Haftung eines Rechtsanwaltspartners für vor seinem Eintritt in die Partnerschaft begangene berufliche Fehler

BGH, Urteil vom 19.11.2009 — Aktenzeichen: IX ZR 12/09

Leitsatz
Ist ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so kann er auch für vor seinem Eintritt in die Partnerschaft begangene berufliche Fehler eines anderen mit dem Auftrag befassten Partners haften; selbst wenn er sie nicht mehr korrigieren kann.

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegen den Beklagten – Partner einer Partnerschaftsgesellschaft — Ansprüche wegen einer Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag geltend. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Dezember 2001 erhob die Kanzlei, eine Partnerschaftgesellschaft, im Interesse der Klägerin eine Klage. Der Beklagte trat der Kanzlei mit Wirkung zum 01.01.2002 als Partner bei. Für das Verfahren der Klägerin hat der Beklagte im Mai 2000 die Entgegnung auf die Klageerwiderung gefertigt. Die Klage wurde wegen fehlender Klagebefugnis abgewiesen. Dies hatte zur Folge, dass bei erneuter Erhebung der Klage die Ansprüche der Klägerin teilweise verjährt waren.

Die Klägerin nahm sodann den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht gab der Klage statt. Der BGH wies die Revision des Beklagten zurück.

Entscheidung
Nach Ansicht des BGH haften gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 PartGG i.V.m. § 130 HGB neu eintretende Gesellschafter auch für vor dem Betritt begründete Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Diese Erwägung treffe auch für Verbindlichkeiten zu, die sich aus fehlerhafter Berufsausübung ergeben. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 8 Abs. 2 PartGG. Danach haften Partner nicht, wenn sie mit der Bearbeitung des in Rede stehenden Auftrages nicht befasst sind. Der BGH stellt aber fest, dass daraus nicht zu schließen sei, dass Partner, die selbst keine beruflichen Fehler zu verantworten hätten, nicht haften. Nach der Gesetzesbegründung knüpfe die Haftung alleine daran an, ob ein Partner irgendwann mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Diese Haftung könne mithin als verschuldensunabhängige Handelndenhaftung verstanden werden. Der Gesetzgeber habe damit eine einfache und unbürokratische gesetzliche Regelung der Handelndenhaftung schaffen wollen.

Eine Ausnahme von dieser handelnden Haftung ergebe sich lediglich aus § 8 Abs. 2 a.E. PartGG für Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung. Solche Bearbeitungsbeiträge sind z.B. Urlaubsvertretungen ohne eigene gebotene inhaltliche Bearbeitung oder etwa eine konsularische Beiziehung. Im Gegensatz dazu ist eine inhaltliche Befassung mit dem Mandat, bei dem konkrete Sachentscheidungen zu treffen sind, keine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung; eine solche Tätigkeit kann eine Haftung des Partners begründen, und zwar auch für Fehler, die vor seinem Eintritt in die Partnerschaft begangen worden sind.

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Haftung des Anwalts für Schäden durch rechtsfehlerhaftes Urteil

BGH, Urteil vom 18.12.2008 — Aktenzeichen: IX ZR 179/07, NJW 2009, 987 = WM 2009, 324

Verfahren
Die Klägerin nahm als Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses Mieter ihrer Wohnung auf Zahlung von Nebenkosten in Anspruch. Die Klage hatte weder vor dem Amtsgericht noch in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Erfolg; denn sowohl die Gerichte als auch die Anwälte, welche die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihrer Vertretung beauftragt hatte, hatten eine die Rechtsauffassung der Klägerin bestätigende Entscheidung des BGH übersehen.

Die Klägerin nahm so dann die Anwaltssozietät auf Schadensersatz in Anspruch. Anders als die Vorinstanzen hat der BGH der Klage stattgegeben.

