Bodenleger muss Untergrundverhältnisse abklären, Bauherr schuldet keine Aufklärung

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Bamberg, Urteil vom 24.08.2023 – 12 U 58/22

 

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Verlegung eines Bodens im Erdgeschoss ihres Geschäftsgebäudes. Das Bauwerk wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach teilsaniert und besteht aus alten und modernen Gebäudeabschnitten, zudem ist es teilunterkellert. Die beklagtenseits mit der Voruntersuchung für die späteren Bodenarbeiten beauftragte Subunternehmerin führte CM-Feuchtigkeitsmessungen durch, stellte keine nennenswerte Feuchtigkeit im Bodenaufbau fest und erklärte den Untergrund als Belegreif. Die Beklagte führte daraufhin die vertraglich geschuldeten Arbeiten aus und stellte im Dezember 2014 die Schlussrechnung, welche die Klägerin vollständig bezahlt.

 

Ein gutes Jahr später hob sich der eingebaute Boden in verschiedenen Bereichen an, was sich zunächst als optische, später sogar als physische Beeinträchtigung (Stolperfalle) darstellte. Die Klägerin holte daraufhin ein Privatgutachten ein, das eine Verseifung des verwendeten Klebstoffs durch permanente Feuchtigkeitseinwirkungen aus dem Baugrund feststellte, und forderte die Beklagte zur Mangelbeseitigung auf. Nach Durchführung eigener Untersuchungen lehnte die Beklagte eine Mangelbeseitigung ab und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Feuchtigkeitsproblematik des Bodenaufbaus für sie als Bodenbeleger jedenfalls nicht erkennbar gewesen sei, zumal auch der ursprünglich verlegte Boden bereits mit einem vergleichbaren Dispersionskleber befestigt gewesen sei. Erschwerend habe die Klägerin auch nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine besondere Konstruktion handele. So sei das Gebäude teilweise unterkellert und in den nicht unterkellerten, erdberührten Bereichen wiederum nur teilweise saniert, teilweise aber unsaniert, sodass in einigen Bereichen die Bauwerksabdichtung nicht den Fachregeln entspreche.

 

Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin mit ihrer vor dem Landgericht erhobenen Klage die Sanierungskosten nebst entgangenem Gewinn während der Sanierungszeit geltend gemacht und in I. Instanz obsiegt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und in Ergänzung zu den Entscheidungsgründen des Landgerichts festgestellt, dass die Beklagte als Bodenbeleger in der Pflicht gewesen sei, sich über die Untergrundverhältnisse vollständige Klarheit zu verschaffen. Lediglich die Durchführung vom CM-Messungen seien nicht ausreichend gewesen. Denn der Werkunternehmer werde von einer Mängelhaftung nur dann befreit, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte. Diese Aufklärungspflichten seien für den VOB-Vertrag sowie auch für den BGB-Werkvertrag verbindlich zu beachten.

 

Zwar sei die Subunternehmerin der Beklagten nicht zu einer zerstörenden Prüfung durch Bohrkernentnahmen verpflichtet gewesen. Unter Berücksichtigung des eingeholten Gerichtsgutachtens habe es im vorliegenden Fall aber zur Aufklärung der Bodenbeschaffenheit einer Bohrkernentnahme nicht bedurft. Vielmehr hätte die Subunternehmerin der Beklagten vor der Ausführung der Arbeiten schlicht Erkundigungen bei der Bauherrin einholen und die vorhandene Planung einsehen müssen. Hätten sich hieraus keine Erkenntnisse ergeben, wären die Subunternehmerin oder die Beklagte verpflichtet gewesen, den Sachverhalt selbst aufzuklären, zumal es sich vorliegend offenkundig um ein erdberührtes Gebäude gehandelt habe. Der Subunternehmerin hätte ferner bekannt sein müssen, dass Feuchtigkeitsmessungen nur eine Momentaufnahme darstellen und gerade keine Aussage darüber treffen, ob – wie gleichfalls hier – Feuchtigkeit etwa während starker Regenperioden von unten hochziehen können.

 

Hätte eine Befragung der Klägerin keine weiteren Erkenntnisse erbracht und wäre die Klägerin andererseits mit der weiteren Aufklärung z.B. durch Bohrkernentnahmen nicht einverstanden gewesen, hätte die Beklagte Bedenken anmelden müssen. Dem seien die Beklagte und ihre Subunternehmerin, für deren Pflichtverletzungen sie einzustehen habe, nicht nachgekommen, sodass eine Enthaftung nicht in Betracht komme.

 

Schließlich sei die Klägerin nicht deswegen mitverantwortlich, weil sie die Beklagte nicht über die Besonderheiten des Gebäudes informierte. Nach Auffassung des Senats hätte vielmehr ausschließlich die Beklagtenseite insoweit die Initiative ergreifen und Erkundigungen einholen müssen. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, hätte die Klägerin zuvor von Feuchtigkeitserscheinungen konkret Kenntnis gehabt. Dies sei aber hier nicht der Fall gewesen, weil der alte Bodenaufbau im Vergleich zu dem neu eingebrachten PVC-Bodenbelag diffusionsdurchlässig gewesen sei und deshalb vor der Sanierung aufgetretene Feuchtigkeit den Kleber nicht habe angreifen können; dies war sachverständigerseits festgestellt worden.

 

Praxishinweis

Wie diese – rechtlich zutreffende – Entscheidung zeigt, ist der Werk-/Bauunternehmer gut beraten, sich vor der Ausführung umfassende Gedanken auch zu der späteren Funktonalität des Gesamtwerks zu machen. Jedes Gebäude und jede Vorleistung ist anders, sodass sich „Schema F“ immer verbietet. Selbst die Einhaltung von Fachregeln reicht mitunter nicht aus, um ein mangelfreies Werk zu verschaffen. Nur in engen Ausnahmefällen kann sich der Unternehmer enthaften, wenn ihm der Bauherr etwa eine fehlerhafte Planung zur Verfügung stellt und der Unternehmer keine Anhaltspunkte für Planungs- oder Konstruktionsfehler erkennen kann.

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Grundsatzentscheidung: Selbständiges Beweisverfahren hemmt die Verjährung sämtlicher Mängelansprüche bis zur vollständigen Verfahrensbeendigung!

Jochen ZiliusJochen Zilius

BGH, Urteil vom 22.06.2023 – VII ZR 881/21

 

Problemdarstellung

Ein selbständiges Beweisverfahren dient oftmals nicht nur der Aufklärung von Mängeln oder technischer Fragen, sondern der Verjährungshemmung , wenn es einmal schnell gehen muss und insbesondere dann, wenn eine Vielzahl von Mängeln oder Mängelkomplexen an verschiedenen Gewerken in Rede steht. (Wahrscheinlich) davon ausgehend, dass nach allgemeiner Auffassung jeder Werkmangel seinen eigenen, separat zu betrachtenden (Gewährleistungs-)Anspruch begründet, sind die Instanzgerichte bisher deutlich überwiegend davon ausgegangen, dass der Beginn und die Beendigung des Beweisverfahrens hinsichtlich jedes  Mangelpunktes isoliert betrachtet werden müsse mit der Folge einer uneinheitlichen  Verjährungshemmung. Haben die Verfahrensbeteiligten also etwa nach Erstattung des ersten Gutachtens nur Ergänzungsfragen bezüglich Mangel A, nicht aber bezüglich Mangel B gestellt, war nach dieser Auffassung das Beweisverfahren für Mangel B nach Ablauf der Stellungnahmefrist zum Gutachten beendet, sodass nach der sog. Ablaufhemmung von weiteren sechs Monaten die Verjährungsuhr für Mangel B wieder zu laufen begann, für Mangel A hingegen nicht.

