Funktionale Baubeschreibung – Was ist geschuldet?

OLG Celle, Urteil vom 14.7.2005 — Aktenzeichen: 14 U 217/04

In Bauverträgen bleibt es nicht selten dem Werkunternehmer überlassen, die Details der Ausführung festzulegen. Dies gilt insbesondere bei funktionalen Leistungsbeschreibungen. Dies kann für den Werkunternehmer gefährlich sein.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer schuldete einem öffentlichen Auftraggeber den Bau einer Brücke. Im Leistungsverzeichnis wurde vereinbart, dass der Stahlüberbau „entsprechend den statischen und konstruktiven Erfordernissen nach Zeichnung“ unter Verwendung zweier bestimmter, unterschiedlich teurer Stahlsorten erfolgen solle. Als Einheitspreis pro Tonne Stahl setzte der Auftragnehmer – nachdem er in die ungeprüfte Statik Einblick nahm – einen Betrag von rund 3.000 DM ein, ohne allerdings zwischen den Stahlarten zu differenzieren. Der Auftragnehmer hatte die Vorstellung, bei dem Stahlüberbau ganz überwiegend den preiswerten Stahl verwenden zu können. Ein Trugschluss, wie sich später zeigte. Nachdem der Auftragnehmer den Zuschlag erhalten hatte, wurde deutlich, dass ganz überwiegend der teure Stahl zu verwenden war. Die Mehrkosten machte der Auftragnehmer unter Hinweis auf die einbezogene VOB/B klageweise geltend.

Durch beide Instanzen ohne Erfolg.

Entscheidung
Die Klage wurde abgewiesen, weil eine zusätzliche, vom Vertrag nicht erfasste Leistung nicht vorlag, was aber nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B erforderlich ist. Die Gerichte haben gemeint, der Stahlüberbau sei hinreichend konkret beschrieben; geschuldet sei ein Überbau „entsprechen der statischen und konstruktiven Erfordernisse“ und damit dasjenige Verhältnis der beiden Stahlsorten, das konstruktionstechnisch erforderlich ist. Etwaige Unsicherheiten bei der Ausschreibung, die einer sicheren Kalkulation entgegen stünden, habe – so das OLG – ein Auftragnehmer vor Vertragsschluss zu klären.

Praxishinweis
Die Vereinbarung, eine Leistung „entsprechend statischer und konstruktiver Erfordernisse“ zu erbringen, erweist sich in der Baupraxis nicht selten als gefährlich. Denn vielfach sind erst während eines Bauvorhabens die Anforderungen klar, z.B. weil erst später die maßgebliche Statik vorliegt. Schließt ein Auftragnehmer einen Vertrag, ohne eine umfassende eigene Prüfung des geschuldeten Bausolls vorzunehmen, geschieht dies dann auf eigenes Risiko. Insbesondere darf sich der Auftragnehmer im Falle einer solchen funktionalen Beschreibung nicht auf Mengen- und Massenangaben in Plänen verlassen.

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§ 648a-BGB-Sicherheit nach Abnahme

OLG Köln, Urteil vom 5.7.2005 — Aktenzeichen: 24 U 44/05

Verlangt der Bauhandwerker nach der Abnahme Sicherheit nach § 648a BGB und wird diese nicht erbracht, besteht für den Handwerker ein Leistungsverweigerungsrecht. Dies hindert den Auftraggeber allerdings nicht, Mängel selbst zu beseitigen und dann Kostenerstattung zu verlangen. So sieht es jedenfalls das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung.

Sachverhalt
Nach Fertigstellung und Abnahme legt der Handwerker Schlussrechnung. Der Auftraggeber verweigert unter Hinweis auf Mängel die Bezahlung und beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht. Der Handwerker bietet ausdrücklich Nachbesserung an, macht diese allerdings vor der Absicherung durch eine § 648a-BGB-Sicherheit abhängig. Dies sieht der Auftraggeber nicht ein und lässt nach Ablauf der gesetzten Mängelbeseitigungsfrist die Mängel durch Fremdfirmen beseitigen. Die Kosten dafür verrechnet er mit dem offenen Werklohn. Der Handwerker klagt auf Zahlung der ungekürzten Vergütung und meint, er habe Anspruch auf den vollen Werklohn und die Nachbesserung im Hinblick auf die nicht erbrachte Sicherheit verweigern dürfen.