Nach Ansicht des BGH hat die beklagte Anwaltssozietät ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Der Anwalt ist verpflichtet, die Möglichkeit zu nutzen, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen. Dazu gehört auch der Hinweis auf eine Entscheidung des BGH, die geeignet ist, die Rechtsauffassung der Klägerin zu stützen. Diese Pflicht des Anwalts entfällt nicht deswegen, weil der Richter die Entscheidung aufgrund der beigebrachten Tatsachengrundlage trifft. Der Anwalt hat ebenso wie der Richter die Befähigung zum Richteramt oder eine gleichwertige Qualifikation. Deshalb beschränkt sich die Aufgabe des Anwalts nicht auf Beibringung der Tatsachen, sondern er ist auch zur rechtlichen Durchdringung des Falles verpflichtet.

Ob durch eine solche Pflichtverletzung dem Mandanten ein Schaden entstanden ist, hängt davon ab, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten. Hängt die Ursächlichkeit vom Ausgang eines anderen Verfahrens ab, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, ist ohne Belang. Maßgeblich ist allein die Sicht des Regressgerichts, und zwar auch dann, wenn feststeht, welchen Ausgang das frühere Verfahren bei pflichtgemäßen Verhalten des Anwalts genommen hätte. Bei der vom BGH entschiedenen Konstellation ist davon auszugehen, dass das Gericht des Vorprozesses die Rechtsprechung des BGH berücksichtigt hätte, wenn das Gericht darauf hingewiesen worden wäre.

Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Anwalts und dem Schaden ist nicht dadurch unterbrochen worden, dass das Gericht die fragliche Rechtsauffassung selbst hätte finden müssen. Der Anwalt hat gerade die Pflicht, den Mandanten vor Fehlentscheidungen infolge nachlässiger Arbeit des zur Entscheidung berufenen Richters zu bewahren; genau dieses Risiko hat sich nach Aussicht des BGH verwirklicht.

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Keine generelle Pflicht des Notars, Einsicht in die Grundakten zu nehmen

BGH, Urteil vom 4.12.2008 — Aktenzeichen: III ZR 51/08, NJW 2009, 516 = WM 2009, 279

Sachverhalt
Im vom BGH entschiedenen Fall verlangten die Kläger vom beklagten Notar Schadensersatz, weil der Notar nicht in die Grundakten Einsicht genommen hatte. Bei der Beurkundung gingen alle Beteiligten davon aus, dass zu der verkauften Wohnung ein Zimmer im Dachgeschoss gehörte; dieses Zimmer stand jedoch im Gemeinschaftseigentum, war also nicht Bestandteil des von den Klägern erworbenen Sondereigentums. Dies war nur aus den Grundakten, die der Notar nicht eingesehen hatte, ersichtlich. Der Notar hatte die Beteiligten auch nicht darauf hingewiesen, dass sich allein aus den Grundakten der Umfang des Sondereigentums ermitteln lasse und dass er diese Grundakten nicht eingesehen habe.

Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.

Entscheidung
Der BGH führt im Einzelnen aus, dass sich eine generelle Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten weder aus § 21 Abs. 1 BeurkG noch aus § 14 BNotO ergibt. Grundsätzlich hat der Notar die Pflicht, sich über den Grundbuchinhalt zu unterrichten. Ansonsten soll er nur beurkunden, wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen. Eine generelle Pflicht zur Einsichtnahme der Grundbuchakten folgt daraus aber nicht. Zweck der Vorschrift ist, dass der Notar seinen Belehrungspflichten nachkommen kann und keine Urkunden erstellt werden, die nicht vollziehbar sind.

Die Pflicht zur Einsicht erstreckt sich aber dann auf den Inhalt der Grundakten, wenn die Grundbucheintragung auf dortige Vorgänge Bezug nimmt, die für das zu beurkundende Geschäft von Bedeutung sind. Bei dem Verkauf von Eigentumswohnungen die in Wohnungseigentumsanlagen belegen sind, wird diese Pflicht allerdings begrenzt, so dass eine Einsichtnahme in die Grundakten nur bei Vorliegen besonderer Umstände notwendig ist, etwa weil Zweifel am Umfang des Sondereigentums bestehen. Dies deshalb, weil die Ermittlung des Umfangs des Sondereigentums bei Wohnungseigentumsanlagen nicht ohne größeren Aufwand stattfinden kann, und sich dies ohne einen konkreten Anlass dafür als unverhältnismäßig darstellt. Zudem ist die Gefahr einer Fehlvorstellung über den Umfang des verkauften Wohnungseigentums gering, da sich regelmäßig die tatsächliche Nutzung der Räume in der Wohnungseigentumsanlage auch mit dem zugewiesenen Sondereigentum deckt.

