Nur ein ordnungsgemäßer Bedenkenhinweis schützt vor Haftung

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2020 — Aktenzeichen: 11 U 74/18

 

Problemdarstellung
Ein Bau- oder Werkunternehmer steht oftmals im Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen des Auftraggebers und der technischen Realisierbarkeit. Hat der Auftraggeber etwa bereits konkrete Vorstellungen von dem herzustellenden Werk, stellt eine Ausführungsplanung zur Verfügung oder geben bauseitige Bedingungen die Ausführung vor, wird ein Fachunternehmer selbstverständlich immer versuchen, seinen Vertragspartner zufrieden zu stellen. Allzu kritiklos sollte dies aber nicht geschehen, weil sich der Werkerfolg letztlich (auch) am sog. funktionalen Leistungs-/Mangelbegriff bemisst. Danach muss sich das Werk – unabhängig von der konkreten Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer – regelmäßig für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder alternativ für die gewöhnliche Verwendung eignen; das Werk muss also funktionieren: ein Dach muss dicht sein, eine Klimaanlage muss kühlen, ein Anstrich muss eine gewisse Lebensdauer aufweisen usw. Erfüllt das Werk seine Funktion in diesem Sinne nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor, der die bekannten Gewährleistungsansprüche auslöst. Zeigt sich schon vorvertraglich, dass die geforderte Ausführungsart funktional beeinträchtigt sein oder nicht den Fachregeln entsprechen wird, kann der Auftrag bei Uneinsichtigkeit des Bauherrn natürlich einfach abgelehnt werden, ohne sich mit den nachfolgend dargestellten Schwierigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Problematischer gestaltet sich dies aber nach Ausführungsbeginn, wenn zum Beispiel bauseits die Planung geändert und die danach vorgesehene Ausführung nicht funktionieren wird. Der Unternehmer kann sich in diesen Fällen – egal, ob vorvertraglich oder während der Ausführung – regelmäßig nur durch Erklärung eines inhaltlich erschöpfenden Bedenkenhinweises von der eigenen Mängelhaftung befreien. An einen solchen, zur vollständigen Entlastung des Unternehmers führenden Bedenkenhinweis stellt die Rechtsprechung jedoch relativ hohe Anforderungen, wie ein kürzliches Urteil des OLG Brandenburg zeigt.

 

Sachverhalt
Die Klägerin Schadensersatz von der Beklagten, einem Sanitärunternehmer, den die Klägerin mit der Installation von Rohrleitungslüftungen auf klägerseits hergestellten Holzbauelementen beauftragte. Das Gewerk war erforderlich nach der bauherrenseitigen Ausführungsplanung, wonach eine über Dach geführte Lüftung des Abwassersystems vorgesehen war. Bei Ausführungsbeginn verlangte der Architekt des Bauherrn indes, die Rohrbelüfter so anzubringen, dass sie in die Wände der einzelnen Bäder eingebaut werden können. Hiergegen äußerte die Beklagte in einer Baubesprechung Bedenken und wies später auch noch einmal per E-Mail darauf hin, dass die gewünschte Ausführungsvariante nicht funktionieren werde. Nachdem sich die Bauherrenseite hiervon unbeeindruckt zeigte, führte die Beklagte die Leistungen letztlich wunschgemäß aus. Nach Fertigstellung der Arbeiten kam es zu Geruchsbildung in den Wohnungen. Eine daraufhin veranlasste Überprüfung ergab, dass die Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprachen und eine DIN-gerechte Ausführung mit den in den Wänden installierten Rohrbelüftern nicht zu erreichen war.

In der Folge klagte diesbezüglich zunächst der Bauherr erfolgreich gegen die Klägerin auf Gewährleistung, die Klägerin nahm dann die Beklagte als ihren Subunternehmer in Anspruch. In diesem weiteren Verfahren wendete die Beklagte insbesondere ein, sie habe sich durch die Erteilung des Bedenkenhinweises gegen die geforderte Ausführung vollständig enthaftet, weshalb keine Schadensersatzansprüche bestünden. Das Landgericht Neuruppin hat die Beklagte dennoch teilweise verurteilt und den erteilten Bedenkenhinweis für nicht ausreichend erachtet. Gegen diese Entscheidung haben die Parteien Berufung bzw. Anschlussberufung eingelegt. Die Beklagte hielt das Urteil für rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Anforderungen an den Bedenkenhinweis des Werkunternehmers überspanne. Ausreichend sei, wenn der Auftraggeber die Ernsthaftigkeit der vom Auftragnehmer befürchteten Mängelrisiken nachvollziehe, wozu die Erklärungen nicht deutlicher sein müssten als für das Verständnis des Auftraggebers erforderlich. Daher hätten die vorliegend angemeldeten Bedenken für die Klägerin jedenfalls Anlass dafür sein müssen, in eine vertiefte Prüfung einzutreten und die fachkundige Einschätzung eines Dritten einzuholen.

 

Entscheidung
Mit dieser Auffassung drang die Beklagte jedoch nicht durch. Das OLG Brandenburg hat unter Zurückweisung der Anschlussberufung und auf die klägerische Berufung die Beklagte sogar antragsgemäß verurteilt. Hierzu hat es ausgeführt, an den erforderlichen Bedenkenhinweis des Auftragnehmers seien hohe Anforderungen zu stellen, denn er müsse zur rechten Zeit, in der gebotenen Form, mit der notwendigen Klarheit und gegenüber dem richtigen Adressaten erfolgen. Daher habe es der Beklagten oblegen, der Klägerin unverzüglich und zutreffend, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend die nachteiligen Folgen der veränderten Abwasserrohrlüftung und die sich daraus ergebenden Gefahren konkret darzulegen, damit für sie die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennbar wird. Unzulänglich seien insofern lediglich pauschale Erklärungen, wonach das Werk nicht funktionieren werde. Unerheblich sei zudem, dass der Auftraggeber im vorliegenden selbst Bauunternehmer sei, weil von ihm Kenntnisse hinsichtlich möglicher Lüftungsvarianten eines Abwasserohres nicht erwartet werden könnten. Zwar gebiete auch ein unzulänglicher Bedenkenhinweis Anlass für den Auftraggeber, sich Gedanken zu machen und ggf. sachverständigen Rat einzuholen, dies betreffe allerdings nur die Frage eines etwaigen Mitverschuldens und sei hier nicht berührt.