In der Praxis ergaben sich dadurch nicht unerhebliche Schwierigkeiten, weil jeder Mangelpunkt gesondert unter Kontrolle zu nehmen und ggf. parallel verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen waren; im besten Falle durch Verjährungsvereinbarung , bei Verweigerung dieser ggf. durch Feststellungsklage. Genau daran knüpfte die sich in der Minderheit befindliche Kritik u. a. an, weil nämlich ein selbständiges Beweisverfahren nach der Gesetzesbegründung eigentlich dazu dienen soll, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

 

Rechtsprechungsänderung

Nach Zulassung der Revision durch das Oberlandesgericht Stuttgart hat der Bundesgerichtshof hingegen nun mit Urteil vom 22.06.2023 – VII ZR 881/21 festgestellt, dass ein selbständiges Beweisverfahren die Verjährung sämtlicher Mängelansprüche im Zeitraum der Anhängigkeit des Beweisantrags bei Gericht bis zur Beendigung des gesamten Beweisverfahrens zuzüglich einer Ablaufhemmung von sechs Monaten hemmt und hat damit seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1992 – VII ZR 86/92) aufgegeben.

In der zugrundeliegenden Rechtssache hat die Klägerin einen Kostenvorschussanspruch von 67.200,00 € zur Mangelbeseitigung wegen Attikarissen geltend gemacht. Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein selbständiges Beweisverfahren, dessen Streitgegenstand nicht nur diese Rissen, sondern auch Mängel an Beton-Fensterlamellen war. Das damalige Ergänzungsgutachten des Gerichtssachverständigen befasste sich noch mit beiden Mangelpunkten, allerdings nahm die Klägerin innerhalb der gerichtlichen Frist bis zum 19.04.2013 nur zu den Beton-Fensterlamellen Stellung, äußerte sich aber nicht mehr zu den Attikarissen. Nach Erstattung weiterer Gutachten endete das Beweisverfahren insgesamt nach Ablauf der letzten Stellungnahmefrist am 23.03.2015.

Mit ihrer am 26.06.2015 eingereichten Klage hat die Klägerin Kostenvorschuss wegen verschiedener Mängel, u.a. wegen der Attikarisse geltend gemacht. Die Beklagte hat die Verjährungseinrede erhoben. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage insoweit als verjährt abgewiesen und hierzu mit Verweis auf die damals herrschende Rechtsprechung ausgeführt, dass die Verjährungshemmung der Mängel im Zusammenhang mit den Attikarissen nach Ablauf der Stellungnahmefrist am 19.04.2013 zzgl. einer Ablaufhemmung von sechs Monaten  weiter lief und die Verjährung bis zur Klageerhebung eingetreten sei.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Stuttgart das landgerichtliche Urteil insoweit aufgehoben und unter Vertretung der bis dahin bekannten Mindermeinung festgestellt, dass bereits verschiedene prozessuale Erwägungen eine einheitliche Verjährungshemmung in selbständigen Beweisverfahren geböten. Wegen der divergierenden Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte hat es die Revision zugelassen.

Der Bundesgerichtshof hat mit eingehend zitierter Entscheidung schließlich das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart insoweit bestätigt und hat sich zur Begründung weniger auf prozessuale Überlegungen gestützt, sondern vielmehr die gesetzliche Regelung der Verjährungshemmung in § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB neu ausgelegt. Seiner Auffassung nach sei allein diese Vorschrift maßgeblich und lasse keinen Interpretationsspielraum zu, weil dort ausdrücklich von der „Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“ die Rede sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass ein selbständiges Beweisverfahren mit verschiedenen Mängeln/Streitgegenständen auf verschiedene Ansprüche gerichtet sei, weil es sich hierbei nach dem materiell-rechtlichen Verständnis nicht bloß um den Verbund quasi mehrerer selbständiger Beweisverfahren, sondern vielmehr um ein Gesamtverfahren handele, das entweder beendet sei oder nicht.

Lediglich hilfsweise begründete der Bundesgerichtshof seine Entscheidung auch noch mit prozessrechtlichen Argumenten, wonach nämlich die dem Antragsgegner gesetzlich zustehende Möglichkeit zur Herbeiführung einer Kostenfolge nach allgemeiner Auffassung die vollständige Verfahrensbeendigung voraussetze und dies gerade im Widerspruch zu einer differenzierten Verfahrensbeendigung bezüglich verschiedener Mängel stehe.

Nach Feststellung des Bundesgerichtshofs gelten diese Grundsätze übrigens nicht nur bei verschiedenen Mängelsachverhalten bzw. -komplexen, sondern sogar bei der Begutachtung verschiedener Mängel durch verschiedene Gerichtssachverständige, solange diese innerhalb eines prozessualen Beweisverfahrens tätig waren.

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Zur Teilkündigung im VOB-Vertrag

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2022 – I-5 U 232/21

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat beantragt, die Abnahmewirkungen für die Teilleistung eines Bauvorhabens festzustellen. Dem zugrunde liegt die Errichtung des Justizzentrums in Bochum, im Zuge derer der Beklagte die Klägerin mit der Ausführung von Dachabdichtungsarbeiten an den einzelnen Gebäudeteilen A – F beauftragte. Im Sommer 2016 rügte die Beklagte unter anderem ein zu geringes Gefälle an den Bauteilen A – E, erklärte am 02.12.2016 die Teilkündigung hinsichtlich des Bauteils F und lehnte am 10.01.2017 die Abnahme der Teilleistungen am Gebäudekomplex F ab. Die Klägerin war der Auffassung, es liege eine unwirksame Teilkündigung vor, sodass die Abnahmewirkungen eingetreten seien. Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben, wogegen der Beklagte Berufung eingelegt hat.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat festgestellt, die Feststellungsklage sei zulässig und begründet. Entsprechend der klägerischen Rechtauffassung liege bezüglich des Gebäudeteils F eine unwirksame Teilkündigung vor. Somit habe die Beklagte am 02.12.2016 den Auftrag der Klägerin nicht wirksam teilweise entzogen i.S.d. § 8 III Nr. 1 S. 2 VOB/B. Denn eine Teilkündigung sei nur wirksam auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung zu erklären, was eng auszulegen sei. Dadurch werde das Interesse des Auftraggebers daran geschützt, dass es bei zusammengehörigen Leistungsteilen nicht zu einer „Zergliederung“ durch unterschiedliche Abnahmewirkungen und damit zu unterschiedlichen Gewährleistungsfristen oder Gefahrübergängen kommen könne.

Insofern handele es sich bei den Arbeiten zum Gebäudeteil Teil F gerade nicht um in sich abgeschlossenen Leistungen i.S.d. § 8 VOB/B, weil bereits aus gerichtsaktenkundigen Fotos deutlich werde, dass das Justizzentrum ein lediglich aus diversen Teilen bestehender Gebäudekomplex sei; eine gedankliche Teilung sei also gar nicht möglich. Zudem ergebe sich auch aus der Leistungsbeschreibung eine räumliche oder sachliche Trennung der einzelnen Arbeitsbereiche gerade nicht.  Auch der Streit über etwaige Mängel spreche gegen eine isolierte Betrachtung des Bauteiles F, da ein zu geringes Gefälle bei nahezu allen Bauteilen gerügt worden sei. Schließlich scheitere die Anwendung des Kündigungstatbestands aus § 8 III Nr. 1 S. 2 VOB/B auch nicht an einer AGB-rechtlichen Kontrolle, weil die Vorschrift keine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild darstelle und sich der Beklagte als Verwender ohnehin nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit berufen könne.

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Vorsicht: Anerkenntnis!

