Verjährungshemmung durch Verhandeln

BGH

Nach § 203 BGB ist die Verjährung gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die dafür maßgeblichen Umstände geführt werden. Ob tatsächlich Verhandlungen geführt werden, ist häufig zweifelhaft, da nach der Rechtsprechung der Begriff des Verhandelns gem. § 203 BGB außerordentlich weit gefasst wird.

Der BGH musste sich in letzter Zeit mit Fällen befassen, in denen es darum ging, ob die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Anwalt bereits dadurch gehemmt worden ist, dass der Anwalt diesen Fall seiner Versicherung meldet und dies dem Anspruchsteller mitteilt.

Der Entscheidung des BGH vom 03.02.2011 — IX ZR 105/10 — lag eine Konstellation zugrunde, bei der der Anwalt dem Anspruchsteller mitgeteilt hatte, den Vorgang der Haftpflichtversicherung vorzulegen; er hatte jedoch auch darauf hingewiesen „zur Haftungssituation dem Grunde und der Höhe nach keinerlei Erklärungen abgeben“ zu wollen. Dies sah der BGH noch nicht als Verhandeln im Sinne des § 203 BGB an.

Einer neueren Entscheidung des BGH vom 10.05.2012 — IX ZR 125/10 – lag der Fall zugrunde, dass der in Anspruch genommene Anwalt dem Anspruchsteller mitgeteilt hatte, er habe die Angelegenheit seinem Haftpflichtversicherer zur Prüfung übersandt. In dieser Mitteilung sah der BGH ein verjährungshemmendes Verhandeln; denn dafür reiche jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall aus, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben nach dieser Rechtsprechung des BGH schon dann, wenn Erklärungen abgegeben werden, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Der Begriff der Verhandlung setzt nicht voraus, dass die Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs oder zum Entgegenkommen signalisiert wird. Verhandeln liegt demnach schon dann vor, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass der geltend gemachte Anspruch geprüft wird.

Als Konsequenz dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, dass gegenüber einem Anspruchsteller entweder der Anspruch sofort und eindeutig zurückgewiesen werden muss, oder aber bei einer Weiterleitung an die Haftpflichtversicherung keinerlei Erklärung dazu abgegeben wird, ob ein Anspruch geprüft wird. Kein Verhandeln stellt es dar, wenn dem Anspruchsteller lediglich mitgeteilt wird, dass entsprechend der versicherungsrechtlichen Obliegenheit der Anspruch der Haftpflichtversicherung mitgeteilt wird.

Der sicherste und daher zu empfehlende Weg ist es, einen geltend gemachten Anspruch ohne Erörterung zurückzuweisen, ggf. verbunden mit dem Hinweis, das Anspruchsschreiben entsprechend der versicherungsrechtlichen Obliegenheit dem Haftpflichtversicherer übersandt zu haben.

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Pflichten des Notars bei Beurkundung/Beglaubigung einer Vertragsannahme

BGH, Urteil vom 8.12.2011 — Aktenzeichen: III ZR 25/10 = NJW 2012, 619

In dem vom BGH entschiedenen Fall nahm die Klägerin den beklagten Notar wegen einer Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung einer Vertragsannahmeerklärung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Vertragsangebot war von einem anderen Notar beurkundet worden; es ist streitig, ob dem die Annahme beurkundenden Notar das Angebot vorlag. In der Annahmeerklärung wurden nicht alle Konditionen des Angebots berücksichtigt, so dass ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande gekommen ist.

Anders als das Berufungsgericht verneint der Bundesgerichtshof eine Schadensersatzpflicht des Notars.

Nach der Rechtsprechung des BGH erschöpft sich die Pflicht zur Rechtsbelehrung bei der Beurkundung der Annahme eines vorgegebenen Vertragsangebots in der Aufklärung über die rechtliche Bedeutung der Annahmeerklärung. Der Inhalt des Vertragsangebots gehört nicht zur rechtlichen Tragweite des in einem solchen Fall beurkundeten Geschäfts. Der Umfang der geschuldeten Belehrung nach § 17 I BeurkG ist auf die rechtlichen Auswirkungen der Annahmeerklärung und damit abstrakt auf die Gefahren beschränkt, die mit jedem Kaufvertrag verbunden sind.