 

Praxistipp
Wie dieser Fall anschaulich zeigt, bedarf die Abfassung eines Bedenkenhinweises größter Sorgfalt und sollte zu Beweiszwecken zumindest per E-Mail erfolgen. Im VOB-Vertrag ist gem. § 4 Abs. 3 VOB/B ohnehin die schriftliche Erteilung vorgeschrieben und in aller Regel auch einzuhalten. Der Auftraggeber ist unabhängig von seinen technischen Kenntnissen rechtzeitig und umfassend über die Risiken der beabsichtigten Ausführung zu unterrichten, andernfalls bleibt der Auftragnehmer regelmäßig haftbar.

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Haftung für Schäden am Nachbargebäude durch Bauarbeiten

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG München, Urteil vom 11.09.2019 — Aktenzeichen: 7 U 4531/18

 

Leitsatz
Ein Bauunternehmer haftet zumindest beim Auftreten massiver Schäden an Gebäuden auf Nachbargrundstücken auch dann, wenn er bei der Ausführung der Arbeiten die Fachregeln beachtet hat.

 

Sachverhalt
Ein Tiefbauunternehmer führte im Auftrag des Eigentümers eines Grundstücks Erd- und Verbauarbeiten aus. Durch die damit verbundenen Erschütterungen kam es nachweislich zu erheblichen Beschädigungen des Nachbargebäudes, insbesondere entstanden großflächige Risse, die letztlich Feuchtigkeitsschäden innerhalb des Gebäudes verursachten. Der Bauunternehmer und sein Auftraggeber verwiesen auf die – insoweit ebenfalls nachweislich – eingehaltenen Regeln der Technik und lehnten daher jegliche Haftung ab. Der geschädigte Nachbar hat daraufhin beide vermeintlich Verantwortlichen auf Schadensersatz verklagt und nach dem Verkauf des betroffenen Grundstücks noch während des Klageverfahrens seine Klage auf Zahlung von 290.000,00 € umgestellt, was der Wertdifferenz zu dem durch die Schäden geminderten Verkehrswert entspricht.

 

Entscheidung
Das OLG München hat der Klage stattgegeben und eine Ersatzpflicht beider Beklagter festgestellt, obwohl der Bauunternehmer die maßgeblichen DIN-Richtwerte nachweislich eingehalten hatte. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, es handele sich vorliegend nicht mehr um eine bloß unwesentliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks mit der Folge eines Haftungsausschlusses gem. § 906 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB. Denn die massive Beschädigung eines Grundstücks stelle gerade einen Ausnahmefall dar, der die Haftung des Eigentümers trotz eingehaltener Fachregeln nicht entfallen ließe. Dieser rechtlichen Beurteilung stünden auch die gegebenen Vorschäden des betroffenen Gebäudes nicht entgegen, weil auch die Beschädigung eines schlecht gebauten Gebäudes unzulässig sei und sich dieser Aspekt allenfalls auf die Höhe des Ersatzanspruches auswirken könne. Auch eine Haftung des Bauunternehmers sei gegeben, was das Gericht jedoch mangels konkretem Berufungsangriff des Bauunternehmers nicht näher begründete.

 

Weitere Erläuterung der Entscheidung
Die gemeinsame Haftung eines Bauunternehmers und eines Grundstückseigentümers in solchen Konstellationen ist in der Regel nicht gleichlaufend. Denn während der Grundstückseigentümer aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog verschuldensunabhängig haftet, kommt eine Schadensersatzpflicht des Bauunternehmers nur bei zumindest fahrlässigem Verhalten in Betracht (vgl. z.B. OLG Hamburg, Urteil vom 27.11.2009 – 14 U 91/09). Wie der vorstehende Fall zeigt, kann jedoch anscheinend auch die konkrete Schadensintensität eine fahrlässige Verursachung indizieren, also einen Anhaltspunkt für ein schuldhaftes Verhalten darstellen. Denn klar ist: Erlangt der Bauunternehmer während der Ausführung Kenntnis von einer Beschädigung des Nachbargebäudes, sollte er – ob die Fachregeln eingehalten werden oder nicht – seine Arbeiten natürlich sofort stoppen und das weitere Vorgehen eruieren.

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Die Schwarzgeldabrede und ihre Folgen

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020 — Aktenzeichen: 21 U 34/19

 

Leitsatz
Einen Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und die damit verbundene Nichtigkeit eines Bau- oder Werkvertrags kann ein Zivilgericht auch von Amtswegen feststellen, selbst wenn die Parteien des Rechtsstreits unisono das Vorliegen von Schwarzarbeit in Abrede stellen.

 

Die Entwicklung der Rechtsprechung
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG leistet (unter anderem) derjenige Schwarzarbeit, der eine Dienst- oder Werkleistung ausführt oder ausführen lässt und dabei als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund dieser Leistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Aus dem besonderen Charakter dieser Vorschrift als sog. Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB, folgt die (Teil-)Nichtigkeit des geschlossenen Werk- oder Bauvertrags. Klärungsbedürftig und immer wieder Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung sind die daran anknüpfenden Rechtsfolgen für die Beteiligten, die regelmäßig offenen Werklohn oder Gewährleistungsrechte durchsetzen wollen. Praktische Relevanz kommt dabei insbesondere der „Ohne-Rechnung-Abrede“ zu, die den Vertrag ganz oder teilweise betrifft und manchmal auch nachträglich vereinbart wird.

