urteil vom 17.12.2015 — Aktenzeichen: 4 U 39/15

Leitsatz
Zur Haftungsabwägung bei Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung und einer geschobenen Rangierabteilung.

Sachverhalt
Die Klägerin und der Beklagten zu 1) betreiben jeweils ein zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Beklagte zu 2) erbringt Dienstleistungen im Bereich Eisenbahnverkehr für andere Eisenbahnunternehmen, unter anderem stellt sie Fahrpersonal zur Verfügung. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) besteht ein Dienstleistungsvertrag auf Grund dessen die Beklagte zu 2) der Klägerin Triebfahrzeugführer zur Durchführung von Transportleistungen in bis einschließlich Bahnhof überlässt.

Am 14.10.2008 gegen 5.15 Uhr befuhr ein Zug der Klägerin, bestehend aus vier mit Flüssigstahl beladenen Waggons, von denen mindestens einer im Eigentum der AG stand, auf dem Betriebsgelände der Firma das Gleis kommend. Zeuge C., ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2), steuerte diesen Zug mit der Funkfernbedienung und ließ ihn an der stehend an sich vorbeifahren. Aus der Gegenrichtung kam auf dem Gleis der Rangierzug der Beklagten zu 1) mit dem Zeugen D. als Lokomotivführer am Ende des Zuges und dem Zeugen W., der sich an der Spitze der Rangierabteilung befand. Im Teilbereich des zwischen den kam es zum Zusammenstoß, bei dem Rollmaterial der Firma und der Klägerin beschädigt wurde.

Die Klägerin begehrt nun von den Beklagten Schadensersatz nach §§ 1, 13 HaftPflG.

Entscheidung
Die wesentlichen Aussagen der Entscheidung lauten:

Stoßen zwei Züge auf dem Betriebsgelände eines Dritten zusammen, ist die Haftung der beteiligten Bahnunternehmen untereinander nach §§ 1, 13 HaftPflG zu beurteilen.

Zur Haftungsabwägung bei Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung und einer geschobenen Rangierabteilung führt das OLG aus: Beim Zusammenstoß einer ferngesteuerten Rangierabteilung, bestehend aus einer Lokomotive und vier mit Flüssigstahl beladenen Waggons mit einer Masse von 1.408 t, und einer geschobenen Rangierabteilung, bestehend aus einer Lokomotive mit zehn beladenen Wagen mit einer Gesamtmasse von 700 t, ist die in erster Linie zu berücksichtigende Betriebsgefahr bei der schwereren, Flüssigstahl transportierenden Rangiereinheit deutlich höher zu gewichten, doch wirkt sich auch die von der an der Spitze unbeleuchteten, geschobenen Rangiereinheit mit insgesamt zehn Waggons ausgehende Betriebsgefahr gerade auf Grund schlechter Sichtverhältnisse wegen Dunkelheit zur Unfallzeit in erheblicher Weise aus. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass beide Lokomotivrangierführer klar vorschriftswidrig handelten und es an der gebotenen Kommunikation haben fehlen lassen, wobei der Verstoß des Lokomotivrangierführers der geschobenen Rangierabteilung, der in ein für ihn erkennbar belegtes Gleis eingefahren ist, höher zu gewichten ist als das Verschulden des vorschriftswidrig positionierten Lokomotivrangierführers der ferngesteuerten Rangierabteilung, der sein Gleis immerhin nicht verlassen hat.

Im Ergebnis ist von einer Haftungsquote zu Lasten der geschobenen Rangierabteilung von 1/3 auszugehen.

Die Entscheidung verdeutlicht recht anschaulich die Abwägungskriterien nach dem Haftpflichtgesetz — hier zwischen Gesamtschuldnern im Innenverhältnis.

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