Zur Wochenfrist in der Kaskoversicherung

OLG Hamm, Urteil vom 21.6.2017 — Aktenzeichen: 20 U 42/17

Leitsatz
Die Verpflichtung zur Schadensmeldung in der Kaskoversicherung besteht unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Leistung des Versicherers in Anspruch genommen werden soll. Die Anzeigepflicht soll sicherstellen, dass dem Versicherer bei einer möglichen Inanspruchnahme eigene Ermittlungen möglich sind.

Sachverhalt
Der Versicherungsnehmer stellte am 23.12.2015 abends eine Beschädigung an seinem Fahrzeug fest. An diesem habe sich ein Zettel mit einem Namen und einer Mobilfunknummer befunden. Unter der angegebenen Nummer sei jedoch nur eine Mailbox erreichbar gewesen, so dass der Versicherungsnehmer den Vorgang am 24.12.2015 gegen 01:00 Uhr morgens der Polizei meldete. Er ließ im Januar 2016 den Schaden am Fahrzeug reparieren. Da die Ermittlungen gegen den vermeintlichen Schädiger erfolglos blieben, wandte sich der Versicherungsnehmer im Juni 2016 an seinen Kaskoversicherer und machte den Schaden dort geltend. Der Kaskoversicherer lehnte die Regulierung ab. Er berief sich insoweit auf seine Anzeigepflicht innerhalb einer Woche nach Schadensereignis. Diese Wochenfrist habe der Versicherungsnehmer vorsätzlich verletzt, so dass der Kaskoversicherer von seiner Leistung frei geworden sei. Der Versicherungsnehmer klagte sodann vor dem Landgericht Essen auf Zahlung gegen den Kaskoversicherer. Das Landgericht wies die Klage ab. Es sah in der Meldung nicht innerhalb der Wochenfrist eine vorsätzliche Verletzung der vertraglich vereinbarten Obliegenheit. Es stellte insoweit darauf ab, dass der Kaskoversicherer ein Interesse an der Feststellung des Schadens vor Reparatur hatte und somit spätestens vor Reparaturbeginn hätte informiert werden müssen. Nach der erfolgten Reparatur sei eine Begutachtung des Schadens und die Aufklärung der Eintrittspflicht nicht mehr möglich.

Entscheidung
Auch das in der Berufungsinstanz angerufene OLG Hamm teilte diese Auffassung. Es führte dazu aus: Der Kläger habe nicht in Abrede gestellt, dass er seine Obliegenheit zur Schadenmeldung als solche kannte. Damit wäre ihm auch bewusst gewesen, dass er den Schaden zumindest zeitnah, insbesondere vor der Reparatur des Fahrzeuges zu melden hatte. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wie der Kläger erkennt, dass die Obliegenheit zur Schadenmeldung dem Versicherer eine möglichst unmittelbare Überprüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, die nach längerem Zeitablauf und insbesondere bei einer Beseitigung der geltend gemachten Unfallschäden zumindest in Frage gestellt sein kann. Die Obliegenheit zur Wahrung der Wochenfrist enthält so als Minus die Verpflichtung zur zeitnahen Schadenanzeige, die allgemein bekannt sei. Schon zum Zeitpunkt der Reparatur musste der Kläger zumindest damit rechnen, dass die beklagte Versicherung nur noch eingeschränkte Möglichkeit haben würde, selber Feststellungen zum Schaden und zu ihrer Leistungspflicht zu treffen. Ebenso sei dem Kläger mit dem Abwarten des gegen ihn über vier Monate geführten Ermittlungsverfahrens bewusst (wegen Betrugsversuchs), dass die Beklagte ohne Kenntnis vom Schadenfall keine Möglichkeit hatte, zeitnah eigene Ermittlungen zu ihrer Leistungspflicht zu treffen. Dies genüge für ein bedingt vorsätzliches Verhalten im Hinblick auf die Obliegenheit zur zeitnahen Schadenanzeige. Weiterhin führte das erkennende OLG aus, dass der Geschädigte dann vorsätzlich handele, wenn er die allgemein bekannte Frist zur zeitnahen Schadenmeldung in der Annahme verstreichen lässt, er sei auf den Anspruch gegen den Versicherer nicht angewiesen, weil er sich anderweitig schadlos halten könne. Die Beklagte ist deshalb nicht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG leistungspflichtig, weil die Anzeigepflichtverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich gewesen ist. Der insoweit beweispflichtige Kläger konnte nicht nachweisen, dass die verzögerte Anzeige nicht ursächlich dafür gewesen ist, dass die Beklagte keine Feststellungen zum Versicherungsfall und zu ihrer Leistungspflicht mehr treffen konnte. Damit ist der Kausalitätsgegenbeweis auch nicht gelungen so das OLG Hamm. Ein Entschädigungsanspruch bestand demnach nicht. Die Berufung wurde dementsprechend zurückgewiesen.

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Ohne Verfügungsgewalt keine Verkehrssicherungspflicht–oder Eigentum verpflichtet nicht immer

BGH, Urteil vom 13.6.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 395/16

Wird dem Verkehrssicherungspflichtigen die tatsächliche Verfügungsgewalt entzogen, verbleibt keine, auch keine reduzierte, Verkehrssicherungspflicht bei dem zunächst Sicherungspflichtigen. Vielmehr ist für die haftungsrechtliche Zuordnung entscheidend, wer in der Lage ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Leitsatz
Wird dem zunächst Verkehrssicherungspflichtigen mittels einer hoheitlichen Maßnahme (hier: vorzeitige Besitzeinweisung nach § 18 f FStrG) die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Grundstück gegen oder ohne seinen Willen entzogen und verbleibt bei ihm infolge dieses Entzugs nur noch eine rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung (Eigentum), so reicht dies für die Begründung einer deiktischen Haftung für die vom Grundstück ausgehende Gefahr nicht aus.

Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten.

Sachverhalt
Durch einen Windstoß fiel im Jahr 2012 ein Ast von einem Baum, welcher auf dem Grundstück der Beklagten stand, auf den auf einer Parkfläche abgestellten Pkw des Klägers. Ab Anfang 2010 war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Streithelferin, gemäß § 18 f FStrG in den Besitz des Grundstücks der Beklagten eingewiesen worden.

Nachdem der Kläger in erster Instanz obsiegte, wurde die Entscheidung in der Berufungsinstanz aufgehoben. Daher verfolgt der Kläger mit der Revision die Erstattung seiner Reparaturkosten weiter. Jedoch hat die Revision keinen Erfolg.

Entscheidung
Eine Enteignung hat dem BGH Anlass gegeben, nochmal die Grundsätze der Verkehrssicherungspflichten, insbesondere bei einer Übertragung derselben, darzustellen.

Daher hebt der BGH hervor, dass grundsätzlich derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, die Verpflichtung hat, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren. Somit hat derjenige, der über die Verfügungsgewalt über ein Grundstück verfügt, soweit möglich und zumutbar dafür Sorge zu tragen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere Rechtsgüter ausgeht. Der Gefahrenbereich umfasst selbstverständlich nicht nur das Grundstück selbst, sondern auch etwa angrenzende öffentliche Verkehrsflächen oder private Nachbargrundstücke.

Delegiert der Verkehrssicherungspflichtige diese Aufgabe auf einen Dritten, so trifft grundsätzlichen den Dritten die Verkehrssicherungspflichtig, auch wenn er nicht zwingend unmittelbarer Besitzer wird. Allerdings führt der Übergang nicht zu einer vollständigen Befreiung des ursprünglichen Sicherungspflichtigen. Vielmehr trifft ihn dann eine Überwachungspflicht. Hierbei ist irrelevant, ob die Verkehrssicherungspflicht vertraglich vom Dritten übernommen worden ist oder der Dritte die Aufgabe im Wissen des eigentlich Sicherungspflichtigen übernommen hat.

Abzugrenzen von dieser Konstellation sind jedoch Fälle, in welchen dem ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen die Verfügungsgewalt über die Gefahrenquelle gegen oder ohne seinen Willen entzogen worden ist. Ähnlich wie im Fall einer Zwangsverwaltung verbleibt auch im vorliegenden Fall lediglich die formale Eigentümerstellung des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen. Durch die hoheitliche Verwaltung wird das Eigentum soweit zurückgedrängt, dass dem Eigentümer eine Gefahrenabwehr nicht möglich ist, da durch die Besitzeinweisung nach § 18 f IV 4 FStrG der Besitz vollständig auf den Träger der Straßenbaulast übertragen wird. Eine Überwachung durch den Eigentümer ist in diesen Fällen eben so wenig erforderlich, wie ein Hinweis.

Auf die Frage, ob der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass eine kompetente und sachkundige öffentlich-rechtliche Körperschaft für die Verkehrssicherung ab der Einweisung zuständig gewesen ist, kommt es daher nicht mehr an.

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Regelmäßig erzielte Rabatte auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.6.2017 — Aktenzeichen: 19 S 33/16

Erhält ein im Rahmen eines Verkehrsunfalls Geschädigter regelmäßig Rabatte bei einer Reparatur, so sind diese auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen.

Leitsatz
Auch bei der fiktiven Abrechnung eines Schadens muss sich der Geschädigte regelmäßig erzielte Rabatte schadenmindernd anrechnen lassen.

Sachverhalt
Die Klägerin, ein Leasingunternehmen, unterhält bundesweit eine Fahrzeugflotte von mehreren tausend Fahrzeugen und bietet seinen Leasingnehmern (regelmäßig Großkunden mit Dienstwagen) neben der Bereitstellung der Fahrzeuge unter anderem ein Schadenmanagement an, durch welches, so die Eigenwerbung der Klägerin, nicht nur beim Einkauf der Fahrzeuge Rabatte erzielt werden können, sondern auch die Schadenkosten reduziert werden können.

Nachdem der VN des beklagten KH-Versicherers im Rahmen eines Verkehrsunfalls den klägerischen PKW beschädigt hatte, rechnete die Klägerin unter Vorlage eines Gutachtens den Schaden fiktiv ab.

Die Beklagte zahlte hierauf lediglich einen Teilbetrag, da sie davon ausgeht, dass die Klägerin im Rahmen der Reparatur einen „Flottenrabatt“ erziele und daher 35 % der Nettoreparaturkosten nicht zu erstatten seien. Denn die Klägerin habe Rahmenverträge mit Werkstätten geschlossen und erhalte quasi automatisch und somit ohne weitere Veranlassung den vereinbarten Rabatt mit Abgabe des Fahrzeuges in der Partnerwerkstatt. Da Rabatte von 50 % auf die Gesamtreparatur marktüblich seien und ein Rabatt von 35 % jederzeit erzielbar sei, sei die Klägerin dafür beweisbelastet, dass sie einen solchen Rabatt nicht erhalte. Jedenfalls bestehe eine sekundäre Darlegungslast. Hilfsweise bezieht sich die Beklagte auf die Eigenwerbung der Klägerin und auf die Vorlage von Reparaturrechnungen sowie die Einvernahme des Geschäftsführers der Klägerin bzw. die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte die Klage in erster Instanz Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidung
Nachdem die Kammer zunächst nochmals hervorhebt, dass der Geschädigte grundsätzlich bei Fahrzeugen, die jünger als drei Jahre sind, wie vorliegend gegeben, im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen kann, stellt sie jedoch zutreffend auf den höchstrichterlich bestätigten subjektiven Schadenbegriff ab und weist daraufhin, dass bei der nach § 249 II BGB vorzunehmenden Schadenberechnung nicht auf einen objektiven Durchschnittsaufwand abzustellen ist, sondern vielmehr die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen sind und lediglich der Betrag ersetzt verlangt werden kann, den der Geschädigten unter Berücksichtigung dieser Grundsätze aufwenden muss, um den vor dem Unfallereignis bestehenden Zustand wieder herzustellen. Hierbei setzt sich die Kammer umfassend mit der Rechtsprechung zum subjektbezogenen Schadenbegriff auseinander und stellt fest, dass es insbesondere gegen das Bereicherungsverbot verstoßen würde, wenn Rabatte, die der Geschädigte ohne Verhandlungsaufwand im Einzelfall erhält, nicht berücksichtigt würden. Die Wahrnehmung dieser automatisch gewährten Rabatte übersteigen nicht die Grenze der Zumutbarkeit.