Eine Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten ergibt sich auch nicht aus einer erweiterten Belehrungspflicht nach § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO; denn eine solche Pflicht setzt voraus, dass für den Notar erkennbar eine Gefahrenlage für die Urkundsbeteiligten besteht. Solange es keinen Anlass gibt, daran zu zweifeln, dass der Umfang des Sondereigentums und die tatsächliche Nutzung übereinstimmen, gibt es für den Notar keinen Grund, von einer Gefahrenlage auszugehen, die eine Pflicht zur Einsichtnahme in die Grundakten begründet. Auch aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergibt sich keine Pflicht zur Einsichtsnahme in die Grundakte; denn der Notar darf sich regelmäßig auf die tatsächlichen Angaben der Beteiligten verlassen.

Es besteht auch keine Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG, wonach der Notar die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und darauf achten soll, dass Irrtümer und Zweifel vermieden werden. Zur rechtlichen Tragweite gehören die formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen sowie die außerhalb der Beurkundung erforderlichen weiteren Voraussetzungen zur Erreichung der mit dem Rechtsgeschäft beabsichtigten Wirkungen ferner die unmittelbaren Rechtsfolgen und etwaige Hindernisse beim Vollzug des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Die zu errichtende Urkunde soll den Willen der Beteiligten vollständig und inhaltlich richtig und eindeutig niedergeben. Diese Voraussetzung war gegeben; der Kaufvertrag konnte vollzogen werden. Fehl gingen lediglich die gemeinsamen Vorstellungen der Beteiligten über den Umfang des Wohnungseigentums. Im notariellen Vertrag genügt zur Bezeichnung der Wohnung jedoch die Angabe des betreffenden Wohnungsgrundbuches.

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Treuhandaufträge

BGH, Urteil vom 10.7.2008 — Aktenzeichen: III ZR 255/07 – WM 2008, 1662

Bei Abwicklung von Treuhandaufträgen entstehen Probleme häufig dann, wenn dem Notar Gelder anvertraut werden mit der Maßgabe, darüber, nur dann zu verfügen, wenn die Eintragung eines Rechts – Grundschuld — an bestimmter Rangstelle sichergestellt ist. Nach Rechtsprechung des BGH hat ein Notar Treuhandaufträge peinlich genau zu erfüllen. In Zweifelsfällen muss der Notar den Treuhandauftrag ablehnen; eine ergänzende Auslegung ist nicht zulässig. Der Begriff der Sicherstellung ist gesetzlich nicht geregelt. Der BGH hat dazu in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass der Begriff der „Sicherstellung“ sehr eng zu fassen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Eintragung eines Rechts oder eine Rechtsänderung im allgemeinen nur dann sichergestellt, wenn zur Eintragung nur noch das pflichtgemäße Handeln des hiermit betrauten Notars und des zuständigen Grundbuchbeamten erforderlich ist. Auf pflichtgemäßes Handeln anderer Personen, z. B. eines anderen Notars oder als vorrangigen Gläubigers darf sich ein Notar in solchen Fällen nicht verlassen. Es reicht daher für die Sicherstellung nicht aus, wenn z. B. für die Löschung eines vorrangig eingetragenen Rechts die Zusage der Gläubigerbank vorliegt oder das pflichtgemäße Handeln eines anderen Notars, der seinerseits einen Treuhandauftrag zu beachten hat, erforderlich ist.