Dabei kann es zu den Pflichten auch gehören, darüber zu belehren, dass der Vertrag nur zustande kommt, wenn Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen und etwaige einseitige Erklärungen des Annehmenden, von denen der Vertragsschluss nach dem Angebot abhängig sein soll, abgegeben werden. Eine solche Belehrung wird jedoch nur dann geschuldet, wenn hierfür fallbezogen Anhaltspunkte bestehen; der Notar braucht nicht formelhaft oder „ins Blaue hinein“ über alle nur denkbaren, fernliegenden Risiken zu belehren.

Im vorliegenden Fall hielt es der BGH für ausreichend, dass der Notar die Klägerin über mögliche Unsicherheiten belehrt und darauf hingewiesen hat, dass es möglicherweise gefährlich sei, wenn der Notar die Annahme beurkundet, ohne das Angebot – jedenfalls in Kopie – gesehen zu haben, da in dem Angebot Fristen und Bedingungen stehen könnten, die bei der Beurkundung berücksichtigt werden müssten. Eine solche Belehrung genügt nach der Rechtsprechung des BGH den Anforderungen § 17 I BeurkG

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Abmahnung muss auf rechtliche Konsequenzen hinweisen!

BGH, Urteil vom 12.10.2011 — Aktenzeichen: VIII ZR 3/11

Leitsatz
Für eine Abmahnung nach § 314 BGB genügt die bloße Rüge vertragswidrigen Verhaltens nicht; darüber hinaus muss aus der Erklärung des Gläubigers für den Schuldner deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall weiterer Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss.

Sachverhalt
Die Parteien verbindet ein Factoringvertrag. Nach dem Factoringvertrag sollte die Klägerin zusätzlich zu einer jährlichen Factoringgebühr für die Bevorschussung des jeweiligen Kaufpreises Zinsen entrichten. Im Januar 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ab sofort höhere Zinsen für die Bevorschussung des jeweiligen Kaufpreises berechnen werde. Dem widersprach die Klägerin. Trotzdem berechnete die Beklagte in den Folgemonaten den erhöhten Vorschusszins. Mit Schreiben vom 30.04.2009 wies die Klägerin darauf hin, dass die Zinsberechnung der Beklagten nicht dem vereinbarten Vertrag entspreche. Sie bat darum, wieder den vertraglich vereinbarten Zinssatz abzurechnen. Da die Beklagte weiterhin den erhöhten Zinssatz berechnete, kündigte die Klägerin den Factoringvertrag vorzeitig. Die Beklagte war der Ansicht, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei und hat daher einen Betrag in Höhe von 51.968,57 € einbehalten. Der Klage der Klägerin auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen wurde in der Berufungsinstanz stattgegeben. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit der Revision.

Entscheidung
Der BGH hält die Revision für begründet. Eine Kündigung des Factoringvertrages aus wichtigem Grund ist unwirksam, weil es an einer vorherigen Abmahnung des vertragswidrigen Verhaltens fehlt, auf das die Klägerin die von ihr erklärte vorzeitige Kündigung gestützt hat. Nach § 314 Abs. 2 BGB ist eine auf eine Verletzung vertraglicher Pflichten gestützte Kündigung aus wichtigem Grund grundsätzlich erst nach Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Eine Abmahnung muss den Schuldner darauf hinweisen, dass er vertragliche Pflichten verletzt hat und ihm für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen drohen. Dabei ist zwar keine ausdrückliche Kündigungsandrohung erforderlich, jedoch muss aus der Erklärung des Gläubigers für den Schuldner deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht. Eine Abmahnung nach § 314 BGB setzt zumindest eine konkludente Androhung vertragsrechtlicher Konsequenzen voraus.

Praxishinweis
Sollten in einem Vertragsverhältnis Gründe vorliegen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, muss der Kündigende zuvor das vertragswidrige Verhalten gegenüber dem Vertragspartner abmahnen. Wichtig ist hierbei, dass der Kündigende zumindest darauf hinweist, dass bei einer weiteren Zuwiderhandlung des abgemahnten Verhaltens rechtliche Konsequenzen drohen, insbesondere die Beendigung des Vertrages mit sofortiger Wirkung. Zumindest sollte aus einer Abmahnung schlüssig hervorgehen, dass der Abmahnende sich weitere Zuwiderhandlungen nicht mehr gefallen lässt und das Vertragsverhältnis im schlimmsten Fall beenden wird.