Da die Berücksichtigung dem Grunde nach somit geklärt gewesen ist, musste noch die Höhe des Abzuges ermittelt werden. Nachdem die Klägerin bestritten hatte, dass sie solche Rabatte erhalte, hat der Sachverständige in erster Instanz ermitteln können, dass das Unfallfahrzeug etwa ein Jahr vor dem gegenständlichen Ereignis bereits an einem Unfall beteiligt gewesen ist und in derselben markengebundenen Fachwerkstatt, deren Reparaturkosten bei der Ermittlung der Kosten berücksichtigt worden sind, instandgesetzt worden ist. In dieser Rechnung wurden Rabatte auf Einzelpositionen in Höhe von 7 % bis 25 % gewährt. Weiterhin konnte der Sachverständige ermitteln, dass die betreffende Werkstatt einen Großkundenrabatt von 15 % gewährt.

Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht ausreichend entgegengetreten. Zwar hat sie weiterhin bestritten, dass solche Rabatte gewährt werden bzw. diese jedenfalls bei der Ermittlung des Schadens im Rahmen des vorgelegten Gutachtens berücksichtigt worden seien, jedoch stellte die Kammer ebenfalls zutreffen fest, dass der Geschädigte für die Darlegung des tatsächlichen Schadens verantwortlich ist.

Stellt sich die Frage, wie die Kammer es begründet, dass ein Rabatt in Höhe von 35 % zu berücksichtigen ist, obwohl der Sachverständige einen Rabatt in Höhe von 7 % bis 25 % ermittelt hatte. Hierbei dürfte ein gewisser Pönalisierungsgedanke maßgeblich sein. Die Kammer hatte mehrfach den Hinweis erteilt, dass es wichtig sei, den Geschäftsführer der Klägerin zu der Frage der Rabatte anzuhören. Trotz mehrmaliger Ladung ist der Geschäftsführer jedoch nicht erschienen. Hierdurch habe die Klägerin, so die Kammer weiter, die Aufklärung des Sachverhaltes vereitelt, obwohl diese Frage unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells der Klägerin wohl nicht von untergeordneter Bedeutung sein dürfte. Da somit durch das Sachverständigengutachten der Vortrag der Klägerin widerlegt worden ist, die Klägerin im Vorfeld gegen die Einholung des Gutachtens protestiert hatte und der Geschäftsführer nicht bereits gewesen ist, den Sachverhalt durch Befragung weiter aufzuklären, geht die Kammer unter zusammenfassender Würdigung der Verhandlungen davon aus, dass der Klägerin ein Rabatt in Höhe von 35 % gewährt werden würde.

Ob dies im Ergebnis vertretbar ist, erscheint fraglich. Wie bereits ausgeführt, dürfte es sich um den Ausdruck einer persönlichen Befindlichkeit handeln, dass die Kammer den behaupteten Rabatt in Höhe von 35 % als zutreffend angenommen hat. Im Weiteren ist der Entscheidung jedoch vollumfänglich zuzustimmen. Daher ist für die tägliche Schadenregulierung nur zu empfehlen, bei Großkunden auf solche Rabatte zu achten und diese im Rahmen der fiktiven Abrechnung eventuell nicht zu erstatten.

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BGH: Wahl des richtigen Sachverständigen

BGH, Urteil vom 30.5.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 203/16

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegen den beklagten Zahnarzt Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung geltend. Die Klägerin besuchte am 14.09.2006 einen Vortrag des Beklagten, der in seinem Internetauftritt für eine ganzheitliche Behandlung durch Beseitigung von Störfeldern im Kiefer wirbt, die er als Ursache von allgemeinen körperlichen Beschwerden sieht. Am 15.09.2006 führte der Beklagte bei der Klägerin eine von ihm so bezeichnete „Herd- und Störfeldtestung“ durch. Er gelangte dabei zu der Diagnose „mehrfaches Zahnherdgeschehen mit Abwanderung von Eiweißverfallsgiften in den rechten Schläfen. Und Hinterkopfbereich und bis in den Unterleib“. Darüber hinaus diagnostizierte er ein „Kieferknochenendystrophie-Syndrom“ und einen „stillen Gewebsunterhang im Knochenmark“. Als Therapie empfahl er der Klägerin die operative Entfernung sämtlicher Backenzähne und die gründliche Ausfräsung des gesamten Kieferknochens. Am 21.09.2006 entfernte der Beklagte bei der Klägerin operativ die Zähne 14, 15, 16 und 17und fräste den Kieferknochen in diesem Bereich „gründlich“ aus. Den verordneten Zahnersatz holte die Klägerin am 07.11.2006 selbst in einem Zahnlabor ab, ohne dass eine Einsetzung, Anpassung oder Einweisung in dem Umgang mit der Prothese durch den Beklagten erfolgte. Wegen Problemen mit der Prothese wandte sich die Klägerin an einen in der Nähe ihres Wohnortes tätigen Zahnarzt, der sich sehr kritisch zu der von dem Beklagten durchgeführten Behandlung äußerte. Bei dem Beklagten stellte sich die Klägerin wegen Schwierigkeiten mit dem Zahnersatz letztmalig am 17.11.2006 vor. Danach setzte sie die Behandlung bei ihm nicht mehr fort, so dass auch zu keinen weiteren Zahnentfernungen und Ausfräsungen des Kiefers mehr kam. In der Folgezeit konsultierte sie verschiedene andere Zahnärzte.

