Grenzen der Bedenkenhinweispflicht

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 28.11.2006 — Aktenzeichen: 24 U 8/06

Ein Bauunternehmer haftet grundsätzlich auch dann, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist und die Mangelursache im Verantwortungsbereich des Auftraggebers oder eines Vorunternehmers liegt. Denn einen Bauunternehmer treffen Prüfungs- und Anzeigenpflichten. Dies folgt beim VOB/B-Vertrag aus § 4 Nr. 3 VOB/B und beim BGB-Vertrag aus Treu und Glauben. Hat der Bauunternehmer keine Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Brauchbarkeit der vom Bauherrn zur Verfügung gestellten Baustoffe oder gegen die Leistungen anderer Bauunternehmer unverzüglich (beim VOB/B-Vertrag schriftlich) mitgeteilt, haftet er, obschon die Mängel letztlich nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen.

Streit besteht dabei häufig über die Grenzen dieser Bedenkenhinweispflicht. Damit hatte sich auch das OLG Hamm zu befassen.

Leitsatz
1. Der Umfang der Prüfungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist, ob der Auftraggeber selber sachkundig ist oder durch fachkundige Personen vertreten wird. 2. Ergeben die Vertragsunterlagen, dass der Auftraggeber bereits eine fachkundige Prüfung hat durchführen lassen, muss der Auftragnehmer ohne gegenteilige Anhaltspunkte („ins Auge springende Mängel‟) nicht noch einmal prüfen. 3. Werden in einem Leistungsverzeichnis, welches keine Lücken oder Unklarheiten aufweist, Produkte eines bestimmten Herstellers vorgeben, spricht dies dafür, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung ist.

Sachverhalt
Die klagende Sparkasse verlangt vom beklagten Maler Schadensersatz wegen mangelhafter Beschichtungsarbeiten in ihrer Tiefgarage. Im Jahre 2001 ließ sich die Sparkasse im Zuge der Sanierung der Tiefgarage von einem Hersteller solcher Beschichtungen beraten. Der Hersteller schlug ein bestimmtes Produkt vor, welches sodann von der Sparkasse, vertreten durch ihren angestellten Architekten, ausgeschrieben wurde. Der Maler beteiligte sich an der Ausschreibung, gab ein Angebot ab und erhielt den Zuschlag. Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung meldete der Maler nicht an. Im Anschluss wurden die Arbeiten ausgeführt. Später kam es zu Bläschenbildung in der Beschichtung. Es stellte sich heraus, dass die Beschichtung nicht diffusionsoffen war. Dies führte dazu, dass Feuchtigkeit durch den Boden — dieser war als weiße Wanne konzipiert — hindurch diffundierte und die Beschichtung stellenweise nach oben drückte. Es bildeten sich mit Wasser gefüllte Bläschen.

Die Sparkasse stellte sich auf den Standpunkt, die vom Maler verwandte Beschichtung sei für die Tiefgarage ungeeignet gewesen, sie verklagte den Maler auf Zahlung von rund 180.000 €.

Das Landgericht gab der Klage statt mit der Begründung, der Maler hätte das ausgeschriebene Material als Fachmann prüfen und Bedenken mitteilen müssen.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Malers hatte Erfolg. Das OLG Hamm hat die Klage letztlich abgewiesen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat einen Anspruch der Sparkasse auf Schadensersatz aus § 13 Nr. 7 VOB/B verneint. Der Haftung des Malers stehe § 13 Nr. 3 VOB/B entgegen. Danach sei der Auftragnehmer frei von der Gewährleistung für einen Mangel, der auf die Leistungsbeschreibung oder auf einem vorgeschriebenen Stoff zurückzuführen sei, außer wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung über die zu befürchtenden Mängel unterlassen habe.