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.12.2021 – 13 U 357/20

 

Problemdarstellung

Eine Verjährungsfrist, z.B. Gewährleistungsansprüche betreffend, beginnt gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB von neuem zu laufen, wenn ein Schuldner innerhalb der ursprünglichen Verjährung dem Gläubiger gegenüber einen Anspruch anerkennt. Übertragen auf baurechtliche Sachverhalte kann ein solches Anerkenntnis bereits dann anzunehmen sein, wenn der Unternehmer dem Besteller gegenüber eine mangelhafte Ausführung eingesteht. Abgesehen vom Einfluss auf die Verjährung bewirkt ein Anerkenntnis oftmals auch eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Unternehmers.

Inhaltlich stellt die Rechtsprechung zwar verhältnismäßig hohe Anforderungen an ein Anerkenntnis in diesem Sinne und verlangt insbesondere, dass der Schuldner mit der Abgabe der Erklärung das in Rede stehende Schuldverhältnis dem Streit entziehen und festlegen möchte. An dieser Definition wird aber deutlich, dass es stets auf die Auslegung einer bestimmten Erklärung im konkreten Einzelfall ankommt und nicht etwa auf die Verwendung bzw. Vermeidung des Wortes „Anerkenntnis“ oder dessen Synonyme.

Mit den Anforderungen an ein solches Anerkenntnis und dessen Rechtsfolgen hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart in einer Entscheidung vom 10.12.2021 (Az. 13 U 357/20) auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung eines Schadensersatzes von ca. 25.000,00 € für die Reparatur einer Zwischendecke verklagt. Dem zugrunde liegt die Beauftragung der Beklagten mit Reparaturarbeiten an der klägerischen Klimaanlage, die im Jahr 2014 fertiggestellt wurden. Im Zuge der Arbeiten soll es durch Unachtsamkeit der Beklagten zu Beschädigungen der Zwischendecke gekommen sein. Die Klägerin meldete den Schaden im Jahr 2015, woraufhin die Parteien über mehrere Monate korrespondierten und schließlich ein Telefonat zwischen den beiden Geschäftsführern erfolgte, dessen Inhalt aber streitig ist. Letztlich nachweisen konnte die Klägerin folgenden Sachverhalt:

Nach der Anzeige des Schadens meldete sich die Beklagte im Dezember 2015 bei der Klägerin mit der Bitte um Überreichung von Schadensfotos, um – nach eigenen Angaben – die Angelegenheit prüfen zu können. Anschließend wolle sich die Beklagte darum kümmern. Auf Nachfrage der Klägerin im Januar 2016 erklärte die Beklagte, sie habe den Vorgang mittlerweile ihrem Haftpflichtversicherer gemeldet.

Die Klägerin unternahm dann zunächst nichts und hat, nachdem die Beklagte seit dem Jahr 2016 nicht mehr reagierte, im Dezember 2018 eine Zahlungsklage erhoben. Im Prozess hat die Beklagte die Verjährung eingewendet. Das zuständige Landgericht hat die Klage wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ebenfalls auf die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche abgestellt. Nach Auffassung des Gerichts sei vorliegend die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller hiervon Kenntnis erlangt hat, einschlägig, sodass die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2017 eingetreten sei. Zwar hätten verjährungshemmende Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden, dies jedoch nur über einen Zeitraum von wenigen Monaten, was zur Überbrückung der Verjährungslücke im Zeitraum Januar bis Dezember 2018 nicht ausreiche.

Sollten jedoch die Erklärungen der Beklagten im Dezember 2015 und im Januar 2016 als Anerkenntnis zu werten sein, wäre die Verjährungsfrist gewahrt worden. Dies sei hier jedoch nach Auffassung des Oberlandesgericht Stuttgart nicht der Fall gewesen, weil die Klägerin allein aufgrund der Anforderung von Schadensunterlagen und dem Inaussichtstellen der Beklagten, sich „um die Angelegenheit zu kümmern“ nicht von einer Einstandserklärung habe ausgehen dürfen. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere auch die beklagtenseitige Meldung des Vorgangs an den Haftpflichtversicherer, woraufhin die Klägerin daher nun auf jeden Fall damit habe rechnen müssen, dass die Beklagte eigenmächtig keine rechtsverbindlichen Erklärungen abgeben wird.

Hier ist für den Unternehmer noch einmal alles gut gegangen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist rechtlich vertretbar, beleuchtet aber auch die Risiken unbedarfter, auf den ersten Blick harmlos wirkender Äußerungen.

Übrigens lassen sich selbst Handlungen als Anerkenntnis auslegen; z.B. die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten auf Verlangen des Auftraggebers. Ist unternehmerseits eine Mängelbeseitigung in diesem Sinne gar nicht beabsichtigt, sollte klargestellt werden, dass die Arbeiten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lediglich aus Kulanz erfolgen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der tab- Technik am Bau, Ausgabe 10/2022, abrufbar unter:

https://www.tab.de/artikel/das-aktuelle-baurechtsurteil-3855580.html

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Der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers nach „freier“ Kündigung durch den Besteller

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.08.2021 – 22 U 267/20

 

Problemdarstellung

Beim Werk- oder Bauvertrag besteht im Gegensatz zu den allermeisten anderen deutschen Vertragsformen die Möglichkeit für den Besteller/Auftraggeber, sich ohne besondere Begründung einseitig von dem geschlossenen Vertrag zu lösen, was als freie Kündigung bezeichnet wird. Historischer Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Unternehmer/Auftragnehmer nach dem Gesetz zur Herstellung des Werkes zwar verpflichtet, nicht aber dazu berechtigt ist; er hat also keinen einklagbaren Anspruch darauf. Nur der Besteller/Auftraggeber kann insoweit disponieren und z.B. die Ausführung von Arbeiten auf seinem Grundstück ablehnen. Dies durchbricht jedoch den elementaren Grundsatz des deutschen Zivilrechts pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten), weshalb das Gesetz dem Unternehmer im Falle der freien Kündigung die Möglichkeit gibt, neben dem Werklohn für etwaig schon erbrachte Leistungen auch die volle vertraglich vereinbarte Vergütung für die nach dem Vertrag vorgesehenen, aber noch nicht erbrachten Leistungen zu verlangen. Mit Rücksicht auf die rechtlichen Interessen beider Vertragsparteien sollen dem Unternehmer durch die freie Kündigung keine Nachteile, allerdings auch keine Vorteile entstehen. Aus diesem Grund muss er sich auf seinen Vergütungsanspruch für die nicht erbrachten Leistungen die ersparten Aufwendungen und den Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft (Füllaufträge) anrechnen lassen. Zur Erleichterung stellt das Gesetz die Vermutung auf, dass die insoweit reduzierte Vergütung 5 % des nach dem Vertrag für die nicht erbrachten Leistungen vereinbarten Werklohns beträgt, was von beiden Vertragsparteien allerdings widerlegt werden kann.

Im Rahmen der Geltendmachung eines solchen Vergütungsanspruchs kommt es aus naheliegenden Gründen oftmals zu Streit zwischen den Parteien über die Höhe der ersparten bzw. nicht ersparten Aufwendungen des Unternehmers, beginnend damit, ob einzelne Umstände überhaupt ersparte Aufwendungen im gesetzlichen Sinne darstellen bis zur Höhe dieser. Zum Verständnis ist hierbei wichtig, dass der gesetzliche Anspruch auf die „volle vertraglich vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen“ nicht gleichzusetzen ist mit einem betriebswirtschaftlichen Gewinn, weil dieser nicht lediglich projektbezogen berechnet wird. Hingegen stellen etwa allgemeine Geschäftskosten, die projektunabhängig anfallen, keine ersparten Aufwendungen dar.