Mit ihrer vorliegenden Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Honorars, materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung seiner weitergehenden Einstandspflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht hat in erster Instanz der Klage überwiegend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte nur in geringem Umfang Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidung
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob der Beklagte wegen der Behandlung vom 21.09.2006 der Klägerin gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet ist. Nach Auffassung des BGH rügt die Revision mit Recht, dass das Berufungsgericht die verantwortliche medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen auf der Grundlage des Gutachten eines Sachverständigen beurteilt hat, der nicht über die erforderliche umfassende Sachkunde verfügt, Das Berufungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen , einen auch mit der ganzheitlichen Zahnmedizin in Theorie und Praxis vertrauten Sachverständigen zu beauftragen.

Nur vordergründig liegt dies auf der Linie, wonach Sachverständige mit der streitgegenständlichen Behandlung möglichst über eigene Erfahrungen verfügen sollte; der Senat übersieht aber die Problematik der Abgrenzung para- und komplemtentärmedizinischer Konzepte. Zudem hat der Senat offenbar die entgegenstehende Rechtsprechung bei der Beurteilung der Notwendigkeit komplementärmedizinischen Maßnahmen im Krankenversicherungsrecht außer Acht gelassen, die durchaus von einem Schulmediziner sachgerecht soll erfolgen können.

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„Semmeln kaufen“ nicht von der Wegeunfallversicherung abgedeckt

Bundessozialgericht, Entscheidung vom 31.08.2017 – Aktenzeichen: B 2 U 1/16

Sachverhalt
Das Bundessozialgericht hatte die Gelegenheit sich mit einer wohl alltäglichen Situation zu beschäftigen. Der Versicherte fuhr mit einem Kfz zur Arbeit und befand sich daher grundsätzlich auf einem nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Arbeitsweg, als er sich dazu entschied, an einem Bäcker anzuhalten um dort ein Brötchen zu kaufen. Da die Wartezeit in der Bäckerei dem Versicherten jedoch zu lang erschien, brach er den Kauf des Brötchens ab und kehrt zum Kfz zurück. Hierbei stürzte der Versicherte und verletzte sich schwer.

Entscheidung
Mit der noch nicht im Volltext veröffentlichten Entscheidung haben die Richter des Bundessozialgerichtes die Entscheidung des Bayrischen LSG aufgehoben und die Auffassung vertreten, dass das Anhalten um ein Brötchen zu kaufen als eine nicht geringfügige privatwirtschaftliche Handlung zu qualifizieren ist und daher der Versicherungsschutz unterbrochen ist. Insbesondere lag nach den Feststellungen des LSG keine Ausnahme vor, die es, etwa wie in der Mittagspause, ermöglichen würde, den Weg zur Nahrungsaufnahme als versichert zu betrachten.

Entgegen der Ansicht des LSG sei auch durch die subjektive Handlungstendenz zur Arbeitsstätte zu gelangen, nach dem der Kaufversuch abgebrochen worden ist, der Versicherungsschutz noch nicht wiederhergestellt. Zur Wiederbegründung des Versicherungsschutzes bedarf es vielmehr als objektives Kriterium bei abgrenzbaren Unterbrechungen einer nach natürlicher Betrachtungsweise anzunehmenden markierenden Unterbrechungshandlung. Insbesondere ist eine Wiederbegründung bei erneuter Aufnahme der vorher unterbrochenen versicherten Handlung anzunehmen. Mithin hätte im vorliegenden Fall, da der Versicherte sich mit dem Kfz auf dem Weg zur Arbeit befand, der Versicherungsschutz erst mit der Fortsetzung der Fahrt begonnen. Da er jedoch bereits vorher gestürzt ist, besteht kein Versicherungsschutz.

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Nachträgliche inhaltliche Kontrolle eines Telefax nicht erforderlich

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017 – Aktenzeichen: II ZB 19/16

Leitsatz
Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist eine nachträgliche inhaltliche Kontrolle der einzelnen Schriftstücke im Rahmen der Ausgangskontrolle nicht erforderlich. Es bedarf insbesondere keiner Anweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, den fristgebundenen Schriftsatz und zusätzlich zu übersendende Schriftstücke getrennt per Fax zu übermitteln oder sich durch telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle des Berufungsgerichts zu versichern, dass der fristwahrende Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist.

Sachverhalt
Der Kläger lässt gegen ein seine Klage abweisendes Urteil des Landgerichtes durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. Das entsprechende zehnseitige Telefax, bestehend aus der ersten Seite der Berufungsschrift, einem Schreiben des Landgerichtes an seinen Prozessbevollmächtigten, dem Empfangsbekenntnis seines Prozessbevollmächtigten und einer Abschrift des angefochtenen Urteils, wird am letzten Tag der Berufungsfrist übermittelt. Das Original der Berufungsschrift einschließlich der zweiten Seite mit abschließender Unterschrift des Rechtsanwaltes erreicht das OLG erst nach Fristablauf.

Es stellte sich nachfolgend heraus, dass versehentlich nicht die zweite Seite der Berufungsschrift, sondern versehentlich ein zweites Schreiben des Landgerichtes gefaxt worden ist, weshalb die fehlende Seite auf dem Sendeprotokoll nicht aufgefallen ist. Da die Berufungsschrift mithin keine Unterschrift eines Rechtsanwaltes enthielt, wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Auch der fristgerecht eingereichte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde vom OLG abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die im Ergebnis erfolgreiche Beschwerde des Klägers.

