Gemeinsame Betriebsstätte

OLG Schleswig, Urteil vom 15.9.2016 — Aktenzeichen: 7 U 117/15

Leitsatz
Bei dem Beladen eines LKW mit tonnenschweren Papierrollen mittels eines Gabelstaplers und den absprachegemäßen Tätigkeiten des beteiligten LKW-Fahrers (u.a. Öffnen der Türen des Aufliegers und Freimachen der Ladefläche) handelte nicht mehr um bloße Vorbereitungshandlungen des Ladevorganges sondern um arbeitsteilige „Aktivitäten“, die bewusst und gewollt bei der Beladung i.S. einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ ineinandergreifen.

Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie nimmt die Beklagten aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) aufgrund eines über sie versicherten Arbeitsunfalles des Zeugen B am 23.11.2011 in Anspruch. Dieser Arbeitsunfall fand auf dem Gelände der Beklagten zu 1. statt. An dem Unfall war der Beklagte zu 2. als Fahrer eines Gabelstaplers beteiligt. Der Zeuge B. befand sich am Unfalltag als Lkw-Fahrer der Fa. S. auf dem Hafengelände, um Papierrollen zu laden. Nachdem er seinen Lkw gegen 16.30 Uhr abgestellt und sich mit dem Beklagten zu 2. dahingehend verständigt hatte, dass er noch die Türen des Aufliegers öffnen und die Ladefläche ordnen müsse, kam es — wobei die Einzelheiten streitig sind — zu dem hier streitgegenständlichen Unfall. Beim Rückwärtsfahren des von dem Beklagten zu 2. geführten Gabelstaplers geriet der rechte Unterschenkel des Zeugen B. zwischen das linke Rad der hinteren Lenkachse und das Kontergewicht des Gabelstaplers und wurde dort eingeklemmt.

Entscheidung
Das OLG hatte hier nach dem Vortrag der klagenden BG zwischen einer Vorbereitungshandlung und einer schädigenden Handlung im Unfallzeitpunkt — dann § 106 Abs. 3, 3.Alt. SGB VII — zu unterscheiden.

„Bei dem — unstreitig in Absprache zwischen den Beteiligten — erfolgten Öffnen der Türen des Aufliegers durch den Zeugen B. und dem Freimachen der Ladefläche handelt es sich weder um bloße Vorbereitungshandlungen des Ladevorganges noch standen diese beziehungslos neben der Tätigkeit des Beklagten zu 2. Vielmehr handelt es sich um arbeitsteilige „Aktivitäten“, die bewusst und gewollt bei der Beladung eines Lkw’s mit (tonnenschweren) Papierrollen ineinandergreifen. Dies gilt nicht nur für das Öffnen der Türen des Aufliegers — bei geschlossenen Türen wäre eine Beladung nicht möglich, alternativ hätte der Beklagte zu 2. die Türen öffnen müssen -, sondern auch für das Freimachen der Ladefläche. Denn die endgültige Beladung des Lkw vollzieht sich dergestalt — wie der Beklagte zu 2. in seiner ergänzenden Anhörung vor dem Senat anschaulich berichtet hat -, dass der Gabelstaplerfahrer die Papierrolle auf Schienen (sog. Joloda-Laufschienen System) ablegt, die sich auf dem Auflieger befinden. Mit Hilfe dieser Schienen schiebt dann der Lkw-Fahrer auf der Ladefläche die Rolle nach vorne bzw. an den für sie vorgesehenen Platz auf dem Auflieger und sichert die Rolle anschließend entsprechend gegen Wegrutschen. Dies stellt nach der unwidersprochenen Schilderung des Beklagten zu 2. eine generelle und übliche, arbeitsteilige Papierrollen-Beladung im Lübecker Hafen dar.“

Wie bei der auf unserer Homepage ebenfalls diskutierten Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 3.11.2016 stellt auch das OLG Schleswig auf den als einheitlichen Lebensvorgang zu betrachtenden Arbeitsvorgang des Beladens als Ganzes ab.

Es fehlte auch nicht an der gegenseitigen Gefahrensituation. Denn im Zuge des Beladevorganges konnte nicht nur — wie in concreto geschehen — der Zeuge B. Schaden nehmen. Vielmehr war auch der Beklagte zu 2. als Staplerfahrer gefährdet und hätte durch Fehler des in den Beladevorgang eingebundenen LKW-Fahrers zu Schaden kommen können, beispielhaft dann, wenn der Zeuge B. die Tür D des Lkw-Anhängers nicht ordnungsgemäß nach dem Öffnen befestigt hätte, sodass diese während des Beladevorganges zugeschlagen wären.

Es hilft also, wenn man sich zur Frage der Gefährdung des Schädigers Gedanken macht. Sie darf nur nicht ausgeschlossen sein oder gänzlich konstruiert erscheinen. Wie nahe der Schädiger dann tatsächlich der Gefährdung in der konkreten Situation gekommen ist, ist irrelevant. Auch insoweit ist auf den Arbeitsvorgang als Ganzes abzustellen (vgl. Möhlenkamp VersR 2016, 217 ff.).

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