Die Rechtsprechung des BGH zu einem Regressverzicht des Gebäudeversicherers im Verhältnis zu einem haftpflichtversicherten Mieter ist auf das Nachbarschaftsverhältnis nicht anwendbar.

OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015 — Aktenzeichen: 9 U 26/15

Sachverhalt
Die Klägerin ist Gebäudeversicherer eines sich im Urlaub befindlichen Nachbarn und regressiert auf sie gem. § 86 VVG übergegangene Schadenersatzansprüche. Der Beklagte ist der Nachbar des Versicherungsnehmers der Klägerin. Während sich der VN der Klägerin im Urlaub befindet, gießt der Beklagte für diese die Blumen im Garten des VN der Klägerin. Nach dem Gießen der Blumen hatte der Beklagte vergessen, den Wasserhahn auf dem Grundstück der VN der Klägerin zu schließen. Hierdurch kam es zu einem Feuchtigkeitsschaden am Gebäude des VN der Klägerin, wegen dem die Klägerin Versicherungsleistungen erbrachte, die sie mit der vorliegenden Klage regressiert. Das Landgericht Münster (Az.: 12 O 192/14) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, dass die Interessenlage im vorliegenden Fall vergleichbar mit der Situation ist, wenn ein Mieter leicht fahrlässig einen Schaden an dem Gebäude des Vermieters verursacht. In diesen Fällen sei anerkannt, dass der Gebäudeversicherer, wenn er den Schaden ausgleicht, nicht bei dem Mieter Regress nehmen kann, weil nach der Interessenlage von einem stillschweigend konkludent vereinbarten Haftungsverzicht auszugehen sei (BGHZ 145, 393).

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es festgestellt, dass eine Vergleichbarkeit zu den vom BGH bereits entschiedenen Fällen, dem Mieter eine Haftungsbeschränkung für Fälle grober Fahrlässigkeit zuzubilligen, nicht vorliegt. Bei Gebäudeversicherungsverträgen besteht ein für den Versicherer erkennbares Interesse des Vermieters darin, dass in der Regel auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter soweit als möglich unbelastet zu lassen. Dem liefe zuwider, wenn Schädiger und Geschädigter im Schadensfall den jeweils hinter ihnen stehenden Versicherer mit Informationen versorgen müssten, die den Anspruch bzw. die Verteidigung der Gegenseite zu Fall bringen könnten. Die vorgenannte Überlegung könne auf die nachbarschaftliche Beziehung nicht übertragen werden. Die Interessenlage sei nicht vergleichbar. Der BGH hat bereits in seinen Entscheidungen vom 13.09.2006 (Az.: IV ZR 26/04 und IV ZR 116/05) der Auffassung des Landgerichts Münster eine klare Absage erteilt. Er hat bereits seinerzeit festgestellt, dass vertragliche Beziehungen in Gestalt eines Gebrauchsrechts nur hinsichtlich des Gebäudes und nicht zum Beispiel hinsichtlich des Hausrats des Vermieters oder Ähnlichem bestünden. Wollte man das Mietverhältnis von Belastungen aus einem Regress freihalten, müsste auch in der letzten Konsequenz dem Kraftfahrzeug-Kaskoversicherer und dem Krankenversicherer des Vermieters – bzw. im umgekehrten Fall des Mieters – ein Regressverzicht zugemutet werden, wenn der Mieter (Vermieter) das Kraftfahrzeug des Vermieters (Mieters) beschädigten und diesen körperlich verletzen würde. Dies ist nicht gewollt.

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