Endgültiger K.O. für die Bürgschaft auf erstes Anfordern

BGH, Urteil vom 24.5.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 210/06

Leitsatz
In allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers ist eine Regelung unwirksam, die einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vorsieht, der entweder gegen Bürgschaft auf erstes Anfordern ausbezahlt wird, oder der auf Verlangen des Auftragnehmers auf ein Sperrkonto eingezahlt wird.

Sachverhalt
Der Auftraggeber verwendet sinngemäß eine Klausel, die gegenüber dem früher Üblichen schon deutlich entschärft ist:

Als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche werden 5% der Nettoabrechnungssumme für die Dauer des Gewährleistungszeitraums einbehalten.

Der Sicherheitseinbehalt ist ablösbar durch Bürgschaft auf erstes Anfordern in gleicher Höhe.

Der Auftragnehmer hat das Recht, die Einzahlung des Einbehalts auf ein Sperrkonto zu verlagen (vgl. § 17 Nr. 3 VOB/B).

Entscheidung
Die Klausel ist unwirksam!

Die Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen. Zwar kann er, wenn er die Einzahlung auf ein Sperrkonto verlangt, den Betrag gegen die Insolvenz des Auftraggebers absichern und auch Zinsen erhalten. Es ist aber benachteiligend, dass er den Betrag nur ablösen und sich Liquidität verschaffen kann, indem er eine „gefährliche“ Bürgschaft auf erstes Anfordern stellt. Diese birgt die Gefahr, dass die Liquidität alsbald durch „erstes Anfordern“ wieder abgezogen wird und bis zur Klärung der Angelegenheit abgezogen bleibt.

Anmerkung
Das Ergebnis war nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH vielleicht zu ahnen, aber nicht sicher vorherzusagen. Denn bisher hatte der BGH zur Begründung seiner Entscheidungen darauf verwiesen, es sei unzumutbar, den Auftragnehmer mit dem Insolvenzrisiko zu belasten und den Betrag unverzinst zu lassen. So liegt es, wenn der Auftragnehmer nur die Wahl zwischen Einbehalt (=AG hat das Geld) oder Bürgschaft auf erstes Anfordern (=AG bekommt jederzeit das Geld) hat.

Durch das Sperrkonto lässt sich dieses Problem umgehen. Aber das reicht dem BGH jetzt nicht mehr. Er hat erkannt, wie wichtig es für den AN sein kann, den Einbehalt dauerhaft liquide an sich zu ziehen – gegen eine normale selbstschuldnerische Bürgschaft ohne die Möglichkeit, Geld auf „erstes Anfordern“ zu erhalten. Mit einer solchen normalen Bürgschaft ist dem berechtigten Sicherungsinteresse des AG vollauf genügt, so der BGH.

Die Moral von der Geschicht´: Wer als Auftraggeber in seinen Bedingungen heute noch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern verlangt, ist selbst schuld. Er verliert das Recht auf jede Sicherheitsleistung. Das ist es nicht wert — weg damit!

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Mindestschallschutz adé !?

BGH, Urteil vom 14.6.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 45/06

Leitsatz
1. Vertragliche Aussagen wie „optimaler Schallschutz“ oder „Mindestanforderungen werden überschritten“ dürfen nicht mißachtet werden, weil das Maß des geschuldeten Schallschutzes nicht bestimmt werden könne. Es muss durch Auslegung ermittelt werden, was die Aussagen bedeuten.

2. Ohne konkrete Aussagen muss der gesamte Vertrag ausgelegt werden. Wird sonst ein üblicher Qualitäts- und Komfortmaßstab geschuldet, muss sich auch der Schallschutz daran ausrichten. Mit der Einhaltung der Mindestschallschutzmaße nach DIN 4109 erreicht man heute nicht mehr einen üblichen Komfortmaßstab.