Und diese Mitteilung sei — so das OLG Hamm — hier nicht erforderlich gewesen. Der Maler habe darauf vertrauen dürfen, dass das ausgeschriebene Material geeignet gewesen sei. Immerhin sei die Sparkasse hier selber sachkundig bzw. durch fachkundige Personen vertreten gewesen. Der Maler habe davon ausgehen dürfen, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung sei. Dafür habe bei objektiver Betrachtung schon die Tatsache gesprochen, dass Produkte eines bestimmten Herstellers vorgegeben waren. Überdies habe das Leistungsverzeichnis keine Lücken oder Unklarheiten enthalten. Es gab — so der Senat — keinen Grund für Beanstandungen. Dass die Sparkasse keinen Sachverständigen im Zuge der Sanierung eingeschaltet habe — dies sei nach Auffassung der Sachverständigen üblich gewesen — könne nicht zu Lasten des Malers gehen. Etwaige Mängel des Instandsetzungskonzepts seien für den Maler auch nicht erkennbar gewesen; der Maler habe nicht erkennen müssen, dass die ausgeschriebene wasserlösliche Grundierung ungeeignet und das Konzept damit untauglich war. Aus baupraktischer Sicht sei es Sache der Planung, die Diffusionsproblematik zu klären; es sei dem ausführenden Unternehmen nicht zuzumuten, komplizierte Erwägungen anzustellen oder Prüfungen durchzuführen, die über das Maß hinaus gehen, das die einschlägigen technischen Bestimmungen vorsehen. Das Wissen um Diffusionsvorgänge gehöre nicht zum Grundwissen eines ausführenden Unternehmers.

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Zahlung auf eine geprüfte Schlussrechnung ist kein Anerkenntnis

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.1.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 165/05

Leitsatz
Allein die Zahlung des Werklohns auf eine geprüfte Rechnung rechtfertigt nicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Landschaftsgärtners. Er verlangt von der beklagten Auftraggeberin restlichen Werklohn für Außenanlagen mehrerer Einfamilienhäuser. Diese Restforderung ist nicht streitig. Die Beklagte verteidigt sich damit, dass Bodenaushub und dessen Abtransport in der bereits vollständig bezahlten Schlussrechnung doppelt in Ansatz gebracht worden sei. Dadurch habe sie einen Teilbetrag zweimal gezahlt. Der Kläger widerspricht und meint „gezahlt ist gezahlt“; durch die Zahlung habe die Beklagte die Forderung beanstandungslos anerkannt.

Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht akzeptierten diese Einschätzung, womit sich die Beklagte nicht abfinden will. Sie zieht vor den Bundesgerichtshof — mit Erfolg.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof widerspricht der Auffassung des Oberlandesgerichts, die Zahlung sei als deklaratorisches Anerkenntnis zu sehen. Ein solches Schuldanerkenntnis setze nämlich – so der Bundesgerichtshof — voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen. Die Prüfung einer Rechnung, die Bezahlung einer Rechnung oder auch die Bezahlung nach Prüfung erlauben für sich genommen nicht, ein Anerkenntnis anzunehmen.

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Verkehrssicherung an Baustellen

LG Duisburg, Urteil vom 16.1.2007 — Aktenzeichen: 6 O 234/06

Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten hindert Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Problem
„Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist.“ Wie sehr Tucholsky mit diesem Ausspruch Recht hatte, zeigt die aktuelle Entwicklung: Raucher beschuldigen die Tabakkonzerne, Zuckerkranke verklagen die Süßigkeitenindustrie, Veranstalter eines Konzerts werden für Hörschäden der Besucher zur Kasse gebeten. Wir Deutschen neigen dazu, andere für erlittene Schäden verantwortlich zu machen. Die Grenzen dieses Anspruchsdenkens zeigt das Landgericht Duisburg in einer aktuellen Entscheidung mitten aus dem Leben auf.

Entscheidung
Die Klägerin ließ einen Handwerker in die Wohnung. Dieser sollte ein Heizungsventil austauschen. Seine Werkzeugkiste stellte der Handwerker hinter einem Sessel im Wohnzimmer ab und verließ noch einmal die Wohnung, um weiteres Gerät zu holen. Währenddessen stürzte die Klägerin just über diesen Werkzeugkasten und verletzte sich. Mit Hilfe ihrer Rechtschutzversicherung verklagte sie den Handwerker auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von einigen tausend Euro. Sie meinte, der Handwerker bzw. die hinter diesem stehende Haftpflichtversicherung müsse wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zahlen.

