Prüfungs- und Hinweispflicht–Der Rettungsanker für Bauunternehmen?!

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8.11.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 183/05

Leitsatz
1. Ein Werk entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist. 2. Beruht der Mangel der Funktionstauglichkeit auf einer unzureichenden Vorleistung eines anderen Unternehmers, wird der Unternehmer von der Mängelhaftung (nur) frei, wenn er seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat. 3. Der Unternehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten für den Einbau einer Heizungsanlage auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch. Der Beklagte seinerseits verlangt den bereits gezahlten Werklohn zurück.

Der Beklagte bewohnt ein Forsthaus; dieses ist nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Der Beklagte beabsichtigte im Jahre 2002 die Errichtung eines Blockheizkraftwerks, das den gesamten Strom- und gleichzeitig auch den Wärme- und Warmwasserbedarf des Forsthauses decken sollte. Der Beklagte wandte sich an die G-GmbH, die ihm ein Angebot unterbreitete, welches eine thermische Leistung von 30 kW vorsah. Auf Grundlage dieser Planung der G-GmbH zog der Beklagte die Klägerin hinzu, die ein Angebot über die Heizungsanlage (Pufferspeicher, Rohrleitungen, Verteiler, Armaturen etc.) und deren Anschluss an das Blockheizkraftwerk abgab.

Der Beklagte beauftragte im November 2002 die Klägerin mit der Errichtung der Heizungsanlage. Nach Ausführung der Arbeiten bemängelte der Beklagte, das Forsthaus könne nicht ausreichend beheizt werden. Später stellte sich heraus, dass das von der G-GmbH vorgesehene Blockheizkraftwerk ungeeignet war; eine Beheizung des Forsthauses wäre selbst dann nicht möglich gewesen, wenn es eine höhere thermische Leistung hätte erbringen können. Der Beklagte trat vom Vertrag zurück. Zu Recht?

Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung festgehalten, dass die von der Klägerin errichtete Heizungsanlage mangelhaft gewesen sei. Denn der Beklagte habe das Blockheizkraftwerk in Auftrag gegeben, um das Forsthaus ausreichend zu heizen und zu versorgen. Diesen vertraglich vereinbarten Gebrauchszweck könne die Anlage nicht erfüllen. Aber: Ein Unternehmer könne der Verantwortlichkeit für den Mangel durch Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflichten entgehen. Liegen die Voraussetzungen dazu nicht vor, bleibe er für den Mangel der Funktionstauglichkeit verantwortlich.

Im vorliegenden Fall hielt der BGH die Klägerin als Fachunternehmen für verpflichtet, auf erkennbare, die Funktionsfähigkeit der Heizungsanlage beeinträchtigende Mängel hinzuweisen. Insbesondere habe die Klägerin prüfen müssen, ob die Anlage überhaupt in der Lage war, den Wärmebedarf zu befriedigen. Dabei sei es Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, der Prüfungs- und Hinweispflicht nachgekommen zu sein.

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Mahnbescheid — Kein sicheres Instrument, den Lauf der Verjährung zu hemmen!?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.11.2007 — Aktenzeichen: X ZR 103/05

Das Mahnverfahren ist eine Prozessart, in der für Geldforderungen voraussichtlich unstreitig und ohne Verhandlung dem Gläubiger ein rechtskräftiger, vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Die entsprechenden Formulare sind im Schreibwarenladen zu haben. Das Mahnverfahren stellt einen einfachen und günstigen Weg zum Vollstreckungstitel dar, indem es das langwierige und teure Urteilsverfahren erspart.

So weit die Theorie.

In der Praxis legen die Schuldner aber regelmäßig Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, mit der Folge, dass in das gerichtliche Urteilsverfahren übergegangen wird. Legt der Schuldner Widerspruch ein, hat der Gläubiger nichts gewonnen. Aus diesem Grund kommt dem Mahnverfahren größere Bedeutung als verjährungshemmende Maßnahme zu. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren.

Da es für den Mahnantrag keinen Anwaltszwang gibt (anders als beispielsweise für Klagen vor dem Landgericht), schleichen sich beim Ausfüllen der Mahnformulare nicht selten Fehler ein, die Grund für Beanstandungen des Mahngerichts sind. Die Fehler können sogar ein solches Gewicht haben, dass der angestrebte Zwecke der Verjährungshemmung nicht erreicht wird.

