OLG Koblenz — Aktenzeichen: 3 U 1543/13
Gewährleistungsbürgschaften sind am Bau gang und gäbe. Sie sollen Mängelrechte des Auftraggebers sichern. Nimmt der Auftraggeber den Bürgen in Anspruch, kann dieser, ohne vertieft zu prüfen, leisten.
Leitsatz
Hat der Kautionsversicherer nach seinen eigenen AVB den Versicherungsnehmer bei Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger unverzüglich davon zu unterrichten und ihn aufzufordern, zur Abwehr der Inanspruchnahme innerhalb einer Woche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen, und kommt der Versicherungsnehmer dem nicht nach, ist der Kautionsversicherer berechtigt, Zahlung zu leisten, ohne prüfen zu müssen, ob der geltend gemachte Anspruch besteht.
Sachverhalt
Der Auftragnehmer hatte mit dem Auftraggeber einen Bauvertrag geschlossen. Vereinbart war eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von rd. 10.000 Euro. Der Auftragnehmer stellte dem Auftraggeber eine Bürgschaft eines Kautionsversicherers zur Verfügung. Einige Jahre nach Abnahme machte der Auftraggeber Mängelrechte geltend und nahm den Kautionsversicherer aus der Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Der Kautionsversicherer teilte dem Auftragnehmer, also seinem Kunden, unter Berufung auf die dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen mit, er werde den angeforderten Betrag auszahlen, falls nicht der Auftragnehmer die Inanspruchnahme nicht gerichtlich abwende. Der Auftragnehmer bat den Kautionsversicherer, die Bürgschaft nicht auszuzahlen, da er die Mängel beseitigen werde. Der Kautionsversicherer zahlte gleichwohl an den Auftraggeber und forderte den Auftragnehmer im Anschluss auf, ihm die Zahlung an den Auftraggeber zu erstatten.
Die Klage des Kautionsversicherers hatte in erster Instanz Erfolg.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Versicherung die Bürgschaftssumme an den Auftraggeber hat auszahlen dürfen oder nach der Ankündigung des Auftragnehmers, er werde nachbessern, hätte abwarten müssen.
Das Landgericht hat den Auftragnehmer verurteilt und zur Begründung seines Urteils ausgeführt, der Klägerin stehe ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsbesorgungsvertrag zu. Die Versicherung habe einen Rückgriffsanspruch gegen den Auftragnehmer, da sie die Erfüllung der übernommenen Bürgschaft durch Auszahlung an den Auftraggeber aufgrund des Kautionsversicherungsvertrages für erforderlich halten durfte. Die Versicherung habe den Auftragnehmer erfolglos unter Fristsetzung aufgefordert, zur Abwehr der Ansprüche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Dieser sei zu der verbürgten Verbindlichkeit angehört worden und habe Gelegenheit gehabt, substantiiert zu etwaigen Einreden vorzutragen, die die Versicherung dem Auftraggeber hätte entgegenhalten können. Dem sei der Auftragnehmer nicht nachgekommen.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Auch das OLG gab dem Kautionsversicherer Recht.
Entscheidung
Das OLG führte aus:
Bei Kautionsverpflichtungen handelt es sich um eine versicherungsvertragliche Verpflichtung des Versicherers zugunsten des Gläubigers des Versicherungsnehmers Sicherheiten in Form von Bürgschaften zu gewähren. Er ist grundsätzlich als Geschäftsbesorgungsvertrag zu qualifizieren. Die Versicherung stellte dem Auftraggeber eine Bürgschaft für Ausführungs- und Mängelbeseitigungsansprüche zur Verfügung. Seiner wirtschaftlichen Funktion nach ist der Kautionsversicherungsvertrag mit dem Avalkreditvertrag vergleichbar, der als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen ist, soweit sich die Bank zur Übernahme einer Bürgschaft verpflichtet. Darüber hinaus dient der Kautionsversicherungsvertrag dazu mit der von ihm zu stellenden Sicherheit für den Versicherungsnehmer den Liquiditätsspielraum bei dessen Hausbank freizustellen.
Der Versicherung steht ein Rückgriffsanspruch gegen den Auftragnehmer aus der übernommenen Bürgschaft nach Auszahlung an die Auftraggeberin unter Beachtung des Kautionsversicherungsvertrages zu.
Gemäß § 6 Nr. 1 a AVB KTV-plus (im Folgenden: AVB) hat der Kautionsversicherer den Versicherungsnehmer bei Inanspruchnahme durch den Bürgschaftsgläubiger unverzüglich davon zu unterrichten und ihn aufzufordern, zur Abwehr der Inanspruchnahme innerhalb einer Woche gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Kommt der Versicherungsnehmer dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach oder sind die ergriffenen Maßnahmen erfolglos geblieben, ist die Versicherung berechtigt, Zahlung zu leisten, ohne prüfen zu müssen, ob der geltend gemachte Anspruch gegen den Versicherungsnehmer besteht oder diesem Einwendungen gegen den Anspruch zustehen, sofern nicht die Inanspruchnahme für jedermann offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmissbräuchlich ist.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Versicherung hat die Auszahlung des Betrages aufgrund nachgewiesener Mängelbeseitigungskosten an den Auftraggeber vorgenommen. Sie hatte dem Auftragnehmer zuvor erfolglos eine Frist gesetzt, Ansprüche der Auftraggeberseite gerichtlich abzuwehren. Dem war der Auftragnehmer nicht nachgekommen.
Hinzu kommt, dass gemäß § 6 Nr. 2 AVB der Versicherungsnehmer ausdrücklich gegenüber dem Kautionsversicherer auf Einwendungen gegen Grund, Höhe und Bestand der geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Bereits deshalb vermag der Auftragnehmer mit seiner Argumentation nicht durchzudringen und bestand auf der Grundlage der AVB von den Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen keine Verpflichtung der Versicherung sich damit auseinanderzusetzen.
Dass die Inanspruchnahme der Versicherung für jedermann offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmissbräuchlich im Sinne von AVB war, ist nicht ersichtlich.
Praxishinweis
Für den Auftragnehmer besteht ein Risiko, wenn sein Kautionsversicherer aus der Bürgschaft leistet. Dies sollte ein Auftragnehmer in Abstimmung mit dem Kautionsversicherer verhindern und ggf. selbst klagen (etwa auf Feststellung, dass die gerügten Mängel nicht bestehen). Andernfalls muss er damit rechnen, dass der Kautionsversicherer sich durch Zahlung „der Sache entledigt“ und sich das Geld anschließend von seinem Kunden einfach wiederholt. Einem Auftraggeber ist demgegenüber zu raten, den Bürgen in Anspruch zu nehmen — in der Hoffnung, dieser werde so verfahren wie die Versicherung im Fall des OLG Koblenz.
Natürlich bedeutet das Urteil des OLG Koblenz kein Freibrief für Kautionsversicherer, schon auf erste Anforderung zu leisten. Der Bürge muss nach wie vor den Sachverhalt auf Schlüssigkeit prüfen; dazu gehört auch die Prüfung, ob liquide Einwandtatsachen vorliegen.
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