LV-Text oder Plan: Was hat Vorrang?

KG, Urteil vom 27.08.2019 — Aktenzeichen: 21 U 160/18

 

Leitsatz

Ist es nach der einem Vertrag zugrundeliegenden Leistungsbeschreibung unklar, ob der Unternehmer eine bestimmte Leistung in die vereinbarte Vergütung hätte einkalkulieren müssen, so gibt es keine allgemeine Regelung, dass diese Unklarheit generell zu seinen Lasten oder umgekehrt zu Lasten des Bestellers zu lösen wäre. Maßgeblich ist vielmehr die Auslegung der Leistungsbeschreibung aus der Sicht einer objektiven Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.

 

Sachverhalt

Der Auftraggeber (im nachfolgenden nur kurz „AG“ genannt) schreibt unter Einbeziehung der VOB/B Planungs- und Bauleistungen für den Umbau eines Bahnhofs aus.

Der Auftragnehmer (nachfolgend nur kurz „AN“ genannt) erhält für ein Teillos den Zuschlag auf sein Angebot von ca. 27,2 Mio. Euro (netto).

Zu den Ausschreibungsunterlagen gehört u.a. ein Leistungsverzeichnis (LV) mit ca. 1050 Seiten und verschiedenen Plänen.

Der AN hat danach u.a. eine Eisenbahnunterführung zu errichten. In den Plänen sind an den Widerlagern Magerbetonauffüllungen ausgewiesen, welche jedoch im entsprechenden Titel des Leistungsverzeichnisses nicht beschrieben sind.

Auch die Abdeckungen von Randkappen der Brückenkonstruktion zur Herstellung eines Kabelkanales sind in den Plänen dargestellt, im Leistungsverzeichnis aber nur für einen Teilbereich mit Positionen beschrieben.

Der AN begehrt mehr Vergütung in Höhe von

  • 16.000,00 € (netto) für den Magerbeton und
  • 31.000,00 € (netto) für die Abdeckungen.

 

Zum Problem

Die Prüfung eines Nachtrages hat stets mit der Frage zu beginnen, was eigentlich Leistungsinhalt ist und ob die geltend gemachten Nachtragsleistungen nicht in Wirklichkeit von dem Vertragspreis abgegolten sind. Diese Frage ist häufig schwierig zu beantworten, weil die vertraglichen Regelungen unklar, unvollständig und missverständlich sind. Letztlich entscheidet die Vertragsauslegung durch das Gericht, ggf. mit der Unterstützung von Sachverständigen.

 

Zur Entscheidung

Das Landgericht hat erstinstanzlich zugunsten des AN beide Nachträge dem Grunde nach zuerkannt.

Das Kammergericht hat in der Berufungsinstanz nur die Mehrvergütung für die Abdeckungen der Randkappen bestätigt, während es einen Mehrvergütungsanspruch für den Magerbeton verneint hat.

Zur Begründung hat das Kammergericht ausgeführt, für die gebotene Auslegung der Leistungsbeschreibung seien nicht nur das Leistungsverzeichnis, sondern eben auch Pläne, Zeichnungen oder sonstige Umstände, auf die die Parteien bei der Bestimmung des Leistungssolls Bezug genommen hätten, heranzuziehen. Für Unklarheiten gebe es – so das Kammergericht – keine allgemeine Regel, wonach diese zu Lasten einer bestimmten Vertragspartei zu lösen seien. Weder lasse sich allgemein sagen, dass jede Unklarheit ein Verstoß gegen die Pflicht des AG zu möglichst erschöpfenden Leistungsbeschreibung darstelle und deshalb zu seinen Lasten zu lösen sei, noch wäre es richtig, eine Pflicht des Unternehmers zu postulieren, auf Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung hinzuweisen, so dass offengebliebene Punkte zu seinen Lasten gehen müssten.

Das Kammergericht hat dann weiter ausgeführt, so könne der Plan dem Text vorgehen, wenn aus Sicht einer objektiven Vertragspartei dem Plan eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der vertraglichen Leistung und ihrer Vergütung zukomme. Dass sei wiederum dann der Fall, wenn es um Leistungen gehe, die für die Funktionalität der Werkleistung und die durch die Vertragserfüllung entstehenden Kosten von größerer Bedeutung seien.