3. Können bei einwandfreier Bauausführung gemäß Baubeschreibung und anerkannten Regeln der Technik höhere Schallschutzwerte erreicht werden, sind diese jedenfalls geschuldet und nicht nur DIN 4109.

Sachverhalt
Der Erwerber lässt eine Doppelhaushälfte errichten. Im Vertrag wird unter anderem ein optimaler Schallschutz und eine Ausführung verprochen, die den Mindestschallschutz übertrifft.

Die Parteien streiten jetzt darüber, ob der geschuldete Schallschutz erreicht ist.

Das OLG Hamm weist die Klage der Bauherren ab: Dem Vertrag könne man nicht entnehmen, welche konkreten Werte oberhalb des Mindestschallschutzes geschuldet seien.

Entscheidung
Der BGH folgt dem nicht.

Zunächst einmal geht es um die Auslegung des konkreten Vertrages. Zwar passen viele Sachverständige — aus ihrer Sicht als Ingenieure verständlich — wenn sie schwammige Aussagen aus dem Vertrag oder der Baubeschreibung übersetzen sollen. Sie sagen dann „Es stehen keine Werte drin, also kann ich nicht messen.“ Der BGH macht klar, dass es Aufgabe des Gerichts ist, den Vertrag auszulegen und dem Sachverständigen eine technische Meßlatte vorzugeben, nach denen er bewerten kann, ob die Anforderungen erfüllt sind oder nicht.

Außerdem wiederholt er seine Aussage, dass zumindest ein erhöhter Schallschutz geschuldet ist, wenn die Baubeschreibung und die Pläne bei einwandfreier Durchführung ein solches Maß ergeben würden. Der Bauunternehmer kann also nicht „Fehler bis an die Unterkante Mindestschallschutz“ machen, ohne dass dies Folgen hätte. Der Erwerber darf sich außerdem darauf verlassen, dass — wo die Baubeschreibung schweigt — der Bauunternehmer eine dem Schallschutz zuträgliche Bauweise wählt, wenn der Mehraufwand gering ist.

Und zuletzt noch: Wenn ordentliche oder hochwertige Objekte geplant werden, kann die Baubeschreibung sogar schweigen. Der Schallschutz muss sich dem sonstigen Niveau dann anpassen. Und das geht in aller Regel nicht mit den Mindestwerten, sondern eher mit Schallschutzstufen II und III nach der VDI-Richtlinie 4100.

Anmerkung
Eine Fülle von Aussagen zum Schallschutz — ein Bereich, wo sich Sachverständige außerhalb der bekannten Mindestschallschutzwerte ausgesprochen schwertun.

Jetzt dürfte der Bann gebrochen sein. Man kann nur jedem Bauunternehmer raten, von sich aus — ohne große Anpreisungen – erhöhten Schallschutz zu planen und ausführen zu lassen. Und sich das von den Subunternehmern und Planern auch zusichern zu lassen.

Besonders Schlaue werden nun in ihre Verträge ausdrücklich „DIN 4109 ohne Beiblatt 2“ hineinschreiben. Ich sehe am Horizont aber ganz klar das „Aus!“ für solche Verschleierungen. Denn der Kunde erwartet von der Einhaltung einer DIN guten Standard, während sich alle einig sind, dass die Mindestschallschutzvorgaben ganz schön laut sind. Wüssten die Leute, was sie da erwartet, sie würden es nicht kaufen… Wer also weiterhin Mindestschallschutz anbieten und nur das schulden möchte, wird in Kürze so formulieren müssen:

„Der Schallschutz wird lediglich als Mindestschallschutz nach DIN 4109 geschuldet. Diese Norm regelt die Mindestanforderungen zur Vermeidung unerträglicher Belästigungen und gesundheitlicher Schäden. Komfortansprüche werden damit nicht erfüllt.“

Viel Spaß beim Verkaufen!

