DIN 18015-2: Vertraglicher Mindeststandard oder Empfehlung? Letzteres!
OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2023 – 5 U 227/21
Leitsätze
1. Die Planungsleistung eines Ingenieurs hat den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen, sofern die Vertragsparteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
2. Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.
3. Anerkannte Regeln der Technik können in DIN-Normen niedergelegt sein, wobei aber DIN-Normen insbesondere nicht als Rechtnormen zu qualifizieren sind, sondern lediglich als private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter.
4. Die DIN 18015-2 (Elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Teil 2: Art und Umfang der Mindestausstattung) ist ihrem Regelungsgehalt nach nicht geeignet, die Vermutungswirkung, allgemein anerkannte Regel der Technik zu sein, für sich in Anspruch zu nehmen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2023 – 5 U 227/21
BGB §§ 280, 633, 634; HOAI 2013 § 53
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, beauftragte die Beklagte, eine Ingenieurgesellschaft für haustechnische Gewerke, mit der TGA-Planung von Mehrfamilienhäusern mit 141 mietpreisgedämpften Wohnungen.
Zur Kosteneinsparung wird in der Ausführungsplanung festgelegt, die in DIN 18015-2 beschriebenen Vorgaben hinsichtlich der Anzahl von Steckdosen zu unterschreiten. Während der Bauausführung stellt ein Kaufinteressent die Unterschreitung der Vorgaben der DIN 18015-2 fest und verlangt deren Einhaltung. Die Klägerin fordert die Beklagte daraufhin nach Ausführung der Arbeiten zur Anpassung der Ausführungsplanung an die Anforderungen der DIN 18015-2 auf. Die Beklagte übersendet daraufhin eine an den Mindeststandard angepasste Überarbeitung der Planung unter Hinweis darauf, dass mit der Klägerin explizit jede Anschlussdose in Stückzahl und Lage abgestimmt gewesen sei.
Die Klägerin ist der Ansicht, die TGA-Planung der Beklagten sei mangelhaft gewesen, da diese – insoweit unstreitig – die Mindestanforderungen der DIN 18015-2 nicht gewahrt habe; die allgemein anerkannten Regeln der Technik seien als Mindeststandard nicht eingehalten. Dadurch, dass die Unterschreitung der Mindestanforderungen der DIN 18015-2 erst im Ausführungsstadium aufgefallen sei, seien erhebliche Mehrkosten entstanden, die den Gegenstand der Klage bilden.
Die Klägerin macht einen Schaden in Höhe von über 1 Mio. Euro geltend.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Die Norm DIN 18015-2 ist nicht als allgemein anerkannte Regel der Technik, sondern lediglich als Handlungsempfehlung anzusehen. Daher liegt kein Mangel vor, der einen Schadensersatzanspruch begründet.
Der Senat begründet das insbesondere so:
Ausschließlich bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen nehme das Deutsche Institut für Normung selbst eine konkrete Vermutung an dafür, dass sie fachgerecht, d. h., dass sie anerkannte Regeln der Technik seien (DIN 820-1 Ziffer 8.1 Absatz 2). Dies spräche bereits im Ansatz dagegen, der DIN 18015-2 überhaupt die Vermutungswirkung zuzusprechen, allgemein anerkannte Regeln der Technik wiederzugeben.
Fazit
Dem ist zuzustimmen. In der DIN 18015-2 ist Art und der Umfang der Mindestausstattung elektrischer Anlagen in Wohngebäuden geregelt. Diese Regelung hat jedoch nicht die Vermutungswirkung, allgemein anerkannte Regeln der Technik zu sein. Dies ist auch unbedenklich, weil hinsichtlich der Anzahl der Elektroanschlussdosen kein Bedürfnis für anerkannte Regeln der Technik nötig erscheint, solange nicht Fragen einer aus Sicherheitsgründen notwendigen Mindestausstattung betroffen sind, sondern lediglich unterschiedlichen Komfort- und Ausstattungsbedürfnissen Rechnung getragen werden soll. Werden diese Standards unterschritten, funktioniert das Werk ebenso wie bei Einhaltung, wenn auch bei einem geringeren Komfort.