 

Sachverhalt

Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit den Voraussetzungen ersparter Aufwendungen im gesetzlichen Sinne zu befassen. Dem zugrunde lag ein Detail-Pauschalpreisvertrag gerichtet auf die Ausführung von Abbruch-, Erd-, Spezial-Tiefbau- und Stahlbetonarbeiten gegen einen Pauschalpreis von 1.666.000,00 €. Der Auftraggeber sprach recht frühzeitig eine freie Kündigung aus, der Auftragnehmer verlangte daraufhin einen Werklohn in Höhe von 50.000,00 € für die erbrachten Arbeiten und weitere 213.000,00 € für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen. Die Sache ging letztlich vor Gericht. Dort hat der klagende Auftragnehmer zur Darlegung der ersparten Aufwendungen seine Urkalkulation vorgelegt. Der Auftraggeber hat der Verwertung widersprochen, diese auch inhaltlich bestritten und eingewendet, der Auftragnehmer habe tatsächlich viel mehr erspart, sodass ein Vergütungsanspruch nicht bestehe.

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 27.08.2021 der Klage des Auftragnehmers gerichtet auf Zahlung einer Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen im Wesentlichen stattgegeben. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien seien die Selbstkosten der Teilleistungen und die damit zusammenhängenden Baustellen-Gemeinkosten als ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen. Mit weiteren potentiell ersparten Aufwendungen und etwaigen Füllaufträgen hat sich das Gericht nicht mehr befasst, weil insoweit die Auftraggeberseite darlegungs- und beweisbelastet sei, denn:

Zutreffend habe der Auftraggeber zwar darauf hingewiesen, dass es auf die Urkalkulation des Auftragnehmers rechtlich nicht ankomme, sondern vielmehr die (hypothetisch) tatsächlich ersparten Aufwendungen maßgeblich seien, also wie es sich auf der Baustelle tatsächlich dargestellt hätte. Im Hinblick auf die Beweislastverteilung obliege dem Auftragnehmer allerdings nur eine Erstdarlegung der ersparten Aufwendungen, dem der Auftragnehmer hier aber nachgekommen sei durch Bezugnahme auf die Urkalkulation. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Auftraggebers hätte dieser darauf aufbauend substantiiert Stellung nehmen und alternative Tatsachen beweisen müssen, z.B. höhere ersparte Aufwendungen. Diesbezüglich sei der Auftraggeber beweisfällig geblieben, weshalb der Vergütungsanspruch zuzuerkennen sei.

 

Anmerkung

Die Entscheidung zeigt, dass einer Urkalkulation nicht nur eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine rechtlich erhebliche Bedeutung zukommen kann, selbst wenn es für die Vergütung nach der freien Kündigung auf die tatsächlichen Kosten ankommt. Übrigens gelten diese Gedanken sinngemäß auch für das Nachtragswesen – auch dort kommt es auf die tatsächlichen Kosten an, die im Zweifel zunächst einmal substantiiert dargelegt werden müssen – und zwar seit Einführung des neuen Bauvertragsrechts in jedem Fall beim BGB-Vertrag und angesichts der neuen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil 08.08.2019 VII ZR 34/18) auch beim VOB-Vertrag, der nicht mehr automatisch dem sog. Preisfortschreibungsmodell folgt. Auf den Punkt gebracht: Urkalkulation hilft!

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Der Verbraucherwiderruf im Werk-/Bauvertragsrecht

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Naumburg, Urteil vom 07.10.2021 – 2 U 33/21

Leitsätze

  1. Ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 312c Abs. 1 BGB wird nur dann begründet, wenn die gesamte zu Vertragsschluss führende Kommunikation zwischen den späteren Vertragspartnern ausschließlich unter Verwendung sog. Fernkommunikationsmittel erfolgt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn im Rahmen der Vertragsanbahnung auch ein persönliches Gespräch zwischen einem der Bauherrn und dem Vertreter des Bauunternehmers stattgefunden hat.
  2. Der Begriff eines außerhalb der Geschäftsräume des (Bau-)Unternehmens geschlossenen Vertrags i.S.v. § 312b Abs. 1 BGB ist legaldefiniert unter Bezugnahme auf vier alternative Fallgruppen, so dass für die Begründung eines gesetzlichen Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift die Feststellung des Vorliegens einer konkreten Fallgruppe erforderlich ist.
  3. In der Fallgruppe 1 wird zur Voraussetzung der Begründung des Widerrufsrechts eine besondere Vertragsabschlusssituation erhoben, nämlich die gleichzeitige körperliche Anwesenheit beider Vertragsparteien an diesem Ort bei der Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Erklärung.

 

Problemdarstellung

Seit Einführung des neuen Bauvertragsrechts im Jahr 2018 haben Verbraucher bei Abschluss eines Verbraucherbauvertrags ein Widerrufsrecht, worüber der Bauunternehmer zu belehren hat. Doch auch jenseits davon können Widerrufsrechte bestehen, etwa bei zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossenen Fernabsatzverträgen oder außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossenen Verträgen, deren subjektiver Anwendungsbereich übrigens weiter ist als man meinen könnte: Unternehmer in diesem Sinne sind nämlich jede Art von Unternehmern, also z.B. Handwerker, Architekten, Ingenieure, auch Rechtsanwälte. Verbraucher wiederum sind nicht nur private „Häusle-Bauer“, sondern können auch Bauherren einer Industriehalle sein, die mit Eigenmitteln errichtet und dann vermietet wird.

Liegen die Voraussetzungen dieser besonderen Vertragstypen vor, muss der Unternehmer den Verbraucher über sein 14-tägiges Widerrufsrecht belehren. Macht er das nicht, beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 14 Tage. Dies wiederum kann schwerwiegende Folgen für den Unternehmer haben, sollte in Unkenntnis des Vertragscharakters der Verbraucher nicht belehrt worden sein, aber der Unternehmer bereits geleistet haben und der Verbraucher schließlich sein Widerrufsrecht ausüben: Der Unternehmer ginge dann komplett leer aus! Wegen des Verbraucherschutzes sieht das Gesetz in diesem Fällen keine Vergütung oder Entschädigung des Unternehmers vor.

Mit den Voraussetzungen solcher Verträge hatte sich auch das OLG Naumburg zu befassen.

 

Sachverhalt

Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Rückabwicklung eines Bauvertrages wegen eines Widerrufes geltend. Dem zugrunde liegt ein Bauvorhaben betreffend die Errichtung eines Einfamilienhauses . Im Zuge dessen forderte der klägerische Architekt am 19.03.2019 die Beklagte unter Übersendung eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses zur Abgabe eines Angebotes über KS-Fenster und KS-Fenstertüren für das Bauvorhaben der Kläger auf. Die Beklagte legte ihr Angebot am 30.04.2019, das die Klägerin aber nicht annahm. Im Rahmen intensiver Vertragsverhandlungen passte die Beklagte das Angebot mehrmals an die Wünsche der Kläger an, woraufhin am 26.07.2019 eine gemeinsame Besprechung zwischen Klägern, Beklagter und dem Architekten in den Geschäftsräumen des Architekten stattfand. Im Ergebnis dieses Gespräches fertigte der Architekt eine Endfassung des Bauvertrages  und übersandte diesen der Beklagten, welche die Vertragsurkunde in ihren Geschäftsräumen unterzeichnete und sie dem Architekten zur Gegenzeichnung zurücksandte. Der Kläger zu 2) unterzeichnete den Vertrag dann in den Geschäftsräumen des Architekten. Der Vertrag enthielt keine Widerrufsbelehrung.

Die Beklagte nahm daraufhin ein Aufmaß, bestellte die für die Montage benötigten Profile und Fenster zeigte im August 2020 die Fertigstellung der Bauarbeiten an. Die Kläger leisteten Vorauszahlungen von 39.150,27 Euro.