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Zulässigkeit des Einbaus von funkbasierten Ablesesystemen in Mietwohnungen

BGH, Urteil vom 29.9.2011 — Aktenzeichen: VIII ZR 326/10

Leitsatz
1. § 4 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 der Heizkostenverordnung umfasst nicht nur die Erstausstattung der Mieträume mit Heizkostenerfassungsgeräten und den Austausch unbrauchbar gewordener Geräte, sondern begründet auch eine Duldungspflicht des Mieters für den Austausch noch funktionstüchtiger Messgeräte durch moderne Systeme.

2. Die Duldungspflicht des Mieters zum Einbau von modernen Kaltwasserzählern ergibt sich aus § 554 Abs. 2 BGB.

Sachverhalt
Die Klägerin ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses. Die Beklagte hat in dem Mehrfamilienhaus eine Wohnung angemietet. Das Objekt ist mit einer Zentralheizung ausgestattet. Der Verbrauch von Brennstoffen sowie Warm- und Kaltwasser wird über entsprechende Verbrauchserfassungsgeräte erfasst.

Im Mai 2009 wollte die Klägerin im Rahmen eines Regelaustauschs die Heizkostenverteiler durch ein funkbasiertes Ablesesystem ersetzen. Die Beklagte verweigerte den Austausch mit der Begründung, dass sie in der von ihr angemieteten Wohnung kein mit Funk arbeitendes System einsetzen wolle. In den Vorinstanzen wurde dem Anspruch der Klägerin auf Duldung des Austausches der vorhandenen Ablesegeräte für Wärme, Warmwasser und Kaltwasser gegen ein Funksystem stattgegeben.

Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass die Mieterin den Einbau der funkbasierten Zähler zu dulden hat. Hinsichtlich des Austausches des Heiz-, Energie- und Warmwasserzählers ergibt sich dieser Anspruch aus § 4 Abs. 2 S. 1 Halbssatz 2 der Heizkostenverordnung. Nach Ansicht des BGH erfasst diese Norm nicht nur die Erstausstattung der Mieträume mit Heizkostenerfassungsgeräten und den Austausch unbrauchbar gewordener Geräte, sondern begründet auch eine Duldungspflicht des Mieters für den Austausch noch funktionstüchtiger Messgeräte durch moderne Systeme.

Der Anspruch auf Duldung des Austausches des Kaltwasserzählers ergibt sich zudem aus § 554 Abs. 2 BGB. Nach Auffassung des BGH handelt es sich hierbei um eine Wohnwertverbesserung, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Insbesondere kann der Wert des Mietobjekts erhöht werden, wenn dieses zum Zweck der Ablesung nicht mehr vom Vermieter bzw. seinen Hilfspersonen betreten werden muss.

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Belehrungspflicht des Notars bei Beurkundung eines Bauträgervertrags, wenn im Grundbuch ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen ist

BGH, Urteil vom 22.7.2010 — Aktenzeichen: III ZR 293/09 und Beschluss vom 26.02.2009 – III ZR 135/08

Leitsatz
Auch im Rahmen der erweiterten oder betreuenden Belehrungspflicht ist ein Notar nicht verpflichtet, die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Geschäfts bzw. die Angemessenheit zu überprüfen. Bei der Beurkundung eines Bauträgervertrags hat der Notar jedoch auch auf die Gefahren für die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Vertrages hinzuweisen, wenn im Grundbuch ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen ist.

Sachverhalt
Der BGH hatte folgenden Fall zu entscheiden:

Die Kläger hatten von einer Bauträgergesellschaft eine Eigentumswohnung gekauft, wobei sich die Verkäuferin verpflichtete, das Objekt bezugsfertig herzustellen. Der Kaufpreis sollte nach Maßgabe eines der Makler- und Bauträgerverordnung entsprechenden Ratenzahlungsplans entrichtet werden. Zum Zeitpunkt des Verkaufs war im Grundbuch ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen. Der Zwangsversteigerungsvermerk wurde gelöscht, bevor der Beklagte, der beurkundende Notar, die erst Kaufpreisrate auskehrte. Die Verkäuferin konnte ihren vertraglichen Verpflichtungen wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr nachkommen. Die Kläger kündigten den Bauträgervertrag und ließen die Fertigstellung der Wohnung auf eigene Kosten ausführen.