Dies sah das OLG Köln anders.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Köln ist der restliche Werklohnanspruch um die dem Auftraggeber entstandenen Kosten der Mängelbeseitigung zu kürzen. Es sei unangemessen, wenn ein Handwerker trotz mangelhafter Leistung den vollen Werklohn erhalte.

Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Köln ist falsch. Offenbar hat sich das OLG von „Gerechtigkeitserwägungen“ leiten lassen, ohne die aktuelle BGH-Rechtsprechung und das Gesetz in den Blick zu nehmen. Wann und unter welchen Voraussetzungen Werklohn zu zahlen ist, sagt das Gesetz. Auf die „Angemessenheit“ kommt es dabei nicht an. Das OLG hat übersehen (wollen), dass der Handwerker ein Leistungsverweigerungsrecht hatte, er brauchte also nicht nachzubessern. Damit lagen die Voraussetzungen, unter denen ein Auftraggeber zur Selbstvornahme schreiten darf, nicht vor. Die Auffassung des OLG Köln bedeutet letztlich ein Leerlaufen der Regelungen über die Bauhandwerkersicherung.

Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof bei Gelegenheit klarstellend eingreift.

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Bedeutung der Garantie im Werkvertragsrecht

OLG Hamm, Urteil vom 15.6.2005 — Aktenzeichen: 12 U 112/04

Verjährungsfrist und Garantiefrist sind nicht gleichzusetzen; insbesondere wird die Verjährungsfrist durch eine vom Auftragnehmer übernommene Garantie nicht verlängert.

Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte die Beklagte, eine Regalanlage zur Lagerung schwergewichtiger Formen zu erstellen, zu liefern und zu montieren. Dazu hatte die Beklagte ein formularmäßiges Erläuterungsblatt übergeben, in dem sie drei Jahre Garantie auf ihre Lagersysteme gewährt. Montiert und abgenommen wurde das Regal Ende 1999. Wenige Wochen später am 10.2.2000 stürzte das Regal ein. Die darin gelagerten Formen wurden zerstört. Den Schaden von rund 50.000 € machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend. Deren Haftpflichtversicherung wies die Ansprüche unter dem 19.7.2000 endgültig zurück. Erst zwei Jahre später – aber noch innerhalb von drei Jahren – klagte die Auftraggeberin auf Ersatz ihres Schadens. Die Beklagte wandte Verjährung ein. Mit Erfolg.

Entscheidung
Die Klage wurde abgewiesen. Nach Auffassung des 12. Zivilsenats des OLG Hamm war die Schadensersatzforderung bei Klageerhebung bereits verjährt. Die werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche unterlagen – so das OLG – nach § 638 BGB a.F. der sechsmonatigen Verjährungsfrist.

Diese sechsmonatige Frist sei nicht durch die von der Beklagten übernommenen Garantie verlängert worden. Dabei stützt sich der Senat auf die BGH-Rechtsprechung, wonach die Vereinbarung einer Garantiefrist die Länge der Verjährungsfrist nicht berühre; die Garantie habe regelmäßig die Bedeutung, dass alle während der Garantiefrist auftretenden Mängel Gewährleistungsansprüche auslösen können und die Verjährungsfrist erst mit der Entdeckung des Mangels beginne. Die Verlängerung der Verjährungsfrist mit der Folge, dass der Anspruchsinhaber bei einem bereits zum Beginn der Garantiefrist erkannten Mangel gleichwohl mit der gerichtlichen Geltendmachung bis zum Ablauf der Garantiefrist warten könne, sei nicht interessengerecht und daher abzulehnen (BGH, BauR 1979, 427, 431). Der Klägerin helfe – so das OLG – auch nicht der Hinweis, dass es sich bei der Garantieerklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele, die „kundenfreundlich“ auszulegen sei. Denn im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung sei eine „Mehrdeutigkeit“ der Formulierung zu verneinen. Im Übrigen erfordere § 5 AGBG (heute § 305 c BGB) keine Gleichsetzung von Garantiefrist und Verjährungsfrist.

