Fassadenschallschutz im Fertighaus

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

Fassadenschallschutz im Fertighaus – Welcher Maßstab ist beim Schallschutz eines Fertighauses gegen Außenlärm anzulegen?

OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.07.2020 – 4 U 11/14

 

Leitsätze

Ist eine Beschaffenheit nach den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ vereinbart, sind technische Regeln zu beachten, die sich unter einer hinreichenden Zahl kompetenter Fachleute als theoretisch richtig durchgesetzt und sich in der Baupraxis als richtig bewährt haben.

  1. Anhaltspunkte für einen üblichen Qualitäts- und Komfortstandard können sich aus den Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie oder aus dem Beiblatt 2 zur DIN 4109 ergeben; es bedarf im Einzelfall der Beratung durch einen Sachverständigen.
  2. Für den Schallschutz von Außenbauteilen gilt auch heute im Grundsatz die DIN 4109 (Mindestschallschutz). Der Hersteller hat den Besteller über die schallschutztechnische Gestaltung mit Blick auf einen höheren Schallschutz zu beraten.

Sachverhalt

Die Klägerin (Fertighaushersteller) und die Beklagten (Besteller) schlossen einen Vertrag über die Errichtung eines Fertighauses an einer stark befahrenen Landstraße.

Die Klägerin verlangt Zahlung aus der Schlussrechnung. Die Beklagten wenden ein, dass der Schallschutz des Hauses gegen den Straßenlärm zu gering und die Fassade deswegen mangelhaft sei. Widerklagend verlangen die Beklagten Kostenvorschuss für die Fassadensanierung.

Entscheidung

Der Anspruch auf Kostenvorschuss besteht, weshalb die Widerklage weitgehend Erfolg hat und die Klageforderung durch Aufrechnung erloschen ist.

Da das Haus abgenommen worden war, kommt ein Kostenvorschussanspruch nach § 637 BGB in Betracht. Besondere Vereinbarungen zum Schallschutz haben die Parteien nicht getroffen, so dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik und die berechtigte Erwartungshaltung der Erwerber eine Rolle spielen.

Auf Basis der BGH-Rechtsprechung, wonach die DIN 4109 veraltet ist, ermittelt das OLG Saarbrücken den geschuldeten Schallschutz mit Hilfe eines Sachverständigen. Dieser stelle im Ergebnis fest, dass auf jeden Fall die Mindestanforderungen der DIN 4109 einzuhalten sind, die es auch für den Schutz vor Außenlärm gibt. Bereits diese Anforderungen werden nicht vollends eingehalten.

Bezüglich eines höheren Schutzniveaus, so referiert der Sachverständige, habe sich hier noch keine klare Auffassung in der Fachwelt herausgebildet. Vielmehr sollten die Anforderungen im Einzelfall geprüft und mit dem Bauherrn besprochen werden. Dabei entscheide sich durchaus die Mehrzahl der Bauherren für den Mindestschallschutz und gegen einen höheren Aufwand. Der Mindestschallschutz in der DIN 4109 sieht grob gesagt vor, dass eine Fassade desto mehr Lärm schlucken muss, je lauter es draußen ist. Das schafft die Fassade in diesem Fall nicht, da durch den hohen Außenlärmpegel auch hohe Schalldämmwerte gefordert werden.

Das OLG Saarbrücken sieht in dem Verfehlen der Mindestanforderungen einen Mangel und in der fehlenden Beratung einen Planungsfehler (diese Aufgabe dem Fertighausbauer, da dieser auch die Planung übernommen hatte), wobei es die Folgen des zweiten Fehlers letztlich offenlässt.

Der Höhe nach war dem geforderten Vorschuss nach Auffassung des OLG nicht hinreichend widersprochen worden. Hier hatte es das Gericht daher leicht, den geforderten (abrechenbaren) Vorschuss zuzusprechen.

Anmerkung

Die Entscheidung verdient unsere Aufmerksamkeit, weil einige wichtige Erkenntnisse für die Praxis abzuleiten sind:

  1. An einen Fertighaushersteller werden keine anderen Anforderungen gestellt als an übrige Schlüsselfertigunternehmen. Auch wenn die Häuser vorgefertigt sind, muss der Fertighaushersteller die Situation des einzelnen Grundstücks prüfen und den erforderlichen Schallschutz darauf abstimmen. Das mag banal klingen, aber gerade das Standardbaukastenprinzip bietet die Gefahr, die hier bestehenden Unterschiede zu nivellieren.
  2. Neu ist das Thema Schallschutz der Außenbauteile: Die „klassischen‟ BGH-Urteile betreffen den Luftschallschutz und Trittschallschutz im Mehrfamilienhaus oder zwischen Doppelhaushälften. Dort ist mittlerweile etabliert, dass ein erhöhter Schallschutz nach DIN 4109 (Beiblatt 2) oder VDI 4100 Schallschutzstufe II, bei besonderem Komfort vielleicht auch III, geschuldet wird. – Der Schallschutz einer Hausfassade (Außenbauteile) gegenüber Außenlärm ist damit nicht ohne weiteres gleichzusetzen, und das OLG Saarbrücken hat gut daran getan, sich fachlich beraten zu lassen und nicht einfach die bekannte Rechtsprechung dem Fall „überzustülpen“. Das hat allerdings gedauert, wie man am Aktenzeichen aus dem Jahr 2014 erkennt.
  3. Demnach liegt es bei den Außenbauteilen wohl anders: Allgemein anerkannt ist nach den Ausführungen des Sachverständigen nur der Mindestschallschutz und daneben die Regel, dass der Bauherr über weitere Möglichkeiten beraten werden soll. Interessant zu wissen, dass sich die überwiegende Mehrzahl dann für den Mindestschallschutz entscheidet. Mit selbstverständlichen höheren Komforterwartungen scheint es auf diesem Feld also nicht ganz so weit gekommen zu sein.
  4. Bei der Höhe musste das OLG Saarbrücken nicht „ans Eingemachte‟ gehen: Die entscheidende Frage wäre sonst gewesen, auf welches Sanierungsziel der Vorschuss bemessen werden musste: Auf die Erreichung des Mindestschallschutz oder – als Folge der nicht erfolgten Beratung – auf einen höheren Schallschutz. Diese Frage bleibt offen. Aus meiner Sicht kann man kein „beratungsgerechtes Verhalten“ unterstellen und ohne klare Anhaltspunkte nicht von einem „mehr“ ausgehen, das dann auch Sowiesokosten ausgelöst hätte.

Apropos Sowiesokosten: Die Bauherren hatten Schallschutzfenster als Extra abgelehnt, benötigen solche nun aber wohl für den Mindestschallschutz. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken begründet dies keinen Anspruch auf Sowiesokosten, denn für den vereinbarten Preis durften die Hauskäufer jedenfalls erwarten, dass den anerkannten Regeln der Technik entsprochen wurde. Sie wollten nur kein „Extra“ kaufen. Dass durch die laute Umgebung das „Extra“ zum geschuldeten Standard wird, muss der Fertighausbauer einkalkulieren! Diese Auffassung halte ich – vielleicht gegen den ersten Impuls – daher für richtig.

(Dr. Harald Scholz unter Mitarbeit von stud. jur. Antonia Hinte)

 

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