Mit ihrem Schreiben vom 14.08.2020 erklärten beide Kläger dann gegenüber der Beklagten den Widerruf ihrer Vertragserklärung zum Bauvertrag und forderten die Beklagte zur Rückzahlung der Vorauszahlungen unter Fristsetzung auf. Der schriftliche Widerruf ging der Beklagten am 18.08.2020 zu. Die Beklagte wies den Widerruf zurück und lehnte eine Rückzahlung der Vorauszahlungen ab.

Das Landgericht hat mit seinem am 04.03.2021 verkündeten Urteil der Klage vollständig stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass den Klägern ein gesetzliches Widerrufsrecht zustehe, weil es sich um einen Vertrag handele, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei, es sich mithin um einen sog. Verbrauchervertrag handele. Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Naumburg hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. So sei das Landgericht zu Unrecht vom Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts der Kläger bezüglich des Bauvertrages ausgegangen, weil tatsächlich ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag im gesetzlichen Sinne nicht vorliege und es damit an einem gesetzlichen Widerrufsrecht im Rahmen eines Verbrauchervertrags fehle.

Nach den entsprechenden Vorschriften der §§ 312 ff. BGB würden Verbraucherverträge aus besonderen Vertriebsformen rechtlich privilegiert behandelt, d.h. Verbraucher würden in bestimmten Situationen vor einem unüberlegten Vertragsschluss geschützt, indem ihnen die Möglichkeit des nachträglichen Lösens von einem bereits geschlossenen Vertrag durch die Ausübung eines ihnen gesetzlich verliehenen Widerrufsrechts eröffnet werde. Voraussetzung für diese Privilegierung sei aber nicht allein die Eigenschaft des Vertrags als Verbrauchervertrag, sondern es müsse auch eine privilegierte Vertragsabschlusssituation hinzutreten.

Zwar habe das Landgericht noch zutreffend das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages verneint, weil es hierfür darauf ankomme, dass die gesamte zum Vertragsschluss führende Kommunikation zwischen den späteren Vertragspartnern ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmittel erfolge. Jedoch seien auch die Voraussetzungen eines Vertrages außerhalb von Geschäftsräumen nicht erfüllt. Denn der Begriff „außerhalb der Geschäftsräume‟ sei als ein Ort definiert, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Zusätzlich werde jedoch eine konkrete Vertragsabschlusssituation geschildert, nämlich die gleichzeitige körperliche Anwesenheit beider Vertragspartner an diesem Ort. Die gleichzeitige persönliche Anwesenheit bei der Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Erklärung sei aufgrund dieser Regelung eine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines solchen Vertrages, was normalerweise einen Sicht- und Hörkontakt ohne Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln erfordere. Zweck dieser Regelung sei die Privilegierung des Verbrauchers in Fallkonstellationen, in denen er situationsbedingt überfordert gewesen sein könnte. Genügte für eine besondere Schutzwürdigkeit des Verbrauchers allein der Umstand, dass der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgeschlossen wurde, so ergäbe sich ein umfangreiches, wenig homogenes Anwendungsgebiet. Es seien gerade nicht solche Situationen erfasst, in denen der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers komme, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers lediglich Maße aufzunehmen oder eine Schätzung vorzunehmen und der Vertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder mittels Fernkommunikationsmittel auf der Grundlage der Schätzung des Unternehmers abgeschlossen wird. In diesen Fällen sei nicht davon auszugehen, dass der Vertrag unmittelbar, nachdem der Unternehmer den Verbraucher angesprochen hat, geschlossen worden ist, wenn der Verbraucher Zeit gehabt hatte, vor Vertragsschluss über die Schätzung des Unternehmers nachzudenken.

Nach diesen Maßstäben liege hier kein außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossener Vertrag vor, da zwischen den Prozessparteien unstreitig sei, dass die Beklagte ihre Vertragserklärung in ihren eigenen Geschäftsräumen in Abwesenheit der Kläger abgab und an die Kläger zu Händen von deren Architekten erst übersandte. Die Kläger hätten damit ausreichend Zeit und sogar fachliche Beratung gehabt, um vor der Abgabe der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung über das Angebot der Beklagten nachzudenken. Die Widerrufserklärung der Kläger vom 14.08.2020 sei folgerichtig unwirksam und die Klage abzuweisen.

 

Anmerkung

Zwar hat das Oberlandesgericht hier letztlich zugunsten des Unternehmers entschieden, allerdings zeigt die Entscheidung auch die Gefahren eines Widerrufs für den Unternehmer, dem im Falle eines wirksamen Widerrufs keine Vergütungsansprüche zustünden, hingegen der Besteller aber die Leistungen faktisch unentgeltlich behalten dürfte. Im Zweifel empfiehlt sich daher die Erteilung einer dem Vertrag beigefügten Widerrufsbelehrung und ggf. schlicht das Abwarten des 14-tägigen Widerrufsfrist.

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Honorarrecht: Umbauzuschlag von 0% rechtmäßig – Fiktive Mehrkostenberechnung hingegen nicht – Fristlose Kündigung bei Verhandlungsunwilligkeit

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Celle, Urteil vom 06.10.2021 –  14 U 39/21

 

Leitsätze

  1. Eine schriftliche Vereinbarung, nach der zwischen den Parteien ein Umbauzuschlag von 0% vereinbart worden ist, steht der Fiktion von § 6 Abs. 2 Satz 4 HOAI 2013 nicht entgegen, so dass der Auftragnehmer auch nachträglich keinen weiteren Umbauzuschlag fordern kann.
  2. Mehrkosten aufgrund von Bauzeitverlängerungen sind konkret darzulegen. Schätzungen auf der Basis von Durchschnittswerten sind nicht ausreichend.
  3. Ein wichtiger zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund liegt vor, wenn das Erbringen von vertraglich geschuldeten Leistungen von einer weiteren Vertragsergänzung abhängig gemacht wird.

Problemdarstellung

Große Bauvorhaben bergen nicht selten ein Gros an Stolpersteinen in der Beziehung der Vertragsparteien. In dieser Entscheidung werden Probleme vom Beginn des Vertragsschlusses über Unstimmigkeiten in der Abwicklung bis hin zur Beendigung durch die Kündigung behandelt.

Beginnend bei der Frage, ob das einschlägige Regelwerk – die HOAI – eine Untergrenze für Umbauzuschläge beinhaltet, über die Frage, welche Anforderungen an die Darlegung der Gründe und Kosten einer Bauzeitverlängerung zu stellen sind, wird abschließend die Frage beantwortet, unter welchen Voraussetzungen eine fristlose außerordentliche Kündigung erfolgen kann.

Mithin werden Schwierigkeiten offenbar, die in jedem Status der Vertragsbeziehung selbiges belasten können.

Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte die Klägerin, ein Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung, mit Ingenieursarbeiten an einem Kasernengelände. Die Bauzeit sollte sich von September 2010 bis September 2013 erstrecken. Der Vertrag wies für Teile des Vorhabens einen Umbauzuschlag von 0% aus.

Das Bauvorhaben konnte nicht in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden. Die Klägerin meldete bei der Beklagten Mehraufwand aufgrund der Bauzeitverlängerung an, verlangte einen Nachtrag sowie eine Vertragsanpassung über die Zahlung von monatlichen Mehrkosten und kündigte an, die Arbeiten einzustellen, wenn der Vertragsanpassung nicht nachgekommen würde. Die Beklagte kündigte daraufhin fristlos.