Die Risiken zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Leitsatz
1. Ein Mahnbescheid hemmt den Lauf der Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert ist. 2. Bei einer Mehrzahl von Forderungen ist jede Einzelforderung zu bezeichnen. Eine Bezugnahme auf Rechnungen reicht nur aus, wenn dem Schuldner die Rechnungen vorliegen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt im beantragten Mahnbescheid vom 28.12.2000 eine Vergütung aus mehreren Rechnungen. Dabei wird im Mahnantrag Bezug genommen auf den zugrunde liegenden Vertrag sowie auf sechs jeweils auf den 13.3.1997 datierenden Rechnungen mit Rechnungsnummer und Betrag.

Im Verfahren meinte der Beklagte, sie habe die Rechnungen erstmals im Verfahren erhalten, die Forderungen seien verjährt, da die Ansprüche nicht hinreichend individualisiert seien. Dem trat die Klägerin entgegen; aus den gleichlautenden Rechnungsdaten, den (teilweise identischen) Rechnungsnummern und Zahlbeträgen habe die Beklagte entnehmen können, worauf sich die Rechnungen bezogen.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof wies die Klage als verjährt ab. Ein Mahnbescheid hemme den Lauf der Verjährung nur, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert sei. Der Anspruch müsse durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann. Der Schuldner müsse erkennen können, welcher Anspruch geltend gemacht werde. Bei einer Mehrzahl von Forderungen sei — so der BGH — jede einzelne zu bezeichnen. Da der Beklagte im Verfahren unwidersprochen vorgetragen habe, er habe die Rechnungen nicht erhalten, habe er die Rechnungsdaten auch nicht zuordnen können.

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Baugrundrisiko – Immer Sache des Auftraggebers?

Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 13.9.2007 — Aktenzeichen: 12 U 214/06

Leitsatz
1. Das Risiko, dass bei Bauarbeiten andere Bodenverhältnisse angetroffen werden, als nach den vertraglichen Grundlagen zu erwarten war, trägt der Auftraggeber. 2. Weicht der Baugrund von den vertraglich vorausgesetzten Angaben ab, hat der Bauunternehmer Anspruch auf Mehrvergütung. Ein Anspruch besteht nicht, wenn die Erschwernisse aufgrund Inaugenscheinnahme oder einer lückenhaften Ausschreibung für den Bauunternehmer vorhersehbar waren. 3. Dem Bauunternehmer obliegt eine Prüfungspflicht. Diese Prüfung beschränkt sich auf eine Plausibilitätsprüfung.

Sachverhalt
Der Bauunternehmer hatte die Aufgabe, im Baugrund Kanäle zu verlegen. In den Ausschreibungsunterlagen findet sich der Hinweis auf „enttrümmerte Bodenverhältnisse“. Bei Schachtungsarbeiten fand man indes Beton- und Fundamentteile. Die Mehrkosten von mehreren zehntausend Euro verlangte der Bauunternehmer vom Auftraggeber.

Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hielt den Mehrvergütungsanspruch für begründet. Das Baugrundrisiko — also die Gefahr unvorhergesehener Erschwernisse aufgrund von Bodenbeschaffenheit — falle in die Risikosphäre des Auftraggebers. Im Rechtlichen hat das Oberlandesgericht den Baugrund als einen im Sinne von § 644 BGB vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Stoff angesehen.

Allerdings bestehe eine Grenze dort, wo der Bauunternehmer aufgrund einer Inaugenscheinnahme oder einer lückenhaften Ausschreibung diese Erschwernisse hätte erkennen können. Letzteres wollte das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall nicht annehmen.

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Schuldet der Vermieter dem Mieter Ersatz von Renovierungskosten?

Landgericht Wuppertal, Urteil vom 23.8.2007 — Aktenzeichen: 9 S 478/06

Leitsatz
Der Mieter hat gegen den Vermieter Anspruch auf Kostenerstattung, wenn er bei unwirksamer Renovierungsklausel seiner vermeintlichen Verpflichtung nachkommt.

Sachverhalt
Im Kleingedruckten des vom Vermieter gestellten Mietvertrages stand, dass der Mieter die Wohnung bei Auszug vollständig renovieren sollte. Dies tat der Mieter auch und beauftragte damit einen Maler. Aus der Zeitung erfuhr der Mieter von der mieterfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Er forderte unter Hinweis auf die vom Bundesgerichtshof festgestellte Unwirksamkeit der Klausel Erstattung der an den Maler gezahlten Vergütung.

