Kostenvorschuss wegen Mängeln schon vor Abnahme der Werkleistung

OLG Celle, Urteil vom 11.5.2016 — Aktenzeichen: 7 U 164/15

Sachverhalt
In dem Fall, mit dem sich das Oberlandesgericht Celle beschäftigt hat, verlangte der Werkunternehmer einen Restwerklohn in Höhe von etwa 15.000,00 Euro. Dem Werkvertrag lag das BGB zugrunde. Die Anwendbarkeit der VOB/B war nicht vereinbart. Nachdem der Werkunternehmer den Auftraggeber zur Abnahme aufgefordert hatte, verweigerte der Auftraggeber die Abnahme und teilte mit, es lägen zahlreiche und gravierende Mängel vor. Im Prozess des Werkunternehmers auf Zahlung des offenen Werklohns hat der Auftraggeber einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung geltend gemacht. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat zahlreiche Mängel festgestellt und die Sanierungskosten mit etwa 25.000,00 Euro bemessen.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Celle hat dem Auftraggeber Recht gegeben. Der Restwerklohn des Werkunternehmers sei mangels Abnahme noch nicht fällig. Die vorhandenen Mängel rechtfertigen die Abnahmeverweigerung des Auftraggebers. Auf der anderen Seite stehe dem Auftraggeber ein Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung aus § 637 Abs. 3 BGB zu. Ein Auftraggeber kann einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung vor der Abnahme jedenfalls dann fordern, wenn sich ein Werkunternehmer, der ein in wesentlicher Hinsicht mangelhaftes Werk abgeliefert hat, auf den Standpunkt stellt, er habe ein mangelfreies Werk erbracht. Zur Begründung hat das Oberlandesgericht Celle festgestellt, dass der Auftraggeber anderenfalls zur Abnahme gezwungen wäre, obwohl er objektiv dazu berechtigt sei, eine Abnahme zu verweigern. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten des Auftraggebers vor Abnahme einer Werkleistung hat das Oberlandesgericht Celle die Revision zum Bundesgerichtshof ausdrücklich zugelassen.

Praxishinweis
Bis zu einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ist weiterhin offen, ob Auftraggeber Mängelgewährleistungsrechte bereits vor der Abnahme eines Werks geltend machen können. Tatsächlich ist die vorliegende Situation paradox. Einem Auftraggeber ist zugute zu halten, dass dann, wenn ein Werkunternehmer nicht gewillt ist, das vereinbarte Gewerk abnahmereif herzustellen, er dem Auftraggeber nicht entgegenhalten kann, er könne Rechte zur Herstellung eines ordnungsgemäß abnahmereifen Gewerks erst nach der Abnahme geltend machen.

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Die Rechtsprechung des BGH zu einem Regressverzicht des Gebäudeversicherers im Verhältnis zu einem haftpflichtversicherten Mieter ist auf das Nachbarschaftsverhältnis nicht anwendbar.

OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015 — Aktenzeichen: 9 U 26/15

Sachverhalt
Die Klägerin ist Gebäudeversicherer eines sich im Urlaub befindlichen Nachbarn und regressiert auf sie gem. § 86 VVG übergegangene Schadenersatzansprüche. Der Beklagte ist der Nachbar des Versicherungsnehmers der Klägerin. Während sich der VN der Klägerin im Urlaub befindet, gießt der Beklagte für diese die Blumen im Garten des VN der Klägerin. Nach dem Gießen der Blumen hatte der Beklagte vergessen, den Wasserhahn auf dem Grundstück der VN der Klägerin zu schließen. Hierdurch kam es zu einem Feuchtigkeitsschaden am Gebäude des VN der Klägerin, wegen dem die Klägerin Versicherungsleistungen erbrachte, die sie mit der vorliegenden Klage regressiert. Das Landgericht Münster (Az.: 12 O 192/14) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, dass die Interessenlage im vorliegenden Fall vergleichbar mit der Situation ist, wenn ein Mieter leicht fahrlässig einen Schaden an dem Gebäude des Vermieters verursacht. In diesen Fällen sei anerkannt, dass der Gebäudeversicherer, wenn er den Schaden ausgleicht, nicht bei dem Mieter Regress nehmen kann, weil nach der Interessenlage von einem stillschweigend konkludent vereinbarten Haftungsverzicht auszugehen sei (BGHZ 145, 393).