Die Klägerin begehrte die ihr entstandenen Mehraufwendungen aufgrund der Bauzeitverlängerung sowie einen Umbauzuschlag in Höhe von 20%, der pauschal auf alle erbrachten Leistungen aufzuschlagen sei, wie es das Regelwerk HOAI ausweise. Die Beklagte wehrte sich gegen die Mehraufwendungen, die lediglich aus Durchschnittswerten fiktiv berechnet und nicht real dargelegt seien. In Bezug auf den Umbauzuschlag sei die Festsetzung auf 0% möglich.

Die Klägerin hat gegen das der Beklagten Recht gebende erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Sie rügt, ein Umbauzuschlag von 0% sei nicht wirksam vereinbart worden. Die fristlose Kündigung sei unrechtmäßig und ihr stünde ein Mehrvergütungsanspruch zu. Die Gründe und Kosten der Bauzeitverlängerung habe sie unter Beweisantritt dargelegt.

Entscheidung

Das Berufungsgericht hat die Berufung insgesamt für unbegründet gehalten und ausgeführt, die in der HAOI 2009 und HAOI 2013 enthaltene Regelungen legten einen Umbauzuschlag von 20% für die Fälle fest, in denen keine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Hierin manifestiere sich indes keine Untergrenze, die vereinbarungsgemäß nicht unterschritten werden dürfe. Lediglich die Höchstgrenze von 80% müsse eingehalten werden. Eine Vereinbarung hierüber könne auch durch AGB geschehen. Da es sich lediglich um eine zusätzliche Vergütung handele, die freiwillig gezahlt werden könne, nicht aber müsse, könne eine unangemessene Benachteiligung nicht ausgemacht werden. Vorliegend sei die Zuschlagshöhe von 0% also tatsächlich und wirksam vereinbart geworden.

Bezüglich der Mehraufwendungen wegen der Bauzeitverlängerung habe die Klägerin darzulegen und zu beweisen, dass sie nachweislich erforderlich gewesen seien, was ihr nicht gelungen sei. Der tatsächliche Mehraufwand müsse in der Weise dokumentiert werden, dass der Zeitaufwand für das verzögerte Bauvorhaben demjenigen ohne Verzögerung gegenüberzustellen sei. Die Klägerin habe jedoch nur auf Basis von bisherigen Durchschnittswerten eine Berechnung vorgenommen, die eine Fiktion darstelle und nicht den Ansprüchen an eine konkrete Darlegung der Verzögerungen genüge.

Letztlich sei die fristlose Kündigung zulässig gewesen. Das OLG Celle befand, es stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Kooperationsverbot dar, wenn die Weiterführung von Arbeiten an das unbedingte Akzeptieren eines für den Auftraggeber nachteiligen Vorschlages zur Vertragsergänzung geknüpft werden. Der Grundsatz, dass ein Anspruch auf Nachverhandlung bei Mehraufwand bestehe, sei hier auch nicht tangiert. Denn die Beklagte habe grundsätzlich Verhandlungsbereitschaft über eine zusätzliche Vergütung angezeigt. Sie habe lediglich – zurecht – auf die konkrete Darlegung der Art und des Umfangs der Mehraufwendungen bestanden. Dieser Obliegenheit sei die Klägerin nicht nachgekommen.

Anmerkung

Das OLG Celle stärkt mit dieser Entscheidung die Position des Auftraggebers. Für die Gestaltung des Umbauzuschlages ist relevant, dass die Vereinbarung von 0% möglich ist, aber jedenfalls getroffen werden muss. Wenn eine Vereinbarung ausbleibt, greift die Fiktion in Höhe von 20%. Wird der Mehraufwand nicht konkret dargelegt, kann sich der Auftraggeber einseitig und fristlos vom Vertrag lösen. Einer Nachverhandlung sollte der Auftragsteller sich indes nicht kategorisch verschließen, wenn hierfür auf begründete Art und Weise ein Anlass dargelegt wird.

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Unbeauftragte, aber zwingend erforderliche Bauleistungen müssen vergütet werden

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Jena, Urteil v. 25.03.2021 – 8 U 592/20

 

Leitsätze

  1. Ein Anspruch auf Vergütung einer auftragslos erbrachten Leistung setzt voraus, dass ihre Ausführung (technisch) zwingend notwendig war. Lediglich zweckmäßige oder nützliche Zusatzleistungen sind nicht notwendig in diesem Sinne.
  2. Notwendig ist eine Leistung auch dann, wenn der Auftraggeber diese selbst für erforderlich hält, aber eine Anordnung zu ihrer Ausführung unterlässt, um so vermeintlich einer Nachtragsvergütung zu entgehen.
  3. Der mutmaßliche Wille des Auftraggebers beurteilt sich danach, was er bei objektiver Betrachtung vernünftigerweise entschieden hätte. Insoweit muss der Auftragnehmer den Willen des Auftraggebers vor Beginn der Ausführung mit zumutbarem Aufwand erforschen.

Sachverhalt

Die Beklagte (Stadt O.) beauftragte die Klägerin (Bauunternehmer) im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B mit der Errichtung eines Busbahnhofes nebst Parkdeck. Nach Beginn der Arbeiten wurde festgestellt, dass der Baugrund nicht ausreichend tragfähig war. Daraufhin fand eine Baustellenbesprechung statt, anlässlich derer mit der Beklagten eine tiefere Auskofferung der Baugrube abgestimmt wurde. Doch diese Planungsänderung hatte bautechnische Folgen, die den Beteiligten erst später klar wurden: Die Klägerin konnten wegen der größeren, zu überbrückenden Höhen keine Teleskopstützen einbauen, sondern musste Gerüsttürme verwenden. Ferner waren umfangreichere Tiefbauarbeiten erforderlich als ursprünglich geplant, zudem musste eine Schalung sowie eine Sauberkeitsschicht hergestellt werden. Für diese Maßnahmen erteilte die Klägerin einen Nachtrag und forderte zur Zahlung der entsprechenden Zusatzvergütung auf. Die Beklagte verweigerte jedoch eine Bezahlung und wendete ein, die Maßnahmen im Wesentlichen nicht beauftragt zu haben. Aufgrund ausbleibender Zahlungen zeigte die Klägerin zunächst die Behinderung an und kündigte schließlich den Bauvertrag aus wichtigem Grund.

Nachdem Verständigungsversuche erfolglos blieben, hat die Klägerin schließlich Forderungen von insgesamt 425.841,78€ nebst Zinsen, bestehend aus zusätzlichen Vergütungen für die Mehrarbeiten und einer Baubehinderung sowie vorgerichtlichen Anwaltskosten, gerichtlich geltend gemacht. Sie hat hierzu behauptet, was unstreitig zwischen den Parteien war, auf einem gemeinsamen Ortstermin hätten die Parteien einvernehmlich die Auskofferung der nicht tragfähigen Schichten sowie die Herstellung einer Sauberkeitsschicht abgestimmt. Diese Maßnahme habe aber, was die Beklagte angeblich nicht wusste, zwingend auch die Verwendung von Gerüsttürmen nach sich gezogen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat widerklagend Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht, welche die Klägerin wiederum im Hinblick auf die ausstehende Vergütungsforderung verweigert. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Vergütungsansprüche bestünden in Ermangelung einer Beauftragung nicht, außerdem sei die klägerische Kündigung  unberechtigt, sodass der Beklagten entsprechende Ersatzansprüche und gleichzeitig der Klägerin aber keine Ansprüche zustünden.  Das Landgericht hat die Beklagte teilweise verurteilt und insbesondere Vergütungsansprüche der Klägerin für Zusatzarbeiten festgestellt. Die Beklagte hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt.