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Belehrungspflicht des Notars bei Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH mit Sacheinlagen

BGH, Urteil vom 2.10.2007 — Aktenzeichen: III ZR 13/07

Leitsatz
Der Notar hat, wenn eine Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH mit Sacheinlagen erfolgen soll und Anlass zu Zweifeln an einer richtigen Bewertung der Sacheinlagen besteht, auf die Gefahr einer Differenzhaftung des Übernehmers hinzuweisen. Dabei kann auch über die Frage aufzuklären sein, ob eine einzubringende Gesellschafterforderung gegen die GmbH vollwertig ist.

Sachverhalt
Die Geschäfte einer GmbH liefen schlecht. Die Gesellschafter beschlossen daher, die Überschuldung der GmbH durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehen sowie von Darlehen Dritter in Stammkapital zu beseitigen. Hierzu teilten sie dem Notar mit, die Gesellschafterdarlehen seien nicht eigenkapitalersetzend, die Darlehen seien zur Rückzahlung fällig, Einreden gegen die Rückzahlung oder Aufrechnungsmöglichkeiten der GmbH bestünden nicht.

Die Erhöhung des Stammkapitals wurde vorgenommen, die Zahlungen auf die Stammeinlagen sollten durch Verrechnung mit den gewährten Darlehen erfolgen.

In der Folgezeit wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Da sämtliche eingebrachte Darlehensforderungen nicht vollwertig waren, machte der Konkursverwalter gegen die Gesellschafter Ansprüche auf Bareinzahlung der Stammeinlage geltend. Diese traten an den Konkursverwalter ihre Schadensersatzansprüche gegen den beurkundenden Notar ab.

Die Vorinstanzen gaben der Klage des Konkursverwalters gegen den Notar statt.

Entscheidung
Die Nichtzulassungsbescherde des Notars hatte keinen Erfolg.

Der BGH bestätigte mit seinem Urteil seine bisherige Rechtsprechung, dass der Notar im Rahmen seiner Belehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 BeurkG den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und deren Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben muss. Hierbei dürfe der Notar zwar regelmäßig die tatsächlichen Angaben der Beteiligten ohne eigene Nachprüfung zugrunde legen. Lasse sich jedoch nicht ausschließen, dass die Beteiligten möglicherweise entscheidende Gesichtspunkte, auf die es für das Rechtsgeschäft ankommen kann, nicht erkennen oder rechtliche Begriffe, die auch unter Laien gebräuchlich sind und die sie ihm als Tatsaschen vortragen, falsch verstehen, müsse der Notar nachfragen.

Nach diesen Grundsätzen habe der Notar dann, wenn eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen erfolgen soll und Anlass zu Zweifeln an einer richtigen Bewertung der Sacheinlagen bestehen, auf die Gefahr der Differenzhaftung des Übernehmers gem. § 9 Abs. 1, 56 Abs. 2 GmbHG hinzuweisen. Zwar müsse der Notar grundsätzlich nicht die Werthaltigkeit der als Sacheinlage einzubringenden Gegenstände prüfen. Auf der anderen Seite müsse der Notar jedoch damit rechnen, dass Begriffe wie „Bareinzahlung“ oder, insbesondere in Fällen einzubringender Forderungen, der schwierige Rechtsbegriff des „eigenkapitalersetzenden Darlehens“ von den Beteiligten falsch verstanden werden. Dies gelte auch allgemein für die Frage, ob eine einzubringende Gesellschafterforderung gegen die GmbH mit Rücksicht auf deren wirtschaftliche Verhältnisse und den Grundsatz der Stammkapitalerhaltung auch „vollwertig“ ist. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen müsse sich der Notar deshalb Gewissheit darüber verschaffen, ob die Beteiligten die rechtliche Bedeutung solcher Begriffe richtig erfasst haben und sie notfalls hierüber aufklären.

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Vorliegen einer Pflichtverletzung

OLG Hamm, Urteil vom 10.6.2005 — Aktenzeichen: 11 U 180/04

Über die Frage der Baugenehmigung für die von dem Käufer eines Grundstücks beabsichtigte Errichtung von Gebäuden auf dem Kaufgrundstück hat der Notar nicht aufzuklären bzw. diese Umstände nicht zu erfragen.