Das Kammergericht hat dann weiter erläutert, aus Sicht einer objektiven Partei sei davon auszugehen, dass ein Unternehmer, der zur Erstellung eines Vertragsangebotes die Leistungsbeschreibung durchgehe, sich nicht darauf beschränke, den Text der Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses zu bepreisen, sondern er dabei auch die Pläne zu Rate ziehe und auswerte. Sofern ihm dabei das im Textteil fehlende Element der geschuldeten Leistung auffallen müsse, bestehe für den Unternehmer Anlass, es bei der Preisbildung einzukalkulieren. Sofern dem Unternehmer das im Textteil fehlende Element der geschuldeten Leistung auffallen müsse, bestehe für den Unternehmer Anlass, es bei der Preisbildung einzukalkulieren.

Das Kammergericht ist schließlich zu dem Ergebnis gelangt, beim Magerbeton sei eben gerade dies der Fall, während es bei den Abdeckungen aufgrund der untergeordneten Bedeutung nicht der Fall sei.

 

Stellungnahme/Praxishinweis

Die Entscheidung des Kammergerichtes orientiert sich am „funktionalen Herstellungsbegriff“ des BGH und lässt z. B. die Frage, wer die Leistungsbeschreibung eigentlich erstellt hat und der Bieter grundsätzlich eine mit § 9 VOB/A konforme Auslegung erwarten dürfe außer Acht.

Es bleibt nun abzuwarten, ob diese am funktionalen Herstellungsbegriff orientierte Rechtsprechung des Kammergerichtes Nachahmer findet.

 

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Veränderungen auf Partner- und Counsel-Ebene

SCHLÜNDER RECHTSANWÄLTE hat zum 1. Januar 2020 Rechtsanwalt Axel Boesenberg (36) sowie Rechtsanwalt Dr. Michael Kunzmann, LL.M. (40) in den Kreis ihrer Partner aufgenommen. Die Partnerschaft wächst damit auf neun Partner. Dies ist einerseits Konsequenz einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung, andererseits vollzieht sich damit weiterhin der Generationenwechsel bei SCHLÜNDER RECHTSANWÄLTE. Die neuen Partner werden zum weiteren Erfolg der Sozietät beitragen, wie sie es bereits als Counsel gemacht haben.

Axel Boesenberg ist seit 2010 bei SCHLÜNDER RECHTSANWÄLTE tätig. Er ist spezialisiert im Bereich der Vermögensschadenshaftpflicht. Als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht vertritt Axel Boesenberg darüber hinaus im Auftrag der Versicherungswirtschaft Kapitalanlageberater sowie Anbieter/Emittenten von Kapitalanlagen. Ferner betreut er den Bereich der Cyberhaftpflicht.

Dr. Michael Kunzmann gehört seit 2010 zu SCHLÜNDER RECHTSANWÄLTE und ist Fachanwalt für Versicherungsrecht. Er ist Spezialist für Haftpflichtschäden und Haftungsfälle der Versicherungsmakler. Auch vertritt Dr. Kunzmann Versicherer in deckungsrechtlichen Fragestellungen.

Veränderungen gibt es auch auf der Counsel-Ebene. Zu Counseln ernannt wurden Stefan Möhlenkamp und Stefan Krappel. Die Ernennungen belegen die hohe Qualität und das große Engagement der Anwälte in allen Bereichen der Sozietät.

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Schützt die ununterbrochene Mittelleitlinie den einbiegenden Verkehr?

OLG München, Urteil vom 15.3.2019 — Aktenzeichen: 10 U 2655/18

Mit dieser Frage hat sich das OLG München beschäftigt und vertritt die Auffassung, dass auch, wenn sich das Vorfahrtsrecht bekanntlich auf die gesamte Fahrbahnbreite und das Einmündungsviereck erstreckt, sich der Schutzbereich einer ununterbrochenen Mitteilleitlinie (Zeichen 295) auch auf den aus der untergeordneten Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmer erstreckt.

Sachverhalt
Im Rahmen der alltäglichen Situation eines Rückstaus vor einem Kreuzungsbereich fährt die Klägerin mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h unter teilweisem Überfahren der durchgezogenen Mittelleitlinie und einer Sperrfläche an dem Rückstau vorbei in den Einmündungs- und Kreuzungsbereich ein. Zeitgleich biegt die beklagte Fahrzeugführerin nach rechts in die bevorrechtigte Straße ein und kollidiert auf „ihrer“ Fahrspur mit dem klägerischen Fahrzeug.

Entscheidung
Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge ist zu Lasten der Beklagten selbstverständlich ein Vorfahrtsverstoß zu berücksichtigen, da das klägerische Fahrzeug im Zeitpunkt des Anfahrentschlusses erkennbar gewesen ist und unabhängig von der Fahrbahnmarkierung sich das Vorfahrtsrecht auf die gesamte Fahrbahnbreite erstreckt.

