Aufsatz zum Regress der Sozialversicherungsträger in VersR 2013, 544 ff. (Heft 13):

Die Verjährung der Regressansprüche eines Unfallversicherungsträgers nach § 110 SGB VII ist bereits seit dem 01.01.1997 in § 113 SGB VII geregelt, welcher die Vorgängervorschrift des § 642 RVO ersetzt. Trotzdem sind die sich bei Anwendung und Auslegung der Vorschrift in der Praxis regelmäßig stellenden Fragen weiterhin streitig und von der Rechtsprechung nicht abschließend beantwortet. Der in Heft 13 der Zeitschrift Versicherungsrecht auf den Seiten 544 — 549 abgedruckte Aufsatz befasst sich mit der Bedeutung und den Folgen des in § 113 SGB VII enthaltenen Verweises auf § 199 Abs. 1 BGB:

– Erfordernis von Kenntnis/grob fahrlässiger Unkenntnis
– Taggenaue oder „Ultimo‟-Verjährung
– Anforderungen an die bindende Feststellung i.S.d. § 113 SGB VII

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Kasko: MwSt bei Leasing-Kfz

OLG Hamm, Urteil vom 1.2.2013 — Aktenzeichen: I-20 U 207/11

Entscheidung
Hat der Leasingnehmer für das geleaste Fahrzeug eine Kraftfahrzeugvollkaskoversicherung abgeschlossen, kommt es bei einem Totalschaden des Fahrzeugs für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers (hier: der zum Vorsteuerabzug berechtigten Gesellschaft) an. Dieses Ergebnis bedarf für den Leasingnehmer auch unter Billigkeitsgesichtspunkten keiner Korrektur, da die Versicherungswirtschaft (so auch im konkreten Fall) speziell für Leasingfahrzeuge gegen einen — in der Regel geringen — Aufpreis eine sog. GAP-Versicherung anbietet, mit der die Finanzierungslücke zwischen dem bedingungsgemäß zu erstattenden Wiederbeschaffungswert und dem Abrechnungsbetrag, wie er sich aus dem Leasingvertrag ergibt, geschlossen werden kann.

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Kasko: Kausalitätsgegenbeweis bei Unfallflucht

OLG Naumburg, Urteil vom 21.6.2012 — Aktenzeichen: 4 U 85/11

Leitsatz
Verlässt der Versicherungsnehmer entgegen seiner Aufklärungsobliegenheit unerlaubt den Unfallort, geht dies regelmäßig mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einher, die einen Kausalitätsgegennachweis aus § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG unmöglich machen und damit entsprechend § 28 Abs 2 Satz 1 VVG zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen.

Sachverhalt
Am 10. Juli 2010 kam es mit dem Fahrzeug des Klägers, der bei der Beklagten kaskoversichert war, im Bereich einer Baustelle gegen 07:20 Uhr zu einem Unfall, bei dem nicht nur erheblicher Schaden am Pkw entstand, sondern auch mehrere Bauzaunfelder beschädigt wurden. Unmittelbar anschließend, ohne dass irgendwelche Feststellungen zum Unfall getroffen wurden, verließ der Fahrer des Pkw die Unfallstelle und stellte das beschädigte Fahrzeug mehrere hundert Meter weiter ab. Der Kläger hat behauptet, er sei Führer des Pkw gewesen und habe lediglich aus Unachtsamkeit, ohne unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen, den Unfall verursacht. Anschließend sei er verstört gewesen, habe den Ort deshalb unüberlegt verlassen.

Entscheidung
Nach Ansicht des OLG sind bei einer Unfallflucht zugunsten des Versicherungsnehmers kaum noch Möglichkeiten zur Führung des Kausalitätsgegenbeweises eröffnet. Schon dann, wenn — wie in der Regel — nicht mehr feststellbar sei, ob weitere Leistungsverweigerungsgründe (Obliegenheitsverletzungen) in Frage kommen, sei der Gegenbeweis wegen konkreter Feststellungsnachteile ausgeschlossen:

Der Kausalitätsgegenbeweis sei bei Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit erst dann erbracht, wenn feststehe, dass dem Versicherer hierdurch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind. Bleibe dies unklar und in der Schwebe, sei der Versicherungsnehmer beweisfällig und der Versicherer nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Bereits das unerlaubte Entfernen des angeblichen Fahrers von der Unfallstelle führe in diesem Sinne zu konkreten Feststellungsnachteilen beim Versichrer, welche sich auch durch spätere Angaben nicht mehr kompensieren ließen. So waren konkret keine Feststellungen mehr möglich zu einer möglichen Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung des Fahrers, die gegebenenfalls aufgrund des entsprechenden Verbots in D.2.1 nach der Regelung in D.3.1 Satz 1 und 2 AKB 2008 zum Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung hätten führen können. Da der Kläger jedoch, aus welchem Grunde immer, erst am Folgetag auf der Polizeidienststelle erschienen sei, waren derartige Feststellungen, etwa mittels einer aussagekräftigen Blutprobe, nicht mehr möglich.

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Neue Rechtsprechung des BGH zur Amtshaftung

BGH, Urteil vom 13.12.2012 — Aktenzeichen: III ZR 226/12

Leitsatz
Beschädigen in einer Kindertagesstätte untergebrachte Kinder Eigentum Dritter, so kommt dem Geschädigten, der gegen eine Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte wegen Verletzung der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte obliegenden Aufsichtspflichten Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG geltend macht, die Beweislastregel des § 832 BGB zugute (Aufgabe des Senatsurteils vom 15. März 1954, III ZR 333/52, BGHZ 13, 25).

Sachverhalt
Der Kläger parkte sein Fahrzeug im Eingangsbereich eines Schulgebäudes, in dem sich auch eine Kindertagesstätte der beklagten Stadt befindet. Am Schadenstag war eine aus acht Kindern bestehende Gruppe der Tagesstätte unter der Leitung einer Erzieherin mit Gartenarbeiten beschäftigt. Drei Kinder dieser Gruppe entfernten sich und warfen mehrere Kieselsteine auf das Fahrzeug des Klägers. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt hafte für die an seinem Fahrzeug entstandenen Lackschäden wegen Verletzung der Aufsichtspflicht seitens der Erzieherinnen der Kindertagesstätte.

Das Landgericht hat — die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung
Der BGH gibt seine frühere Rechtsprechung (BGHZ 13, 25) auf, nach welcher die Beweislastregel des § 832 BGB im Rahmen der Haftung für die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG nicht zur Anwendung kam.

Zur Begründung führt der BGH aus: Zwar sei für eine unmittelbare Anwendung der deliktsrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB im Fall von Amtspflichtverletzungen grundsätzlich kein Raum, weil § 839 BGB insofern einen Sondertatbestand darstelle. Dies bedeutet indes nicht, dass die besonderen Beweislastregeln der §§ 832, 833 Satz 2 und § 836 BGB im Rahmen der Amtshaftung keine Anwendung finden könnten. Verdrängt würden durch den Sondertatbestand des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB als solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen Beweislastregeln. Wie die Geltung der Beweislastregel der §§ 833, 836 BGB sei auch die Anwendung des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung sachlich gerechtfertigt. Für eine Haftung für eine vermutete Aufsichtspflichtverletzung sprächen dort dieselben Gründe wie im Bereich der privatrechtlichen Haftung. Dem Wesen der Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten sei grundsätzlich imanent, dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablege, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan habe. Dem Geschädigten sei auf der anderen Seite der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung häufig unmöglich, da er regelmäßig nicht wissen könne, welche konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht im Einzelfall ergriffen beziehungsweise unterlassen wurden. Die im Bereich der Amtshaftung bis hin zum Anscheinsbeweis geltenden Beweiserleichterungen würden ihm insoweit nicht bereits ausreichend helfen, da sie eine Amtspflichtverletzung gerade voraussetzten.

Um dieser unbilligen Beweisnot Rechnung zu tragen, sei deshalb die Anwendung des § 832 BGB auch im Rahmen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geboten.