Praxishinweis
Der Durchschnittskunde am Bau setzt Garantiefrist und Gewährleistungsfrist häufig gleich. Er vertraut darauf, erkannte Mängel innerhalb des Garantiezeitraums geltend machen und dabei die Garantiefrist auch ausschöpfen zu können. Dies ist – wie dieser Fall zeigt – gefährlich; denn es wird nicht bedacht, dass nach der Rechtsprechung eine Garantie lediglich den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns hinausschiebt. Sobald ein Mangel erkannt ist, läuft die „normale“ Verjährungsfrist. Im obigen Fall hätte die Klägerin also innerhalb von 6 Monaten nach Kenntnis vom Mangel verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen müssen.

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Darf der Bauherr eine Gewährleistungsbürgschaft noch verwenden, wenn die zugrunde liegenden Gewährleistungsansprüche verjährt sind?

Problem
Bauherr und Bauunternehmer schließen einen VOB/B-Bauvertrag. Nach Abnahme stellt der Bauunternehmer zur Ablösung des vereinbarten Gewährleistungseinbehalts von 5 % der Auftragssumme eine Gewährleistungsbürgschaft zur Verfügung. Kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist rügt der Bauherr (zu Recht) Mängel. Der Bauunternehmer reagiert nicht und hofft, sich über die Gewährleistungsfrist zu retten. In der Tat unternimmt der Bauherr nichts. Nach Ablauf der Gewährleistungszeit verlangt der Bauunternehmer unter Hinweis auf die eingetretene Verjährung der Mängelansprüche Rückgabe der Bürgschaft.

Zu Recht?

Ergebnis
Der Bauherr muss die Bürgschaft nicht herausgeben. Vielmehr ist er zur Verwertung der Bürgschaft berechtigt. Denn nach § 17 Nr. 8 VOB/B ist eine nicht verwertete Sicherheit nach Ablauf der Gewährleistungszeit nur dann zurückzugeben, wenn keine Ansprüche des Bauherrn mehr offen stehen. Andernfalls kann der Bauherr die Sicherheit (ggf. einen entsprechenden Teil hiervor) zurückhalten. Es kommt also nicht darauf an, dass der Bauherr „verjährungsunterbrechende“ Maßnahmen veranlasst.

Der Hintergrund ist klar: Die Bürgschaft dient zur Absicherung der nicht fristgerechten Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen und soll den Auftraggeber davor bewahren, ggf. kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist noch schnell seine Ansprüche gerichtlich einfordern zu müssen.

Entscheidend ist aber, dass die Mängel vor Ablauf der Verjährung, also in unverjährter Zeit konkret gerügt worden sind. Nachträgliche Mängelrügen helfen nicht.

Dies ist für den VOB-Vertrag so vom Bundesgerichtshof entschieden worden (BGH, BauR 1993, 335) und wurde jüngst vom OLG Köln (Urteil vom 13.10.2004, 11 U 184/03 aufgegriffen.

Praxishinweis
Bei einem VOB-Vertrag kommt es also entscheidend darauf an, dass Mängel in unverjährter Zeit gerügt werden. Dieses Beseitigungsverlangen muss aber hinreichend konkret sein. Eine unsubstantiierte Mängelrüge oder gar eine bloße prozessuale Streitverkündung reichen nicht (vgl. OLG Oldenburg, BauR 2004, 1464). Wenn der Auftraggeber die Mängel noch rechtzeitig gerügt und der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung vorgenommen hat, beginnt mit der Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 3 VOB/B eine neue Verjährungsfrist, aber nur für Mängel dieser Leistungen.

Fraglich ist allerdings, was gilt, wenn die Parteien die VOB/B nicht (wirksam) in den Vertrag einbezogen haben, also ein „normaler“ BGB-Vertrag geschlossen ist. Nach früherem Recht (§§ 478, 639 Abs. 1 BGB a.F.) reichte – wie bei einem VOB-Vertrag – die Mängelrüge in nicht verjährter Zeit. Ob die zu jenen Regelungen ergangene Rechtsprechung auf die neue Rechtslage übertragen werden kann, ist zweifelhaft und höchstrichterlich noch nicht entschieden. Im Zweifel sollten Auftraggeber die Verjährung durch geeignete Maßnahmen hemmen, um nicht Gefahr zu laufen, Gewährleistungsansprüche zu verlieren und die Bürgschaft zurück geben zu müssen.