Um die Frage einer Mitverantwortung der Klägerin zu beantworten ist zunächst zu klären, welche Wirkung die ununterbrochene Mittelleitlinie entfaltet. Grundsätzlich dient Zeichen 295, wenn die Markierung die Fahrbahnhälften einer Straße trennt, zur Abgrenzung des für den Gegenverkehr vorgesehenen Fahrbahnteils. Daher schützt Zeichen 295 in erster Linie den Gegen- und nicht den einbiegenden Verkehr.

Allerdings sollen, so der Senat weiter, durch die Vorschriften der StVO die Gefahren des Straßenverkehrs abgewendet und Unfälle vermieden werden. Daher rückt bei Nichteinhaltung der Regeln die Gefahr eines Unfalls in den Bereich des Möglichen, weshalb ein unfallkausaler Verstoß bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge grundsätzlich zu berücksichtigen sei. Dies soll unabhängig davon gelten, ob der andere Unfallverursacher in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen sei.

Unter Berücksichtigung der geringen Einbiegegeschwindigkeit des beklagten Fahrzeugs und der in der konkreten Situation deutlich überhöhten Geschwindigkeit der Klägerin sei eine Schadenteilung angemessen. Eine überwiegende Haftung der Klägerin komme nur auf Grund des Umstandes, dass ein Motorradfahrer an dem Rückstau ohne ein Überfahren der Mittelleitlinie hätte vorbeifahren können, nicht in Betracht.

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Dieselskandal: Nachlieferung bei Nachfolgemodell möglich?

BGH, Pressemitteilung Nr. 022/2019

In Anlehnung an die am 22.10.2018 vorgestellte Entscheidung des OLG Jena vom 15.08.2018 (Az. 7 U 721/17) ist auf die Pressemitteilung Nr. 022/2019 vom 22.02.2019 hinzuweisen. In dem Verfahren VIII ZR 225/17 hat der BGH, nachdem das OLG Bamberg eine Ersatzlieferung ebenfalls für unmöglich erachtet hat, im Rahmen eines Hinweisbeschlusses mitgeteilt, dass diese Rechtsauffassung fehlerhaft sein könnte, da im Hinblick auf den Inhalt der vom Verkäufer übernommenen Beschaffungspflicht ein mit einem nachträglichen Modellwechsel einhergehender mehr oder weniger großer Änderungsumfang für die Interessenlage des Verkäufers in der Regel ohne Belang sein dürfte. Vielmehr sei im wesentlich auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten abzustellen.

Da die Parteien sich nach den Hinweisen verglichen haben, konnte der BGH weiterhin nicht die Frage beantworten, welche Kosten bei der Abwägung nach § 439 Abs. 4 BGB zu berücksichtigen sind. Es bleiben weitere Entscheidungen abzuwarten.

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Berechnung Haushaltsführungsschaden/Schmerzensgeld Tagesberechnung

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.10.2018 — Aktenzeichen: 22 U 97/16

Das OLG Frankfurt setzt neue Maßstäbe bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens und insbesondere des Schmerzensgeldes. Wird sich die taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes durchsetzen?

Leitsatz
1. Hat der Geschädigt Ansprüche auf Verdienstausfall, die ihm gegen den Schädigen zu stehen, ausdrücklich an Arbeitgeber oder Krankentagegeld-Versicherung abgetreten, verliert er diesen Anspruch. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die von ihm erbrachten Leistungen nach der normativen Schadenberechnung auf den Ersatzanspruch anzurechnen ist.

2. Für die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens muss der Geschädigte im Einzelnen vortragen, in welchem Umfang er durch die Verletzung in der Erbringung der dafür erforderlichen Leistung eingeschränkt war. Tabellenwerke zur Berechnung ersetzen den Sachvortrag nicht, dienen aber für den Richter zur Überprüfung der Plausibilität des Parteivortrags. Der Senat hält die dafür bisher zur Verfügung stehenden Quellen (zum Beispiel Pardey, Haushaltsführungsschaden) — gerade im Bereich des Haushaltszuschnitts für nicht mehr zeitgemäß und orientiert sich an den Tabellen von Schah Sedi, Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden, 2017. Für die fiktive Abrechnung des Schadens erscheint bei einfacher Arbeit im Haushalt ein Stundensatz von 8,50 € angemessen, der aber hinsichtlich des Zuschnitts des Haushalts auf 10 € angehoben werden kann.

3. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte sind weder Maßstab noch Begrenzung. Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit vieler Fallgestaltungen fehlt es oft an brauchbaren Kriterien, wie insbesondere auch die Dauer der Beeinträchtigung ausreichend berücksichtigt wird. Der Senat hält deshalb eine Methode, das Schmerzensgeld nach der Art der Behandlung (Krankenhaus, Rehabilitation) und der Dauer der Beeinträchtigung zu bemessen für geeignet, eine angemessene und vergleichbare Entschädigung zu errechnen. Die im Handbuch Schmerzensgeld 2013 unter Berücksichtigung des Grads der Schädigungsfolgen (GdS) dargelegten Ansätze können dazu dienen.

Sachverhalt
Der beklagte Fahrzeugführer wendete mit seinem Pkw auf einer Bundesstraße. Hierbei übersah er den entgegenkommenden Kläger auf seinem Motorrad. Da der Kläger nicht mehr ausweichen konnte, kollidierten die Fahrzeuge. Der Kläger erlitt unfallbedingt erhebliche Verletzungen, weshalb er u.a. 11 Tage stationär behandelt werden musste. Der Kläger erhielt von seinem Krankentagegeldversicherer eine Versicherungsleistung in Höhe von 9.790,00 €. In dieser Höhe hat der Kläger seinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls an den Versicherer abgetreten. Des Weiteren erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber über den Zeitraum der Entgeltfortzahlung hinaus Zuschüsse zum Krankengeld in Höhe von 16.456,00 €. Die Zuschüsse hat der Kläger in vorbezeichneter Höhe an den Arbeitgeber abgetreten. Beider Zessionare machen ihre Ansprüche geltend. Nachdem dem Kläger über die bereits erfolgte Regulierung des KH-Versicherers durch das Landgericht Darmstadt einen weiteren Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 5.500,00 € zugesprochen worden ist, hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg.

Entscheidung
Da dem Kläger ein Verschulden (etwa überhöhte Geschwindigkeit) nicht nachgewiesen werden konnte, haften die Beklagten für den Unfall zu 100 %. Problematischer ist die Frage der Schadenhöhe.

Den Verdienstausfall für den Zeitraum vom 13.04.2014 bis zum 31.07.2014 unter Berücksichtigung eines monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 10.169,74 € konnte der Kläger entsprechend nachweisen. Streitig war jedoch die Frage, ob der Kläger sich die erhaltenen Leistungen des Krankentagegeldversicherers und des Arbeitgebers über die Entgeltfortzahlung hinaus, anrechnen lassen muss.

Wie auch bei dem gesetzlichen Forderungsübergang nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ist vom BGH anerkannt worden, dass unter normativer Betrachtung nicht sämtliche Leistungen Dritter an den Geschädigten den Schädigen entlassen sollen und eine Anrechnung daher nicht zu erfolgen hat. Insbesondere ist anerkannt, dass ein normativer Schaden auch bei Leistung des Arbeitgebers über das Entgeltfortzahlungsgesetz hinaus besteht, auch wenn ein gesetzlicher Forderungsübergang nicht stattfindet. Daher nimmt der Senat für beide Leistungen eines Dritten an, dass die Zahlungen den Schädigen nicht entlasten sollen und eine Anrechnung nicht erfolgt.

Da der Kläger seine Ansprüche jedoch ausdrücklich abgetreten hat, ist er nicht mehr aktivlegitimiert. Allerdings wendet der Kläger ein, dass die Zahlung des Arbeitgebers in Höhe von 16.456,00 € brutto erfolgt ist und er sich nur den Netto-Betrag in Höhe von 14.465,81 € entgegenhalten lassen muss. Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht, da der Kläger ausdrücklich in seiner Abtretungserklärung erklärt hat, dass er den Betrag in Höhe von 16.456,00 € abtritt. Eine Differenzierung in brutto oder netto ist nicht erfolgt. Daher muss sich der Kläger die Leistungen in voller Höhe entgegenhalten lassen. Im Rahmen der Darlegung der Anforderungen an den behaupteten Haushaltsführungsschaden betont das OLG, dass nicht auf die Minderung der Erwerbsunfähigkeit, sondern auf die konkrete haushaltsspezifische Beeinträchtigung abzustellen ist. Diese ist konkret darzulegen. Ein Verweis auf einen Tabellenwerk ist hierfür nicht ausreichend. Vielmehr dienen diese zur Überprüfung des Vortrag auf Plausibilität durch den Tatrichter. Neu ist der Ansatz, dass das Tabellenwerk von Pardey überholt sei, da die den Angaben zugrundeliegenden Statistiken veraltet sein.

Insbesondere werde nicht berücksichtigt, dass auch der Haushalt zunehmend durch den Einsatz von Küchenmaschinen, Saug- und Mährobotern automatisiert werde und daher ein geringer Umfang für die Haushaltsführung aufgewandt werde. Daher sei das Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden der Autorin Schah Sedi besser geeignet, da es Erhebungen aus den Jahren 2012/2013 berücksichtige.