Letztlich ohne Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass eine Einstandspflicht des Handwerkers schon deshalb ausscheide, weil die Klägerin an dem Missgeschick eindeutig selbst schuld sei. Die Klägerin habe gewusst, dass Reparaturarbeiten unter Einsatz von Werkzeug anstanden; sie wusste auch, dass der Handwerker einen Werkzeugkasten dabei hatte. Selbst wenn die Klägerin den genauen Abstellort des Werkzeugkastens nicht bemerkt hätte, hätte sie sich – so das Landgericht — unter allen Umständen besonders sorgfältig bewegen müssen. Hätte sie gehörigg aufgepasst, hätte sie die Werkzeugkisten nicht einfach übersehen können. Diese Eigenverantwortlichkeit stehe dem Anspruch entgegen.

Hinweis für die Praxis
Immer wieder befassen sich Gerichte mit Verkehrssicherungspflichten an Baustellen. Nicht selten verlieren die Gerichte dabei die Grenzen einer Haftung und den Grundsatz, dass jeder für den Schutz seiner Rechtsgüter selbst verantwortlich ist, aus dem Blick. Verkehrsteilnehmer müssen sich zunächst einmal selber vorsehen. Dieser Selbstschutz begrenzt die legitimen Verkehrserwartungen. Insoweit genießt auch der Verkehrssicherungspflichtige Vertrauensschutz; er darf erwarten, dass diejenigen, die sich auf der Baustelle aufhalten, selbst vorsichtig und nicht unvernünftig oder waghalsig sind.

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Bedeutung der anerkannten Regeln der Technik

Problem
Aus § 13 Nr. 1 VOB/B ergibt sich, dass beim VOB/B-Bauvertrag vom Auftragnehmer die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik geschuldet ist. Letztlich gilt dies auch für einen BGB-Vertrag, in dessen Rahmen der Unternehmer ebenfalls grundsätzlich verpflichtet ist, die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

Anerkannte Regeln der Technik sind keine Rechtsnormen. Sie gelten daher nicht automatisch „kraft Gesetzes“. Anerkannte Regeln der Technik sind vielmehr diejenigen technischen Regeln, die sich in der Wissenschaft als richtig durchgesetzt und die sich in der Baupraxis als richtig bewährt haben. Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik umfasst alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen die DIN-Normen, die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien etc. gehören. Dazu zählen auch mündlich überlieferte technische Regeln, die geschriebenen DIN-Normen sogar vorgehen können, wenn sie den neuesten Stand verkörpern. Dies ist bei überalterten DIN-Normen nicht selten der Fall.

Der Verstoß gegen die DIN-Normen wird im Allgemeinen einen Mangel begründen. Die DIN-Normen legen insoweit den Mindeststandard fest, so dass ein Sachmangel auch dann vorliegen kann, wenn die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Dies kann etwa dann sein, wenn eine besondere Funktionstauglichkeit vereinbart wird.

Eine spannende Frage ist, ob es auch Fälle gibt, in denen gegen eine DIN-Norm verstoßen wird und keine Gewährleistung greift. Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Stuttgart zu befassen:

Ein Bauunternehmer hatte sich verpflichtet, eine Bitumendickbeschichtung aufzubringen. Im Bauvertrag war die Geltung der VOB/B vereinbart. Vertragsgegenstand war auch die DIN 18195; darin ist vorgesehen, dass Bitumendickbeschichtungen in zwei Arbeitsgängen, ggf. auf Grundlage eines Voranstrichs auszuführen sind. Der Bauunternehmer hatte hier die Dickbeschichtung allerdings nur in einem Arbeitsgang angebracht. Die Bauherren beriefen sich wegen der Nichteinhaltung dieser DIN auf einen Mangel.

Das OLG Stuttgart half dem Bauunternehmer. Es war der Auffassung, die Abweichung von der DIN 18195 stelle keinen Werkmangel dar, weil – so die Feststellungen des damaligen gerichtlichen Sachverständigen die gewählte Ausführung durchaus gleichwertig sei. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass aufgrund der Qualität des durch den Unternehmer für die Kelleraußenwände verwendeten Stahlbetons die Schadensgefahr nicht größer als bei einer nach der DIN 18195 abgedichteten Kelleraußenwand sei. Da nach Auffassung des Gutachters die lediglich in einem Arbeitsgang ausgeführte Dickbeschichtung genauso sicher sei wie eine Ausführung nach DIN 18195, löse – so das OLG – die Abweichung von der vertraglichen Beschaffenheit keine Gewährleistungsansprüche aus.