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Sturz im Krankenhaus–Sicherungspflicht ./. Freiheitsrechte

OLG Jena, Urteil vom 5.6.2012 — Aktenzeichen: 4 U 488/11

Leitsatz
Zu den Sicherungsanforderungen bei stationärer Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Freiheitsrechte des Patienten

Sachverhalt
Der zum Unfallzeitpunkt fast 80-jährige Kläger litt an diversen Erkrankungen, u. a. an einem Diabetis und einer Parkinsonerkrankung. Am 27.3.2008 stürzte der Kläger im Diabeteszentrum Bad L. auf die rechte Hüfte. Daraufhin wurde er bei der Beklagten (Krankenhaus) mit Verdacht auf Schenkelhalsfraktur stationär aufgenommen. Im klinischen Aufnahmestatus der Beklagten wurde ausdrücklich „Sturzgefahr“ vermerkt. Die festgestellte Schenkelhalsfraktur wurde operative versorgt. Nach der Operation wurde der Kläger in ein 3-Bettzimmer verlegt. Dort lag er in einem Bett mit Bettgitter, um ein Herausstürzen zu verhindern. Der Kläger wurde danach in ein Einzelzimmer verlegt. Das dort vorhandene Bett verfügte nicht über eine Gittervorrichtung. Im Stammdatenblatt anlässlich der Verlegung ist erfasst: „Sturzrisiko: ja!“ Der Kläger nahm anschließend aufgrund ärztlicher Anordnung an einer krankengymnastischen Behandlung zur Mobilisierung teil. Am 5.4.2008 stürzte er in seinem Zimmer. Am Folgetag wiederum. Der genaue Hergang der Stürze, bei denen der Kläger stets allein in seinem Zimmer war, ist ungeklärt. Unstreitig war jedoch, dass die Stürze im Zustand von Verwirrtheit stattgefunden haben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Das OLG bestätigt die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts:

Bei einem sturzgefährdeten Patienten sei anerkannt, dass dem Krankenhausträger im Rahmen seiner vertraglichen Obhutspflicht obliege, diesen Patienten zu überwachen und ihn vor krankheitsbedingten Selbstgefährdungen und Selbstschädigungen (hier Sturz) zu schützen. Umfang und Ausmaß der dem Krankenhaus obliegenden Pflege und Betreuung richteten sich insoweit in erster Linie nach dem jeweiligen Gesundheitszustand des Patienten. Konkret und aus Sicht ex ante sei es darauf angekommen, ob wegen der Verfassung des Klägers damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne eine besondere Sicherung selbst schädigen würde. Hierbei sei eine Einzelfallabwägung geboten.

Eine lediglich latent vorhandene Sturzneigung des Patienten rechtfertige allein noch keine allgemeine Fixierung und beständige Überwachung. Denn der Klinikträger schulde die Erbringung seiner ärztlichen und pflegerischen Leistung auch unter Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse des Patienten vor vermeidbaren Beeinträchtigungen und Belastungen, die eventuelle Sicherungsmaßnahmen (Bettgitter, Fixierung) mit sich brächten und die der Förderung der Selbständigkeit und der Mobilität des Patienten widersprächen. Andererseits schließe aber auch ein zunächst pflegerisch noch beherrschbarer Zustand des Patienten nicht aus, dass sich die zunächst nur latente Sturzgefahr zu einer konkreten Gefahrenlage zuspitzt, aus der eine gesteigerte Obhutspflicht erwächst, die vorbeugende und sichernde Maßnahmen erforderlich mache. Entscheidend sei insoweit, ob es vor den jeweiligen Sturzereignissen konkrete Hinweise auf eine Sturzgefährdung gegeben habe.

Trotz des Sturzes am Vortag hat das OLG im vorliegenden Fall hinreichende Gefahrenanzeichen für eine akute Sturzgefahr verneint. Ein erforderlicher permanenter Zustand hoher unmittelbar bevorstehender Selbstgefährdung sei nicht feststellbar. Zwar impliziert der erste Sturz, dass die Beklagte nunmehr auf eine situative Sturzgefahr angemessen reagieren musste; dies bedeute aber nicht, dass ab sofort die lückenlose Überwachung und Fixierung des Klägers gefordert war. Maßstab sei auch insoweit das für den Patienten Erforderliche sowie das für Patient und Pflegepersonal Zumutbare. Da sich der zweite Sturz zur Nachtzeit, nämlich gegen 22.30 Uhr ereignet habe, es aber vorherige Anzeichen für eine erhöhte Gefahrenlage, z.B. Anzeichen einer nächtlichen Unruhe des Patienten, einer willentlichen Bettflucht o.ä. sind vor diesem Ereignis in dem Pflegebericht und Pflegedokumentation durchweg nicht entnehmen ließen, sei das rein prophylaktische nächtliche Aufziehen eines Bettgitters zur Verhinderung einer bis dahin lediglich latent bestehenden Gefahr als freiheitsentziehende Maßnahme nicht gerechtfertigt gewesen.