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Auftraggeber und Auftragnehmer schließen einen VOB-Vertrag

BGH, Urteil vom 24.2.2005 — Aktenzeichen: VII ZR 141/03

Sachverhalt
Auftraggeber und Auftragnehmer schließen einen VOB-Vertrag. Es geht um Rohbauarbeiten für ein Krankenhaus. Dem Werkunternehmer werden einzelne Schalungs-, Bewehrungs- sowie Architektenpläne nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Dadurch verlängert sich die Bauzeit. Der Werkunternehmer verlangt Ersatz zusätzlicher Kosten. Geltend gemacht werden zusätzliche Arbeitsstunden, Kosten für Schalung und Gerätevorhaltung, Löhne etc. in Höhe von knapp 1 Mio. €.

Die Klage hat keinen Erfolg, und zwar deshalb, weil der Auftragnehmer Ansprüche nicht hinreichend darlegen konnte.

Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat im Zusammenhang mit Bauablaufstörungen Folgendes festgehalten:

  • Verlangt der Auftragnehmer Ersatz von Behinderungsschäden, reicht es grundsätzlich nicht aus, nur eine oder mehrere Pflichtverletzungen (z.B. wie hier Planlieferverzug) vorzutragen. Darüber hinaus muss dargetan und bewiesen werden, welche Behinderung mit welcher Dauer und mit welchem Ausmaß daraus verursacht wurde. Gibt es mehrere Pflichtverletzungen, muss der Auftragnehmer dies jeweils für den Einzelfall vortragen.
  • Eine Klage aus § 6 Nr. 6 VOB/B erfordert eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung. Dem Auftragnehmer ist im Behinderungsfall die Erstellung einer aussagekräftigen Dokumentation zumutbar.
  • Für die sog. haftungsbegründende Kausalität – also der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Behinderungsschaden – muss der Auftragnehmer den Vollbeweis führen. Nur für die sog. haftungsausfüllende Kausalität – Ursachenzusammenhang zwischen Behinderung und Folgen – besteht die Möglichkeit der Schätzung nach § 287 ZPO.

Praxishinweis
Oft gibt es Bauablaufstörungen, weil Auftraggeber Pläne nicht rechtzeitig vorlegen. Der Weg zum Ersatzanspruch des Auftragnehmers ist allerdings weit und voller Hindernisse. Ohne baubegleitende Dokumentation über den jeweiligen Planlieferverzug und die sich daraus ergebenden Behinderungsfolgen ist ein Werkunternehmer nachträglich häufig nicht mehr in der Lage, den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Behinderung schlüssig darzulegen. Dies erfordert bei komplexen Bauvorhaben ein spezielles „Behinderungsmanagement“.

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Bauträger errichtet eine Wohnungseigentumsanlage

OLG Hamm, Urteil vom 10.2.2005 — Aktenzeichen: 21 U 94/04

Der Fall
Der Bauträger errichtet eine Wohnungseigentumsanlage. In der Baubeschreibung ist folgende Klausel enthalten:

„Von der Leistungsbeschreibung abweichende Ausführungen bleiben vorbehalten, sofern damit technische Verbesserungen verbunden und/oder der Gesamtwert des Objekts nicht wesentlich beeinträchtigt werden.“

Nach der Baubeschreibung schuldete der Bauträger die Ausführung der Fassade in mineralischem Kratzputz. Ausgeführt wird allerdings ein Kunstharz-Silikonputz. Dies wollen die Wohnungseigentümer nicht hinnehmen. Sie verlangen den Austausch des Kunstharzputzes gegen den vorgesehenen mineralischen Fassadenputz. Der Bauträger lehnt dies unter Hinweis auf die obige Klausel ab; der Gesamtwert des Objekts sei nicht beeinträchtigt.

Die Klage der Eigentümer auf Vorschuss hatte erst beim OLG Erfolg.

Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm gab den Eigentümern Recht. Ein Mangel wurde bejaht. Die Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit sei auch nicht durch die oben genannte Klausel gerechtfertigt. Denn diese verstoße gegen § 10 Nr. 4 AGB-Gesetz (heute § 308 Nr. 4 BGB). Indem die Klausel auf den Gesamtwert abstelle, würde sie nämlich dazu führen, dass ein Einzelgewerk erheblich in Qualität oder Quantität reduziert oder ein kleineres Gewerk, dessen Volumen nur einen geringen Prozentsatz des Gesamtbauwertes ausmacht, sogar ganz weggelassen werden könnte. An einer so weit gehenden Abänderungsbefugnis bestehe kein schutzwürdiges Interesse des Bauträgers.

