Die Mithaftung des Geschädigten ist auch bei den zur Bezifferung des Schadens aufgewendeten Sachverständigenkosten zu berücksichtigen

BGH, Urteil vom 7.2.2012 — Aktenzeichen: VI ZR 133/11

Anlässlich eines Verkehrsunfalles hatte der BGH nach Feststellung einer anteiligen Mitverantwortung des Klägers am Zustandekommen des Schadenereignisses darüber zu entscheiden, ob der Mitverantwortungsbeitrag auch bei der Erstattungsfähigkeit der vom Kläger zur Ermittlung des Schadensumfangs aufgewendeten Sachverständigenkosten zu brücksichtigen ist. Trotz einer dem Kläger bereits in der Berufungsinstanz zugesprochenen Mithaftung von 50 %, hatte das Berufungsgericht dem Kläger dessen Sachverständigenkosten zu 100 % zugebilligt.

Leitsatz
Im Falle einer nur quotenmäßigen Haftung des Schädigers hat dieser dem Geschädigten dessen Sachverständigenkosten nur im Umfang der Haftungsquote zu erstatten.

Entscheidung
Der BGH hatte sich somit mit der in jüngere Zeit von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilten Frage zu befassen, ob Sachverständigenkosten bzw. Kosten zur Schadensermittlung nicht unabhängig von eine Mithaftung des Anspruchstellers etwa deshalb ohne Abzug zu erstatten seien, da sie nur entstünden, weil der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern müsse. Da sie nicht anfielen, wenn der Geschädigte den Unfall allein verursacht habe, müsse man sie — so die bejahende Ansicht — wie die Kosten des Rechtsanwalts unabhängig von einer Mithaftung betrachten.

Dieser Ansicht erteilt der BGH eine Absage. Zur Begründung führt er aus: Soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig sei, gehörten die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und auszugleichenden Vermögensnachteilen. Ist der Geschädigte als Fahrzeughalter in erheblicher Weise für den Schaden mitverantwortlich, führe dies nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG jedoch zu einer Beschränkung von Grund UND Umfang des Schadensersatzanspruchs. Die Bestimmung statuiere — ebenso wie § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG und § 4 HaftPflG — eine Ausnahme vom Grundsatz des Alles-oder-Nichts-Prinzips des Schadensrechtes. Dies habe zur Folge, dass auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens nur ungeschmälert fortbestehen könne. Auch diese Kosten seien vollständig durch den Unfall verursacht, denn ohne die Unfallbeteiligung des Geschädigten wäre es dazu nicht gekommen. Da die Einholung eines Gutachtens nicht allein dem Nachweis des vom Schädiger zu tragenden Schadensanteils diene, sondern auch im eigenen Interesse des Geschädigten liege, da das Gutachten ihm Gewissheit über das Ausmaß des Schadens verschaffe, sei der in Rechtsprechung und Literatur vorzufindende Ansicht einer unbeschränkten Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nicht zu folgen. Auch das Argument der von Mitverantwortungsanteilen nicht betroffenen Anwaltsgebühren lässt der BGH nicht geltend. Denn bei dieser Schadensposition handle es sich nur um eine Nebenforderung. Außerdem erfolge auch dort indirekt eine Berücksichtigung der Mitverantwortung, allerdings nicht durch eine Quotelung der Kosten, sondern durch eine Quotelung des Streitwerts.

Da Kosten der Schadensermittlung bei nahezu jedem Schadenereignis anfallen, ist die Entscheidung des BGH zu einer zuvor nicht höchstrichterlich geklärten Problematik für die Regulierungspraxis von großer Relevanz.

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