Die Folgen einer solchen Schwarzgeldabrede sind in der Regel für beide Vertragsparteien äußerst nachteilig, weil gegenseitige Ansprüche im Falle einer Gesamtnichtigkeit des Vertrags nicht mehr bestehen, unabhängig davon wie „ungerecht“ dies im Einzelfall erscheinen mag. Zum Verständnis dieses Ergebnisses bedarf es eines Blickes auf die Entwicklung der Rechtsprechung innerhalb der letzten Jahre. Noch in den 90er Jahren billigte der Bundesgerichtshof dem Unternehmer trotz eines infolge einer Schwarzgeldabrede nichtigen Vertrags den Werklohn jedenfalls über den juristischen Umweg eines Bereicherungsanspruchs zu, dies mit dem Argument, es sei mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht vereinbar, dass der Besteller das hergestellte Werk (z.B. ein ganzes Gebäude) letztlich unentgeltlich behalten dürfe (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 – VII ZR 336/89). Diese Rechtsprechung hat der Bausenat des Bundesgerichtshofs jedoch im Hinblick auf den Gesetzeszweck fortlaufend aufgegeben, denn nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG der Schwarzarbeit gerade den Rechtsboden entziehen, letztlich mit dem Ziel der Austrocknung von Schwarzarbeit. Diese Entwicklung folgte jedoch nicht über Nacht. Noch im Jahr 2007 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, ein Unternehmer verhalte sich treuwidrig, soweit er zur Verteidigung gegen Mängelrügen des Bauherrn die Gesamtnichtigkeit des Vertrags als Folge der Schwarzgeldabrede einwende, Mängelrechte konnten damit also weiterhin geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2008 – VII ZR 42/07). Im Jahr 2013 folgte dann eine Entscheidung, wonach ungeachtet der Schwere des konkreten Verstoßes regelmäßig der gesamte Bau-/Werkvertrag nichtig sei und damit sämtliche gegenseitigen Rechte, insbesondere Mängelrechte des Bestellers jedenfalls dann ausgeschlossen seien, wenn der Unternehmer bewusst Schwarzarbeit leistete und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kannte und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzte; allerdings seien zur Vermeidung unerträglicher Ergebnisse gewisse Ausnahmen zuzulassen (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13). Seit dem Jahr 2014 kommen auch solche Ausnahmen nicht mehr in Betracht, sodass gegenseitige Ansprüche jedenfalls bei einem beidseitigen Verstoß von Unternehmer und Besteller stets ausscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2014 – VII ZR 241/13), was im Jahr 2015 verschärft wurde durch Erweiterung dieser Rechtsprechung auch auf Rückzahlung-, Rückgabe- oder sonstige Folgeansprüche (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – VII ZR 216/14). Im Jahr 2017 hat der Bundesgerichtshof schließlich festgestellt, dass auch eine nachträgliche Schwarzgeldabrede, selbst wenn diese sich nur auf einen Teil des Vertrags bezieht, die Nichtigkeit des gesamten Vertrags herbeiführt und infolgedessen gegenseitige Ansprüche nicht (mehr) bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2017 – VII 197/16).

 

Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 21.01.2020
Mit einer weiteren Fassette der Schwarzgeldfälle hat sich nun das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 21.01.2020 beschäftigt und zentral festgestellt, die Voraussetzungen der Nichtigkeit eines Bauvertrags als Folge einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ könne das Gericht auch von Amtswegen auf Grundlage von Indizien feststellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2020 – I-21 U 34/19).

Im dortigen Rechtstreit hat die Klägerin restlichen Werklohn in Höhe von ca. 275.000,00 € für umfangreiche Umbau- und Sanierungsarbeiten an mehreren Gebäuden geltend gemacht. Der Beklagte hat sich hiergegen u.a. mit Mängelrechten verteidigt, die seinen Behauptungen nach aus erheblichen Baumängeln resultierten. Interessanterweise hat keine der Parteien das Vorliegen einer Schwarzgeldabrede vorgetragen, sondern im Gegenteil sogar noch versucht, das Gericht von dieser These abzubringen, offenkundig um die gegenseitigen Ansprüche mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu verlieren und möglicherweise auch zur Vermeidung von Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren.

Das Gericht hat sich bei seiner Entscheidung jedoch über den übereinstimmenden Vortrag der Parteien hinweggesetzt und unter Berücksichtigung verschiedener Indizien (Inhalt von WhatsApp-Protokollen, Abkürzungen auf Unterlagen, Verwendung der Bezeichnung „Fa. F…“ nebst zweideutigen Formulierungen, Zahlungsweisen) auf eine Schwarzgeldabrede geschlossen und damit die Nichtigkeit des Vertrags festgestellt. Dieses Ergebnis überraschte die Parteien offenbar deswegen, weil die Zivilgerichtsbarkeit dem sog. Beibringungsgrundsatz unterworfen ist, also grundsätzlich nur über denjenigen Streitstoff entscheiden darf, den die Parteien vorgetragen haben. Weil es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG jedoch um ein Verbotsgesetz handelt, das zudem auch Generalpräventive Zwecke verfolgt, also die Bevölkerung von der Durchführung und Beauftragung von Schwarzarbeit abhalten soll, durfte und musste das Gericht den Sachverhalt auf einen entsprechenden Verstoß überprüfen.

 

Praxistipp
Die Vereinbarung einer Schwarzgeldabrede ist stets problematisch (und strafbar bzw. sanktionierbar), selbst wenn sie nur einen geringen Teil des zugrundeliegenden Vertrags betrifft. Wie der vorstehende Fall zeigt, empfiehlt es sich jedoch selbst dann, wenn eine Schwarzgeldabrede jedenfalls von einer Partei überhaupt nicht beabsichtigt wird, immer für klare Verhältnisse zu sorgen. Zahlungen sollten dokumentiert und ggf. quittiert werden, zweifelhafte Andeutungen des Vertragspartners – insbesondere sofern diese schriftlich erfolgen – sollten unmissverständlich zurückgewiesen werden. Zu groß ist andernfalls die Gefahr, die eigenen Rechte zu verlieren und im worst case noch Schwierigkeiten mit den Behörden zu bekommen.