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Aufklärungspflichten von Ärzten über Nebenwirkungen

VI. Zivilsenats, Urteil vom 15.3.2005 — Aktenzeichen: VI ZR 289/03

Zum Fall
Die Klägerin war wegen Menstruationsbeschwerden in ärztlicher Behandlung. Im November 1994 verschrieb die Gynäkologin der damals 29jährigen Klägerin das Antikonzeptionsmittel „Cyclosa“, eine Pille der sog. dritten Generation. Die Klägerin – eine Raucherin – nahm die Pille seit Ende 1994 ein. Im Februar 1995 erlitt sie aufgrund von Wechselwirkungen zwischen dem Medikament und dem über das Rauchen zugeführte Nikotin einen Hirninfarkt.

Nach der Packungsbeilage bestand bei Raucherinnen ein erhöhtes Risiko, an den teilweise schwerwiegenden Folgen einer Gefäßveränderung (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall) zu erkranken. Frauen, die älter als 30 Jahre waren, sollten während der Einnahme nicht rauchen.

Die Klägerin verlangt von ihrer Gynäkologin Schadensersatz, weil sie über die drohenden (schwerwiegenden) Folgen des Rauchens nicht aufgeklärt worden sei.

Das Berufungsgericht hatte im Rechtlichen eine „hypothetische Einwilligung der Klägerin“ angenommen und einen Schadensersatzanspruch verneint. Dies wollte der Bundesgerichtshof nicht mitmachen. Auf die Revision der Klägerin wurde die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat gemeint, die Ärztin sei verpflichtet gewesen, die Patientin über die mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren. Unter den hier gegebenen Umständen reiche der Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht aus. In Anbetracht der möglichen schweren Folgen, die sich für die Lebensführung der Klägerin bei Einnahme des Medikaments ergeben konnten und auch später verwirklicht haben, habe auch die Ärztin darüber aufklären müssen, dass das Medikament in Verbindung mit dem Rauchen das erhebliche Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls in sich barg. Nur dann hätte die Klägerin als Patientin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und sich entweder dafür entscheiden können, das Medikament einzunehmen und das Rauchen einzustellen, oder wenn sie sich als Raucherin nicht in der Lage sah, das Rauchen aufzugeben, auf die Einnahme des Medikaments aufgrund des Risikos zu verzichten.

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Fehler von Ausführungsplänen

Zum Fall
Die Klägerin errichtet an ihrem Haus einen Anbau mit begehbaren Flachdach. Die Genehmigungsplanung übernahm ein Architekt. Die Kosten für eine Ausführungsplanung und Überwachung der Bauarbeiten dagegen wollte sich die Klägerin sparen.

Die Entwässerung des Flachdachs misslang. Die Dachdecker verstießen in mehrfacher und eklatanter Hinsicht gegen anerkannte Regeln der Technik, so dass es im Anbau zu massiven Feuchteschäden kam.

Ihren Schaden wollte die Klägerin verständlicherweise von den Dachdeckern ersetzt erhalten. Sie klagte. Zu ihrer Überraschung gab das Landgericht der Schadensersatzklage nur teilweise statt. Dem lag Folgendes zugrunde:

Als einen Grund für die Feuchteschäden sah der eingeschaltete Sachverständige das Fehlen von Ausführungsplänen. Solche Detailpläne hätten es den Handwerkern gestattet, die neural-gischen Punkte einer Flachdachentwässerung mit –abdichtung sicher in den Griff zu bekommen. Dass dies nicht gelang, habe sich die Klägerin jedenfalls teilweise selbst zuzuschreiben, da sie aus Kostengründen auf die Erstellung einer Ausführungsplanung verzichtet habe. Hierin sah das Landgericht ein Mitverschulden, was zur Kürzung des Anspruchs um 1/3 führte.