Die Kläger werfen dem Notar die Verletzung seiner notariellen Amtspflicht vor, weil er sie nicht über den noch im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und die ihm nach ihrer Behauptung im Einzelnen bekannten wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Verkäuferin unterrichtet habe.

Entscheidung
Nach der Entscheidung des BGH vom 22.07.2010 ist ein Schadensersatzanspruch gegen den Notar begründet.

Grundsätzlich obliegt es dem Notar nach § 17 I S. 1 BeurkG zwar nicht, über die wirtschaftlichen Folgen und die wirtschaftliche Durchführbarkeit des beabsichtigten Geschäfts oder mögliche finanziellen Schwierigkeiten eines Vertragspartners zu belehren, weil der Notar nicht auf die wirtschaftliche Tragweite des Rechtsgeschäfts hinzuweisen hat. Der BGH bestätigt in der Entscheidung vom 22.07.2010 seine ständige Rechtsprechung, wonach sich die sogenannte erweiterte Belehrungspflicht eines Notars nur in Ausnahmefällen auch auf die wirtschaftlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts erstreckt, dass damit aber nicht eine Aufklärung über die Werthaltigkeit des Kaufobjekts bzw. die Angemessenheit des Kaufpreises gemeint war, um die sich der Notar grundsätzlich nicht zu kümmern braucht (Beschluss vom 26.02.2009).

Ist im Grundbuch ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen, dann hat jedoch der Notar nach Auffassung des BGH im Rahmen seiner Hinweis- und Belehrungspflichten, den bei einem im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk (typischerweise) bestehenden Zusammenhang zwischen der rechtlichen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit des Vertrags zu berücksichtigen. Bei der Beurkundung eines Bauträgervertrages ist der Notas wegen der mit dem Abschluss eines solchen Vertrags verbundenen wirtschaftlichen Risiken und der gegenüber Verbrauchern bestehenden besonderen Schutz- und Belehrungsfunktion der Beurkundung verpflichtet, nicht nur auf die durch den Zwangsversteigerungsvermerk für die rechtliche, sondern auch auf die für die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Vertrages entstehenden Gefahren hinzuweisen. Dies gilt wegen der mit dem Abschluss eines solchen Vertrags verbundenen wirtschaftlichen Risiken und den gegenüber Verbrauchern bestehenden besonderen Schutz- und Belehrungsfunktionen der Beurkundung. Diese Pflicht ist Ausfluss der sich aus § 14 BNotO ergebenden sogenannten erweiterten Belehrungspflicht, die sich in Ausnahmefällen auch auf die wirtschaftlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts erstrecken kann.

Da der Notar nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dass dem (privaten) Käufer eines Hauses oder Eigentumswohnung die wirtschaftliche Dimension der Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks bewusst ist, ist der Notar regelmäßig gehalten, ihn vor Abschluss finanziell riskanter Verträge auf die „faktische Warnfunktion“ eines Zwangsversteigerungsvermerks hinzuweisen. Auf diese Weise soll der Kaufinteressent in die Lage versetzt werden, die für ihn bestehenden wirtschaftlichen Risiken (besser) abzuschätzen und ggf. weitere Erkundigungen anzustellen.

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Mangelhafte Kellerabdichtung als merkantiler Minderwert

OLG Hamm, Urteil vom 10.5.2010 — Aktenzeichen: 17 U 92/09

Sachverhalt
Der Auftraggeber verlangt vom Auftragnehmer Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Kellerabdichtung. Der Auftragnehmer hat den Mangel in der Zwischenzeit vollständig und folgenlos beseitigt. Der Sachverständige hat einen merkantilen Minderwert an dem Haus in Höhe von 7.800,00 € festgestellt. Das Landgericht hat den Auftragnehmer zum Ausgleich dieses Minderwerts verurteilt.

