Einfache Signatur – schwere Komplikationen

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz
BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20

Leitsatz

Die einfache Signatur i.S.d. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Sie darf nicht fehlen, wenn ohne qualifizierte elektronische Signatur aus dem eigenen Anwaltspostfach in beA Schriftsätze versendet werden sollen.

 Sachverhalt

Gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichtes wird per beA Berufung eingelegt. Der Schriftsatz ist nicht qualifiziert elektronisch signiert. Am Ende des Schriftsatzes befindet sich lediglich das Wort „Rechtsanwalt“. Der Schriftsatz ist aus dem beA-Postfach des zuständigen Anwalts von diesem selbst versendet worden. Die Berufungsschrift geht am 20.03.2019, einen Tag vor Fristablauf, ein.

Der Vorsitzende teilt den Prozessbevollmächtigten am 21.03.2019 um 14:02 Uhr den Eingang der Berufungsschrift und das Aktenzeichen mit und weist auf die Berufungsbegründungsfrist hin.

Das Landesarbeitsgericht bemerkt bei der ein Jahr späteren Bearbeitung das Fehlen einer einfachen Signatur und verwirft die Berufung als unzulässig. Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wird nicht gewährt, da dieses Fehlen vom Anwalt verschuldet sei.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gewährt dagegen Wiedereinsetzung mit folgenden Erwägungen:

Eine qualifizierte elektronische Signatur unter dem Berufungsschriftsatz fehlt.

Die Möglichkeit, aus dem eigenen Postfach mit einer sogenannten einfachen Signatur wirksam Schriftsätze zu versenden, ist nicht genutzt worden. Denn es fehlt an einer einfachen Signatur. Hierfür ist ein maschinenschriftlicher Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte (lesbare) Unterschrift erforderlich. Hieran fehlt es. Diese Signatur kann auch nicht durch Hinweise auf den Bearbeiter auf dem Briefbogen ersetzt werden, weil die Signatur am Ende des Schriftsatzes verdeutlichen solle, dass der Unterzeichner für den darüberstehenden Text Verantwortung übernimmt.

Unter den regulären Prämissen wäre eine Wiedereinsetzung aufgrund des Anwaltsverschuldens nicht möglich. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil das LAG seiner Fürsorgepflicht nicht gerecht geworden ist. Soweit es dem Gericht im normalen Arbeitsablauf möglich ist, muss es die Parteien auf Formfehler hinweisen. Es besteht zwar kein Anspruch darauf, dass das Gericht sofort auf Eingaben reagiert. Erfolgt jedoch eine zeitnahe Bearbeitung (wie hier noch vor Fristablauf am 21.03.2019) ist der Vorsitzende verpflichtet, dem Berufungsführer einen Hinweis zu erteilen, der dann auch noch zu einer form- und fristgerechten Berufung führen konnte.

Anmerkung

Der Berufungsführer hatte erhebliches Glück. Unter vielen Umständen wäre die Berufung unheilbar unzulässig gewesen.

Für die Praxis nimmt man mit:

  1. Eine einfache Signatur ist der Name der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts am Ende des Schriftsatzes und nirgendwo sonst. (Bei dieser Gelegenheit: Es war auch zu analogen Zeiten schon keine gute Sitte, Schreiben mit der bloßen Zeile „Rechtsanwalt“ zu versehen, was den Bearbeiter schwer erkennbar machte.)
  2. Wer so unterzeichnen will, muss den Schriftsatz aus dem eigenen beA-Postfach mit der eigenen beA-Karte versenden. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, also höchstpersönlich.
  3. Jedenfalls für Praxen mit mehreren oder gar vielen Anwälten plädiere ich ganz klar für die qualifizierte elektronische Signatur. Einmal signiert, können auch das Sekretariat und anwaltliche Kollegen den Schriftsatz versenden. Das bildet die herkömmlichen Büroabläufe besser ab und wappnet für hektische Tage und personelle Notfälle.
  4. Es kann von Vorteil sein, seine Schriftsätze und Fristverlängerungsanträge mit Vorlauf einzureichen, wenn man es denn schafft. Denn wenn das Gericht so rechtzeitig Kenntnis nimmt oder im normalen Geschäftsgang nehmen musste, dass ein Formfehler reparabel ist, gibt es auch bei Anwaltsverschulden noch Wiedereinsetzung, wenn das Gericht nicht reagiert hat.
  5. Ob aus dem Urteil eine Lehre in dem einen oder anderen Richterzimmer gezogen wird, eingehende fristgebundene Post lieber mal ein paar Tage bis nach Fristablauf liegenzulassen, statt sich sofort damit zu befassen, lassen wir mal offen. Die uns bekannten Richterinnen und Richter würden das niemals tun. Falls jemand dieser Meinung sein sollte, werden die Ratschläge 1-4 umso wichtiger.

Es gilt die Prognose, dass dies nicht der letzte Anwaltshaftungs-/ Wiedereinsetzungsfall rund um beA gewesen ist. Immer für einen Fehler gut ist auch das Versenden nur einfach signierter Nachrichten aus dem Postfach eines Kollegen oder über das Sekretariat. Recht einfach ist es auch, beim Klicken ein falsches Gericht zu erwischen und die Post dorthin zu versenden, gerade auch bei Unterstützung durch Anwaltssoftware.

(Dr. Harald Scholz unter Mitarbeit von stud. jur. Antonia Hinte)

 

 

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