Bauhandwerkersicherung und unzulässige Rechtsausübung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2017 — Aktenzeichen: VII ZR 34/15

Die Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB ist ein scharfes Schwert. Häufig wird es aus taktischen Gründen eingesetzt. Diese Motivation stellt keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wie der Bundesgerichtshof nun klar gestellt hat.

Leitsatz
Es stellt keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers nach § 648 Abs. 1 BGB auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen.

Sachverhalt
Die Parteien streiten nach wechselseitigen Kündigungen über die Abrechnung von Bauverträgen. Mit der Klage macht die Klägerin Restwerklohn für ausgeführte Arbeiten und 5 % der auf die nicht mehr ausgeführten Arbeiten entfallenden Vergütung, außerdem Materialkosten für angeliefertes, aber nicht verbautes Material in Höhe von insgesamt knapp 3 Mio Euro nebst Zinsen geltend. Mit der Widerlege machen die Beklagten Mehrkosten für die Fertigstellung in Höhe von insgesamt rd. 12 Mio € nebst Zinsen geltend. Die Klägerin hatte unter Hinweis auf ihr Vorleistungsrisiko und unter Fristsetzung Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 BGB verlangt. Die Beklagten baten um Fristverlängerung und kündigten an, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Wegen der unterbliebenen Übergabe der geforderten Sicherheit kündigte die Klägerin die Verträge fristlos. Die Beklagten forderten die Klägerin auf, die eingestellten Arbeiten unverzüglich, spätestens bis zu einem bestimmten Termin wieder aufzunehmen und vertragsgerecht fortzuführen. Dies geschah nicht, weshalb auch die Beklagten aus wichtigem Grund kündigten. Um die Wirksamkeit der Kündigungen wurde gestritten.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hält fest, dass der Unternehmer grundsätzlich Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen kann. Eine dem Sicherungsverlangen vorrangige Androhung oder Ankündigung sehe das Gesetz nicht vor. Der Unternehmer sei berechtigt, den Vertrag außerordentlich zu kündigen, wenn er dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB bestimmt habe. Das Gesetz gewähre dem Unternehmer einen einklagbaren und durchsetzbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung. Der Gesetzgeber habe dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen wollen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller eine Sicherheit für die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung zu erlangen. Der Unternehmer könne den Anspruch nach § 648a Abs. 1 BGB nach Vertragsschluss jederzeit geltend machen, unabhängig davon, ob sich die Parteien in einer streitigen Auseinandersetzung befinden oder nicht. Nach dieser gesetzgeberischen Wertung stelle es — so der Bundesgerichtshof — keine unzulässige Rechtsausübung und auch keinen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar, wenn dem Sicherungsverlangen des Unternehmers auch andere Motive als die bloße Erlangung einer Sicherheit zugrunde liegen.

image_pdf