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Abrechnung eines gekündigten Projektsteuerungsauftrages

BGH, Urteil vom 25.1.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 112/06

Leitsatz
1. Der Projektsteuerungsvertrag nach dem AHO/DVP-Standardleistungsmodell ist als Werkvertrag einzuordnen. 2. Auf Projektsteuerungsverträge findet § 8 HOAI keine Anwendung. 3. Die Abrechnung erfolgt nach den üblichen Regeln für gekündigte Werkverträge.

Sachverhalt
Ein Projektsteuerer hatte die Betreuung eines Bauvorhabens zum Pauschalpreis von 230.000 Euro übernommen, und zwar nach Maßgabe der Leistungs- und Honorarordnung AHO (Entwurf). Nachdem das Projekt nicht durchgeführt wird, rechnet der Projektsteuerer den Vertrag als gekündigten Werkvertrag gemäß § 649 BGB ab, also den restlichen Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen.
Entscheidung
Erst beim Bundesgerichtshof bekommt der Projektsteuerer Recht.

Es handelt sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag, wenn man die Leistungsbilder der AHO zugrundelegt. Zwar erwähnt § 31 HOAI den Projektsteuerungsvertrag, jedoch findet die HOAI, auch § 8 HOAI, keine Anwendung auf diesen. Es muss daher nicht im eigentlichen Sinne prüfbar abgerechnet werden.

Nachvollziehbar und schlüssig muss die Abrechnung — wie immer – aber schon sein. Das richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften im BGB, hier § 649 BGB. Der Projektsteuerer wird den Werklohn für die gekündigten Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen erhalten.

Anmerkung
Der bloße Name Projektsteuerungsvertrag besagt für den rechtlichen Charakter noch nichts. Wichtig ist aber die Klarstellung des BGH, dass das Leistungsbild der AHO als erfolgsbezogen angesehen wird und ein solcher Projektsteuerungsvertrag daher ein Werkvertrag ist. Für die Kündigung ist das sehr wichtig, denn so kommt man zur Anwendung des (auftragnehmerfreundlichen) § 649 BGB. Wäre es ein Dienstleistungsvertrag, könnte der Projektsteuerer u.U. überhaupt kein Honorar für die gekündigten Leistungen verlangen, wenn es sich um höhere Dienste handelt, die ein Vertrauensverhältnis voraussetzen (§ 627 BGB).

Dass die HOAI den Projektsteuerungsvertrag gar nicht regeln darf, wissen wir schon seit einigen Jahren. Der § 31 HOAI ist nichtig. Auch die anderen Regeln der HOAI gelten daher nicht. Der Projektsteuerer muss daher aufpassen, dass er die Verjährung seiner Forderung nicht versehentlich ab dem Datum der Schlussrechnung berechnet (§ 8 HOAI), denn das gilt für ihn nicht. Die Forderung beginnt untechnisch gesprochen schon mit der Kündigung zu verjähren, auch wenn es noch keine Rechnung gibt.

Für die Abrechnung nach § 649 BGB gibt es mittlerweile eine ausgefeilte Rechtsprechung aus den 90´er Jahren, die es dem Projektsteuerer bei ordentlicher anwaltlicher Begleitung ermöglichen sollte, seine Leistungen richtig abzurechnen und auch durchzusetzen.

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Architektenhonorar

BGH, Urteil vom 23.11.2006 — Aktenzeichen: VII ZR 110/05

Leitsatz
Ingenieurleistungen zur Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) sind jedenfalls nicht als „zwingend mitbeauftragt“ zu honorieren, wenn der schriftlichen Vertrag einen Auftrag nur für die Leistungsphasen 2 und 3 vorsieht.
Sachverhalt
Ein Ingenieur erhält einen Auftrag über Tragwerksplanung, Leistungsphasen 2 und 3. Nachdem es zum Streit und zur Kündigung kommt, rechnet der Ingenieur über die Leistungsphasen 1-3 ab. Landgericht und Oberlandesgericht geben ihm recht, denn in der Ausklammerung der Leistungsphase 1 liege eine verdeckte Unterschreitung der Mindestsätze nach der HOAI. Ohnehin seien die Phasen 2 und 3 ohne Grundlagenermittlung nicht zu erbringen.