Praxishinweis
DIN-Normen sind nicht heilig. Es lohnt, die Anforderungen in DIN-Normen stets kritisch zu beleuchten; denn möglicherweise spiegeln die DIN-Normen nicht mehr den aktuellen Stand der Technik wieder. DIN-Normen sind also nicht stets mit den anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen, sondern es besteht lediglich eine entsprechende Vermutung – so der Bundesgerichtshof an anderer Stelle. Gelingt es dem Bauunternehmer zu beweisen, dass die von der DIN abweichende Leistung den anerkannten Regeln der Technik entspricht, liegt kein Mangel vor. Aber: Die Entscheidung des OLG Stuttgart betrifft noch die frühere Rechtslage betrifft. Nach neuem Recht ist von einem Mangel bereits dann auszugehen, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht, ohne dass es auf die Funktionstauglichkeit ankommt. Da die DIN-Normen Bestandteil der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen nach VOB/C sind, sind DIN-Normen nach § 1 Nr. 1 S. 2 VOB/B stets Vertragsbestandteil eines VOB-Vertrages. Danach wäre jeder Verstoß gegen eine DIN-Norm zugleich einen Mangel. Dies hat das OLG Celle in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.05.2006, 14 U 185/05) so gesehen und ausgeführt, dass eine nicht DIN-gerechte Ausführung von Arbeiten selbst dann einen Mangel im Sinne von § 13 VOB/B darstelle, wenn noch kein Schaden eingetreten und die Funktionstauglichkeit des Gewerks nicht beeinträchtigt sei. Ob sich diese Rechtsprechung letztlich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

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Handy im Straßenverkehr

OLG Hamm, Beschluss vom 12.07.2006 — Aktenzeichen: 2 Ss OWi 402/06

Sachverhalt
Der Fahrzeugführer eines Lkw mit Anhänger hatte während der Fahrt sein privates Mobiltelefon in die Hand genommen, um von diesem eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Der Fahrzeugführer hatte vor, diese abgelesene Telefonnummer sodann in das ebenfalls im Fahrzeug vorhandene dienstliche Telefon mit Freisprecheinrichtung einzugeben, um zu telefonieren. Das Amtsgericht hat den Fahrzeugführer zur Zahlung einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt. Dies zu Recht – so das Oberlandesgericht Hamm in der Entscheidung vom 12.07.2006, 2 Ss OWi 402/06.

Entscheidung
Die verbotene Benutzung eines Mobiltelefons durch einen Fahrer liegt nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch dann vor, wenn der Fahrzeugführer das Mobiltelefon während der Fahrt in die Hand nimmt, um vom Display des Telefons eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Bereits dies stelle – so das OLG – einen Verstoß gegen § 23 I a StVO dar, wonach einem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt ist, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Das Oberlandesgericht hat gemeint, „Benutzen“ im Sinne dieser Regelung betreffe sämtliche Bedienfunktionen des Mobiltelefons, somit auch das Ablesen einer gespeicherten Notiz.

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Neue Mehrwertsteuer – die wichtigsten Punkte bei zeitlich gestreckten Leistungen

Ab dem 1.1.2007 gilt ein Mehrwertsteuersatz von 19%. Dies hat der Gesetzgeber bekanntlich beschlossen. Nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 27 Abs. 1 S. 1 UStG) gilt der neue Steuersatz für diejenigen Umsätze, die ab dem 1.1.2007 ausgeführt worden sind.

Für Leistungen aufgrund von Bau- oder Werkverträgen gilt der Grundsatz, dass die Leistung in dem Zeitpunkt ausgeführt wird, zu dem der Auftraggeber die Verfügungsgewalt an der Leistung erhält. Hier wird man auf den Zeitpunkt der Abnahme abstellen müssen. Für einen im Jahr 2006 geschlossenen Bauvertrag, dessen Leistungen erst im Jahr 2007 abgenommen werden, gilt, dass die gesamte Gegenleistung (Vergütung) dem höheren Steuersatz unterliegt. Davon wird man selbst dann ausgehen müssen, wenn zuvor Abschlagszahlungen oder Zahlungen aufgrund eines Zahlungsplans mit geringerem Steuersatz geleistet wurden.