Entscheidung
Das Landgericht verurteilte den Vermieter zur Zahlung. Den Mietern stünde ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Denn die Mieter hätten hier wegen der Unwirksamkeit der Renovierungsklausel eine Aufgabe erfüllt, die eigentlich dem Vermieter oblegen hätte. Dass sie glaubten, selbst verpflichtet zu sein, stehe dem Anspruch nicht entgegen.

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Keine Anordnung von Stundenlohnarbeiten durch den Bauleiter

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5.12.2006 — Aktenzeichen: 5 U 70/06

Leitsatz
1. Eine Vergütung von Stundenlohnarbeiten erfordert nach der VOB/B eine wirksame Stundenlohnvereinbarung. 2. Die Ermächtigung eines Bauleiters, Stundenlohnnachweise zu unterzeichnen, enthält keine Vollmacht zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung.

Sachverhalt
Der Bauhandwerker hatte einen Rohbau zu errichten. Dem Einheitspreisvertrag lag die VOB/B zugrunde. Nach Fertigstellung der Arbeiten rechnete der Handwerker einen Teil seiner Leistungen im Stundenlohn ab. Die entsprechenden Stundenzettel hatte er sich von der Bauleitung des Auftraggebers abzeichnen lassen. Gleichwohl kürzte der Auftraggeber diese Stunden unter Hinweis darauf, dass eine Stundenlohnabrede nicht getroffen und der Bauleiter zum Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht befugt gewesen sei. Daraufhin klagte der Handwerker auf Bezahlung der Stundenlohnarbeiten. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat betont, dass Arbeiten nur dann im Stundenlohn bezahlt werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Eine solche Abrede muss vor Ausführung der Arbeiten getroffen werden. Dies sei Wirksamkeitsvoraussetzung. Dabei ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass allein die Ermächtigung der Bauleitung, Stundenlohnzettel abzuzeichnen, keine (stillschweigende) Vollmacht zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung beinhaltet. Da die Parteien keine derartige Abrechnung vereinbart haben, war gemäß § 2 Nr. 2 VOB/B nach Einheitspreisen abzurechnen.

Diese Entscheidung liegt auf der Linie des Bundesgerichtshofs, der in dem Beschluss vom 14.6.2007, VII ZR 2/06 eine Entscheidung des OLG Dresden bestätigt hat, wonach keine Vermutung dafür spricht, dass ein Bauleiter die Vollmacht hat, den Bauvertrag zu ändern oder im Vertrag nicht vorgesehene Stundenlohnarbeiten zu vereinbaren.

Im Ergebnis muss sich ein Handwerker frühzeitig darüber informieren, welche Befugnisse ein Bauleiter hat. Macht er dies nicht, läuft er Gefahr, für Leistungen kein Geld zu sehen. Dieses bekommt er dann auch nicht vom Bauleiter; denn als am Bau tätiger Handwerker muss er wissen, dass die Bauleitung des Auftraggebers grundsätzlich nicht zu dessen rechtsgeschäftlicher Vertretung berechtigt ist.

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Stillschweigende Abnahme durch Ingebrauchnahme?

Kammergericht, Urteil vom 29.6.2007 — Aktenzeichen: 7 U 165/06

Der Abnahme kommt im Bau- und Werkvertragsrecht große Bedeutung zu. Sie ist zunächst Fälligkeitsvoraussetzung: Mit der Abnahme erhält der Werkunternehmer den Anspruch auf Vergütung (§ 641 BGB). Zugleich hat sie Bedeutung für die Gewährleistung: Mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist (§ 634a BGB).

Nicht selten streiten Parteien darüber, ob abgenommen worden ist oder nicht.

Von einer stillschweigenden bzw. konkludenten Abnahme spricht man, wenn dem Verhalten des Auftraggebers zu entnehmen ist, dass er die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert (BGH, BauR 1999, 1186). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der Auftraggeber das Bauwerk bezogen hat, darin — nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist — regelmäßig eine konkludente Abnahme liegt, wenn sich aus dem Verhalten des Auftraggebers nichts anderes ergibt. Geschieht der Einzug unter dem Zwang der Verhältnisse muss darin keine Abnahme liegen (BGH, BauR 1985, 200; BauR 1975, 344).

In einer aktuellen Entscheidung musste sich das Kammergericht Berlin mit diesen Fragen befassen.