Entscheidung
Anders der BGH. Der schriftliche Vertrag zeigt eindeutig, dass nur die Leistungsphasen 2 und 3 vom Auftrag umfasst sein sollen. Die HOAI regelt nicht, in welchem Umfang ein Vertrag abgeschlossen ist. Der Umstand, dass eine Leistung tatsächlich erbracht wird, bedeutet noch keinen Anspruch auf vertragliche Vergütung, auch dann nicht, wenn sie als Vorarbeit zu den vertraglich beauftragten Leistungen zwingend erforderlich ist.

Eine Mindestsatzunterschreitung liegt nur dann vor, wenn das Honorar für die vertraglich vereinbarten Leistungen (!) unterhalb der Mindestsätze liegt.

Daher ist das Urteil aufzuheben und der Fall vom OLG Naumburg neu zu entscheiden.

Anmerkung
Mit diesem Urteil leitet der BGH die Rückbesinnung auf die Regeln des BGB ein. Das Urteil bedeutet nicht, dass es hier keine Vergütung für die Leistungsphase 1 geben kann, wie man schon in einigen Anmerkungen liest. Die Frage muss jedoch rechtlich sauber geprüft werden.

Der schriftliche Vertrag schließt eine asudrückliche Vereinbarung der LP 1 aus. Zu prüfen ist jetzt:

— ob sich die Parteien vor dem Vertrag, eventuell durch schlüssiges Verhalten, auf einen Auftrag zur Grundlagenermittlung geeinigt hatten (dann Vergütung nach Mindestsätzen)

— ob die Leistung zwingend erforderlich war, um die vertragliche Leistung zu erbringen, und ob daher bei Verwertung der Tragwerksplanung ein Anspruch aus „Bereicherungsrecht“ entsteht (dann im Ergebnis Vergütung nach Mindestsätzen)

— ob der Architekt / Ingenieur die Grundlagen im Vorfeld aus Akquisegründen ermittelt hatte und diese Leistungen nach der schriftlichen Einigung im Vertrag eben ausdrücklich unvergütet bleiben sollten.

Im Ergebnis weicht die erforderliche Prüfung jetzt nicht mehr entscheidend ab von dem Parallelfall, dass ein Bauunternehmer Leistungen bezahlt haben will, für die ein Auftrag bestritten ist.

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Der Architekt als Rechtsanwalt – wo sind die Grenzen?

OLG Stuttgart, Urteil vom 12.10.2006 — Aktenzeichen: 5 U 111/06

Leitsatz
1. Der Architekt braucht den Bauherrn über schwierige genehmigungsrelevante Rechtsfragen nicht zu beraten und muss diese auch nicht klären.

2. Er muss aber den Bauherrn auf die Problematik hinweisen und die Einschaltung eines Rechtskundigen empfehlen.

Sachverhalt
Der Architekt plant eine Tierfutter-Produktionsanlage. Er beantragt und erhält dafür eine Baugenehmigung. Die Anlage wird dann aber stillgelegt, als sich Nachbarn gegen die Anlage wenden: es stellt sich heraus, dass die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung fehlt. Diese schließt dann die Baugenehmigung mit ein, eine bloße Baugenehmigung dagegen nutzt nichts und durfte von der Verwaltung im übrigen nicht erteilt werden.

Der Bauherr verlangt von Architekten Schadensersatz für den Produktionsausfall.

Entscheidung
Die Klage wird abgewiesen.

Der Architekt müsse zwar gute Kenntnisse des Genehmigungsrechts haben. Aber die Klärung wirklich schwieriger Fragen kann von ihm nicht verlangt werden. Wenn die Genehmigungslage rechtlich schwierig ist, muss er nur den Bauherrn hierauf hinweisen, damit dieser zusätzlich Rechtsrat einholen kann. Dieser Hinweis war hier ausnahmsweise überflüssig, weil der Bauherr sich bestens auskannte und schon vor Beauftragung des Architekten mit der Immissionsbehörde selbst intensiv verhandelt hatte.