(Leitsatz des Verfassers)

Sachverhalt
Der Beklagte beurkundete am 20.03.01 einen Grundstückskaufvertrag, mit dem die Kläger ein unbebautes Grundstück, das im Grundbuch als Landwirtschaftsfläche verzeichnet war, zum Preis von 146.804,00 DM kauften. Die Stadt R. lehnte mit Bescheid vom 09.10.02 einen Antrag der Kläger auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Lagerhalle auf dem Kaufgrundstück ab mit der Begründung, die Abwasserbeseitigung sei nicht gesichert.

Die Kläger versuchten ohne Erfolg, Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufs und auf Schadensersatz gegen die Verkäufer gerichtlich geltend zu machen.

Nunmehr nahmen die Kläger den beklagten Notar auf Schadensersatz in Anspruch, wobei sie geltend machten, der Beklagte sei darüber informiert gewesen, dass die Kläger auf dem Kaufobjekt eine Lagerhalle und ein Wohnhaus errichten wollten. Er habe die Kläger pflichtwidrig nicht auf die vor Erteilung der Genehmigung bestehenden Risiken hingewiesen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten, da er keine Anhaltspunkte für Risiken, die den Klägern drohten, gehabt habe.

Das Landgericht Bochum hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Beklagte habe pflichtwidrig nicht über die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstücks aufgeklärt, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen.

Diese Entscheidung hielt vor dem OLG Hamm nicht Stand.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat einen Anspruch der Kläger gegen den Notar gemäß § 19 Abs. 1 BNotO verneint. Der Notar habe keine notariellen Amtspflichten verletzt.

Im Rahmen seiner Pflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG, den Willen der Beteiligten zu ermitteln und den Sachverhalt aufzuklären, habe der Notar nur über die für die richtige und wirksame Urkundserrichtung bedeutsamen Umstände aufzuklären und diese zu erfragen. Die Frage der Baugenehmigung für die von den Klägern beabsichtigte Errichtung von Gebäuden auf dem Kaufgrundstück zähle nicht zu diesen Umständen. Sie betreffe lediglich die Verwendung des Kaufgegenstandes für die Zwecke der Käufer, die mit der Wirksamkeit des Geschäfts und seinem Vollzug nichts zu tun hätten.

Auch die Pflicht zur Belehrung über die rechtliche Tragweise gemäß § 17 Abs. 1 BeurkG gehe nur so weit, wie eine Belehrung für das Zustandekommen einer Urkunde erforderlich sei, die den wahren Willen der Beteiligten vollständig und unzweideutig in der für die Wirksamkeit gebotenen Form wirksam wiedergebe. Ihr Gegenstand sei dahin einzugrenzen, dass sie

die allgemeine rechtliche Bedeutung des Geschäfts,
seine rechtlichen Voraussetzungen,
die gesetzlichen Formerfordernisse,
die Wirkungen und Rechtsfolgen des Geschäfts und
seine Abwicklung einschließlich etwaiger Vollzugsrisiken umfasse.

Die Genehmigung des von den Klägern beabsichtigten Bauvorhabens auf dem Kaufobjekt sei nicht Teil des rechtlichen Erfolgs des vom Beklagten beurkundeten Geschäfts. Die Verwendbarkeit des Grundstücks für die Bebauung liege außerhalb der genannten Reichweite der Belehrungspflicht des Notars.

Auch im Rahmen der betreuenden Belehrungspflicht aus § 14 BNotO bestehe eine Hinweispflicht des Notars nur, wenn der Notar aufgrund besondere Umstände Anlass zu der Vermutung habe, einem Beteiligten drohe ein Schaden vor allem deshalb, weil er sich wegen mangelnder Kenntnis der Rechtslage der Gefahr nicht bewusst sei. Dies sei allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn der Notar Anlass habe anzunehmen, dass die Käufer die Notwendigkeit einer Baugenehmigung nicht erkannt hätten oder dass ihnen die benötigte Genehmigung nicht erteilt werde. Dies war aber im vorliegenden Fall nicht der Fall.

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