Berufungsbegründung: Pflichten bei Vorlage der Handakte

BGH, Beschluss vom 06.07.2011 — Aktenzeichen: XII ZB 88/11

Leitsatz
1. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen. 2. Wird dem Anwalt die Handakte zur Fertigung der Berufungsbegründung vorgelegt, muss er anhand der Handakte auch prüfen, ob die Berufungsfrist eingehalten worden ist.

Sachverhalt
Ein amtsgerichtliches klageabweisendes Urteil war dem Kläger am 30.10.2009 zugestellt worden. Die Berufungsschrift des Klägers war beim Berufungsgericht am 2.12.2009 eingegangen. Hierauf wies das Berufungsgericht mit Schreiben vom gleichen Tage hin. Bereits am 30.11.2009 war die Berufungsschrift per Telefax an das Amtsgericht gesandt worden. Dieses leitete den Schriftsatz an das zuständige Berufungsgericht weiter, wo der Schriftsatz am 3.12.2009 einging.

Am 12.1.2011 wies das Berufungsgericht den Kläger darauf hin, dass die Berufungsfrist nicht eingehalten sei. Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 14.1.2011 wurde vom Berufungsgericht zurückgewiesen, da er nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO gestellt worden sei.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde zum BGH gewandt.

Entscheidung
Der BGH hat dahinstehen lassen, ob die Anwendung der Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Denn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war bereits gem. § 234 Abs. 1 und 2 ZPO unzulässig. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist beginnt gem. § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis — hier die Unkenntnis von dem verspäteten Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht — behoben ist. Das ist schon dann der Fall, sobald die Unkenntnis und damit die Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt daher spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen.

Spätestens bei Vorlage der Handakte zur Fertigung der Berufungsbegründung, deren Frist am 30.12.2009 ablief, hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers — so der BGH — Anlass gehabt, auch die Einhaltung der Berufungsfrist zu überprüfen. Hierbei hätte er anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung vom 2.12.2009 bemerken müssen, dass die Berufung beim Gericht nicht fristgemäß eingegangen war.

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