Gerüst stürzt ein: Haftet der Architekt?

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OLG Hamm, Urteil vom 10.9.2012 — Aktenzeichen: 13 U 65/11

Leitsatz
Bei Einsturz des Gerüstes haftet der bauaufsichtsführende Architekt nur dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Gerüstbauunternehmer nicht hinreichend sachkundig und zuverlässig war.

Sachverhalt
Zur Durchführung von Baumaßnahmen musste neben einer Gleisanlage ein Gebäude eingerüstet werden. Während eines Sturms stürzte ein großer Teil des Gerüstes auf die Gleis- und Oberleitungsanlagen der Klägerin. Die Klägerin verlangt Ersatz u.a. von dem bauaufsichtsführenden Architekten.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Unter dem Gesichtspunkt der „sekundären Verkehrsicherungspflicht’“ des Architekten muss dieser nur einschreiten, wenn Gründe dafür vorliegen, dass der Gerüstbauunternehmer nicht hinreichend sachkundig und zuverlässig war. Auch wäre ein Einschreiten erforderlich, wenn der Architekt konkrete Gefahrenquellen erkannt hätte oder aber bei gewissenhafter Sorgfalt hätte erkennen müssen.
Eine Kenntnis des bauaufsichtsführenden Architekten von dem (streitigen) Entfernen eines Teils der Gerüstanker hat der Senat nicht positiv feststellen können. Der Senat hat auch ausgeführt, dass der Architekt die Abweichungen des konkreten Gerüstes von der (nicht vom Architekten gefertigten) Statik nicht hätte bemerken und insoweit für Abhilfe Sorge tragen müssen. Es reiche, wenn sich insoweit der Architekt auf die übliche und am Gerüst befindliche Freigabe-/Abnahmebescheinigung verlasse. Zu weit geht es aus Sicht des Senats, bei Vorliegen einer Freigabebescheinigung des Gerüstbauers vom bauüber-wachenden Architekten zu verlangen, erstens sich weitere Unterlagen (Statik) vorlegen zu lassen und zudem das Gerüst auf Abweichungen von der Statik zu überprüfen. Derartige strenge Anforderungen hat der Senat verneint. Vielmehr dürfe sich der bauleitende Architekt grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit des Gerüstbauers verlassen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte für eine mangelnde Zuverlässigkeit oder Qualifikation des Gerüstbauers bestanden hätten, was vorliegend nicht der Fall war.
Im Ergebnis hat das OLG Hamm festgestellt, dass der baufsichtsführende Architekt gerade nicht als „Gerüstfachmann“ zu behandeln ist. Genau aus diesem Grund scheiden die geltend gemachten Ersatzansprüche wegen des Verstosses gegen sekundäre Verkehrssicherungspflichten aus.

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