Aus diesem Grund macht es Sinn, jedenfalls einen Teil der in 2006 erbrachten Leistungen noch in 2006 abzunehmen. Nur durch solche Teilabnahmen profitiert man von dem alten Steuersatz. Auftraggeber und Auftragnehmer sollten also eine Teilabnahme vereinbaren und auch durchführen, um die einzelnen Leistungen, die z.B. in Abschlagsrechnungen abgerechnet werden könnten, umsatzsteuerlich zu verselbstständigen.

Der Nachteil: Auch Teilabnahmen haben die typischen Abnahmewirkungen, Beginn der Gewährleistungsfrist, Fälligkeit der Vergütung, Beweislastumkehr hinsichtlich Mängel.

Im Übrigen bedarf es keiner gesonderten Mehrwertsteuergleitklausel. In § 29 UStG ist geregelt, dass der höhere Steuersatz von dem umsatzsteuerpflichtigen Vertragsteil auch dann gefordert werden kann, wenn sich im Vertrag selbst keine ausdrückliche Erhöhungsklausel befindet. Dies gilt allerdings nur für solche Verträge, die mehr als vier Monate vor dem Inkrafttreten der Änderung abgeschlossen worden sind. Ausnahme: Im Vertrag ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer ausdrücklich ausgeschlossen.

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Verkehrssicherung an Baustellen – Immer wieder ein Thema

LG Duisburg, Urteil vom 16.1.2007 — Aktenzeichen: 6 O 234/06

Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten hindert Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Problem
„Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist.“ Wie sehr Tucholsky mit diesem Ausspruch Recht hatte, zeigt die aktuelle Entwicklung: Raucher beschuldigen die Tabakkonzerne, Zuckerkranke verklagen die Süßigkeitenindustrie, Veranstalter eines Konzerts werden für Hörschäden der Besucher zur Kasse gebeten. Wir Deutschen neigen dazu, andere für erlittene Schäden verantwortlich zu machen. Die Grenzen dieses Anspruchsdenkens zeigt das Landgericht Duisburg in einer aktuellen Entscheidung mitten aus dem Leben auf.

Entscheidung
Die Klägerin ließ einen Handwerker in die Wohnung. Dieser sollte ein Heizungsventil austauschen. Seine Werkzeugkiste stellte der Handwerker hinter einem Sessel im Wohnzimmer ab und verließ noch einmal die Wohnung, um weiteres Gerät zu holen. Währenddessen stürzte die Klägerin just über diesen Werkzeugkasten und verletzte sich. Mit Hilfe ihrer Rechtschutzversicherung verklagte sie den Handwerker auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von einigen tausend Euro. Sie meinte, der Handwerker bzw. die hinter diesem stehende Haftpflichtversicherung müsse wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zahlen.

Letztlich ohne Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass eine Einstandspflicht des Handwerkers schon deshalb ausscheide, weil die Klägerin an dem Missgeschick eindeutig selbst schuld sei. Die Klägerin habe gewusst, dass Reparaturarbeiten unter Einsatz von Werkzeug anstanden; sie wusste auch, dass der Handwerker einen Werkzeugkasten dabei hatte. Selbst wenn die Klägerin den genauen Abstellort des Werkzeugkastens nicht bemerkt hätte, hätte sie sich – so das Landgericht — unter allen Umständen besonders sorgfältig bewegen müssen. Hätte sie gehörigg aufgepasst, hätte sie die Werkzeugkisten nicht einfach übersehen können. Diese Eigenverantwortlichkeit stehe dem Anspruch entgegen.

Hinweis für die Praxis
Immer wieder befassen sich Gerichte mit Verkehrssicherungspflichten an Baustellen. Nicht selten verlieren die Gerichte dabei die Grenzen einer Haftung und den Grundsatz, dass jeder für den Schutz seiner Rechtsgüter selbst verantwortlich ist, aus dem Blick. Verkehrsteilnehmer müssen sich zunächst einmal selber vorsehen. Dieser Selbstschutz begrenzt die legitimen Verkehrserwartungen. Insoweit genießt auch der Verkehrssicherungspflichtige Vertrauensschutz; er darf erwarten, dass diejenigen, die sich auf der Baustelle aufhalten, selbst vorsichtig und nicht unvernünftig oder waghalsig sind.