Leitsatz
Die schlichte Ingebrauchnahme eines Werks reicht nicht aus, um daraus eine Abnahme durch schlüssiges Handeln herzuleiten.

Sachverhalt
Der Kläger errichtete für den Beklagten eine Markise, die zugleich Element eines Wintergartens war. Unmittelbar nach der Montage rügte der Kläger Pfützenbildung auf der Markise und einen unzureichenden Verschluss von Senkrechtfeldern. Der Beklagte wies die Mängel zurück und klagte auf Zahlung von Werklohn. Der Kläger wandte Mängel und eine fehlende Abnahme ein. Das Landgericht bestätigte die Auffassung des Beklagten. Dagegen ging der Kläger in die Berufung.

Entscheidung
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Denn die Leistung des Klägers war nicht abgenommen. Allein im Ausfahren der Markise liege — so das Kammergericht — nicht die schlüssige Erklärung, der Beklagte billige die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Da der Beklagte bereits Mängel gerügt habe, sei die Benutzung der Markise auch nicht eine konkludente Abnahme. Eine Abnahmereife wollte das Kammergericht nicht annehmen, weil die Pfützenbildung nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspräche. Die Klage wurde als derzeit unbegründet abgewiesen.

Festzuhalten ist: Auch nach längerer Nutzung eines Werks durch den Besteller kann sich dieser noch auf eine fehlende Abnahme und damit auf die fehlende Fälligkeit berufen. Vor einer Werklohnklage muss sich der Handwerker vergewissern, ob abgenommen ist. Andernfalls klagt er viele Jahre und erfährt womöglich erst in zweiter Instanz, dass sein Anspruch noch gar nicht fällig ist.

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Welche Rechte hat ein Bäckerladen nach Wegzug des Einkaufsmarkts?

LG Paderborn, Urteil vom 22.6.2007 — Aktenzeichen: 2 O 49/07

Die Klägerin produziert Backwaren und vertreibt diese über ein Filialnetz von Bäckereifachgeschäften. Vom Beklagten hat sie Räumlichkeiten angemietet, die einem Lebensmittelmarkt unmittelbar vorgelagert waren. Der Bäckerladen einschließlich eines Stehcafés waren — wie üblich — im Eingangsbereich des Lebensmittelmarktes platziert. Dabei war der Eingangsbereich so konzipiert, dass Kunden am Bäckergeschäft vorbeikommen mussten, um in den Markt zu gelangen.

Der Lebensmittelmarkt zog im Jahre 2006 in ein anderes vom Beklagten neu errichtetes Gebäude auf dem Nachbargrundstück. Der Lebensmittelmarkt wurde am Altstandort aufgegeben. Nachdem der Markt einen Untermieter für den am neuen Standort ebenfalls vorgesehenen Bäckerladen nicht finden konnte, war die Klägerin schließlich bereit, die Flächen unterzumieten.

Der Beklagte war allerdings nicht bereit, die Klägerin aus dem Mietverhältnis über die Räume am Altstandort zu entlassen. Daher kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und erhob Feststellungsklage.

Im Ergebnis mit Erfolg.

Leitsatz
Dem Bäckerladen stand ein Kündigungsrecht gemäß § 313 Abs. 3 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu.

Entscheidung
Das Landgericht hat ausgeführt, dass zwar die Erwartung eines Mieters, Gewinne zu erzielen, zum Risikobereich des Mieters gehöre; aber im vorliegenden Fall habe der Vermietung ein Konzept zugrunde gelegen, wonach das Bäckereigeschäft an dem Kundenstrom des Lebensmittelmarktes partizipieren sollte. Der Verkauf frischer Backwaren stellte — so das Landgericht — eine sinnvolle Ergänzung des Angebots eines Lebensmittelmarktes dar. Nun hat sich hier auf Initiative des Vermieters das Mietumfeld geändert — dieser hat auf seinem Nachbargrundstück ein neues Gebäude errichtet und dieses an einen Lebensmittelmarkt, und zwar an den gleichen Betreiber vom alten Standort vermietet; das Risiko einer solchen Änderung dürfe man nicht dem Mieter aufbürden. Das Landgericht hielt eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr für zumutbar und die Kündigung für berechtigt.

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Nachbesserung nach Kündigung? Nein, sagt das OLG Hamm.