Des Weiteren hält der Senat ausdrücklich zur Frage des anzusetzenden Stundensatzes nicht mehr an der Entscheidung aus 2008 fest (6,26 €), sondern erachtet auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der gesetzliche Mindestlohn brutto sei, für einen einfachen Haushaltszuschnitt einen Betrag in Höhe von 8,50 € für angemessen, welcher auf bis zu 10 € erhöht werden kann. Es bleibt abzuwarten, dass der Senat jeweils mit der Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auch den zu berücksichtigenden Stundensatz anpasst. Besonders hervorzuheben ist die Entscheidung jedoch bezüglich der Berechnung des Schmerzensgeldes. Der Senat erachtet die Berücksichtigung der Dauer der Beeinträchtigungen insbesondere bei schweren Dauerbeeinträchtigung als unterrepräsentiert. Vielmehr hänge nach der Erfahrung des Senats die Bemessung des Schmerzensgeldes von der persönlichen Situation des erkennenden Richters, den Vorstellung, die der Rechtsanwalt des Geschädigten äußert und auch von dem jeweiligen Landstrich ab. Daher sei eine zutreffende außergerichtliche Beratung nicht möglich. Daher sei, wie bereit in vielen europäischen Ländern üblich, das Schmerzensgeld nach festen Kriterien unter Berücksichtigung von Tabellenwerden zu berechnen. Hierfür bezieht sich der Senat auf das Handbuch Schmerzensgeld (Schwintowski/Schah Sedi, 2013). Hierbei ist in einer ersten Stufe grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder Schmerz und jede Beeinträchtigung für jeden Menschen unabhängig vom Einkommen und der persönlichen Situation gleich sei. Daher sei von eine durchschnittlichen Einkommen auszugehen, welches nach Erhebung des Statistischen Bundesamtes 2.670,16 € brutto beträgt.

Für einen Aufenthalt in einer Normalstation im Krankenhaus seien 10 % des Einkommens zu berücksichtigen. Ferner für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit 7 %. Da allerdings die Frage der Arbeitsunfähigkeit lediglich von der Einschätzung eines Arztes abhängt, sei über den Grad der Schädigungsfolge (GdS), wie er auf der Grundlage der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008 bemessen wird, ein Korrektiv zu berücksichtigen. Hiernach sei vorliegend bis zum 27.04.2014 eine Beeinträchtigung von 50 % zu berücksichtigen. Mithin ergibt sich für die vorliegende AU von 46 Tage ein Betrag in Höhe von 4.298,96 € (2.670,16 € x 7 % x 46 Tage x 50 %). Für die weiteren 95 Tage sei eine Beeinträchtigung in Höhe von 25 % zu berücksichtigen (4.438,40 €). Unter Berücksichtigung der 11 Tage stationärer Behandlung ergibt sich ein Betrag in Höhe von 11.674,44 €.

In der zweiten Stufe soll individuelle Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden können. Hierbei sollen Besonderheiten des Einzelfalls, wie etwa längerfristige Beeinträchtigungen oder Athrosebildung, berücksichtigt werden. Unser Berücksichtigung der eigenen Vorstellungen des Klägers erachtet der Senat daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 11.000,00 € für angemessen.

Anmerkung: Tatsächlich kann die Höhe des im Erging zugesprochenen Schmerzensgeldes schwer vorhergesagt werden. Selbst im Instanzenzug können sich erhebliche Abweichungen ergeben. Bedauerlicherweise lassen sich die Gerichte von den Vorstellungen des Geschädigten beeinflussen („Ankerprinzip“). Es bliebt abzuwarten, ob sich diese Ansicht durchsetzt.

Kritische Anmerkungen hierzu von Bensalah/Hassel, NJW 2019, 403.

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Nachweis Erfoderlichkeit SV-Gebühren

BGH, Urteil vom 5.6.2018 — Aktenzeichen: VI ZR 171/16

Da die Instanzgerichte bedauerlicherweise regelmäßig ohne Problembewusstsein, über die Frage der Erforderlichkeit der nach einem Verkehrsunfall angefallenen Sachverständigengebühren hinweggehen, dürfen wir nochmal darauf hinweisen, dass allein die Vorlage einer Gebührenrechnung für den Nachweis nicht ausreichend ist. Vielmehr muss die Rechnung auch tatsächlich ausgeglichen sein. Erst dann verschiebt sich die Darlegungslast.