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Verkehrssicherungspflicht eines Waldbesitzers

BGH, Urteil vom 2.10.2012 — Aktenzeichen: VI ZR 311/11

Leitsatz
Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.

Sachverhalt
Die Klägerin ging in dem planmäßig bewirtschafteten Wald der Beklagten zu 1) spazieren. In einer Abteilung des Waldgebiets stand ein 106-jähriger Eichenwald. Von einer Eiche, die etwas abseits des von der Klägerin begangenen Weges stand, löste sich ein so genannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m lang. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich etwa 23 cm. Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung und nahm die Beklagte zu 1) sowie den bei dieser für den Bereich des Waldgrundstücks zuständigen Diplom-Forstwirt auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage durch Grund- und Teilurteil stattgegeben. Mit den Revisionen begehrten die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidung
Der BGH hat der Revision stattgegeben und eine Haftung des Waldbesitzers — Beklagte zu 1) — verneint, da sich lediglich eine waldtypische Gefahr verwirklicht habe, für welche die Beklagte zu 1) nicht verantwortlich zu machen sei.

Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern müsse, zählten solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Hierzu gehörten insbesondere herabhängende Äste oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen. Atypische und damit sicherungspflichtige Gefahren seien hingegen alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen könne und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen müsse. Dazu könnten etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören.

Im vorliegenden Fall habe sich demnach mit dem Astabbruch eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet gewesen sei. Sachverständig wurde festgestellt, dass Auslöser des Astabbruchs der generelle Sommerbruch, d.h., ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmechanismus, gewesen sei. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. Die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Baumes über mehrere Jahrzehnte Faulstellen bilden, die einen Ast schwächen, sei nach Ansicht des BGH ausschließlich in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gelte für die Ausbildung eines langen Astwuchses und den Abbruch der Hauptkrone des Baumes. Eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende atypische Gefahr habe demnach nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr erfüllt, da sich die Klägerin in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben habe, obwohl sie die besonderen Umstände kennen musste, die für sie eine konkrete Gefahrenlage begründeten. Ein Waldbesucher setze sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2) scheide folgerichtig ebenfalls aus, da ihn keine weitergehenden Pflichten als die Beklagte zu 1) treffen könnten.

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BGH: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung

BGH, Urteil vom 21.11.2012 — Aktenzeichen: IV ZR 97/11

Leitsatz
Ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort) stellt nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer dar, die zu dessen Leistungsfreiheit führt.

Sachverhalt
Der Kläger erlitt mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug gegen 1 Uhr morgens einen Unfall, als er – nach seiner Behauptung bei einem Ausweichmanöver wegen auf der Straße stehender Rehe – auf einer Landstraße in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und mit dem Fahrzeugheck gegen einen dadurch beschädigten Baum prallte. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und den Geschädigten (das für den Baum zuständige Straßenbauamt) verständigte er nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde später eingestellt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Hiergegen wendete sich die Revision des Klägers.

Entscheidung
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde. Das gelte auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB, gegen den der Kläger verstoßen habe.

Der BGH hat einen solchen Automatismus verneint. Er hat entschieden, dass dem Aufklärungsinteresse des Versicherers trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt ist, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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Sportunfall = Arbeitsunfall = §§ 104 ff. SGB VII

OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.9.2012 — Aktenzeichen: 4 U 256/11

Leitsatz
Berufssportler verrichten während des Spiels eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3 SGB VII. Ein Berufssportler haftet deshalb für Personenschäden die er einem anderen Berufssportler während des Spiels zugefügt, nach §§ 106 Abs. 3, 105 Abs. 1 SGB VII nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles.

Sachverhalt
Der Kläger fordert Schmerzensgeld wegen Verletzungen, die er sich bei einem Eishockeyspiel der 2. Bundesliga nach Körperkontakt mit dem für die gegnerische Mannschaft spielenden Beklagten zugezogen hat.

