Gemeinsame Betriebsstätte: Kranverladeunfall

LG München I, Urteil vom 20.1.2016 — Aktenzeichen: 6 O 3208/15 (nicht rechtskräftig)

Leitsatz
Ist für das Verladen eines Containers das Zusammenwirken zwischen dem für die Anlieferung des Containers verantwortlichen Lkw-Fahrer und dem Bediener des für das Anheben des Containers eingesetzten Krans erforderlich (hier: Handzeichen nach Lösen des Containers vom Lkw zur Freigabe), liegt während des als Einheit zu betrachtenden Verladevorganges eine gemeinsame Betriebsstätte nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII vor.

Sachverhalt
Die Beklagte zu 2) betriebt einen Kranungsterminal am Containerbahnhof München. Der Beklagte zu 1) ist dort als Kranfahrer angestellt. Der betriebsfremde Versicherte der klagenden Berufsgenossenschaft (BG) sollte einen mit einem Container beladenen Lkw auf der Ladestraße des auf einer Schienentrasse fahrenden Krans bereit stellen, der anschließend vom Beklagten zu 1) abgeladen werden sollte. Hierzu musste — wie üblich — der Versicherte zunächst den Container von den Haltevorrichtungen des Lkw lösen und dann dem auf ihn wartenden Kranfahrer im Führerhaus durch Handzeichen signalisieren, dass der Container angehoben werden konnte. Irrtümlicher Weise nahm der Beklagte zu 1) an, der Entkopplungsvorgang sei schon beendet gewesen und der Versicherte der Klägerin aus dem Gefahrenbereich herausgetreten, als er das Anhängegeschirr des Krans auf den Container herabfahren ließ und ihn anhob. Der Versicherte war jedoch noch dabei, eine festsitzende Haltevorrichtung am Lkw zu lösen und wurde deshalb beim Anheben mit der Hand zwischen Container und Haltevorrichtung eingeklemmt.

Entscheidung
Das LG hat eine gemeinsame Betriebsstätte gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII bejaht. Dies trotz heftigen Gegenwinds der klagenden BG, die weder ein Zusammenwirken noch eine wechselseitige Gefährdungslage erkennen wollte.

Die Entkranung konnte hier nur durchgeführt werden, wenn der Fahrer des LKW zuvor die Verbindung zwischen dem Container und seinem LKW gelöst hatte. Der Beklagte zu 1) musste genau dies abwarten und zwar auf ein Handzeichen zur Freigabe durch den Lkw-Fahrer. Dies war so in der Hausordnung vorgegeben und allen Beteiligten bekannt. Es fandet demnach nichts neben- oder nacheinander statt, sondern im Rahmen eines gemeinsam ablaufenden Arbeitsprozesses, den die Klägerin künstlich aufspalten wollte. Gerade nach dem Vortrag der Klägerin war das Freigeben oder Lösen der Verbindung des Containers mit dem LKW durch ihren Versicherten noch nicht erledigt und dieser gerade damit beschäftigt, als der Kran anhob – konkrete Unfallsituation.

Auch die wechselseitige Gefährdung wurde vom LG bejaht, obwohl der Beklagte zu 1) ca. 10 m über dem Lkw in einem Führerhaus saß. Der Vortag über ein mögliches Auslaufen von Gefahrstoffen, die eingeatmet oder über die Haut aufgenommen werden könnten, genügte dem LG ebenso wie die durch Zeugen bestätigte Gefahr für den Beklagten zu 1), dass im Falle einer noch bestehenden Verbindung zwischen Container und Lkw im Zeitpunkt des Anhebens die Seile des Krans reißen und umherfliegen könnten. Zudem drohte das Abreißen des Führerhauses. Somit war eine Gefährdung des Kranfahrers nicht vollständig ausgeschlossen, wie es zur Verneinung einer gemeinsamen Betriebsstätte erforderlich gewesen wäre.

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