Leitsatz
Legt der Geschädigte oder der an seine Stelle getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung über die Sachverständigenkosten vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenhöhe durch den beklagten Schädigen oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt.
Sachverhalt
Die Geschädigt hat nach einem Verkehrsunfall, welcher allein durch den Versicherungsnehmer des beklagten Haftpflichtversicherer verursacht worden ist, ihre Schadenersatzansprüche im Bezug auf das Gutachterhonorar an das Sachverständigenbüro ab, welches die Forderung an die Klägerin veräußert hat. Nachdem der Haftpflichtversicherer lediglich einen Teil der Sachverständigengebühren ausgeglichen hat, wurde Klage erhoben.

Das Amtsgericht Wuppertal hat die Klage abgewiesen, jedoch die Berufung zugelassen. Das Landgericht Wuppertal auf die Berufung das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Im Rahmen der zugelassenen Revision wurde das Berufungsurteil erneut aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Entscheidung
Nachdem zunächst geklärt werden musste, ob die Abtretung hinreichend bestimmt gewesen und daher wirksam ist, wiederholt der BGH nochmal die ständige Rechtsprechung zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten und weist ebenso wie bei Mietwagenkosten daraufhin, dass eine Marktanalyse durch den Geschädigten grundsätzlich nicht verlangt werden kann.

Allerdings trifft den Geschädigten die Darlegungslast für den erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 II 1 BGB. Dieser genügt der Geschädigte, so der BGH, durch Vorlage einer beglichenen Rechnung des mit der Begutachtung des unfallbedingt beschädigten Fahrzeugs beauftragten Sachverständigenbüro. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit reicht dann grundsätzlich nicht mehr aus.

Der Grund für die vom BGH angenommene Indizienwirkung für einen vom Geschädigten tatsächlichen Aufwand ist in den nach § 249 II 1 BGB zu berücksichtigen besonderen Umständen und dessen möglicherweise begrenzten Erkenntnismöglichkeiten zu sehen. Diese schlagen sich jedoch nicht in der Höhe des vom Sachverständigen abgerechneten Honorars, sondern in den tatsächlichen Aufwendung des Geschädigten nieder.

Selbstverständlich sind diese Grundsätze auch im Rahmen der Abtretungskette zu berücksichtigen. Da vorliegend der Ausgleich der Rechnung nicht behauptet worden ist, genügte das einfache Bestreiten der Erforderlichkeit.

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OLG Frankfurt: Taggenaue Schmerzensgeldberechnung und Neuerung bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens–Teil 2

Bei Unfällen, bei denen die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegien nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, da sie sich außerhalb eines typischen Anstellungsverhältnisses vollziehen, wird das Aussetzungserfordernis nach § 108 SGB VII regelmäßig übersehen. So etwa bei Schadensfällen im Zusammenhang mit der Haltung von Tieren und Kraftfahrzeugen, im Rahmen ehrenamtlicher oder vereinsbezogener Tätigkeit sowie bei Hilfeleistungen von Verwandten, Nachbarn oder Freunden. War der Geschädigte im Unfallzeitpunkt Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII in einem im Unfallversicherungsrecht anerkannten Unternehmen, kann ihm Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen mit der Konsequenz, dass seinem Schädiger möglicherweise ein Haftungsprivileg aus den §§ 104 ff. SGB VII zugutekommt.

Dem Zivilrechtsstreit vorgeschaltete Verwaltungs- oder Sozialgerichtsverfahren auf Anerkennung als Arbeitsunfall haben in den angesprochenen Sonderfällen regelmäßig nicht stattgefunden. Das Zivilverfahren muss daher gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich ausgesetzt werden.

Der Beitrag behandelt spezielle Fragen der Haftungsprivilegien bei Unfällen in Sonderrechtsverhältnissen sowie im Rahmen der Tier- und Kfz-Haltung unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Ausführlich dargestellt wird die Person des Wie-Beschäftigten nach § 2 Abs. 2 SGB VII, seine Einordnung in das System der §§ 104 ff. SGB VII sowie damit im Zusammenhang stehende Fragen zur Bindungswirkung nach § 108 SGB VII.

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Keine Versicherungsleistung bei Unfall wegen absoluter Fahruntüchtigkeit

OLG Dresden, Beschluss vom 13.11.2017 – 4 U 1121/17

Auch wenn nicht in der Kaskoversicherung, sondern nur in der Haftpflichtversicherung die Obliegenheit, nicht unter Einfluss von Alkohol sein Pkw zu führen, nicht vereinbart worden ist, weshalb eine Obliegenheitsverletzung (§ 28 VVG) ausscheidet, ergibt sich der Rückzahlungsanspruch des Kaskoversicherers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 81 Abs. 2 VVG.