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Die erhebliche Unterschreitung des Mengenansatzes im VOB-Vertrag

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Brandenburg, Urteil vom 16.10.2019 — Aktenzeichen: 4 U 80/18

 

Leitsatz
Kommt es im VOB-Vertrag infolge eines fehlerhaft kalkulierten Vordersatzes zu einer Mengenunterschreitung von mehr als 10%, kann der Auftragnehmer die Anpassung des betroffenen Einheitspreises verlangen, soweit er hierfür keinen anderweitigen Ausgleich erhält. Einen vom Auftraggeber angebotenen, aber nicht angenommenen „Kompensationsvertrag‟ muss sich der Auftragnehmer nicht anrechnen lassen.

 

Sachverhalt
Im Einheitspreisvertrag erfolgt die Abrechnung nach den tatsächlich verbrauchten Mengen, nur der Einheitspreis steht fest. Dies ist im Nachhinein nicht immer interessengerecht, denn die unternehmerische Kalkulation wird nicht selten dadurch konterkariert, dass die verarbeiteten Mengen infolge unvorhersehbarer Umstände über- oder unterschritten werden. Für die Unternehmerseite relevant sind insbesondere Mengenunterschreitungen, weil diese regelmäßig zu verhältnismäßigen Mehrkosten führen. Die VO/B – wenn sie denn vereinbart ist – versucht diesen Konflikt zu lösen, indem der Einheitspreis auch nach Vertragsschluss unter bestimmten Voraussetzungen angepasst werden kann. Zur Regelung einer Unterschreitung der ursprünglich kalkulierten Mengen heißt es in § 2 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 VOB/B:

„Bei einer über 10 v. H. hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält.“

Sinn dieser Klausel ist es, die durch eine Mengenminderung bedingte Äquivalenzstörung dadurch auszugleichen, dass eine Unterdeckung in Bezug auf die in dem ursprünglichen Einheitspreis einkalkulierten Preisbestandteile vermieden wird (BGH, Urteil vom 26.01.2012 – VII ZR 19/11). Daran anknüpfend stellt sich allerdings die Frage, wann ein „Ausgleich“ im Sinne der Klausel anzunehmen ist mit der Folge, dass der vereinbarte Preis weiterhin gilt. Mit dieser Fallkonstellation hatte sich jüngst das OLG Brandenburg zu befassen.

Die Klägerin betreibt ein Garten-/Landschaftsunternehmen und hat restierenden Werklohn in Höhe von ca. 18.000,00 € eingeklagt. Dem zugrunde liegt ein öffentlicher Auftrag aus dem Jahr 2015 über Baumschnittarbeiten an drei Landstraßen betreffend ca. 1.500 Bäume, Totholzbeseitigung, Baustelleneinrichtung und Beschilderung. Vor Ort stellte sich heraus, dass einige Baumreihen bereits von einem anderen Unternehmen bearbeitet worden waren. Der Beklagte bot der Klägerin daraufhin zum Ausgleich der entfallenen Leistung die Ausführung von zwei vertraglich nicht vorgesehenen „Ersatzstrecken“ an, was die Klägerin jedoch ablehnte. Nach der vorbehaltlosen Abnahme der Leistungen erteilte die Klägerin ihre Schlussrechnung, mit der sie unter anderem auch einen Mindermengenausgleich geltend machte, dessen Bezahlung der Beklagte verweigerte.

Das Landgericht hat die Werklohnklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin müsse sich entgegenhalten lassen, dass ihr ein Ausgleich für die entfallenen Mengen angeboten worden sei, sie dieses Angebot aber treuwidrig abgelehnt habe.

 

Entscheidung
Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Brandenburg das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung des Mindermengenausgleichs verurteilt.

Das OLG Brandenburg hat zunächst festgestellt, dass der Mengenansatz in diversen Leistungspositionen um erheblich mehr als 10% unterschritten worden sei und diese Umstände nicht auf einer Änderung des Bausolls oder sonstigen Eingriffen des Auftraggebers, sondern allein auf einem falsch geschätzten Vordersatz beruhten. Dies ist entscheidend, weil sich die Vergütung im Falle einer Anordnung des Auftraggebers nach den Regelungen über die Zusatzvergütung und die freie Kündigung richtet (§§ 2 Abs. 5, Abs. 6, 8 Abs. 1 VOB/B). Ist hingegen – wie gleichfalls hier – der Vorderansatz falsch, kommt es nicht darauf an, ob die Schätzung falsch war oder sich die vorgefundenen Verhältnisse schlicht anders als zunächst angenommen darstellten (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2012 – VII ZR 19/11).

Ferner sei ein Ausgleich des Auftragnehmers nicht ersichtlich. Zwar seien Zusatzaufträge grundsätzlich als Ausgleich anerkannt, was allerdings voraussetze, dass ein darauf entfallender Vergütungsanspruch tatsächlich auch entstanden ist. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin den Zusatzauftrag nicht angenommen habe.

In diesen Konstellationen prüft die Rechtsprechung dann in einem zweiten Schritt, ob sich der Auftragnehmer durch die Ablehnung des Ersatz-Auftrags treuwidrig verhielt und daher die durch Ausführung des Zusatzauftrags hypothetisch zu realisierende Vergütung trotz Ablehnung anzurechnen ist. Dies setze jedoch – so das OLG Brandenburg – voraus, dass es sich bei dem in Rede stehenden Zusatzauftrag um eine Leistung handelt, die der Auftraggeber gem. § 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B einseitig anordnen durfte. Im vorliegenden Fall seien die angebotenen „Ersatzstrecken“ jedoch nicht als Zusatzleistung, sondern als separater Vertrag einzuordnen, weil die vorgesehenen Arbeiten keinen technisch-sachlichen Zusammenhang zum ursprünglichen Werkvertrag aufwiesen.