Entscheidung

Das zuständige Oberlandesgericht Jena hat die Berufung der Beklagten letztlich zurückgewiesen, da seiner Auffassung nach ein Vergütungsanspruch aus § 2 Abs. 8 Nr. 2 S. 2. VOB/B bestehe. Danach stehe dem Auftragnehmer eine Vergütung auch für solche Leistungen zu, die ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausgeführt werden, wenn der Auftraggeber diese nachträglich anerkennt oder sie zur Erfüllung des Vertrages notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und sie diesem unverzüglich angezeigt wurden. Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfordere das Merkmal der Notwendigkeit aber über seinen Wortlaut hinaus, dass ohne die betroffene Zusatzleistung eine mangelhafte Ausführung vorläge. Hiervon erfasst seien allerdings auch solche Leistungen, die der Auftraggeber selbst für erforderlich hält, aber einen entsprechenden Auftrag nicht erteilt, um weiteren Kosten zu entgehen. Lediglich zweckmäßige oder nützliche Leistungen reichten hingegen nicht aus. Im vorliegenden Fall seien die Leistungen hingegen technisch erforderlich und damit notwendig gewesen, zudem entsprächen sie auch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten.

Die Zusatzleistung habe dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen, was jedenfalls dann der Fall sein, wenn eine Leistung, wie gleichfalls hier, technisch notwendig im vorgenannten Sinne sei.

Auch der Anzeigepflicht sei die Klägerin hier nachgekommen. Dies erfordere eine rechtzeitige Information des Auftraggebers nebst Beschreibung der auftragslosen Leistungen nach Art und Umfang, sodass der Auftraggeber die Möglichkeit hat, eine günstigere Alternative zu eruieren. Angaben zur Höhe der Vergütung seien hingegen nicht erforderlich, der Auftragnehmer müsse lediglich deutlich machen, dass es sich nicht um unentgeltliche Leistungen handelt. Dies alles liege hier vor.

Auf Finanzierungsprobleme könne sich die Beklagte nicht berufen. Diese seien zwar bei der Beurteilung des mutmaßlichen Willens zu berücksichtigen, jedoch habe die Beklagte der gewählten Variante jedenfalls grundsätzlich zugestimmt und dabei lediglich die erforderlichen Gerüsttürme nicht in ihre Überlegungen einbezogen. Zudem hätten sich der Klägerin auch keine Anhaltspunkte für etwaige Finanzierungsprobleme aufgedrängt, sodass sie nicht zur Erteilung eines entsprechenden Hinweises verpflichtetet gewesen sei.

Das Verwenden der Gerüsttürme stelle eine Folge der Auskofferung dar, ebenso die Tiefergründung der Schalenabstützung als alternativlose Voraussetzung für die Herstellung des Parkdecks, sodass insgesamt entsprechende Mehrvergütungsansprüche sowie auch Ansprüche aus einer damit zusammenhängenden Baubehinderung bestünden.

Die Beklagte hätte hingegen keine Ansprüche infolge der wirksamen außerordentlichen Kündigung der Klägerin, was insbesondere Mängelansprüche betreffe, zumal der Klägerin insoweit auch ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.

Anmerkung

Das Oberlandesgericht Jena hat schließlich noch klargestellt, dass der Klägerin mit gleicher Begründung auch unabhängig von der VOB Vergütungsansprüche jedenfalls aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag sowie nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zustünden, was in diesem konkreten Fall im Ergebnis zutreffend sein dürfte.

Insofern besteht zwar zutreffenderweise grundsätzlich auch beim BGB-Vertrag ein Anspruch des Unternehmers auf Zusatzvergütung für Leistungen, die nicht beauftragt, aber technisch erforderlich waren. Trotzdem empfiehlt es sich zur Vermeidung jeglichen Risikos immer, die Ausführung im Vorfeld mit dem Auftraggeber idealerweise zumindest in Textform (z.B. per E-Mail) kurz abzustimmen, um hinterher keine bösen Überraschungen zu erleben. Zu berücksichtigen bleibt nämlich, dass jeder Einzelfall anders liegt und selbst bei minimalen Abweichungen einzelner Details die erhofften Ansprüche auf Zusatzvergütung auf einmal ausscheiden können oder andere Gerichte die Rechtslage anders bewerten.

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Was genau meinen die Gerichte mit der substantiierten Darlegung eines Bau- oder Werkmangels?

Jochen ZiliusJochen Zilius

BGH, Urteil vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18

 

Leitsätze

Es genügt dem hinreichend bestimmten Mangelbeseitigungsverlangen und der schlüssigen Darlegung des Mangels im Prozess, wenn die Erscheinungen, die auf vertragswidrige Abweichungen zurückzuführen sind, deutlich beschrieben werden. Die Mangelursachen im Einzelnen sind nicht zu bezeichnen (Symptomtheorie).

Sachverhalt

Die Klägerin (Wohnungseigentümergemeinschaft) begehrt von der Beklagten (Bauträgerin) die Mängelbeseitigung an fünf von der Beklagten errichteten Gebäuden. Gerügt werden u.a. ein falsches Gefälle der Blechabdeckung und ein unzureichender Überstand der Dachrandverblechung. Die Parteien einigten sich schließlich im Wege eines Vergleichs und vereinbarten, dass die Klägerin gegen Zahlung eines Abgeltungsbetrags auf Mängelansprüche verzichtet.

Mittlerweile streiten die Parteien erneut und zwar diesmal über die Reichweite des Vergleichs. Denn die Klägerin macht nun Mängel geltend, die nach Auffassung der Beklagten schon mit dem Vergleich erledigt worden seien. Das angerufene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ausgeführt, die Mängel seien klägerseits schon nicht schlüssig vorgetragen worden. Denn Baumängel seien so konkret zu bezeichnen, dass die Gegenseite weiß und nachvollziehen kann, was von ihr an Abhilfe zu erwarten ist. Der Beschreibung der Mängel fehle es an einem Ort und einem exakten äußeren Erscheinungsbild. Bezüglich des falschen Gefälles der Blechabdeckung müsse vorgetragen werden, welcher Maßstab geschuldet ist, welche konkreten Mangelfolgen sich daraus ergeben und wo sich die Durchfeuchtungen befinden. Bezüglich der Dachrandverblechung fehlten Ausführungen, in welcher Weise diese mangelhaft ist und ob eine Abweichung von der vertraglichen Sollbeschaffenheit vorliegt. Weiterhin enthalte der klägerische Vortrag keine Abgrenzung zu den Mängeln, die von dem Vergleich erfasst sind. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Entscheidung

Die Nichtzulassungsbeschwerde war erfolgreich! Hierzu hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Auslegung des Berufungsgerichtes verstoße gegen das Gebot auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, denn dadurch seien die Substantiierungsanforderungen überspannt und infolgedessen die dargelegten Mängel nicht für ausreichend erachtet worden. Dementgegen müsse der Besteller im Prozess lediglich ein hinreichend bestimmtes Mangelbeseitigungsverhalten sowie den Mangel schlüssig darlegen. Hierzu sei es aber ausreichend, wenn die Mangelerscheinungen, die auf vertragswidrige Abweichungen zurückzuführen sind, deutlich beschrieben werden. Die einzelnen Mangelursachen müssten hingegen nach Maßgabe der Symptomtheorie nicht dargelegt werden. Für den Einwand einer etwaig erfolgten Abgeltung der Mängel durch den Vergleich sei nicht die Klägerin, sondern die Beklagte darlegungspflichtig.

