Erstmaliger Verjährungseinwand in der Berufungsinstanz und Verjährung nach § 37 a WpHG

BGH, Urteil vom 19.1.2006 — Aktenzeichen: III ZR 105/05

1.
Eine erst in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede ist ohne Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen in § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn sie auf der Grundlage unstreitigen Tatsachenvorbringens zu beurteilen ist.

2.
Schadensersatzansprüche gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das ohne die nach § 32 Abs. 1 KWG erforderliche Erlaubnis tätig ist, unterliegen nicht der Verjährung nach § 37 a WpHG.

3.
Ein Unternehmen, das sich auf den Eintritt der Verjährung nach § 37 a WpHG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass es ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist und nicht zu den Unternehmen im Sinne des § 2 a WpHG gehört, die nicht als Wertpapierdienstleistungsunter-nehmen gelten.

Sachverhalt
Der Kläger hat die Beklagte auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch genommen, sie hätte ihn und seine Ehefrau im Zusammenhang mit der Vermittlung des Erwerbs von Anteilen an verschiedenen Aktienfonds unrichtig beraten. Die Beklagte ist nach ihren Angaben eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisation eines Versicherungskonzerns, die Vermögensanlagen aller Art vermittelt und vertreibt.

Sowohl das Landgericht als auch das OLG Naumburg haben die Klage abgewiesen. Hierbei hat sich das Berufungsgericht auf die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede gestützt.

Entscheidung des BGH

1.
Der BGH hat zunächst die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt, dass eine erst in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede ohne Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen in § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist, wenn sie auf der Grundlage unstreitigen Tatsachenvorbringens zu beurteilen ist.

2.
Für die Anwendbarkeit der Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG ist Voraussetzung, dass es sich bei der Beklagten um ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt. Der Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist in § 2 Abs. 4 WpHG legaldefiniert. Darüber hinaus enthält § 2 a WpHG eine Reihe von Ausnahmebestimmungen.

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass derjenige, der sich auf § 37a WpHG beruft, nachweisen muss, dass er ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist. Hierzu gehöre auch der Nachweis, dass keine der Ausnahmebestimmungen des § 2 a WpHG vorliegen. Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen sei die Beklagte, die sich auf die Einrede der Verjährung beruft, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen der von ihr in Anspruch genommenen Norm vorliegen. Der Umstand, dass § 2 a WpHG Ausnahmetatbestände beschreibt, rechtfertige es nicht, insoweit den Kläger für darlegungsverpflichtet zu halten. Zum Einen handele es sich bei der Ausgestaltung der Fassung der Norm um die Umsetzung einer EG-Richtlinie. Zum Anderen könne die Beklagte ihre Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch einen Hinweis auf die ihr als Finanzdienstleistungsinstitut erteilte Erlaubnis nach § 32 KWG darlegen und belegen, während dem Kläger als Kunden keine ohne weiteres zugänglichen Informationen zur Verfügung ständen.

3.
Der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung ebenfalls entschieden, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis nach § 32 KWG Wertpapierdienstleistungen erbringt, sich nicht auf die Verjährungsbestimmung des § 37a WpHG berufen könne.

§ 37a WpHG sei insoweit entsprechend seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar. Zur Begründung bezieht sich der BGH auf die Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung. Dort wird die Verkürzung der früher geltenden 30jährigen Verjährungsfrist mit einem Vergleich zu den für andere beratende Berufe geltenden Regelungen (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) begründet. Ferner sollte die Verkürzung der Verjährungsfrist nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung tragen, dass die Wertpapierdienstleistungsunternehmen einer besonderen wertpapierhandelsrechtlichen Aufsicht unterliegen, die insbesondere das Verhalten dieser Unternehmen gegenüber ihren Kunden bei Transaktionen im Wertpapierbereich überwacht.

Nach der Entscheidung des BGH gebietet es die Bezugnahme auf die besonderen Verjährungsregelungen für Ansprüche gegen Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die allesamt erhebliche Zugangsvoraussetzungen erfüllen müssen, um ihrer beratenden Tätigkeit nachgehen zu können, und der ausdrücklich hervorgehobene Zusammenhang zwischen der Verkürzung der Verjährungsfrist auf drei Jahre und der Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, solchen Unternehmen die Berufung auf die kurze Verjährungsfrist zu versagen, die zwar der Sache nach Wertpapierdienstleistungen erbringen, aber ohne die erforderliche Erlaubnis ihrer Geschäftstätigkeit aufnehmen und sich der damit verbundenen Aufsicht entziehen.

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