Grundsätzlich gilt: Kein Werklohn ohne Abnahme

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG München, Beschluss vom 17.01.2023 – 28 U 6295/22 Bau

 

Sachverhalt

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten eine Vergütung für das Einbauen und Vorhalten von Spundwänden über einen Zeitraum von 26 Monate geltend. Während der Ausführung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien, woraufhin die Auftraggeberseite die Kündigung aus wichtigem Grund erklärte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin den oberirdischen Teil der Spundwände abgebrannt und die Spundwände im Übrigen im Boden belassen.

Die Beklagte wendet hiergegen insbesondere ein, dass der Werklohnanspruch überhaupt nicht fällig sei in Ermangelung einer Abnahme und die abgerechneten Leistungen auf der anderen Seite auch nicht abnahmefähig seien aufgrund vorliegender Mängel. Hilfsweise beruft sie sich auf ein Minderungsrecht und trägt vor, dass die erbrachten Leistungen wertlos seien.

Hierzu ist die Klägerin wiederum der Auffassung, mit der Kündigung des Bauvertrags habe die Auftraggeberseite zum Ausdruck gebracht, die Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen zu wollen, sodass ein Abrechnungsverhältnis bestehe und es daher auf eine Abnahme nicht mehr ankomme. Ein Minderungsrecht stehe der Beklagten jedenfalls nicht zu.

Im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme stellte der Gerichtssachversständige erhebliche Mängel an der klägerischen Leistungserbringung fest. Das Landgericht ging hinsichtlich der Vorhaltung der Spundwände von der Anwendbarkeit des Mietrechts aus und hat im Hinblick auf die Minderungserklärung der Beklagten wegen der durch den Gerichtssachverständigen bestätigten Mängel eine Minderung des Werklohns auf Null erkannt.  Es hat die Klage folglich abgewiesen. Gegen das landgerichtliche Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

 

Entscheidung

Im Ergebnis hat das zuständige Oberlandesgericht München die Berufung der Klägerin zwar zurückgewiesen, aber – und zumindest dies dürfte als Erfolg der Klägerin zu werten sein – die Werklohnklage in Abweichung zur Rechtsauffassung des Landgerichts mangels Abnahme lediglich als „derzeit unbegründet“ angesehen.

Das Oberlandesgericht München hat die Rechtslage zutreffend erläutert und die bisherige Beurteilung durch das Landgericht damit „gerade gezogen“:

Demnach sei auf den zu entscheidenden Sachverhalt ausschließlich Werkvertragsrecht anzuwenden mit der Folge, dass der Werklohnanspruch erst mit einer Abnahme der erbrachten Leistungen oder einem Abnahmesurrogat fällig werde. An diesem Grundsatz ändere sich auch nichts durch die Aussprache einer Kündigung, weil diese das Vertragsverhältnis lediglich für die Zukunft beende, also zukünftige Leistungspflichten entfallen lasse, jedoch für bereits erbrachte Leistungen weiterhin einen Rechtsgrund darstelle. Deswegen folge aus einer Kündigung auch nicht das Vorliegen eines Abrechnungsverhältnisses, dass eine Abnahme entbehrlich mache. Denn hinsichtlich der bereits erbrachten Leistungen habe der Auftraggeber grundsätzlich weiterhin einen Erfüllungsanspruch gerichtet auf die Beseitigung etwaiger Mängel und die Herstellung eines vertragsgemäßen Zustandes.

Damit sei ein etwaiger Werklohnanspruch der Klägerin trotz schon erfolgter Erteilung einer Schlussrechnung mangels Abnahme derzeit nicht fällig.

Auf das Minderungsrecht, das es – zumindest außerhalb der VOB/B – auch im Werkvertragsrecht gibt, ist das Oberlandesgericht folgerichtig nicht mehr eingegangen, weil es für die Entscheidung darauf nicht ankam. Es hat lediglich insoweit entscheidungsbezogen festgestellt, dass auch die Geltendmachung eines Minderungsrechts nicht automatisch ein Abrechnungsverhältnis begründe und daher die Abnahme nicht ersetzen könne.

Die Klägerin hat durch die Urteilskorrektur des Oberlandesgerichts also eine neue Chance zur Geltendmachung ihres (etwaig begründeten) Werklohnanspruchs erhalten, muss sich aber zuvor um die Erteilung einer Abnahme kümmern oder ein Abnahmesurrogat nachweisen; z.B. in Form einer fiktiven Abnahme, des Nachweises einer vollständigen und mangelfreien Leistungserbringung oder eben durch Darlegung eines Abrechnungsverhältnisses.

 

Praxishinweis

In der Praxis ist es also obligatorisch und entspricht immer dem sichersten Weg, nach vollständiger Leistungserbringung den Auftraggeber zur Abnahme der Leistungen, idealerweise sofort unter Fristsetzung aufzufordern. Ist der Auftraggeber Verbraucher, muss mit der Fristsetzung ein textlicher Hinweis im Sinne des § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB wie folgt erteilt werden:

„Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.“

Reagiert der Auftraggeber auf diese Fristsetzung überhaupt nicht, gilt die Abnahme automatisch als erteilt (= fiktive Abnahme).

Verweigert der Auftraggeber die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels, empfiehlt es sich für den Auftragnehmer, die Beanstandung zu prüfen und den Mangel gegebenenfalls zu beheben. Ist die Mangelrüge hingegen unberechtigt, kann der Werklohn sofort geltend gemacht werden, wobei dann in einem Rechtsstreit die Mangelfreiheit nachzuweisen wäre, wofür der Auftragnehmer beweisbelastet ist.

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