Entscheidung
Der Kläger hatte im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages ausgeführt, dass die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und geprüfte Rechtsfachwirtin R. übersehen habe, dass die Berufungsschrift nicht vollständig übermittelt worden sei. Zwar bestünde in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten die Arbeitsanweisung, dass die automatisch ausgedruckten Sendeprotokolle darauf zu überprüfen sind, ob der Schriftsatz vollständig und ordnungsgemäß übermittelt worden sind und darüberhinaus im konkreten Fall eine entsprechender gleichlautender mündlicher Auftrag durch den Prozessbevollmächtigten, allerdings habe die im Sendeprotokoll ausgewiesene Seitenzahl mit der zu übermittelnden übereingestimmt und die Übersendung sei laut Protokoll auch erfolgreich gewesen. Daher sei die Frist gestrichen worden. Im Weiteren wurde der Vortrag durch eine eidesstattliche Versicherung der R. glaubhaft gemacht und vorgetragen, dass die R. stets zuverlässig gearbeitet habe und regelmäßig beanstandungsfrei überprüft worden sei.

Der BGH betont, dass der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO nur das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, nicht aber dasjenige seines Büropersonals zugerechnet werden kann. Entgegen der Auffassung des OLG sei vorliegend jedoch gerade ein zurechenbares Organisationsverschulden nicht ursächlich für das Versäumen der Frist. Für eine wirksame Ausgangskontrolle reiche es – soweit vorliegend von Bedeutung – aus, wenn der Prozessbevollmächtige seinen Büroangestellten die Weisung erteile, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen.

Soweit das OLG die Auffassung vertrete, dass gerade das Versenden eines fristgebunden Schriftsatzes mit weiteren Schriftstücken die Gefahr mit sich brächte, dass versehentlich anstelle einzelner Seiten des fristgebundenen Schriftsatzes andere Schriftstücke mitgeschickt werden und dieser Gefahr durch ein bloßes Zählen der gesendeten Seiten nicht ausreichend begegnet werden könne, überspanne das OLG die Anforderungen an die Ausgangskontrolle.

Das versehentliche Vertauschen einer Schriftsatzseite mit einer anderen Seite aus der Handakte stelle kein spezifisches Risiko der Telefaxübermittlung dar, welchem durch die Ausgangskontrolle nach Abschluss des Sendevorgangs gesondert Rechnung getragen werden müssen. Es bedürfte daher keiner Anweisung, dass der fristgebundene Schriftsatz und weitere zu übermittelnde Schriftstücke getrennt per Fax übersendet werden müssen, so dass zwei Sendeprotokolle vorlägen. Auch eine telefonische Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle, ob der fristgebundene Schriftsatz vollständig übermittelt worden ist, sei nicht erforderlich. Daher sei dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mangels ein dem Kläger zurechenbaren Verschuldens zu entsprechen.

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Zurechnung der Betriebsgefahr beim Sicherungseigentum

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2017 – Aktenzeichen: VI ZR 125/16

Leitsatz
Dem Schadenersatzanspruch des nichthaltenden Sicherungseigentümers aus § 7 Abs. 1 StVG kann die Betriebsgefahr des sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuges nicht entgegengehalten werden, wenn ein Verschulden desjenigen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, nicht feststeht. (Festhalten an den Senatsurteilen vom 30. März 1965 – VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273 f.; vom 10. Juli 2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 ff.; vom 7. Dezember 2010 – VI ZR 288/09, BGHZ 187, 379 ff.).

Dies gilt auch, wenn der nichthaltende Sicherungseigentümer den Halter ermächtigt hat, diesen Anspruch im Wege gewillkürter Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen.

Sachverhalt
Ein Fall aus der täglichen KH-Schadenregulierung: Der Kläger ist als Halter des an eine Bank im Rahmen der Finanzierung sicherungsübereigneten Fahrzeugs an einem Unfall beteiligt. Der KH-Versicherer (hier: Beklagter zu 2)) berücksichtigt im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung eine Haftungsquote von 50/50.

Die Bank ermächtigt den Kläger ihre Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen, weshalb der Kläger im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft den Ersatz restlicher Reparaturkosten, der Wertminderung und vorgerichtlicher Sachverständigenkosten sowie aus eigenem Recht Ersatz des Nutzungsausfalls und einer allgemeinen Kostenpauschale begehrt.

Der Verkehrsunfall ließ sich nicht aufklären, ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer konnte nicht festgestellt werden. Daher hat das Amtsgericht ebenfalls eine Haftungsteilung angenommen. Auf die Berufung des Klägers hin, welche die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht angegriffen hatte, hat das Berufungsgericht die Beklagte zur vollständigen Zahlung fahrzeugbezogener Schadenpositionen (Sachschaden, Minderwert, Sachverständigenkosten) verurteilt und im Übrigen die vom Amtsgericht berücksichtigte Haftungsquote bestätigt. Mit der Revision verfolgen die Beklagten die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung
Der BGH hält das Berufungsurteil und bestätigt nochmals, dass vorliegend eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, da der Kläger durch die finanzierende Bank ermächtigt worden ist, im eigenen Namen die Schadenersatzansprüche des Eigentümers geltend zu machen und der Kläger auch ein eigenes, nämlich ein wirtschaftliches, Interesse hat. Nach ständiger Rechtsprechung wird gerade für den Fall der Sicherungsübereignung ein solches wirtschaftliche Interesse bejaht. Insbesondere entsteht dem Schädiger auch kein Nachteil, da der Schädiger auch bei einer Geltendmachung der eigenen Ansprüche durch den Sicherungsnehmers, der Schädiger die Betriebsgefahr diesem, wie nachstehend zu zeigen sein wird, mangels Zurechnungsnorm nicht entgegenhalten kann.