In der Rechtsfolge durfte die Klägerin die vereinbarten Einheitspreise der von den Mindermengen betroffenen Positionen erhöhen, die Berufung hat Erfolg gehabt.

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Wer trägt die Mehrkosten infolge einer Änderung der a.a.R.d.T. in der Gewährleistungszeit?

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Schleswig, Urteil vom 1.2.2019 — Aktenzeichen: 1 U 42/18

Leitsatz
Ändern sich während des Gewährleistungszeitraums die maßgeblichen Fachregeln, ist der Auftragnehmer im Rahmen der Mangelbeseitigung zur Einhaltung der aktuellen Fachregeln verpflichtet und hat die damit etwaig verbundenen Mehrkosten als Folge seiner ursprünglich mangelhaften Leistung selbst zu tragen. Nur soweit dem Auftraggeber durch die Nachbesserung nach aktuellem Regelwerk ein Mehrwert entsteht oder es sich um vertraglich nicht geschuldete Leistungen handelt (Sowieso-Kosten), kann der Auftragnehmer einen Ausgleich verlangen.

Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte die Beklagte u.a. mit dem Einbau von Fenster- und Türelementen im Zusammenhang mit der Erweiterung eines Veranstaltungs- und Kongresszentrums. Die Beklagte baute daraufhin im EG in 6 Seminarräumen und 2 Büroräumen bodentiefe Fenster mit einer innenseitigen Sicherheitsverglasung und Tiptronic-Beschlägen ein, die eine zentrale elektronische Sperrung der Drehfunkti-on des Fenstergriffes gegen unbefugtes vollständiges Öffnen zuließen, sodass die Fenster nur in Kippstellung gebracht werden konnten. Während der Gewährleistungszeit beanstandete die Klägerin diverse Mängel betreffend Dichtigkeit und Sicherheitsbelange.

Nach erfolglosen Mangelbeseitigungsversuchen hat die Klägerin schließlich die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Der dortige Gerichtssachverständige stellte fest, dass die Fensterelemente nicht den Anforderungen der ZEV und damit nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik bezüglich Luftdichtigkeit, Schlagregendichtigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Windglas genügten und sich die Elemente aufgrund von Mängeln an den Beschlägen teilweise nicht gefahrlos öffnen und schließen ließen. Zudem seien im 1. OG Brüs-tungsgitter zur Sicherung gegen Absturz anzubringen, weil die elektronische Drehsperre der Fensterbeschläge wegen des Erfordernisses einer vorherigen Aktivierung keine zuverlässige Absturzsicherheit biete. Das Landgericht hat die Beklagte schließlich mit Verweis auf die Feststellungen des Gerichtssachverständigen antragsgemäß verurteilt.

Entscheidung
Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt und in der II. Instanz insbesondere eingewendet, dass sich die Sicherheitsvorschriften nach der Abnahme deutlich verschärft hätten, dadurch die Mängelbeseitigung höhere Kosten verursache, woran sich die Klägerin beteiligen müsse.

Das OLG Schleswig ist dieser Rechtsauffassung jedoch mit Verweis auf die obergerichtliche Rechtspre-chung nicht gefolgt und hat stattdessen ausgeführt, auch eine Veränderung der technischen Regelwerke im Zeitraum zwischen Abnahme und Mängelbeseiti-gung gehe regelmäßig zu Lasten des Auftragnehmers. Denn dass eine Mängelbeseitigung durch Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik mit höheren Kosten verbunden sein kann, liege im Verantwortungsbereich des Unternehmers und sei Folge seiner ursprünglich mangelhaften Leistung, ohne die es einer Mangelbeseitigung überhaupt nicht bedurft hätte. Ausschließlich dann und soweit durch die Nachbesserung nach aktuellem Regelwerk ein Mehrwert entsteht, könne ein Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber Ausgleich verlangen.

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Kündigung wegen Verzögerung des Baubeginns

BGH, Beschluss vom 21.06.2017 – VII ZR 218/14

Leitsatz
Teilt ein Auftragnehmer im Falle eines vertraglich konkret vereinbarten Ausführungsbeginns mit, er könne die Ausführung frühestens drei Wochen später beginnen, kann der Auftraggeber den Bauvertrag wegen verzögerter Arbeitsaufnahme ohne vorherige Mahnung und im Einzelfall auch ohne Androhung des Auftragsentzugs kündigen.

Sachverhalt
Der Beklagte beauftragte den Kläger am 17.07.2012 mit der Erbringung von Parkettarbeiten gegen eine Vergütung von 60.000,00 €. Vertraglich vereinbarter Ausführungsbeginn war der 19.11.2012. Am 22.11. teilte der Kläger telefonisch mit, die Arbeiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen. Der Beklagte forderte den Kläger sodann mit Telefax vom 22.11. zur Arbeitsaufnahme spätestens am 23.11. auf. Nachdem der Kläger am 23.11. bis 17:55 Uhr nicht auf der Baustelle erschien, kündigte der Beklagte den Bauvertrag.

Der Kläger hat daraufhin Klage auf Zahlung von 50.000,00 € erhoben und berief sich auf das Vorliegen einer sogenannten freien Kündigung im Sinne von § 8 Abs. 1 VOB/B, weil der Beklagte ohne wichtigen Grund gekündigt habe.

Entscheidung
Die Zahlungsklage ist vollumfänglich abgewiesen worden. Der Senat hat festgestellt, dass der Beklagte den Bauvertrag außerordentlich nach § 8 Abs. 3 VOB/B aufgrund einer Verzögerung des Ausführungsbeginns wirksam gekündigt habe und Vergütungsansprüche aus diesem Grunde nicht bestünden.