OLG Hamm, Urteil vom 28.12.2006 — Aktenzeichen: 24 W 39/06

Leitsatz
1. Der Auftragnehmer eines Werkvertrages hat keinen einklagbaren Anspruch auf Erbringung der Werkleistung, wenn der Auftraggeber kündigt. 2. Das Recht des Auftragnehmers, nach der Kündigung noch Mängel beseitigen zu dürfen, bedeutet lediglich, dass der Auftraggeber nach einer Kündigung nicht ohne weiteres berechtigt ist, vorhandene Mängel selbst zu beheben oder durch einen Dritten beheben zu lassen und die dadurch entstehenden Kosten vom Werklohn abzuziehen. Er muss vielmehr den Auftragnehmer grundsätzlich unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auffordern. Unterlässt er dies, läuft er Gefahr, den vollen Werklohn zahlen zu müssen.

Sachverhalt
Der Bauunternehmer führt für den Bauherrn Trockenbauarbeiten aus. Der Bauherr kündigt den Vertrag gemäß § 649 BGB aufgrund seines ihm zustehenden freien Kündigungsrechts. Anschließend lässt der Bauherr die Arbeiten durch ein Drittunternehmen fortsetzen. Dies wollte sich der Trockenbauer nicht gefallen lassen und beantragte eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, dem Bauherrn die Demontage der von ihm erstellten Trockenbauwände zu untersagen.

Mit diesem Ansinnen hatte der Bauunternehmer keinen Erfolg.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat klar gestellt, dass ein Auftragnehmer grundsätzlich berechtigt ist, Mängel seiner erbrachten Leistung zu beseitigen. Dies bedeute aber nicht, dass er einen (einklagbaren) Anspruch auf diese Nachbesserung hat. Nach erfolgter Kündigung sei der Auftraggeber nur verpflichtet, den vereinbarten Werklohn zu zahlen (ggf. unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen); der Auftragnehmer könne allerdings nicht verlangen, die Arbeiten auch fortsetzen zu dürfen.

Zu bedauern ist der Auftragnehmer trotzdem nicht; denn er behält den Werklohnanspruch. Der Auftraggeber darf nur dann seine Selbstvornahme- oder Drittvornahmekosten gegenrechnen, wenn er dem Auftragnehmer unter Fristsetzung Gelegenheit zur Nachbesserung (= sog. Nacherfüllung) gegeben hat. Wird allerdings eine solche Frist gesetzt, sollte der Auftragnehmer schnell reagieren. Nimmt der Auftragnehmer die Mängelbeseitigungsaufforderung nicht ernst — und dies ist in der Baupraxis nicht selten -, läuft er Gefahr, mit (hohen) Drittunternehmerkosten belastet zu werden.

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Fallstricke der Schriftform bei langfristigen Mietverträgen

Kammergericht, Urteil vom 17.8.2006 — Aktenzeichen: 8 U 33/06

Nach § 550 BGB bedarf ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, der Schriftform. Wird diese Form nicht eingehalten, so gilt der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen. Der Vertrag kann also vorzeitig gekündigt werden.

Die Anforderungen an die Schriftform sind streng. Erforderlich ist eine von beiden Parteien unterschriebene einheitliche Urkunde. Sie ergibt sich aus der körperlichen Verbindung einzelner Blätter oder dem inhaltlichen Zusammenhang des Textes (z.B. fortlaufende Paginierung). Enthält — wie häufig — eine Anlage wesentliche Teile des Mietvertrages (z.B. Grundriss über Mietgegenstand, Inventarliste) ist für die Einheitlichkeit der Urkunde die zweifelsfreie Bezugnahme auf die Anlage in der Haupturkunde notwendig. Die Beifügung der Urkunde ist sinnvoll, aber nach der derzeitigen Rechtsprechung nicht erforderlich (BGH, NJW 2003, 1248). Wichtig ist, dass der Vertragspartner (Gesellschaften und Personenmehrheit müssen genau bezeichnet sein), der Mietgegenstand (welche Räume), die Höhe der Miete, die Dauer des Mietverhältnisses schriftlich vereinbart sind. Die wesentlichen Bedingungen müssen sich aus dem schriftlichen Vertrag oder aus der in Bezug genommenen Anlage ergeben.

Die Schriftform dient in erster Linie dem Schutz des Erwerbers einer Immobilie; sie soll es ihm ermöglichen, sich umfassend und sicher für die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten des Mietvertrags zu informieren, denn mit der Eigentumsübertragung einer Immobilie geht das Mietverhältnis auf den Erwerber über („Kauf bricht nicht Miete‟).