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Fälligkeit vor Ablauf der Prüfungsfrist?

BGH, Urteil vom 19.1.2006 — Aktenzeichen: IX ZR 104/03

Leitsatz
Die Vergütung des Werkunternehmers wird beim VOB/B-Vertrag bereits vor Ablauf der Prüfungsfrist von zwei Monaten ab Zugang der Schlussrechnung fällig, wenn der Auftraggeber die Schlussrechnung vorher prüft und feststellt. Auch in der wirtschaftlichen Krise kann der Werkunternehmer aufrechnen, selbst dann wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, das Verfahren allerdings noch nicht eröffnet und keine vorläufigen Sicherungsmaßnahmen veranlasst worden sind.

Sachverhalt
Der Werkunternehmer ging pleite. Der vorläufige Insolvenzverwalter klagte eine Restvergütung aus einem VOB/B-Vertrag ein. Der Auftraggeber wandte ein, ihm stehe aus einem anderen Bauvorhaben noch eine Forderung gegen den Werkunternehmer zu und erklärte die Aufrechnung. Dazu hatte der Auftraggeber noch vor Klageerhebung Schlussrechnung gelegt, die der Werkunternehmer etwa 4 Wochen später, noch vor Klageerhebung prüfte. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, die Aufrechnung sei insolvenzrechtlich nicht zulässig. Das OLG Brandenburg ist dieser Einschätzung nicht gefolgt. Der Bundesgerichtshof hat dies gebilligt und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Entscheidung
Der BGH hat gemeint, dass die vom Auftraggeber zur Aufrechnung gestellte eigene Vergütungsforderung bereits mit Prüfung und Feststellung der Schlussrechnung fällig geworden sei. Auf den Ablauf der nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B maßgeblichen Höchstfrist von zwei Monaten komme es nicht an. Daher habe der Auftraggeber noch aufrechnen können.

Hinweis für die Praxis
Nach den Regelungen in der Insolvenzordnung ist eine Aufrechnung des Insolvenzgläubigers mit eigenen Gegenforderungen gegen Forderungen des Insolvenzverwalters unzulässig, wenn die Gegenforderungen erst nach Insolvenzverfahrenseröffnung und später als die Forderung des Insolvenzverwalters fällig werden. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber gut daran getan, schlussabzurechnen. Hätte er mit der Schlussrechnung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugewartet, hätte er den Prozess verloren.

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Versorgungsleitungen und Erkundigungspflicht des Bauunternehmers

BGH, Urteil vom 20.12.2005 — Aktenzeichen: VI ZR 33/05

Eine Erkundigungspflicht eines Bauunternehmers nach dem Verlauf von Versorgungs-leitungen vor Grabungsarbeiten auf einem Privatgrundstück besteht nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für dort verlegte Versorgungsleitungen gibt.

Sachverhalt
Ein Energieversorger verlangt von einem Tiefbauer Schadensersatz wegen der Beschädigung eines unterirdisch verlegten Stromkabels. Der Tiefbauer wurde von einem Grundstückseigentümer beauftragt, auf dessen Privatgrundstück eine Regenentwässerungsanlage zu errichten. Bei Baggerarbeiten wurde die Stromleitung – von dieser hatte der Grundstückseigentümer keine Kenntnis – beschädigt. Es kam zu einer längeren Versorgungsunterbrechung. Der Energieversorger meinte, der Tiefbauer habe sich vor Beginn der Arbeiten bei ihr nach dem Kabelverlauf erkundigen, jedenfalls sicher stellen müssen, dass Kabel nicht beschädigt werden.

Dies sah der Bundesgerichtshof letztlich anders.