Unstreitig sei zwischen den Parteien ein konkreter Termin zur Bauausführung vertraglich vereinbart worden und unstreitig habe der Kläger diesen Termin schuldhaft nicht eingehalten. Eine den Kläger in Verzug setzende Mahnung sei gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen, weil der Ausführungsbeginn nach dem Kalender bestimmt sei.

Auch habe der Beklagte eine wirksame Nachfrist bis zum 23.11. gesetzt. Dass die Kündigung des Bauvertrages ebenfalls bereits am 23.11. um 17:55 Uhr erklärt worden sei, begegne keinen rechtlichen Bedenken, da dieser Zeitpunkt bereits deutlich nach dem üblichen Schluss von Bauarbeiten, nach dem Schluss des klägerischen Büros und damit nach einem Zeitpunkt gelegen habe, in welchem bei lebensnaher Betrachtung noch mit der Arbeitsaufnahme gerechnet werden konnte.

Auch sei die Nachfrist der Länge nach angemessen, weil der Kläger sich bereits im Vorfeld des 19.11. dahingehend unkooperativ gezeigt habe, dass er sich weigerte an Baustellenbesprechungen teilzunehmen und sich mit der Bauleiterin in Verbindung zu setzen. Auch innerhalb der Frist bis zum 23.11. habe der Kläger keine Vorschläge zur Terminsabstimmung sowie zum weiteren Vorgehen unterbreitet. Dieses Verhalten rechtfertige nach Ansicht des Senats ausnahmsweise eine sehr knapp bemessene Nachfrist.

Nicht ausdrücklich thematisiert hat der Senat die Frage nach dem Erfordernis einer vorherigen Kündigungsandrohung. Eine solche ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Das Gericht hat dieses Formerfordernis jedoch offensichtlich für entbehrlich gehalten, weil der Kläger die Einhaltung des vertraglichen Ausführungsbeginns sowie auch eine Ausführung innerhalb der gesetzten Nachfrist ernsthaft und endgültig verweigerte.

Der Kläger könne sich ferner nicht auf einen erteilten Bedenkenhinweis im Sinne von § 4 Abs. 3 VOB/B berufen, weil die Bauleitung des Beklagten und der Beklagte selbst in Kenntnis der klägerischen Bedenken auf den Baubeginn bestanden hätten.

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Zur Reichweite von Bedenkenhinweispflichten

OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.10.2017 — Aktenzeichen: 22 U 41/17

Leitsatz
Der Auftragnehmer/Werkunternehmer kann sich nicht allein auf die mit dem Auftraggeber/Besteller getroffenen Vereinbarungen über die Beschaffenheit des herzustellenden Werkes berufen, sondern hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in aller Regel auch für die Funktionalität des Werkes einzustehen. Daraus folgt, dass er sich vorab auch mit der Beschaffenheit von Vorgewerken und fremden Planungsleistungen auseinandersetzen muss, auf denen sein Gewerk aufbaut. Erkennt der Auftragnehmer (oder müsste er erkennen), dass Vorleistungen den eigenen Werkerfolg beeinträchtigen, muss er den Auftraggeber darauf hinweisen. Eine solche Hinweispflicht ergibt sich ausdrücklich aus § 4 Abs. 3 VOB/B und ist im BGB-Vertrag von der Rechtsprechung als vertragliche Nebenpflicht anerkannt.

Sachverhalt
Das OLG Düsseldorf hat am 06.10.2017 in der Berufungsinstanz einen Rechtsstreit zu dieser Thematik recht anschaulich entschieden.

Die Klägerin betreibt ein Abfallwirtschaftsunternehmen und beauftragte die Beklagte mit der Herstellung eines Hallenbodens aus Beton zu einem Preis von ca. 270.000,00 €. Die Klägerin beabsichtigte, in dieser Halle u.a. chemische Abfälle zu lagern; dies war der Beklagten bekannt. Die Ausführungsplanung gab die Klägerin vor. Diese berücksichtigte allerdings nicht, dass die Bodenplatte entgegen üblichen Standards absolut rissfrei beschaffen sein muss, damit spezielle chemische Abfälle nicht ins Grundwasser gelangen. Die Beklagte führte den Hallenboden schließlich entsprechend der klägerischen Planung aus. Noch während der Gewährleistungszeit kam es zu feinen Rissbildungen im Boden, die normalerweise noch innerhalb der Toleranz liegen.

Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; die Beklagte bleibt damit zur Zahlung von Schadens- und Kostenersatz verurteilt. Der Senat hat festgestellt, die Beklagte habe wegen unterlassenen Bedenkenhinweisen eine Pflicht aus dem Werkvertrag verletzt.

Denn sie sei verpflichtet gewesen – auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart war – zu prüfen, ob Leistungsvorgaben der Klägerin, behördliche Vorgaben, Vorgewerke und bauseitige Umstände auf die Funktionstauglichkeit des herzustellenden Gewerkes Einfluss nehmen können. Sie hafte nur dann ausnahmsweise nicht, wenn sie entweder auf Bedenken hingewiesen habe oder eine mögliche Beeinträchtigung nicht habe erkennen können. Die Möglichkeit der Erkennbarkeit scheitere jedoch grundsätzlich nicht schon an der fehlenden persönlichen Kenntnis des Auftragnehmers. Vielmehr müsse dieser im Zweifel geeignete Fachplaner oder fachkundige Spezialfirmen konsultieren, um sich Kenntnis zu verschaffen. Doch auch im Falle eines Bedenkenhinweises enthafte sich die Beklagte nur dann, wenn sie inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren einer zweifelhaften Ausführungsweise konkret dargelegt und der Klägerin damit die Tragweite der Nichtbefolgung ihrer Hinweise erkennbar gemacht hätte.