Glück gehabt! kann man da nur sagen. Denn oft sind die Anforderungen an Architekten hoch. Allein die Tatsache, dass eine Verwaltungsbehörde die Baugenehmigung erteilt, reicht bei späterer Aufhebung zum Beispiel noch nicht aus, um den Architekten zu entschuldigen. Die Grenzen der verlangten Rechtskenntnis sind noch nicht abschließend abgesteckt. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung davon absieht, von Architekten auch auf diesem Feld noch Vollprofitum zu verlangen.

Problembewusstsein allerdings wird man von ihm durchaus verlangen, so dass er zwar keine Lösung bringen, aber die Frage aufwerfen müsste.

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Keine Streitverkündung an Gerichtssachverständigen

BGH, Urteil vom 27.7.2006 — Aktenzeichen: VII ZB 16/06

Leitsatz
Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig.

Die Streitverkündungsschrift ist nicht zuzustellen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn, die Beklagten wenden Mängel ein. Zwei Sachverständige erstellen Gutachten im Auftrag des Landgerichts. Die Beklagten — zu deren Ungunsten die Gutachten ausfallen — behaupten, diese seien teilweise grob fahrlässig unrichtig. Sie haben beiden Sachvertändigen den Streit verkündet und machen geltend, bei einer rechtskräftigen Entscheidung auf Basis der Gutachten stünden ihnen Schadensersatzansprüche nach § 839a BGB gegen die Sachverständigen zu.

Das Landgericht lehnt die Zustellung der Streitverkündungsschrift ab. Dagegen gehen die Beklagten mit sofortiger Beschwerde beim Oberlandesgericht und dann mit der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof vor.

Entscheidung
Ohne Erfolg. Der BGH führt aus, die Streitverkündung sei unzulässig, eine Zustellung dürfe nicht erfolgen. Formal stützt er sich auf das Argument, der Streit könne nach § 72 ZPO nur „Dritten“ verkündet werden. Der Sachverständige sei ebensowenig „Dritter“ wie das Gericht, sondern als dessen Helfer am Prozess beteiligt. — Der tiefere Grund liegt darin, dass der Sachverständige durch eine solche Streitverkündung unter Druck gesetzt werden soll. Er kann aber auch nicht ohne weiteres — wie sonst ein Streitverkündeter – dem Prozess beitreten, weil er dann eine Seite unterstützt und natürlich als befangen ausgetauscht werden muss. Entweder das oder der Wunsch, der Sachverständige möge aus Angst seine Meinung modifizieren, ist denn auch fast immer Triebfeder dieser versuchten Streitverkündungen.

Mit Recht hat der BGH dieser Unsitte jetzt einen klaren Riegel vorgeschoben und die Position des gerichtlichen Sachverständigen gestärkt. — Denn sinnvolle Ziele lassen sich mit einer solchen Streitverkündung nicht erreichen, so dass dem BGH zuzustimmen ist, wenn er ausführt, dass solche Versuche fast immer rechtsmißbräuchlich sind.

Aus rechtlicher Sicht eher neu ist, dass die Zulässigkeit hier ausnahmsweise schon bei Eingang der Streitverkündungsschrift vom Gericht geprüft werden muss, weil es eben Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des laufenden Prozesses hat. Üblicherweise werden dieses Fragen sonst erst geprüft, wenn es zu einem Folgeprozess gegen den Streitverkündeten kommt.