Wird die Schriftform nicht eingehalten, ist ein befristeter Mietvertrag nicht automatisch unwirksam; er gilt vielmehr als auf unbestimmte Zeit geschlossen und ist damit grundsätzlich ordentlich kündbar. Dies hat der Bundesgerichtshof jüngst noch einmal bestätigt (Urteil vom 7.3.2007, XII ZR 10/05).

Wie hart die Regelung über die Schriftform sein kann, zeigt eine Entscheidung des Berliner Kammergerichts.

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Bauunternehmer haften für Sozialbeiträge ihrer Subunternehmer

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.1.2007 — Aktenzeichen: L 4 U 57/06

Übernimmt ein Bauunternehmer mehrere Bauleistungen (z.B. Estrich-, Fliesen- und Belagsarbeiten), wird er als Hauptunternehmer bezeichnet, wenn er einen Teil dieser Leistungen an Nachunternehmer (= Subunternehmer) weiter gibt. Natürlich haftet dieser Hauptunternehmer gegenüber seinem Auftraggeber für schlechte Arbeit seines Nachunternehmers. Dieses Risiko ist allseits bekannt.

Nicht bekannt ist aber ein weiteres Haftungsrisiko. Nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV haften Unternehmen des Baugewerbes wie ein selbstschuldnericher Bürge für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung und für die Insolvenzgeldumlage eines von ihm beauftragten Nachunternehmers. In Zeiten leerer Sozialkassen wittern Bau-Berufsgenossenschaft & Co. ihre Chance.

Leitsatz
1. Ein Unternehmen des Baugewerbes haftet wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die von seinem Nachunternehmer geschuldete Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung. 2. Es besteht keine Entlastungsmöglichkeit; die Haftung ist verschuldensunabhängig.

Sachverhalt
Ein Bauunternehmen beauftragt einen Nachunternehmer mit Montagearbeiten. Der Nachunternehmer legt dem Bauunternehmen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bau-Berufsgenossenschaft vor. Nach Abschluss der Arbeiten wird der Nachunternehmer insolvent. Beiträge zur Unfallversicherung hat er nicht abgeführt. Die Bau-BG macht durch einen Haftungsbescheid Beitragsrückstände in Höhe von 33.000 Euro geltend. Dagegen klagte der Bauunternehmer — im Ergebnis ohne Erfolg.

Entscheidung
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen weist die Klage ab. Der Bescheid der Bau-Berufsgenossenschaft sei rechtmäßig. Der Bauunternehmer hafte für den Beitrag gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII wie ein Bürge. Der Bauunternehmer habe auch keine Chance, sich zu entlasten; die Exkulpationsmöglichkeit des § 28e Abs. 3b und d SGB IV greife nicht; denn § 150 Abs. 3 SGB VII verweise nur auf § 28e Abs. 3a SGB IV. Für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Diese verschuldensunabhängige Haftung eines Bauunternehmers sei — so das LSG NW — auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; im Gegenteil verfolge die Bürgenhaftung das Ziel der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung.

Der Fall zeigt erhebliche Haftungsrisiken für Bauunternehmen auf. Gegen diese Risiken kann man sich nicht einmal schützen, nicht durch sorgfältige Auswahl und Überwachung der Nachunternehmer; schon gar nicht darf man sich auf die Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Bau-Berufsgenossenschaft verlassen, wie diese Entscheidung zeigt.

Allerdings dürfte das letzte Wort zu dieser Frage noch nicht gesprochen sein. Immerhin hat das Landessozialgericht Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung wäre auch deshalb zu begrüßen, weil ein anderer Senat des Landessozialgerichts einen vergleichbaren Haftungsbescheid wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage für rechtswidrig gehalten hat; die Bau-Berufsgenossenschaft dürfe ihre vermeintlichen Forderungen nicht einfach per Verwaltungsakt festsetzen, sondern müsse — wie jeder Bürger auch — Leistungsklage erheben (Urteil des LSG NW vom 21.2.2007, L 17 U 46/06). Letztere Entscheidung ließ jedenfalls die Bauträger in Nordrhein-Westfalen aufatmen. Denn nach Auffassung des 17. Senats des Landessozialgerichts gehören Bauträger nicht zu den Unternehmen des Baugewerbes und unterfallen diese nicht dieser strengen Haftungsregelung.

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