Freistellungsanspruch eines § 110-Schädigers gegen Nachunternehmer?

OLG Hamm — Aktenzeichen: Beschluss 09.05.2017, I-9 U 20/17

Will ein Sozialversicherungsträger einen Unternehmer wegen eines Arbeitsunfalls nach § 110 SGB VII in Anspruch nehmen, hat dieser nicht ohne Weiteres einen Freistellungsanspruch gegen einen von ihm eingeschalteten Nachunternehmer, wenn der Nachunternehmer vertraglich die Absicherung der Baustelle übernommen hat.

Sachverhalt
Die Klägerin war Generalunternehmerin und Bauleiterin an einer Baustelle. Auf dieser Baustelle hatte die Klägerin den Bauarbeiter M im Rahmen eines Leiharbeiterverhältnisses beschäftigt. Dieser stürzte bei Schulungsarbeiten am 29.08.2012 aus rd. 7 m Höhe von einer Leiter in den ungesicherten Arbeitsraum und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft (BG) als Arbeitsunfall anerkannt.

Der Beklagte ist Bauunternehmer und war an der Baustelle als Subunternehmerin der Klägerin mit der Durchführung von Rohbauarbeiten beauftragt. Im Vertrag heißt es:

„Kann für einen vom Auftragnehmer verursachten Schaden aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Vorschriften auch der Auftraggeber ganz oder teilweise vom Geschädigten in Anspruch genommen werden, so haftet der Auftragnehmer im Verhältnis zum Auftraggeber allein. Der Auftragnehmer stellt den Auftraggeber in vollem Umfang frei.“

Mit der Klage hat die Klägerin Freistellungsansprüche gegenüber dem Beklagten wegen Forderungen aus dem streitgegenständlichen Unfall geltend gemacht, die die BG gegenüber der Klägerin angekündigt hat.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe auf der Baustelle eine fehlerhafte Leiter eingesetzt, von der der geschädigte Leiharbeiter gefallen sei. Außerdem habe der den Arbeitsraum nicht hinreichend abgesichert, obwohl dem Beklagten nach dem geschlossenen Vertrag die Baustelleneinrichtung nach den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) oblegen habe.

Entscheidung
Das OLG gab dem Beklagten Recht. Die Freistellungsklage hatte keinen Erfolg.

Der Anspruch könne sich allein auf § 426 Abs. 2 BGB stützen. Dies setze voraus, dass die Parteien gegenüber der BG als Gesamtschuldner hafteten, während im Innenverhältnis allein der Beklagte die Verantwortlichkeit für den Schaden treffe und er somit zur Freistellung der Klägerin verpflichtet sei.

Die Besonderheit des Falles bestehe — so das OLG Hamm — darin, dass eine Haftung des Unternehmers gegenüber der BG nur nach §§ 110, 111 SGB VII in Betracht komme und diese Haftung auf Vorsatz und grob fahrlässige Herbeiführen des Unfalls beschränkt sei. Dafür habe die Klägerin indes nichts vorgetragen. Im Gegenteil trage die Klägerin vor, gegenüber der BG gar nicht zu haften, weil für die Arbeitssicherheit der Beklagte zuständig gewesen sei.

Das OLG Hamm sah auch keine Anspruchsgrundlage im Vertrag, unabhängig davon, ob eine solche Klausel überhaupt wirksam sei. Als AGB sei dieser Klausel eng auszulegen. Die Regelung erfasse schon vom Wortlaut nicht Ansprüche nach § 110 SGB VII.

Deshalb hat das OLG Hamm die Berufung der Klägerin nach § 522 ZPO im Beschlusswege zurück gewiesen.

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