Diese Einschätzung teilte das OLG Hamm und wies die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung als unbegründet zurück. Urteil des 23. Zivilsenats vom 20.1.2005 (23 U 16/04)

Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung bricht die Rechtsprechung gewissermaßen mit dem Grundsatz, dass ein Handwerker selbst für das ihm übertragene Gewerk einzustehen hat und insbesondere wissen muss, auf welche Weise er den versprochenen Erfolg sicherstellt. Ein Bauherr läuft künftig Gefahr, dass ein schlecht arbeitender Werkunternehmer einwendet, sein Ergebnis wäre besser gewesen, wenn der Bauherr für eine vernünftige Fachplanung gesorgt hätte.

Aber nicht alle Gerichte entscheiden so streng wie der 23. Senat in der oben genannten Entscheidung. So hat das OLG Celle im Urteil vom 21.10.2004 (14 U 26/04, BauR 2005, 397) ausgeführt:

„Ein Handwerker, der das ihm übertragene Gewerk in Kenntnis dessen übernimmt, dass es eine Fachplanung des Bauherrn oder seiner Architekten nicht gibt, kann sich im Fall einer mangelhaften Ausführung der Werkleistung nicht auf ein Mitverschulden wegen fehlender Planung berufen. Ein Hinweis auf Bedenken gegen die beabsichtigte Bauausführung ist an den Bauherrn selbst zu richten, wenn sich dessen Architekt – sei er auch rechtsgeschäftlich bevollmächtigte – den Bedenken verschließt.“

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Fristsetzung mit Kündigungsandrohung

OLG Hamm, Urteil vom 11.1.2005 — Aktenzeichen: 24 U 61/04

Zum Fall
Der Kläger beauftragte den beklagten Maler mit Wärmedämmarbeiten. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Die durchgeführten Arbeiten waren unstreitig mangelhaft. Mit diversen anwaltlichen Schreiben wurde der Beklagte unter Fristsetzung und unter Androhung der Auftragsentziehung zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Der Beklagte reagierte zunächst nicht. So setzte der Kläger mit Schreiben vom 14.8.2003 ein letzte Nachfrist bis zum 10.9.2003. Die Kündigung wurde angedroht. Die Nachfrist verstrich.

Im Rahmen eines Ortstermins verständigten sich die Parteien einige Tage später auf eine Durchführung der Nachbesserung unter Aufsicht eines Privatsachverständigen. Gleichwohl entzog der Kläger dem Beklagten kurze Zeit später unter Hinweis auf die bereits verstrichene Nachfrist den Auftrag, ließ die Mängel durch ein Drittunternehmen vornehmen und verlangte mit der Klage die Ersatzvornahmekosten vom Beklagten ersetzt.

Die Entscheidung
Erst in der Berufungsinstanz wurde die Klage abgewiesen. Der 24. Zivilsenat des OLG Hamm entschied, dass der Kläger nicht berechtigt war, den Auftrag zu entziehen, nachdem er sich auf den Beklagten wieder eingelassen habe.

Anerkanntermaßen sei eine Auftragsentziehung (Kündigung) nicht mehr möglich, wenn der Auftraggeber sich zwischen Setzung der Nachfrist und der Kündigungserklärung in einer Weise mit dem Auftraggeber eingelassen habe, aus der bei objektiver Betrachtung nicht mehr auf einen ernsthaften Kündigungswillen geschlossen werden könne; in einem solchen Fall setze die Kündigung eine erneute Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung voraus.

Davon sei hier auszugehen, nachdem die Parteien eine (gemeinsame) Nachbesserung unter Aufsicht eines Privatsachverständigen abgestimmt hätten. Dadurch sei objektiv gesehen der Eindruck erweckt worden, als sei die angedrohte Kündigung nach § 8 Nr. 3, 4, Nr. 7 VOB/B hinfällig geworden.

Die Auftragsentziehung aus wichtigem Grund wäre nach alledem nur nach Setzung einer neuen Nachfrist mit Kündigungsandrohung möglich gewesen. Da eine solche Nachfrist nicht gesetzt worden sei, sei die Klage auf Zahlung der Ersatzvornahmekosten unbegründet.

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Neues zum groben Behandlungsfehler

BGH, Urteil vom 27.4.2004 — Aktenzeichen: VI ZR 34/03

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.4.2004 (VI ZR 34/03) klargestellt: Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, führt grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dafür reiche – so der BGH –, dass der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder gar wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden nicht. Entsprechendes gelte auch für die Beweislast bei Befunderhebungsfehlern.