Im vorliegenden Fall sei die Beklagte diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Sie habe die Ausführungsplanung ohne Beanstandung befolgt, obwohl sie hätte erkennen müssen, dass der Werkerfolg nicht erreicht wird. Ein anspruchsreduzierendes Mitverschulden der Klägerin komme nicht in Betracht, weil die Beklagte eine technische Fachkenntnis der Klägerin nicht nachgewiesen habe.

Die Entscheidung ist rechtlich zutreffend und folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung. Wie daran deutlich wird, ist die Hinweispflicht-Haftung tückisch. Der Werkunternehmer muss daher stets sorgfältig prüfen, worauf er baut.

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Kündigung eines Werkvertrags nach Insolvenzeröffnungsantrag

BGH, Urteil vom 14.9.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 261/15

Leitsatz
1. Die Insolvenzeröffnung ist kein wichtiger Grund zur Kündigung eines Werkvertrags, der erst nach Stellung des Eröffnungsantrags geschlossen wurde.

2. Zwar darf der Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO die Erfüllung eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen, beidseits nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangen oder die Erfüllung des Vertrages ablehnen; diese Rechte stehen ihm allerdings erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der A-GmbH. Die Beklagte beauftragte Letztere im Jahr 2013 mit der Herstellung und Lieferung von Metallgussteilen. Kurze Zeit nach Vertragsschluss stellte die A-GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, woraufhin der Kläger als vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter bestellt wurde. Der Kläger machte die weitere Vertragserfüllung davon abhängig, dass die Beklagte eine Preiserhöhung von 30 % akzeptiert. Die Beklagte war einverstanden und traf eine entsprechende Vereinbarung. Noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der Kläger vom schwachen zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und erklärte sich mit der Fortsetzung des Vertrages nur unter der Bedingung einer weiteren Preiserhöhung einverstanden.

Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom 28.03.2013, sie wolle sich „nicht weiter unter Druck setzen lassen und sehe keine Grundlage für eine weitere Geschäftsbeziehung“.

Erst einige Tage nach Zugang dieses Schreibens wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin forderte der Kläger zunächst außergerichtlich, dann klageweise den gesamten vertraglich vorgesehenen Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 1,1 Mio. Euro. Seiner Ansicht nach ist das Schreiben vom 28.03.2013 als freie Kündigung i.S.v. § 649 BGB auszulegen. Die Beklagte wiederum hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe gemäß § 103 Abs. 2 InsO die Vertragserfüllung abgelehnt. Unabhängig davon handele es sich jedenfalls nicht um eine freie, sondern um eine außerordentliche Kündigung aufgrund der klägerischen Insolvenz.

Entscheidung
Die Beklagte hat in allen drei Instanzen verloren; sie muss den vollen Werklohn bezahlen. Der BGH hat festgestellt, dass die Parteien einen wirksamen Werkvertrag geschlossen hätten, der nach Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags modifiziert worden sei. Da die Beklagte nicht bereit gewesen sei, eine weitere Preiserhöhung zu akzeptieren, habe sie das Schreiben vom 28.03.2013 gefertigt und mit diesem den Werkvertrag frei im Sinne des § 649 BGB gekündigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe der Kläger als Insolvenzverwalter bis zu diesem Zeitpunkt eine Erfüllungsablehnung im Sinne von § 103 Abs. 2 InsO noch nicht erklären können, weil lediglich der Insolvenzeröffnungsantrag gestellt, das Insolvenzverfahren jedoch noch nicht eröffnet gewesen sei. Schließlich könne die erklärte Kündigung auch nicht als außerordentliche Kündigung behandelt werden, weil ein wichtiger (Kündigungs-)Grund mangels gesetzlicher Regelung nicht schon in dem Antrag auf Eröffnung der Insolvenz und in der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu sehen sei. Auch lägen die vom BGH entwickelten Voraussetzungen zur außerordentlichen Kündigung wegen Insolvenz nicht vor, weil – dies aufgrund der Vertragsmodifizierung – der Werkvertrag formal erst nach der Stellung des Insolvenzantrags geschlossen worden sei.

Praxishinweis:

Das Ergebnis hält einer Gerechtigkeitskontrolle stand, denn die Beklagte hat zwei entscheidende Fehler gemacht: Zum einen modifizierte sie den Vertrag, obwohl sie von der drohenden Insolvenz der A-GmbH wusste. Zum anderen hätte sie nach der Ankündigung der Gegenseite, nur zu einem höheren Preis tätig zu werden, den Insolvenzverwalter schlicht zur Vertragserfüllung unter Fristsetzung auffordern sollen. Im Falle der Weigerung hätte sich die Beklagte vom Vertrag lösen können. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre es zweckmäßig gewesen, den Insolvenzverwalter aufzufordern, sein Wahlrecht aus § 103 InsO auszuüben (Erfüllung oder Erfüllungsablehnung).

Zusätzlicher Hinweis:

Das ab dem 01.01.2018 geltende neue Bauvertragsrecht kodifiziert erstmals in § 648 a BGB n.F. ein Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Bauvertrags, dessen Ausübung laut der amtlichen Gesetzesbegründung auch im Falle von Insolvenz (allerdings nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen) möglich sein soll.

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Zu den Grundsätzen des Anspruchs auf Schlusszahlung

OLG Köln, Urteil vom 5.7.2017 — Aktenzeichen: 16 U 138/15

Sachverhalt
Die Beklagte beauftragte die Auftragnehmerin mehrfach in den Jahren 2004 bis 2006 mit dem Einbau von Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Die jeweiligen Werkleistungen als solche blieben unbeanstandet. Förmliche Abnahmen wurden nicht erklärt, weil die Auftragnehmerin kurz vor Fertigstellung der Projekte insolvent ging. Der bestellte Insolvenzverwalter erteilte die Schlussrechnungen insgesamt i.H.v. rund 170.000,00 €. Zahlungen hierauf erfolgten nur teilweise.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht Köln hierzu die Ansicht vertreten, die Vergütungsberechnungen seien nicht nachvollziehbar, insbesondere weil die Auftragnehmerin diesen ein lediglich einseitig erstelltes Aufmaß zugrunde gelegt habe. Auch habe die Auftragnehmerin gegenüber den Schlusszahlungen keinen Vorbehalt erklärt und sei daher mit weiteren Forderungen ausgeschlossen. Jedenfalls sei die Werklohnforderung teilweise erloschen, weil der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe zustehe.