Das Führen eines Fahrzeuges mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 2 Promille stellt eine solchen grob fahrlässiges Verhalten dar, dass eine Leistungskürzung auf „Null“ angemessen ist.

Leitsatz
Hat der Versicherungsnehmer bei einem Unfallereignis eine BAK von mehr als 2 Promille, liegt ein besonderer Ausnahmefall vor, der eine Kürzung der Versicherungsleistung in der Kaskoversicherung „auf Null“ rechtfertigt.

Sachverhalt
Der Beklagte, Fahrer des bei der Klägerin kaskoversichert Fahrzeuges, kam gegen Mittag auf einer gerade verlaufenden und gut ausgebauten Straße von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem am Fahrbahnrand ordnungsgemäß abgestellten Fahrzeug. Nach dem Ergebnis des im Strafverfahren eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens betrug die Blutalkoholkonzentration im Unfallzeitpunkt mindestens 2,03 Promille.

Nachdem die Klägerin den Schaden an dem bei ihr versicherten Fahrzeug reguliert hat, verlangte sie die Leistungen an Ihren Versicherungsnehmer von dem Beklagten zurück.

Entscheidung
Zwar soll die Leistungskürzung des Versicherers auf Null nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein, jedoch wird in ständiger Rechtsprechung beim Führen eines Fahrzeuges im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ein solcher Ausnahmefall angenommen, da sich derartige Fälle im Grenzgebiet zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen. Bei einem festgestellten Blutalkoholgehalt von mehr als 2 Promille ist die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit weit überschritten.

Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist indiziell auch bereits durch das nicht nachvollziehbare Abkommen von einer gerade verlaufenden gut ausgebauten Fahrbahn davon auszugehen, dass die Alkoholisierung kausal für die Herbeiführung des Versicherungsfalls gewesen ist.

Da der Beklagte, wie regelmäßig, kein Repräsentant des Versicherungsnehmers der Klägerin gewesen ist, hat sie diesen zunächst entschädigen und kann nunmehr gegenüber dem Beklagten regressieren.

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Mitverschulden des Beifahrers durch außergewöhnliche Sitzhaltung

OLG München, Urteil vom 12.1.2018 — Aktenzeichen: 10 U 2718/15

Wenn durch eine extrem vorgebeugte Sitzposition des Beifahrers die Schutzfunktion des Gurtes aufgehoben wird und sich dies auf den Verletzungsumfang auswirkt, so ist ein Mitverschulden des Beifahrers zu berücksichtigen.

Leitsatz
Dem Beifahrer ist grundsätzlich ein Verschulden „seines“ Fahrers gegenüber dem Unfallgegner nicht zuzurechnen.

Wird durch eine besondere Sitzposition die Schutzfunktion des Gurtes vollständig aufgehoben und führt dies zur Verletzungen, die andernfalls durch den Gurt verhindert worden wäre, ist ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Bei der Berechnung des fiktiven Haushaltsführungsschadens ist ein Stundenlohn in Höhe von 8,00 € angemessen.

Sachverhalt
Der Ehemann der Klägerin befuhr eine mehrspurige Straße und wechselte unmittelbar vor der Beklagten ohne Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes auf den linken Fahrstreifen. Da das vorausfahrende Fahrzeug verzögerte, musste auch der Ehemann der Klägerin abbremsen. Hierdurch fuhr die Beklagte auf das vom Ehemann der Klägerin geführte Fahrzeug, in welchem die Klägerin sich als Beifahrerin befunden hat, auffuhr.

Während der Kollision war die Klägerin gerade nach hinunter gefallenen Gegenständen suchend in den Fußraum nach vorne gebeugt. Hierdurch ereignete sich ein Primäranstoß mit dem Kopf gegen das Armaturenbrett.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat teilweise erfolgte.

Entscheidung
Gegenüber der Klägerin haftet die Beklagte bereits allein aus der Betriebsgefahr (§ 7 Abs. 1 StVG), da Anhaltspunkte für eine höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG nicht erkennbar sind. Der Anspruch ist nicht durch ein Verschulden „ihres“ Fahrers zu kürzen. Hierzu bedürfte es einer besonderen Rechtsgrundlage, welche nicht erkennbar ist. Der Ehemann ist weder Erfüllungsgehilfe noch gesetzlicher Vertreter der Klägerin gewesen, sodass eine Zurechnung nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB ausscheidet. Eine weitere vertragliche Sonderbeziehung ist ebenfalls nicht dargelegt. Der Umstand, dass es sich bei dem Fahrer um den Ehemann der Klägerin gehandelt hat, genügt für eine Zurechnung nicht. Insbesondere ist der Ehemann kein weisungsgebundene „Verrichtungsgehilfe“ im Sinne des § 831 BGB.