Eine Zurechnung der Betriebsgefahr nach § 17 StVG scheidet aus, da diese Norm auch eine Haftung des Geschädigten nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes voraussetzt. Im Rahmen der letzten Änderung des § 17 StVG hat der Gesetzgeber, obwohl ihm Bewusst gewesen ist, dass die Eigentümer- und die Halterstellung auseinanderfallen können (BT-Drucks 14/8780, S. 22f.), darauf verzichtet diese im Rahmen des § 17 StVG gleichzustellen. Daher ist eine Übertragung des Anwendungsbereiches des § 17 StVG auf den nichthaltenden Sicherungseigentümer abzulehnen.

Ebenfalls kommt eine Zurechnung nach § 9 StVG, § 254 BGB nicht in Betracht, da hierfür ein Verschulden des Fahrzeugführers erforderlich wäre. Ein vermutetes Verschulden genügt hierfür nicht.

Eine Zurechnung nach § 278 BGB scheitert offensichtlich an der fehlenden Verbindung zwischen der Sicherungseigentümerin und den Beklagten.

Interessant ist noch die Überlegung, dass der Kläger durch die Sicherungsübereignung ein dingliches Anwartschaftsrecht an dem Eigentum des an dem Unfall beteiligten Fahrzeugs erwirbt, welches durch dessen Beschädigung ebenfalls beeinträchtigt sein könnte. Dies war jedoch nicht weiterzuverfolgen, da der Kläger fahrzeugbezogenen Schadenersatzansprüche ausschließlich im Rahmen der Prozessstandschaft und nicht aus eigenem Recht geltend gemacht hat.

Praxishinweis: Da der BGH an seiner Rechtsprechung zur Zurechnung der Betriebsgefahr sowohl beim Leasingfahrzeug als auch bei der Sicherungsübereignung festhält, sollte insbesondere bei neueren sowie bei gewerblich genutzten Fahrzeugen bereits im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung diese Berücksichtigung finden und genau aufgeklärt und unterschieden werden, wer Halter und wer Eigentümer ist.

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BGH überträgt Mietwagenrechtsprechung auf Sachverständigengebühren

Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.06.2017 – Aktenzeichen: VII ZR 95/16

Leitsatz
Ein Gutachter, der dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls die Erstellung eines Gutachtens zu den Schäden an dem Unfallfahrzeug zu einem Honorar anbietet, das deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegt, muss diesen über das Risiko aufklären, dass der gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherer das Honorar nicht in vollem Umfang erstattet (Anschluss an BGH, Urteile vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04, BGHZ 168, 168; vom 24. Oktober 2007 – XII ZR 155/05, NJW-RR 2008, 470; vom 25. März 2009 – XII ZR 117/07, NJW-RR 2009, 1101).

Sachverhalt
Nach einem durch den Versicherungsnehmer des klagenden KH-Versicherers verschuldeten Unfall ließ der Geschädigte durch den beklagten Kfz-Sachverständigen ein Schadengutachten für die Ermittlung des eingetretenen Schadens erstellen. Hierzu unterzeichnete der Geschädigte eine Honorarvereinbarung, nach der zum einen in Abhängigkeit von der Schadenhöhe ein Grundhonorar berechnet wird und zum anderen Pauschalbeträge für bestimmte Nebenkosten gezahlt werden sollen.

Nach Ermittlung der Reparaturkosten in Höhe von 2.294,44 € netto, berechnete der Beklagte ein Grundhonorar in Höhe von 680,00 € und Nebenkosten in Höhe von 197,40 €, mithin ein Gesamthonorar in Höhe von 877,40 € netto (1.044,11 € brutto).

Nachdem die Klägerin zunächst lediglich einen Teilbetrag reguliert hatte, wurde sie verurteilt, den Geschädigten von dem nicht regulierten Teil freizustellen. Der Geschädigte hat seine Ansprüche gegenüber dem Beklagten im Gegenzug an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin begehrt eine Rückzahlung in Höhe von 392,72 €.

Entscheidung
Der BGH bestätigt zunächst das Berufungsgericht dahingehend, dass die Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Beklagten nicht nichtig sei. Hierbei verneint der BGH das Vorliegen der Voraussetzungen des Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB), da jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Beklagte vorsätzlich das Vorliegen einer besondere Schwächesituation des Geschädigten ausgenutzt habe. Auch ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) läge nicht vor, da kein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben sei. Nach einem in I. Instanz eingeholten Gutachten übersteigt das abgerechnete Honorar das ortsübliche um ca. 400,00 €, mithin um ca. 60 %. Bei einem solchen Verhältnis sei es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter ein wucherähnliches Rechtsgeschäft verneint, wobei der BGH ausdrücklich offen lässt, ob bei Verträgen der vorliegenden Art die übliche Schwelle von mindestens 90 % für die Annahme eines groben Missverhältnisses erreicht werden muss. Eine Abweichung von 60 % genügte dem BGH jedenfalls noch nicht.

Auch lehnte der BGH eine Sittenwidrigkeit wegen kollusivem Verhaltens des Geschädigten und des Beklagten ab, da zumindest dem Geschädigten die deutliche Überschreitung der ortsüblichen Honorare nicht bekannt sein dürfte und nicht bekannt sein muss.