Entscheidung
Das OLG Hamm bestätigt die Entscheidung des Landgerichts. Es ist zu unterscheiden zwischen dem technischen und dem merkantilen Minderwert. Ein zu ersetzender technischer Minderwert liegt vor, wenn nach Ausführung der Reparatur ein objektiv feststellbarer Mangel verbleibt. Soweit der Auftragnehmer ordnungsgemäß nachbessert, so dass dem Auftraggeber ein Anspruch auf Ersatz des technischen Minderwerts nicht zusteht, kann ein Anspruch auf Erstattung des merkantilen Minderwerts bestehen. Ein sogenannter merkantiler Minderwert besteht, wenn der Mangel den Veräußerungswert der baulichen Anlage mindert, und zwar im Unterschied zum technischen Minderwert gerade dann, wenn dies trotz Mangelbehebung der Fall ist und die Wertminderung nur auf dem objektiv unbegründeten Verdacht beruht, das Bauwerk könne noch weitere verborgene Mängel aufweisen. Eine mangelhafte Kellerabdichtung stellt einen klassischen Fall des merkantilen Minderwerts dar. Die Höhe des Minderwerts ist durch Sachverständigengutachten festzustellen.

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Mietminderung wegen mangelnden Schallschutzes: DIN-Normen zur Zeit der Gebäudeerrichtung maßgebend!

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7.7.2010 — Aktenzeichen: VII-ZR 85/09

Sachverhalt
Die Mieter einer Wohnung in einem 2001/2002 errichteten Mehrfamilienhaus minderten die Bruttomiete um 10 % wegen Mängeln der Trittschalldämmung. Vertragliche Vereinbarungen zu Trittschallschutz oder Lärmfreiheit wurden nicht getroffen. Die Mieter rügten, dass aus der darüberliegenden Wohnung permament Wohngeräusche zu hören seien. Nach ihrer Auffassung war trotz Einhaltung des Normwerts der zur Zeit der Errichtung geltenden DIN-Norm (hier DIN 4109) ein Mangel der Mietsache vorhanden. Die Rechtsprechung des BGH zum Baurecht sei auf Mietsachen übertragbar.

Entscheidung
Der BGH folgt dem nicht. Die Mieter können die Miete nicht mindern. Die für das Bauvertragsrecht entwickelten Grundsätze sind auf das Wohnraummietrecht nicht übertragbar. Ohne eine dahingehende vertragliche Regelung hat der Wohnraummieter keinen Anspruch auf einen Schallschutz, der über die Grenzwerte der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm hinausgeht. Der BGH führt seine Rechtsprechung konsequent fort und stellt für die Frage eines Mangels auf den bei der Errichtung des Gebäudes geltenden Maßstab ab. Anders als im Bauvertragsrecht sind keine höheren Schallschutzwerte zu fordern, als die Mindestanforderungen, die die DIN 4109 enthält.

Für das Bauvertragsrecht hat der BGH entschieden, dass durch die vereinbarte Bauweise in einwandfreier, den Regeln der Technik entsprechender Bauausführung höhere Schallschutzwerte erreicht werden müssen. Der Erwerber kann grundsätzlich erwarten, dass der Bauunternehmer den Schallschutz nach den zur Zeit der Abnahme geltenden Regeln der Technik erstellt.

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Keine grob fahrlässige Unkenntnis eines Beratungsfehlers des Anlageberaters, wenn der Anleger es unterlassen hat, den ihm überreichten Emissionsprospekt durchzulesen.

BGH, Urteil vom 8.7.2010 — Aktenzeichen: III ZR 249/09

Leitsatz
Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den ihm überreichten Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese Weise die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder –vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.

Sachverhalt
Der Kläger nahm den Beklagten unter dem Vorwurf fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Auf Empfehlung des Beklagten zeichnete der Kläger im Jahre 1999 eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Über das Vermögen der Fondsgesellschaft wurde im Jahre 2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Es drohte Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Der Kläger behauptet, er sei über spezifische Risiken der Anlage nicht aufgeklärt worden; die Anlage habe seinem erklärten Anlageziel einer sicheren Altersvorsorge widersprochen. Der Beklagte erhebt unter Anderem die Einrede der Verjährung. Nach seiner Ansicht habe die Verjährungsfrist mit Übergabe des Emissionsprospekt zu laufen begonnen; denn durch Lesen des Emissionsprospekts wäre dem Kläger die Ungeeignetheit des Fonds bezüglich seiner Anlageziele klar geworden; dadurch habe der Kläger die Tatsachen gekannt, aus denen sich eine Pflichtverletzung des Anlageberaters und somit ein Schadensersatzanspruch ergaben. Zumindest läge grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vor, wenn dieser es unterlassen habe, den ihm übergebenen Emissionprospekt durchzulesen und hierbei auf durchgreifende Hinweise für die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen.