Entscheidung
In der Berufungsinstanz ist das OLG Köln dieser Rechtsauffassung in wesentlichen Punkten entgegen getreten und hat die folgenden, in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätze zusammengefasst:

1. Im Werklohnprozess ist der Auftragnehmer darlegungs- und beweisbelastet für die Erbringung der in seiner Schlussrechnung geltend gemachten Leistungen, wobei die bloße Darlegung schon durch Vorlage einer nachvollziehbaren Schlussrechnung erfolgen kann.

2. Sodann ist es Sache des Auftraggebers, die fehlende Prüfbarkeit der Schlussrechnung im Einzelnen zu rügen. Legt der Auftragnehmer ein Aufmaß vor und hat der Auftraggeber konkrete Kenntnis von den erbrachten Leistungen, darf der Auftraggeber nicht einfach pauschal das Aufmaß bestreiten, sondern muss vielmehr darlegen, welche Positionen aus welchen Gründen unrichtig sind.

3. Die Abnahme kann auch dadurch erfolgen, dass der Auftraggeber in die Prüfung der Schlussrechnung eintritt. Um sich in diesem Falle einen Vertragsstrafe-Anspruch zu erhalten, muss der Auftraggeber im zeitlichen Zusammenhang zur Rechnungsprüfung einen Strafvorbehalt erklären; anderenfalls kann er die Vertragsstrafe nicht verlangen.

4. Damit eine Äußerung des Auftraggebers als Schlusszahlungserklärung gilt, muss darin unmissverständlich zum Ausdruck kommen, dass endgültig keine weiteren Zahlungen geleistet werden. Ein in einem Schreiben des Auftraggebers aufgeführter 3-facher Einbehalt für diverse Mängel erfüllt diese Voraussetzungen nicht, denn die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ist nicht als endgültige Zahlungsverweigerung anzusehen.

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Mangel trotz Funktionsfähigkeit des Werkes

OLG Schleswig, Urteil vom 31.3.2017 — Aktenzeichen: 1 U 48/16

Leitsatz
Ein Mangel liegt auch dann vor, wenn das Werk zwar funktioniert, die Ausführung aber nicht den a.a.R.d.T. entspricht.
Sachverhalt

Die Kläger beauftragten im Jahre 2005 die Beklagte mit der Errichtung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses. Vertragsgemäß stellte die Beklagte u.a. eine WDVS-Fassade her, die anschließend verputzt wurde. Auf eine Abdichtung des Putzes wurde verzichtet. Die Bauabnahme erfolgte im Jahre 2006. Im Auftrag der Kläger hob ein anderes Unternehmen nachträglich das Niveau der Außenanlagen auf die Höhe des Fertigfußbodens an.

Im Jahr 2009 zeigte sich Feuchtigkeit an der WDVS-Fassade bis zu einer Höhe von 70 cm. Die Kläger haben daraufhin ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt. Der dortige Sachverständige hat festgestellt, die vorhandene Feuchtigkeit sei darauf zurückzuführen, dass zum einen das Niveau der Außenanlagen geändert wurde, zum anderen der Außenputz – entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik – nicht bis 5 cm über dem Boden abgedichtet worden sei. Allerdings beeinträchtige diese Feuchtigkeit nicht die Funktionalität der Fassade oder deren Lebensdauer. Auch sei die Art der Ausführung allgemein nicht zu beanstanden.

Im späteren Klageverfahren hat das zuständige Landgericht die Beklagte trotzdem zum Schadensersatz verurteilt. Hiergegen wendet sie sich nun mit der Berufung.

Entscheidung
Das mit der Sache befasste OLG Schleswig hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und die beklagtenseits eingelegte Berufung zurückgewiesen.

Der Berufungssenat hat festgestellt, dass es für den Mangelbegriff nicht darauf ankomme, ob das Gewerk in seiner Funktionalität beeinträchtigt sei, wenn jedenfalls die Ausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspreche. Dies gelte selbst dann, wenn – wie gleichfalls hier – die Parteien eine Abdichtung des Sockelbereiches nicht ausdrücklich im Bauvertrag vereinbart haben. Es sei ferner unerheblich, dass der Mangel derzeit noch keinen Schaden verursacht habe. Da die Kläger außerdem Schadensersatz statt der Leistung verlangt hätten – also auf die Nacherfüllung verzichteten und stattdessen Geld verlangten – sei die Beklagte von der Mangelbeseitigung ausgeschlossen und könne auch später darauf nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist rechtlich konsequent. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung liegt ein Mangel nämlich — vereinfacht dargestellt — vor, wenn das Werk nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist und/oder nicht ordnungsgemäß funktioniert und/oder nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine Werkleistung ist dementsprechend nur dann als mangelfrei anzusehen, wenn keine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Die Rechtsprechung begründet ihre Rechtsauffassung im BGB-Vertrag übrigens damit, dass der Besteller die Einhaltung der a.a.R.d.T. als Standard erwarten darf, auch wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart haben. Zwar kann dem Auftragnehmer im Falle der vollen Funktionsfähigkeit des Werkes ein Verweigerungsrecht nach § 635 Abs. 3 BGB zustehen. Dies betrifft allerdings den Ausnahmefall und findet etwa Anwendung bei geringfügigen „Schönheitsfehlern“. Der Ausschluss des Nacherfüllungsrechts nach Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung folgt aus § 281 Abs. 4 BGB.

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