Allerdings bejaht der BGH eine Beratungspflicht des Sachverständigen gegenüber dem Geschädigten aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, da sich das Bestehen und der Umfang einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nach der erkennbaren Geschäftsunerfahrenheit bzw. -erfahrenheit des Vertragspartners richtet. Da der durchschnittliche Geschädigte nicht nur unvermittelt, sondern in der Regel auch erstmals in die Situation gerät, ein Schadengutachten einholen zu müssen, wendet er sich an einen Sachverständigen in der Annahme, dass dessen Kosten, eine volle Einstandspflicht des Unfallgegners unterstellt, vollumfänglich übernommen werden. Demgegenüber ist dem Sachverständigen ebenso wie einem Mietwagenunternehmen bekannt, dass bei einer deutlichen Überschreitung der ortsüblichen Gebühren, das Risiko besteht, dass diese nicht vollständig übernommen werden. Daher ist der Sachverständige nach Treu und Glauben verpflichtet den Geschädigten darüber aufzuklären, dass möglicherweise die Gebühren nicht in vollem Umfang erstattet werden.

Dies ist ihm auch zumutbar, da er keine für die Aufklärung erforderliche gesonderte Marktanalyse durchführen muss, denn es ist davon auszugehen, dass dem Sachverständigen ohnehin die ortsübliche Höhe bekannt ist. Jedenfalls kann der Sachverständige in zumutbarer Weise auf Honorarumfragen etwa der DEKRA oder des TÜV bzw. des Berufsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen zurückgreifen.

Auch der Vorteil, dass dem Geschädigten unter Berücksichtigung der subjektbezogenen Schadensbetrachtung durch die fehlende Aufklärung durch den Sachverständigen durch die Klägerin das Honorar in voller Höhe erstattet worden ist, führt nicht zu einem Erlöschen des Anspruches, sondern vielmehr kann dieser nach Abtretung geltend gemacht werden. Eine Leistung des KH-Versicherers soll nicht den Kfz-Sachverständigen entlasten.

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Schmerzensgeldanspruch bei mehreren Behandlungsfehlern im Rahmen derselbern Operation

BGH, Urteil vom 14.3.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 605/15

Leitsatz
1. Der Schmerzensgeldanspruch, den ein Patient auf verschiedene, den Ärzten im Rahmen derselben Operationen der damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Nachbehandlung unterlaufende Behandlungs-fehler stützt, begründet einen einzigen, alle Behandlungsfehler umfassenden Streitgegenstand.

2. Mehrere Behandlungsfehler, die den Ärzten im Rahmen derselben Operation unterlaufen sind, begründen einen einheitlichen Schmerzens-geldanspruch, dessen Höhe aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der dem Schadensfall prägenden Umstände zu bemessen ist. Der Schmerzensgeldanspruch kann nicht in Teilbeträge zum Ausgleich einzelner im Rahmen eines einheitlichen Behandlungsgeschehens unterlaufener Behandlungsfehler aufgespalten werden.

Sachverhalt
Die Klägerin hat die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen.

Die Klägerin befand sich im Jahre 2009 wegen Beschwerden im Unterbauch im gynäkologischer Behandlung. Ein operativer Eingriff wurde dort am 07. August 2009 vorgenommen. Es sollten Verwachsungen und Zysten in der gynäkologischen Klinik der Beklagten operativ entfernt werden.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Lösung der Verwachsung im Rahmen der Operation vom 07.08.2009 fehlerhaft erfolgt sei. Die dabei aufgetretenen oberflächigen Verletzungen des Darms sei nicht ordnungsgemäß versorgt worden. Das Vernähen sei standardwidrig zu eng erfolgt, was zu einem vermeidbaren mechanischen Verschluss des Darms geführt habe. Außerdem hätte es die Ärzte bei der Operation vom 07.08.2009 behand-lungsfehlerhaft unterlassen, auch den rechten Eileiter zu entfernen, der aufgrund der massiven Chlamydieninfektion endgültig funktionsunfähig sei. Sein Belassen begründet die Gefahr einer potentiellen lebensbedrohlichen Eileiter-schwangerschaft. Denn infektionsbedingt sei der Eileiter nicht in der Lage, ein Ei in die Gebärmutter zu transportieren. Ein befruchtetes Ei bleibe deshalb notwendigerweise im Eileiter stecken. Schließlich hätten die Ärzte zu spät auf den Verschluss des Darmes reagiert. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichtes gestellt hat, mindestens jedoch 38.000 € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 37.500 € zu zahlen. Sie hat darüber hinaus die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, soweit die Klägerin aus dem Belassen des rechten Eileiters im Rahmen der Operation vom 07.08.2009 Schadensersatz herleitet. Die weitergehende Berufung hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zulassung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 8.000 € weiter.