Die Klage hat in allen Instanzen Erfolg gehabt.

Entscheidung
Der BGH nimmt einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Vertrags-pflichtverletzungen des Beklagten an. Insbesondere sei der Anspruch nicht verjährt. Zwar genüge für den Beginn der Verjährung die grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen, der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen habe, genüge für sich allein noch nicht, um die grob fahrlässige Unkenntnis von einem Beratungsfehler zu begründen. Zwar komme dem Anlageprospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zu.
Im Einzelfall könne die Aushändigung eines Prospekts sogar ausreichen, um den Beratungs- und Auskunftspflichten des Anlageberaters Genüge zu tun.
Es läge daher zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, diesen Prospekt eingehend durchzulesen. Andererseits messe der Anleger den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben träten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraue daher der Anleger auf den Rat und die Angaben seines Beraters oder Vermittlers und sähe deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so sei darin im allgemeinen kein grobes Verschulden gegen sich selbst und damit keine grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände zu sehen. Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn bemerkbar machten und er sich daher veranlasst sähe, die Richtigkeit der ihm von einem Anlageberater oder Vermittler gegebenen Empfehlungen und Auskünfte zu hinterfragen.

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Sicherheitsvereinbarung in AGB–Bürgschaft über Baukosten

BGH, Urteil vom 27.5.2010 — Aktenzeichen: VII ZR 165/09

Im BGB-Vertrag ist der Bauunternehmer vorleistungspflichtig. Verbaute Teile fallen grundsätzlich in das Eigentum des Bauherrn. Dem Sicherungsbedürfnis des Bauunternehmens kann auch privaten Bauherren gegenüber durch eine Sicherheitsvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechnung getragen werden.

Der BGH hat entschieden, dass eine in den AGB enthaltene Klausel eines Fertighausanbieters gegenüber privaten Bauherren wirksam ist, nach der der Bauherr verpflichtet ist, eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines Kreditinstituts in Höhe der geschuldeten Gesamtvergütung zur Sicherung aller Zahlungsverpflichtungen des Bauherrn vorzulegen. Zwar müsse der Bauherr für die Beibringung einer solchen Bürgschaft Kosten aufwenden (Avalprovision bei seiner Bank). Doch auf der anderen Seite stehe das legitime und gleichwertige Interesse des Unternehmers, seine Werklohnforderung gegen Insolvenz abzusichern. Es gäbe keine gesetzlichen Regelungen, die sein Sicherungsbedürfnis ausreichend erfüllten. Die Kostenbelastung für den Bauherrn falle im Rahmen der üblichen Finanzierungskosten dagegen nicht entscheidend ins Gesicht.

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Wohnfläche mit Abweichung der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 %

BGH, Urteil vom 10.3.2010 — Aktenzeichen: VIII ZR 144/09

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine Abweichung der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % ein zur Minderung berechtigender Sachmangel. Dies gilt auch dann, wenn der Mietvertrag zur Größe der Fläche eine „ca.‟-Angabe enthält. Mit der jetzigen Entscheidung hat der BGH (erneut) darauf hingewiesen, dass auch bei der Berechnung der Minderung der relativierende Zusatz keine zusätzliche Toleranzschwelle rechtfertigt.

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die mit „ca. 100 qm“ angegebene Wohnfläche sei nur mit 95 qm anzusetzen. Der Zusatz „circa“ rechtfertige eine Abweichung von 5 %. Dem folgt der BGH nicht. Für die Feststellung des Mangels kommt es nur darauf an, ob die Abweichung mehr als 10 % beträgt. Ist dies der Fall, ist die Miete um den Prozentsatz der Flächenabweichung zu mindern. Ist etwa die Wohnfläche 15 % kleiner als die vertraglich vereinbarte, beträgt die Minderung ebenfalls 15 %.

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