Allerdings, so der Senat weiter, ist zu berücksichtigen, dass durch die besondere Sitzposition der Klägerin ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens die Schutzfunktion des Gurtes aufgehoben worden ist. Des Weiteren bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei normaler Sitzhaltung und dann gegebener Rückhaltefunktion durch den Sicherheitsgurt die erlittene länger belastende Schädelprellung und das Hämatom am linken Arm als die schwersten der erlittenen Verletzungen der Klägerin ebenfalls eingetreten wäre. Die nicht ordnungsgemäße Verwendung des Sicherungssystems begründet wie ein Nichtanschnallen ein Mitverschulden im Sinne des §§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG. Vorliegend bewertet der Senat das Mitverschulden mit 40%.

Hinsichtlich der Schadenhöhe bestätigt der Senat seine ständige Rechtsprechung und erachtet einen Stundensatz von 8,00 € bei der Berechnung des fiktiven Haushaltsführungsschadens für ausreichend und angemessen.

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Erstattungsfähigkeit Rückstufungsschaden auch bei anteiliger Haftung

BGH, Urteil vom 19.12.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 577/16

Auch wenn der Geschädigte erst nach der Regulierung durch den Haftpflichtversicherer seine Kaskoversicherung in Anspruch nimmt, ist der Rückstufungsschaden auch bei einer Mithaftung des Geschädigten ersatzfähig.

Leitsatz
Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kfz-Kaskoversicherung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil des Geschädigten eingetreten sei, denn der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt — unabhängig von der Regulierungshöhe — allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden.

Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen (Bestätigung des Senatsurteils vom 18. Januar 1966, VI ZR 147/64, BGHZ 44, 382, 387).

Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall reguliert der beklagte Haftpflichtversicherer außergerichtlich unter Berücksichtigung einer 75-prozentigen Haftung den eingetretenen Schaden. Der weitere Schaden wird der Klägerin nach entsprechender Inanspruchnahme durch den Kaskoversicherer ausgeglichen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstanden ist.

Entscheidung
Das LG Heilbronn (Berufungsgericht) hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass gemäß § 17 StVG die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens insbesondere davon abhinge, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dies führe zu dem Ergebnis, dass der entstandene Sachschaden vom Unfallgegner nur quotal zu übernehmen sei und der Geschädigte seinerseits den sich hieraus ergebenen quotalen Eigenanteil selbst zu tragen habe. Nehme der Geschädigte nach Regulierung des Haftungsanteils des Unfallgegners ausschließlich hinsichtlich des von ihm selbst zu tragenden Teils seinen Kaskoversicherer in Anspruch, so habe der Geschädigte die damit einhergehenden Kosten und finanziellen Belastungen, die Selbstbeteiligung und Rückstufungsschadens, selbst zu tragen und können diese nicht gegenüber dem Unfallgegner geltend machen, da diese nicht in dessen Haftungsbereich lägen.

Zurecht hat der BGH dieses Urteil aufgehoben mit dem Hinweis, dass in ständiger Rechtsprechung auch bei einer anteiligen Schadensverursachung der Schädiger für den Rückstufungsschaden haftet. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht.

Auch der für die Zulassung der Revision maßgebliche Punkt, dass die Vollkaskoversicherung erst nach Regulierung des Haftpflichtversicherers ausschließlich hinsichtlich des selbst zu tragenden Schadenteils erfolgt sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Für die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens kann es nicht darauf ankommen, welcher Versicherer zu erst geleistet hat. Vielmehr ist der Nachteil der Prämienerhöhung dadurch begründet, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Liegt dieser Inanspruchnahme ein Ereignis zugrunde, welches Teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen.

Im Unterschied zu den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten tritt der Rückstufungsschadens nach den allgemeinen Bedingungen für die Kfz–Versicherung insgesamt abhängig vom Schadenfall und unabhängig von der Regulierung Höhe ein. Eine Abgrenzung über die Zurechnung ist daher nicht vorzunehmen.

Der BGH nutzte die Entscheidung um nochmals zu betonen, dass der Rückstufungsschaden auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Schädiger evtl. durch die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung höhere Kosten zu tragen hat, erstattungsfähig ist. Der Schädiger hat den Geschädigten schadensrechtlich so zu nehmen, wie er ihn trifft. Verfügt der daher über eine Kaskoversicherung, ist der dadurch entstehenden Schaden nach Inanspruchnahme zu ersetzen.

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