Fortbestehen der Berufsunfähigkeitsversicherung bei Falschangaben der Gesundheitsfragen im Antragsformular?

OLG Dresden, Urteil vom 6.6.2017 — Aktenzeichen: 4 U 1460/16

Leitsatz
Das Erfordernis einer gesonderten Mitteilung über die Folgen einer Anzeigeverletzung ist bei einer Belehrung auf dem Antragsformular nur gewahrt, wenn sie in unmittelbarer Nähe zu den Gesundheitsfragen erfolgt und drucktechnisch so hervorgehoben wird, dass sie ein durchschnittlich aufmerksamer Versicherungsnehmer schlechterdings nicht übersehen kann.

Die Belehrung über ein Vertragsanpassungsrecht des Versicherers nach § 19 Abs. 5 VVG ist unwirksam, wenn sie keinen Hinweis darauf enthält, dass eine Vertragsanpassung nicht nur zu einem rückwirkenden Beitragszuschlag, sondern auch zu einem rückwirkenden Risikoausschluss führen kann.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrte die gerichtliche Feststellung, dass ihre Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten fortbesteht und nicht durch Anfechtung, Rücktritt oder Vertragsanpassung beendet oder verändert worden ist.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe durch die Nichtangabe von Behandlungen und Syndromen die Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet und somit bei Abschluss des Versicherungsvertrags arglistig getäuscht.

Mit Urteil vom 14.09.2016 hat das Landgericht Dresden (Az.: 8 0 979/15) die Klage mit der Begründung des Vorliegens einer arglistigen Täuschung abgewiesen.

Entscheidung
Das OLG Dresden hat der Berufung der Klägerin teilweise stattgegeben und das unveränderte Fortbestehen der Berufsunfähigkeitsversicherung festgestellt.

Zur Begründung hat der Senat festgestellt, dass die Beklagte weder einen Anfechtungs- noch einen Rücktrittsgrund bewiesen habe. Bei den verschwiegenen Vorerkrankungen handele es sich um offenkundig belanglose Gesundheitsbeeinträchtigungen oder um Erkrankungen, die alsbald vergangen sind, sodass keine arglistige Täuschung vorliege.

Der Versicherer hätte den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, abgeschlossen, sodass das Rücktrittsrecht nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen sei.

Eine rückwirkende Vertragsanpassung käme aufgrund der im Antragsformular enthaltenen Rücktrittsbelehrung nicht in Betracht, da diese formal und inhaltlich unwirksam sei.

Im Rahmen des Urteils hat der Senat die Anforderungen an die Belehrung im Antragsformular konkretisiert. In formeller Hinsicht darf die Belehrung optisch von der Platzierung sowie der Gestaltung vom übrigen Text nicht vom Versicherungsnehmer zu übersehen sein. Die Belehrung muss drucktechnisch hervorgehoben sein und sich in unmittelbarer Nähe zu den Gesundheitsfragen befinden.

Damit die Belehrung auch inhaltlich den Anforderungen von § 19 Abs. 5 VVG entspricht, muss sie aus dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zutreffend, eindeutig, möglichst umfassend und unmissverständlich sein.

Als Warnfunktion sollte ein klarer Hinweis für den Versicherungsnehmer vorliegen, dass Rechtsfolgen einer Anzeigenpflichtverletzung abhängig vom Grad des Verschuldens eintreten und eine Vertragsanpassung nicht nur zu einem rückwirkenden Beitragszuschlag, sondern auch zu einem rückwirkenden Risikoausschluss führen kann.

Abzustellen sei dabei immer auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der aus der Belehrung nachvollziehen muss, welche Konsequenzen eine Anzeigenpflichtverletzung mit sich bringe.

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