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Falsche Fundamenttiefe – keine Nachbesserung wegen übermäßigen Aufwands

OLG Hamm, Urteil vom 12.1.2006 — Aktenzeichen: Az. 21 U 82/05
Wird die vereinbarte Fundamenttiefe unterschritten, kommt unter bestimmten Umständen nur eine Minderung statt des Rechts auf Nachbesserung in Betracht. So liegt es, wenn von die geringere Fundamenttiefe technisch gleichwertig ist und dem Auftragnehmer kein grobes Verschulden vorzuwerfen ist.

Problem / Sachverhalt
Der Besteller hatte mit dem Bauunternehmer eine Fundamenttiefe für die Halle von 1,20 m vereinbart; Anlaß waren die Ergebnisse eines Baugrundgutachtens. Der für den Auftragnehmer tätige Statiker kam bei seinen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass eine Fundamenttiefe von 1,00 m ausreichend sei. So baute der Unternehmer, ohne allerdings den Besteller einzubeziehen. Im Werklohnprozess wurde u.a. die mangelnde Fundamenttiefe eingewandt. Die Nachbesserungskosten lägen bei rund 20.000 Euro.

Entscheidung
Das OLG Hamm spricht nur eine Minderung in Höhe der ersparten Aufwendungen von rund 2000 Euro zu. Ein Mangel liege vor — Zwar nicht in technischer Hinsicht, denn der Sachverständige hatte keine Bedenken gegen die Fundamenttiefe von 1,00 m . Aber als Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung. Auch wenn der Besteller grundsätzlich Anspruch auf Ausführung seiner Bestellung hat, liegt hier ein übermäßiger Aufwand vor, der den Unternehmer zur Verweigerung der Mangelbeseitigung berechtige. Denn der Unternehmer hatte die Tiefe nicht willkürlich gewählt, sondern aufgrund der gegenüber den Prognosen des Bodengutachters besseren Bodenbeschaffenheit nach Rücksprache mit dem Statiker. Wenn er dabei die vertragliche Vorgabe vergessen habe, sei das ein Fehler, aber kein grobes Verschulden. Denn immerhin spreche auch der Vertrag davon, dass die Fundamenttiefe durch ein erneutes Gutachten ggf. überprüft werden sollte. Daraus kann man schließen, dass der Bauherr die Tiefe von 1,20 m nicht als Wert an sich gewollt habe, sondern abhängig von der Notwendigkeit.

Praxishinweis
Mit der sorgfältigen Begründung ist das Urteil gut vertretbar. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Messlatte höher gelegt, was den Ausschluss des Nachbesserungsrechts angeht. Wenn wirklich Mängel in der Funktion bestehen, gibt es regelmäßig kein Pardon für den Unternehmer, auch wenn es sehr teuer wird. Im vorliegenden Fall spricht manches dafür, dass die Parteien die Gründungstiefe ohnehin unter den Vorbehalt „soweit erforderlich“ stellen wollten. Das macht es dem Gericht leichter, den Unternehmer am Vertragstext nur bezüglich der ersparten Kosten für Beton und Schalung festzuhalten, aber keine Nachbesserung aufzuerlegen.

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Wann ist eine AGB-Klausel „zur mehrfachen Verwendung“ vorformuliert?

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

BGH, Urteil vom 24.11.2005 — Aktenzeichen: VII ZR 87/04

Wer eine Klausel nur ein einziges Mal einsetzen will, dafür aber ein Muster verwendet, das ein Dritter für eine Vielzahl von Verträgen entworfen hat, verwendet Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Problem/Sachverhalt
Der Bauherr beauftragt eine Ingenieurgesellschaft mit der Ausschreibung von Rohrleitungen zur Trinkwasserversorgung. In den „Vorbemerkungen / Baustelleneinrichtung“ finden sich Regelungen, wonach der Auftragnehmer Dusch-, Wasch- und WC-Container für die Bewohner aufzustellen, fremden Bauschutt zu entsorgen und für alle Gewerke eine Baustromversorgung aufrechtzuerhalten habe. Dies soll er in die Einheitspreise einkalkulieren. Der Bieter übersieht dies zunächst bei Angebotsabgabe; er weist dann in einem Schreiben auf seinen Irrtum hin, erhält aber vom Bauherrn trotzdem den Zuschlag, weil er der günstigste war. Die Parteien streiten mittlerweile um Schadensersatz, weil der Bieter sich geweigert hat, den Auftrag auszuführen.