Entscheidung
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass die Spielverletzung des Klägers in unmittelbarem inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Berufssportlern stehe. Es handle sich mithin um einen Arbeitsunfall i.S. des § 8 SGB VII; als solchen habe die Berufsgenossenschaft des Klägers den Vorfall auch anerkannt.

Zudem waren Kläger und Beklagte anlässlich ihres Wettkampfs auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.d. § 106 Abs. 3, 3. Alt SGB VII tätig. Auf den gegenläufigen Zweck ihres Gegeneinander-Spiels komme es dabei nicht an. Entscheidend sei, dass beide Mannschaften nach gemeinsamen Spielregeln zusammenwirkten und sich gegenseitig in besonderer Weise ergänzten, weil der Wettkampf nur im Miteinander möglich war. Zudem liege der typische Fall einer Gefahrengemeinschaft vor. Denn jeder Spieler beider Mannschaften sei in gleicher Weise den Verletzungsrisiken des Spiels ausgesetzt. Schmerzensgeldprozesse zwischen Spielern gegnerischer Mannschaften könnten das friedliche Zusammenspiel für die Zukunft erheblich beeinträchtigen (Normzweck).

Praxishinweis
Es muss es sich jedoch nicht erst um Schadensfälle im Profisport handeln. Die VBG als zuständiger Unfallversicherer geht davon aus, dass Sportler ab einem monatl. Verdienst von 175 € als „Beschäftigte“ ihres Vereins gelten. Damit gehören sie zum Kreis der Unfallversicherten und die §§ 104 ff. SGB VII können greifen. Folgerichtig führen grob fahrlässige Regelverstöße zu einem Regress des Sozialversicherungsträgers beim Schädiger nach § 110 Abs. 1 SGB VII.

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Teilungsabkommen — Groteskfall

LG Stuttgart, Urteil vom 29.4.2011 — Aktenzeichen: 16 O 510/10

Leitsatz
Die Anwendung eines Teilungsabkommens scheidet wegen eines Groteskfalls aus, wenn für einen Unfall (hier: ungeklärtes Abkommen von der Fahrbahn) nach abgeschlossenem Überholvorgang auf einer Bundesautobahn der Haftpflichtversicherer eines Lkw in Anspruch genommen werden soll, der in einer überholten Fahrzeugkolonne als letztes Fahrzeug zuerst überholt wurde.

Sachverhalt
Die Klägerin als gesetzlicher Unfallversicherungsträger machte nach einem als Arbeitsunfall anerkannten Verkehrsunfall ihres Versicherten Ansprüche gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund eines Teilungsabkommens zwischen den Parteien geltend. Dieses Teilungsabkommen enthielt u. a. folgende Regelungen:

§ 1
1. Werden von der BG aufgrund des § 116 SGB X Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder gegen eine juristische Person erhoben, die bei der H. haftpflichtversichert ist, werden diese ausschließlich nach diesem Teilungsabkommen abgewickelt. Die H. verzichtet auf die Prüfung der Haftungsfrage und beteiligt sich nach der Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Versicherungsleistungen der BG.

2. Für die Anwendung des Teilungsabkommens gelten folgende Voraussetzungen:

a) Das Abkommen findet keine Anwendung, wenn schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherten gar nicht infrage käme.

b) Im Bereich der Kraftfahrthaftpflichtversicherung muss im Sinne der Rechtsprechung des BGH ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs bestehen. …

Konkret befand sich der Versicherte der Klägerin mit seinem Pkw auf der Bundesautobahn auf der linken von zwei Fahrspuren. Auf der rechten Fahrbahn sind drei Lkw mit üblichem Sicherheitsabstand hintereinander gefahren und dabei als drittes Fahrzeug ein bei der Beklahten haftpflichtversicherter Sattelzug. Die drei Lkw sind hintereinander mit normalem Sicherheitsabstand gefahren. Es gab keinen Stau gegeben. Hinter dem Beklagten-Lkw hat sich ein Kleintransporter befunden, der, da die linke Fahrbahn frei war, die drei Lkw überholt hat und vor dem ersten Lkw ist. Hinter diesem Transporter war der Versicherte der Klägerin. Als der Kleintransporter nach rechts abbog, hat dann der Pkw des Versicherten diesen noch überholt, um sich dann etwa zwei Fahrzeuglängen später ebenfalls wieder nach rechts einzuordnen. Dabei kam er ins Schleudern geschleudert und kollidierte mit enem Baum.
Entscheidung
Die Klägerin vertrat die Auffasuung, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem Gebrauch des bei der Beklagten versicherten Kfz liege solange vor, bis der Überholvorgang abgeschlossen, das Einscheren des überholenden Fahrzeugs beendet und der Überholende wieder auf seiner Spur sei.