Entscheidung
Zwar bestünden – so der Bundesgerichtshof – hohe Anforderungen an die Pflicht von Tiefbauunternehmen, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach Existenz und Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Denn öffentliche Verkehrsflächen würden regelmäßig dazu genutzt, dort Leitungen zu verlegen. Um den unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch Beschädigungen von Strom- und anderen Versorgungsleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, sei mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schwerem Arbeitsgerät vorzugehen. Der Tiefbauunternehmer müsse sich daher – so der Bundesgerichtshof – nach dem Verlauf von Leitungen erkundigen. Dies sei allerdings auf Privatgrundstücken anders zu beurteilen. Dem Bauunternehmer vor jedweden Grabungsarbeiten auf einem dem Privatgebrauch dienenden Grundstück die Verpflichtung aufzuerlegen, Erkundigungen bei den örtlichen Energieversorgern einzuholen, überschreite die Grenze des Zumutbaren. Nur bei konkreten Anhaltspunkten, dass dort unterirdisch Leitungen liegen, müsse sich der Tiefbauunternehmer erkundigen.

Hinweis für die Praxis
Die hohen Anforderungen bei Tiefbauarbeiten hinsichtlich der Überprüfung des Untergrunds gelten bei Erdarbeiten auf Privatgrundstücken nicht uneingeschränkt.

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Wer trägt das Risiko von Stahlpreiserhöhungen?

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

OLG Hamburg, Urteil vom 28.12.2005 — Aktenzeichen: 14 U 124/05

Der Stahlbauunternehmer kann nicht Anpassung angebotener Preise verlangen, wenn die Stahlpreise auf dem Weltmarkt steigen. Auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB kann er sich nicht berufen.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer schuldet dem Auftraggeber Stahlbauleistungen. Sein Angebot hat er auf Grundlage eines freibleibenden Angebots seines Stahllieferanten kalkuliert. Das Angebot wurde dem Auftraggeber übermittelt. Just in diesem Moment begannen die Stahlpreise auf dem Weltmarkt stark zu steigen. Der Auftraggeber nahm (natürlich) das sich nunmehr als günstig erweisende Angebot des Auftragnehmers an.

Der Auftragnehmer beruft sich – aufgrund der drastischen Stahlpreiserhöhung auf dem Weltmarkt — auf eine Störung der Geschäftsgrundlage und verlangt die Vereinbarung neuer Preise. Damit war der Auftraggeber nicht einverstanden. Dies nahm der Auftragnehmer zum Anlass, seine Leistungen zu verweigern. Nunmehr drohte großer Schaden. Um einen Stillstand des Bauvorhabens zu vermeiden, vereinbarten die Parteien zunächst höhere Zahlungen, die allerdings unter dem Vorbehalt der Rückforderung standen. Nach Beendigung der Arbeiten verlangte der Auftraggeber Rückzahlung.

Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung
Das OLG Hamburg vertritt die Auffassung, dass die eingetretene Preiserhöhung ausschließlich in den Risikobereich des Auftragnehmers falle. Denn für den Auftraggeber sei nicht erkennbar gewesen, dass der Auftragnehmer seinen Preis auf Grundlage eines Angebots des Stahllieferanten kalkuliert habe. Aus diesem Grund sei das Angebot des Lieferanten auch nicht Vertragsgrundlage geworden. Es sei lediglich eine einseitige Erwartung des Auftragnehmers geblieben, sich auf dem Stahlmarkt zu auskömmlichen Preisen mit dem benötigten Stahl eindecken zu können. Auch dem Einwand des Auftragnehmers, es sei nicht gerechtfertigt, dieses außergewöhnliche Risiko einer Stahlpreiserhöhung ihm allein aufzubürden, zog nicht. Das OLG meint, es handele sich hier vielmehr um eine typische vertragliche Risikoverteilung.

Hinweis für die Praxis
Das Risiko, dass sich ein kalkulierter und angebotener Preis späterhin als nicht auskömmlich erweist, trägt grundsätzlich der Auftragnehmer. Dies entspricht auch dem geltenden Baurecht. § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ändert daran nichts. Dies könnte allenfalls dann anders sein – und so kann das Urteil des OLG Hamburg interpretiert werden -, wenn der anbietende Auftragnehmer seine Einkaufspreise für Stahl im Rahmen der Angebotsphase offen legt. In dieser Konstellation könnte – so jedenfalls das OLG Hamburg – der Einkaufspreis Geschäftsgrundlage werden.

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