Entscheidung
Nach Auffassung des Berufungsgerichtes ist die Berufung unzulässig, da die Klägerin ihre Berufung nicht begründet habe. Sie habe sich mit der Abweisung des auf diesen Behandlungsfehler gestützten und von ihr selbst mit mindestens 8.000 € bewerteten Schmerzensgeldanspruches in der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt. Denn die Klägerin habe mit dem in dem Belassen des Eileiters liegenden Behandlungsfehler einen weiteren prozessualen Anspruch geltend gemacht, der abgewiesen worden ist. Wenn ein eigenständiger prozessualer Anspruch mit der Berufung weiterverfolgt werde, bedürfe es einer entsprechenden Berufungsbegründung. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umgang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht. Gegenstand des Revisionsverfahren ist nur noch der auf eine fehlerhafte ärztliche Behandlung im Rahmen der Operation vom 07.08.2009 gestützten Schmerzensgeldanspruch in einer reduzierten Größenordnung von 8.000 €. Auf diesen Anspruch hat die Klägerin ihr Rechtsmittel in der Revisionsbegründung in zulässiger Weise beschränkt. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Antrags auf Zahlung eines angemessenen Schmerzens-geld rechtsfehlerhaft hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 8.000 € als unzulässig verworfen. Der Senat führt insoweit aus, dass grundsätzlich das gesamte konkrete Behandlungsgeschehen, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, den Gegenstand des Rechtsstreites bildet. Der Sachverhalt würde unnatürlich zersplittert, wenn jeder bei einem operativen Eingriff und der damit im unmittelbar Zusammenhang stehenden Nachbehandlung unterlaufene Behandlungsfehler einen eigenen Streitgegenstand begründe. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats sind an die Substaniierungspflichten des Patienten im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen zu stellen. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch bildet keinen teilbaren Streitgegenstand in dem Sinne, dass auf die verschiedenen, den Ärzten nach der Behauptung der Klägerin bei der Operation vom 07.08.2009 unterlaufenen Behandlungsfehler unterschiedliche Schmerzensgeldbeträge entfielen und dieser einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zugänglich wären. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zieht nicht jeder Behandlungsfehler einen eigenen Schmerzensgeldanspruch nach sich. Mehrere Behandlungsfehler, die den Ärzten im Rahmen derselben Operation unterlaufen sind, begründen vielmehr nur einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch, dessen Höhe aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadenfall prägenden Umstände zu bemessen ist. Der dem Patienten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung zustehende Schmerzensgeldanspruch kann nicht in Teilbeträge zum Ausgleich einzelner im Rahmen eines einheitlichen Behandlungsgeschehen unterlaufenen Behandlungsfehler aufgespalten werden. Dem steht der Grundsatz der Einheitlichkeit der Schmerzensgeldbemessung entgegen. Nach diesen Grundsätzen genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Schon die Berufungsangriffe gegen die Beurteilung des ärztlichen Vorgehens im Zusammenhang mit der Versorgung der Darmverletzung und der Nachbe-handlung waren geeignet, so der Senat, der Begründung des angefochtenen Urteils insgesamt die Tragfähigkeit zu nehmen. Das Berufungsgericht war nicht gehindert, der Klägerin das begehrte Schmerzensgeld in Höhe von 38.000 € allein aufgrund der in der Berufungsbegründung angegebenen Umstände zuzuerkennen.

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Schutzimpfung als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind

BGH, Urteil vom 3.5.2017 — Aktenzeichen: XII ZB 157/16

Leitsatz
1. Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine so genannte Standard- oder Routineimpfung handelt.

2. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung entsprechend den Empfehlungen der ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

3. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektion- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich.

Sachverhalt
Der Antragsteller (Vater) und die Antragsgegnerin (Mutter) sind die gemeinsamen sorgeberechtigten nichtehelichen Eltern ihrer im Juni 2012 geborenen Tochter. Diese lebt bei der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Uneinigkeit über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt.

Der Vater befürwortet vorbehaltlos die Durchführung altersentsprechender Schutzimpfungen. Er sieht sich im Rahmen der elterlichen Gesundheitssorge verpflichtet, sein Kind grundsätzlich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen, soweit Schutzimpfungen verfügbar seien und durch die ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfohlen würden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiegt schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Amtsgericht hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf bestimmte Schutzimpfungen beschränkt.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Mutter ihr Anliegen weiter, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis in Bezug auf Schutzimpfungen zu übertragen. Die Rechtsbeschwerde hat nach Auffassung des BGH keine Aussicht auf Erfolg.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Entscheidung
Die aufgrund § 1628 BGB zutreffende Entscheidung des Familiengerichts richtet sich gemäß § 1697 a BGB nach dem Kindeswohl. Die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zu Gunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweiligen Angelegenheiten das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt. Das Oberlandesgericht hat im vorliegenden Fall die Entscheidungsbefugnis bezüglich der Schutzimpfung auf den Vater übertragen. Dies entspricht nach Auffassung des Senates den oben genannten Maßstäben. Die Durchführung von Schutzimpfungen ist als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 Satz 1 BGB anzusehen. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nach § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel nur solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes haben. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die häufig vorkommen. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt mithin im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Zudem kann die Entscheidung schwer abzuändernde Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes haben, wobei zunächst offen bleiben kann, ob die Infektionsrisiken im Fall der Nichtimpfung die Impfungsrisiken überwiegen oder umgekehrt. Bei der Beurteilung der Folgen verdeutlicht vielmehr sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung, dass es sich nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt, sondern um eine Angelegenheit mit erheblicher Bedeutung für das Kind. Die Anwendung des § 1628 BGB erscheint daher seinem Zweck entsprechend nicht zuletzt auch zur Sicherung des dem Kindeswohl dienlichen Rechtsfriedens unter den Eltern als geboten. Mit Recht habe das Oberlandesgericht den Vater als besser geeignet angesehen, über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür maßgeblich darauf abgestellt, dass der Vater Impfungen offen gegenüber steht und seine Haltung an den Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut orientiert. Die Impfempfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof als medizinischer Standard anerkannt worden. Daran nimmt die Empfehlung zugrundeliegenden Einschätzung teil, dass der Nutzen der jeweils empfohlenen Impfung das Impfrisiko überwiegt. Einen dem entgegenstehenden Erfahrungssatz hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Oberlandesgericht im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es konnte vielmehr aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlung der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut davon ausgehen, dass der Nutzen der Impfung deren Risiko überwiegt. Die entsprechenden Feststellungen beruht mithin auf sachverständigen Erkenntnissen der hierfür eingesetzten Expertenkommission. Da über die im Rahmen der Impfempfehlungen getroffenen generellen Beurteilungen hinaus keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa bei dem Kind bestehenden besonderen Impfrisiken vorliegen, hat sich das Oberlandesgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine eigene sachkundigen medizinscher Fragen angemaßt, sondern für seine Beurteilung in zulässigerweise auf vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen. Demnach hat das Oberlandesgericht unter Abwägung aller maßgeblichen Umstände folgerichtig den Vater als besser geeignet angesehen, um die Entscheidung über die aufgezählten Schutzimpfungen im Sinne des Kindeswohles zu treffen.

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