Anmerkung

Schon fast traditionell neigen die Instanzgerichte dazu, die Anforderungen an die Substantiierung eines Vortrags zu überspannen und infolgedessen Beweisaufnahmen nicht durchzuführen; oftmals werden solche Entscheidungen von höheren Instanzen wieder kassiert. Richtig ist aber auch, dass insbesondere die Darlegung von Baumängeln häufig unzureichend erfolgt. Hierzu ist zu vergegenwärtigen, dass die entscheidenden Richter – in aller Regel – die in Rede stehenden Mängel nicht aus unmittelbar eigener Anschauung kennen, sondern nach Aktenlage entscheiden (müssen). Aus diesem Grunde leuchtet es ohne Weiteres ein, dass Mängel oder Mangelsymptome anschaulich und erschöpfend unter genauen Ortsangaben zu beschreiben sind. Negativbeispiele aus der Praxis wie „der Dachanschluss ist undicht‟ , „die PV-Anlage ist defekt‟ oder „die Verfugung außen ist mangelhaft‟ reichen regelmäßig nicht aus, denn hierunter kann sich kein Außenstehender etwas vorstellen, zudem dürfte es auch an der hinreichenden Bestimmtheit einer solchen Mangelrüge fehlen.

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Haftet ein Kanalbauunternehmer für Rückstauschäden bei Straßenanliegern?

Jochen ZiliusJochen Zilius

Problemdarstellung

Führt ein Unternehmer im hoheitlichen Auftrag Kanalsanierungsarbeiten aus, erledigt er damit in der Regel eine Amtspflicht, unabhängig davon, ob er haftungsrechtlich als sog. Verwaltungshelfer der Stadt bzw. der beauftragenden Körperschaft anzusehen ist. Faktisch unterliegt er damit einer Amtshaftung, für die im Zusammenhang mit Rückstauschäden zivilrechtliche Besonderheiten  gelten. Hintergrund ist Folgender: Die Pflicht zur Vorhaltung eines ausreichend dimensionierten Kanalisationssystems gehört zu den drittgerichteten Amtspflichten der Stadt bzw. der den Kanal betreibenden Körperschaft. Der Staat ist also für eine funktionsfähige Kanalisation verantwortlich und auch haftbar. Mit dem Argument, dass viele Kanalisationsleitungen aber bereits in die Jahre gekommen sind, hat die Rechtsprechung – ob dieser Weg von der Rechtsordnung so vorgesehen ist, sei einmal dahingestellt – die Haftung der Gemeinden jedenfalls für solche Rückstauschäden verneint, die sich durch den Einbau einer Rückstausicherung hätten verhindern lassen und der betroffene Anlieger aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Einbau einer Rückstausicherung verpflichtet ist. Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es, die Gemeinden davor zu bewahren, in Ansehung drohender Haftungsfälle das gesamte Kanalnetz sanieren zu müssen.

Bislang ungeklärt war aber die Frage, ob ein Schadensersatz nach dieser Rechtsprechung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Unterdimensionierung oder Verengung des Kanalisationssystems nicht auf die historische Bauweise, sondern auf Ausführungsfehler des Kanalbauunternehmers zurückzuführen ist. Mit diesem Problem befasste sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19.11.2020 – Az. III ZR 134/19.

 

Sachverhalt

Dort hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz für den in ihrem Keller entstandenen Wasserschaden begehrt. Der Keller des Gebäudes liegt zwei Meter unterhalb der Rückstauebene, eine Rückstausicherung ist trotz entsprechender Vorschrift in der zum Errichtungszeitpunkt und auch weiterhin gültigen Gemeindesatzung nicht vorhanden.

Im Jahr 2014 beauftragte der Beklagte zu 2) als zuständiger Wasserwirtschaftsverband die Beklagte zu 1) mit erforderlichen Kanalsanierungsarbeiten. Im Zuge der Ausführung verengten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1) den unterirdischen Mischwasserkanal provisorisch von 50cm auf 20cm, was nicht den Fachregeln entspricht. Als es während der Bauphase es zu starken Regenfällen kam, ereignete sich ein Rückstau in der Abwasserleitung, wodurch der Keller des klägerischen Gebäudes überflutet wurde. Nach ihren Angaben sei dabei ein Schaden von ca. 30.000,00 € entstanden.

Die Klägerin hat vor Gericht die Ansicht vertreten, ein Haftungsausschluss der Beklagten wegen der fehlenden Rückstausicherung komme vorliegend nicht in Betracht. Zunächst sei ein nachträglicher Einbau der Rückstausicherung der Klägerin schon aus Kostengründen nicht zumutbar. Tatsächlich wären die erforderlichen Umbaumaßnahmen verhältnismäßig aufwendig gewesen, was mit der besonderen Bauweise und Entwässerung des Gebäudes zusammenhängt. Davon abgesehen hätte die Rückstausicherung den Schaden auch nicht vermeiden können und schließlich komme der Haftungsausschluss gegenüber den Beklagten auch deswegen nicht in Betracht, weil es sich vorliegend nicht um eine konstruktionsbedingte Unterdimensionierung des Kanalsystems handele, sondern sich gerade ein Ausführungsfehler, also eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) verwirklicht habe, für die sie nach zivilrechtlichen Grundsätzen auch hafte.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat die Klage abgewiesen, dies jedoch in Übergehung der zentralen Rechtsfrage . Die klägerseits hiergegen durchgeführte Berufung blieb erfolglos, wobei das Oberlandesgericht Hamm den Haftungsausschluss auch für Ausführungsfehler angenommen hat. Da diese Frage zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten in Deutschland umstrittenen ist, hat das Gericht die Revision zugelassen.

 

Entscheidung

In letzter Instanz hat der Bundesgerichtshof unter Zurückweisung der klägerischen Revision die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung stünden der Klägerin unabhängig von einer Pflichtverletzung der Beklagten keine Ansprüche zu, weil der Wasserschaden nicht vom Schutzzweck der Pflicht zur Vorhaltung einer funktionierenden und ausreichend dimensionierten Kanalisation erfasst sei. So sei ein Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zu verneinen vor dem Hintergrund, dass jeder Grundstückseigentümer in der betroffenen Stadt dazu verpflichtet sei, sich vor Abwasserrückstauungen bis zur Rückstauebene zu schützen. Beruhe ein Schaden – wie hier – auf einer fehlenden Rückstausicherung, so hafte weder der Hoheitsträger noch der von ihm beauftragte Bauunternehmer. Die Zumutbarkeit des Einbaus einer Rückstausicherung sei jedenfalls dann unerheblich, wenn der Bauherr – wie hier – bei der Errichtung eines Objekts bewusst das Risiko eines Schadens eingegangen ist. Kanalbetreiber und von diesem beauftragte Tiefbauunternehmer dürften sich auch darauf verlassen, dass die Anschlussnehmer ihren Sicherungspflichten aus der Satzung nachkommen. Die Klägerin hingegen habe nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen dürfen, vor Rückstauschäden bewahrt zu bleiben, die durch die üblichen Sicherungsvorrichtungen hätten verhindert werden können.  Ob der Rückstau durch eine nicht ausreichend dimensionierte Kanalisation oder auf eine zu starke Verengung aufgrund der Arbeiten an der Kanalisation entstanden ist, sei unerheblich. Schließlich komme es auch nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) als Verwaltungshelferin anzusehen sei und damit dem Haftungsregime einer Amtshaftung unterliege oder nicht, weil sie jedenfalls durch Ausführung der Kanalsanierungsmaßnahmen faktisch eine Amtspflicht erledigt habe, sodass die Grundsätze aus der Amtshaftung auch ihr gegenüber zu beachten seien.

Rechtlich handelt es sich bei dieser Entscheidung allerdings um einen speziell im öffentlichen Kanalsanierungsgeschäft angesiedelten Exoten und ist auf keinen Fall übertragbar. Im Grundsatz also haftet auch weiterhin der im städtischen Auftrag tätige Unternehmer oder, soweit die Haftung übergegangen ist, der Hoheitsträger für Schäden an Rechtsgütern Dritter. Dies ist auch grundsätzlich zu begrüßen, denn potentielle „Dritte‟ sind wir alle.

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