Dem ist das Landgericht nicht gefolgt und hat die Klage wegen dem Vorliegen eines im Teilungsabkommen unter § 1 2. geregelten „Groteskfalls“ abgewiesen.

Nach der eigenen Sachverhaltsdarstellung der Klägerin liege zwischen dem Gebrauch des bei der Beklagten versicherten Lkw und dem Unfall des Versicherten der Klägerin lediglich ein äußerer Zusammenhang vor, in dem dieser zum Zweck des Überholens der Fahrzeugkolonne zwangsläufig auch an dem an letzter Stelle fahrenden Lkw vorbeifahren musste. Das Vorhandensein dieses Lkw auf der rechten Fahrspur stehe hingegen in keinem inneren Zusammenhang mit dem später erfolgten Unfall bei Wiedereinscheren auf die rechte Fahrspur. Auch ein adäquater Kausalzusammenhang sei nicht zu erkennen, da das Vorhandensein des bei der Beklagten versicherten Lkw ohne Weiteres weggedacht werden könnte, ohne dass sich an dem Unfallablauf irgendetwas ändern würde. Unter diesen Umständen würde ein Verletzter niemals auf den Gedanken kommen, den letzten Lkw-Fahrer in der Kolonne oder seinen Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Somit liege ein Sachverhalt vor, dessen Einbeziehung in die Eintrittsregelung des zwischen den Parteien bestehendne Teilungsabkommens sowohl allgemein als auch in Ansehung seiner konkreten Formulierungen mit dem Grundgedanken des ABkommens schlechthin unvereinbar sei — sog. Groteskfall gem. § 1 2. TA.

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Regress in der Kfz-Haftpflichtversicherung – Familienprivileg § 86 Abs. 3 VVG

OLG Koblenz, Urteil vom 2.5.2012 — Aktenzeichen: 10 U 1493/10

Leitsatz
Begeht ein Familienangehöriger eines Versicherungsnehmers in der Kfz-Haftpflichtversicherung, der mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebt, ohne Fahrerlaubnis einen Verkehrsunfall mit Unfallflucht, kann er sich gegenüber dem Rückgriffsanspruch des Versicherers gem. § 426 Abs. 2 BGB nicht auf das Familienprivileg des § 86 Abs. 3 VVG berufen.

Entscheidung
Das OLG Koblenz nimmt zu Recht an, dass eine unmittelbare Anwendung des § 86 VVG nicht in Betracht komme, da der Haftpflichtversicherer mit der Schadenersatzzahlung an den geschädigten Dritten im Außenverhältnis eine eigene Verpflichtung aus dem Versicherungsverhältnis erfülle. Außerdem erwerbe der Versicherer den Regressanspruch nicht i.S.d. § 86 Abs. 1 VVG vom Versicherungsnehmer selbst.

Auch eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 3 VVG scheide aus, weil der Versicherer andernfalls gezwungen würde, ein bestimmtes Risiko, nämlich die Schadenverursachung durch einen Fahrer, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt, zu decken, obwohl er dieses Risiko ausweislich seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen erkennbar nicht übernehmen wollte. Dem stünde auch gerade nicht die Entscheidung des BGH vom 05.03.2008 (ZfSch 2008, 274-277)entgegen, wie der sich gegen den Regress zur Wehr setzende Fahrer vortragen lasse. Dies bereits deshalb, weil dieser Entscheidung eine Kaskoversicherung bzw. die Überprüfung eines Kaskoschadens zugrunde lag. Auf die Frage, ob der Beklagte sich in einer Haushaltsgemeinschaft mit seiner Mutter als Versicherungsnehmerin befinde, komme es somit nicht an.

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