Entscheidung
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Bauherr dürfe Schadensersatz verlangen. Der BGH kann die Sache nicht selbst entscheiden, weist aber auf Fehler hin und schickt den Fall zurück an das Berufungsgericht.

Grundsätzlich ist der Bieter an sein Angebot gebunden. Allerdings liegt in der Weigerung, die Leistungen lt. Vorbemerkungen kostenlos auszuführen, nur dann ein Vertragsbruch, wenn der Vertrag mit dieser Regelung zustande gekommen ist. Hier kommt jetzt die Frage nach AGB ins Spiel. Denn gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann man sich deutlich besser verteidigen als gegen eine individuell vereinbarte Regelung.

Das Berufungsgericht hatte gemeint: Weil der Bauherr die Bedingungen nur einmal habe verwenden wollen, seien es keine AGB. Anders der BGH: Weil die Ingenieure (wohl) ständig mit solchen Vorbemerkungen arbeiteten, liegen AGB zum mehrfachen Gebrauch vor. Sie verlieren diesen Charakter nicht dadurch, dass sich ein Bauherr nur in einem Einzelfall dieser Klauseln bedient. Sie sind trotzdem vorformuliert „für eine Vielzahl von Verträgen“ (§ 305 BGB).

Der Bieter hat jetzt bei Fortsetzung des Prozesses bessere Chancen, z.B. einzuwenden, die Klausel sei im Kleingedruckten nicht zulässig, weil eine Überraschungsklausel vorliege.

Praxishinweis
Der BGH stellt einen wichtigen Grundsatz des AGB-Rechts nochmals klar. Das war besonders wichtig, weil in einer Entscheidung vom 13.09.2001 (Baurecht 2001, Seite 1895) ein anderer Eindruck aufkommen konnte. Daher gilt z.B. auch weiterhin, dass Formularverträge der Kontrolle auf Angemessenheit unterliegen, auch wenn sie von dem einen Vertragspartner nur für einen einzigen Fall benutzt werden. Beispielsweise ein Musterkaufvertrag vom ADAC, ein Mustermietvertrag vom Haus- und Grundbesitzerverein oder ein vorgedruckter VOB/B-Bauvertrag aus dem Buchhandel oder vom Architekten.

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Schon Vorschlag einer Schlussrechnung löst Verjährungsfrist aus

KG, Urteil vom 18.3.2004 — Aktenzeichen: 27 U 207/03 (BGH Beschluss vom 09.06.2005 : Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Eine Honorarschlussrechnung löst die Fälligkeit aus, auch wenn sie im Begleitschreiben als „Abrechnungsvorschlag“ bezeichnet wird. Mit dem Zugang beginnt die Verjährungsfrist.

Problem/Sachverhalt
Nach Ende von Architektentätigkeiten übersenden die Architekten dem Auftraggeber (AG) am 04.08.1997 ihre „Schlussrechnung“ über 1,6 Mio. DM. In einem Begleitschreiben teilten sie dem AG mit, sie würden diesen Abrechnungsvorschlag vorab zur Kenntnisnahme übersenden und sich dann telefonisch melden. Im Oktober 1998 lehnt der AG das Kompromissangebot ab und bietet maximal 800 TDM. Im Dezember 2001 klagen die Architekten das Honorar von 1,6 Mio. DM ein. Der Auftraggeber wendet Verjährung ein, die Architekten sind der Meinung, eine fälligkeitsbegründende Schlussrechnung liege noch gar nicht vor, sondern nur ein Entwurf.