Sachverhalt
Nach einem Motorradunfall wurde der Kläger ins beklagte Krankenhaus eingeliefert. Dort wurden einige Frakturen an Rippen und Wirbelkörpern diagnostiziert. Nicht bemerkt wurde eine Beckenringfraktur. Zunächst wurde Bettruhe verordnet, einige Tage später wurde der Kläger mobilisiert. Wenig später verspürte der Kläger Schmerzen beim Gehen. Röntgenaufnahmen wurden nicht veranlasst; die Beckenringfraktur blieb weiterhin unentdeckt. Die behandelnden Ärzte verschrieben bei weiterer Mobilisierung auch jetzt keine Unterarmgehstützen. Nach Entlassung des Klägers begab sich dieser bei persistierenden Schmerzen anderweitig in ärztliche Behandlung. Eine dort veranlasste Beckenübersichtsaufnahme zeigte den Beckenringbruch. Der Bruch war mit einer Verschiebung zusammengewachsen; diagnostiziert wurde eine Pseudoarthrose.

Der Kläger klagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Es sei behandlungsfehlerhaft gewesen, dass die Beckenringfraktur nicht schon im Krankenhaus erkannt worden sei. Die festgestellte Pseudoarthrose (neben weiteren Beschwerden) sei darauf zurückzuführen. Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg; das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass es in der Verantwortung des Tatrichters im Einzelfall liege, über die Zubilligung von Beweiserleichterungen sowie über deren Umfang und Qualität zu entscheiden. Darin stimmt der Bundesgerichtshof indes nicht zu und hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass es im Falle eines groben Behandlungsfehlers (ein solcher muss natürlich vorliegen) nicht um abgestufte Beweiserleichterungen gehe, sondern um die Umkehr der Beweislast. Es gibt keinen „Ermessensspielraum“ des Richters. Die Verlagerung der Beweislast bei einem groben Behandlungsfehler sei nur dann ausgeschlossen, wenn angesichts der geringen Schadensneigung des Fehlers der Ursachenzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und Schaden gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich sei. Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbei zu führen, führt zu einer Umkehr der Beweislast für den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dafür reiche – so der BGH – die Eignung des Fehlers, den Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen müsse der Fehler den Schaden nicht.

Der Bundesgerichtshof hat weiter ausgeführt, dass diese Grundsätze entsprechend für den Nachweis des Kausalzusammenhangs bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gelten, wenn – wie in dem Fall – zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde. Ist das Verkennen des gravierenden Befundes oder die Nichtreaktion auf ihn generell geeignet, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbei zu führen, tritt nach Einschätzung des BGH – wenn nicht ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden äußerst unwahrscheinlich ist – grundsätzlich eine Beweislastumkehr ein. In einem derartigen Fall führt nämlich bereits das nicht grob fehlerhafte Unterlassen der gebotenen Befunderhebung wie ein groberes Kausalverlaufs. Es verhindert die Entdeckung des wahrscheinlich gravierenden Befundes und eine entsprechende Reaktion darauf mit der Folge, dass hierdurch das Spektrum der für die Schädigung des Patienten in Betracht kommenden Ursachen besonders verbreitert oder verschoben wird.

Genau dies galt nach Ansicht des BGH in dem zu entscheidenden Fall. Die Befunde waren nicht erhoben. Der (einfache) Befunderhebungsfehler hat die gebotene und zur Vermeidung des eingetretenen Schadens geeignete Reaktion auf die Beckenringfraktur verhindert. Die Aufklärung des hypothetischen weiteren Krankheitsverlaufs war erschwert.

Praxishinweis
So sehr die Entscheidung auch aus Patientensicht zu begrüßen ist, ist nicht zu verkennen, dass dem Tatrichter Spielräume bleiben bei der Frage, ob ein Behandlungsfehler letztlich als grob fehlerhaft zu bewerten ist. An dieser Stelle entscheidet sich also häufig der Prozess. Nach wie vor sind Gerichte und insbesondere Sachverständige mit der Bewertung eines Fehlers als grob fehlerhaft sehr zurückhaltend.

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