Entscheidung
Die Klage wird in zwei Instanzen wegen Verjährung abgewiesen. Der BGH beanstandet dies nicht. Mit dem Begleitschreiben, so das Kammergericht Berlin, sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Honorardiskussion zu führen bereit sei, nicht aber, dass die Architekten von einer noch fehlerhaften Rechnung ausgingen.

In der Rechnung vom 04.08.1997 ist demnach eine abschließende Erklärung zu sehen, welche Vergütungsansprüche die Architekten selbst für berechtigt hielten. Es handele sich daher um eine Schlussrechnung nach § 8 Absatz 1 HOAI. Die Verjährung habe nach § 196 Nr.7 BGB alter Fassung am 31.12.1999 geendet.

Praxishinweis
Bitter für die Architekten, aber im konkreten Fall wohl zutreffend. Die eigentliche Crux lag sicherlich woanders: Die Architekten hatten schlicht nicht erkannt, dass auch bei gewerblichen Auftraggebern nach altem Recht die Verjährungsfrist für Architektenleistungen nicht vier Jahre betrug (das galt z.B. für die Leistungen von Bauhandwerkern), sondern immer nur zwei Jahre.

Als der Prozess im Jahr 2001 anfing, hatten sich mit Sicherheit auch die Architekten noch auf ihre Rechnung aus dem Jahr 1997 gestützt – die Frage, ob es sich eigentlich nur um einen „Vorentwurf“ der Rechnung handelte, war vermutlich ein verzweifelter Reparaturversuch.

Trotz des Urteils kann man Entwürfe zur Diskussion schicken, wenn man hinreichend klar macht, dass es sich nicht um eine Rechnung handelt (also „Entwurf einer späteren Schlussrechnung“, „Diskussionsgrundlage für die spätere Abrechnung“). Im Zweifelsfall sollte man aber die Finger von solchen Proberechnungen lassen oder vorsorglich den möglichen Verjährungsbeginn beachten.

Die Verjährung für Honorarforderungen beträgt jetzt im Normalfall drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem die Rechnung gestellt wird. Das gilt aber nur für Verträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind, ansonsten bleibt es für die Altfälle bei zwei Jahren.

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Architektenleistungen keine Bauleistungen nach § 48 Abs.1 EStG

BGH, Urteil vom 7.7.2005 — Aktenzeichen: VII ZR 430/02

Planungs- und Bauaufsichtsleistungen von Architekten und Ingenieure gehören nicht zu den Bauleistungen im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 EStG

Problem/Sachverhalt
Ein Ingenieur macht Honorar geltend für seine Planungsleistungen zur Erschließung von Baugrundstücken. Dem BGH stellt sich die Frage, ob dieses Honorar nur in Höhe von 85% zur Auszahlung verlangt werden kann, weil der Auftraggeber 15% als Bauquellensteuer an das Finanzamt abzuführen hat.

Entscheidung
Der BGH verneint die Frage. Zwar ist der Auftraggeber Unternehmer (für private Auftraggeber gilt § 48 Abs.1 EStG nicht). Jedoch handelt es sich nicht um eine Bauleistung im Sinne der Vorschrift. Diese ist definiert durch eine „Leistung, die zur Herstellung [eines Bauwerks] dient“. Auch wenn der Wortlaut eine Erfassung der Ingenieurleistungen abdecken würde, folgt der BGH diesem Weg nicht.

Denn die Vorschriften seien „branchenscharf“ eingeführt worden, um die illegale Betätigung im Baugewerbe einzudämmen. Die zu bekämpfenden Probleme ergeben sich bei der Bauausführung, nicht bei Planung um Bauleitung. Nach Sinn und Zweck gehörten also die typischen Architekten- und Ingenieuraufgaben nicht zur Zielgruppe.

Praxishinweis
Die Entscheidung überrascht nicht, sondern entspricht den bisherigen Stimmen in der Literatur und den Weisungen der Finanzverwaltung. Dennoch ist es begrüßenswert, dass die Frage nun abschließend geklärt ist.

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