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Hamm hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es festgestellt, dass eine Vergleichbarkeit zu den vom BGH bereits entschiedenen Fällen, dem Mieter eine Haftungsbeschränkung für Fälle grober Fahrlässigkeit zuzubilligen, nicht vorliegt. Bei Gebäudeversicherungsverträgen besteht ein für den Versicherer erkennbares Interesse des Vermieters darin, dass in der Regel auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter soweit als möglich unbelastet zu lassen. Dem liefe zuwider, wenn Schädiger und Geschädigter im Schadensfall den jeweils hinter ihnen stehenden Versicherer mit Informationen versorgen müssten, die den Anspruch bzw. die Verteidigung der Gegenseite zu Fall bringen könnten. Die vorgenannte Überlegung könne auf die nachbarschaftliche Beziehung nicht übertragen werden. Die Interessenlage sei nicht vergleichbar. Der BGH hat bereits in seinen Entscheidungen vom 13.09.2006 (Az.: IV ZR 26/04 und IV ZR 116/05) der Auffassung des Landgerichts Münster eine klare Absage erteilt. Er hat bereits seinerzeit festgestellt, dass vertragliche Beziehungen in Gestalt eines Gebrauchsrechts nur hinsichtlich des Gebäudes und nicht zum Beispiel hinsichtlich des Hausrats des Vermieters oder Ähnlichem bestünden. Wollte man das Mietverhältnis von Belastungen aus einem Regress freihalten, müsste auch in der letzten Konsequenz dem Kraftfahrzeug-Kaskoversicherer und dem Krankenversicherer des Vermieters – bzw. im umgekehrten Fall des Mieters – ein Regressverzicht zugemutet werden, wenn der Mieter (Vermieter) das Kraftfahrzeug des Vermieters (Mieters) beschädigten und diesen körperlich verletzen würde. Dies ist nicht gewollt.

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Haftung des Prüfingenieurs gegenüber dem Bauherrn

BGH, Urteil vom 31.3.2016 — Aktenzeichen: III ZR 70/15

Leitsatz
1. Der vom Bauherrn mit der Prüfung der Standsicherheit beauftragte Sachverständige nimmt kein öffentliches Amt im Sinne von § 839 Abs. 1 Statz 1 BGB i.V.m. Artikel 34 Satz 1 GG wahr. Zwischen beiden Personen wir ein privatrechtlicher Werkvertrag geschlossen.

2. Dieser Werkvertrag bezweckt auch den Schutz des Bauherrn (Auftraggebers) vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik. Er dient nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauordnungsrechts und ist nicht lediglich darauf gerichtet, eine Prüfbescheinigung zu erstellen, die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden kann.

Sachverhalt
Die Kläger (Bauherren) beauftragten den Beklagten (Prüfingenieur) mit der Prüfung der bautechnischen Nachweise und der Bauüberwachung in statisch-konstruktiver Hinsicht. Nach Abschluss der Arbeiten kam es aufgrund des von einem Hang ausgehenden Erdmassendrucks zu Schäden am Gebäude, deren Beseitigungskosten die Kläger geltend machen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klage der Bauherren mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte übe ein öffentliches Amt im haftungsrechtlichen Sinne aus. Für etwaige Mängel seiner statischen Berechnungen hafte er deshalb nicht persönlich, sondern grundsätzlich der Staat und die Körperschaft, in deren Aufgabenbereich er tätig war (Urteil vom 25.03.2014, Az.: 14 U 202/12).

Entscheidung
Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Zur Begründung hat er festgestellt, dass der Prüfingenieur bei der Erfüllung des Auftrags der Bauherren nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes, sondern privatrechtlich tätig geworden sei. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei ihm um den richtigen Beklagten. Ein Fall der Amtshaftung liege lediglich dann vor, wenn ein Prüfer oder Sachverständiger in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden sei. Dies sei dann der Fall, wenn die Arbeit des Prüfers oder Sachverständigen mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhänge und die Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten behördlichen Tätigkeit bilde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die HBO 2002 (Hessische Bauordnung) bewusst die entsprechenden staatlichen Prüfungs- und Überwachungsaufgaben auf den Bauherrn bzw. die vom ihm einzuschaltenden privaten Prüfingenieure übertragen habe. Dieser privatrechtliche Auftrag verpflichtet den Prüfstatiker gegenüber dem Bauherrn dazu, etwaige statische Mängel zu erkennen und den Eintritt von Schäden aufgrund einer mangelhaften Statik abzuwenden.

Praxishinweis
Die Beauftragung des Prüfstatikers ist in den einzelnen Bundesländern verschieden geregelt. In den jeweiligen Bauordnungen der Länder finden sich verschiedene Regelungen dazu, wer jeweils den Prüfingenieur zu beauftragen hat. Im Falle einer Beauftragung des Prüfingenieurs durch das Bauamt hat der BGH nicht entschieden. Dass in diesem Falle weiterhin von einer hoheitlichen Tätigkeit des Prüfstatikers auszugehen ist, erscheint nicht unwahrscheinlich.

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Erledigung von Gewährleistungsansprüchen durch Abgeltungsvereinbarungen

Sachverhalt
Auch im vorliegenden Fall hat sich das Oberlandesgericht Jena in seinem Urteil vom 24.07.2014 (Az.: 7 U 142/13) und anschließend der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 13.08.2015 (Az.: VII ZR 215/13) mit Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers und Werklohnansprüchen des Auftragnehmers beschäftigt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war eine Abgeltungsvereinbarung in der Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart hatten, dass „die Mängelbeseitigung an den Objekten nunmehr eigenständig vom Auftraggeber durchgeführt und der Auftragnehmer im Gegenzug keinerlei finanzielle Forderung gegenüber dem Auftraggeber mehr hat“.

Der Auftragnehmer hatte Subunternehmer mit der Durchführung von Bauarbeiten beauftragt.

Im Rahmen der Abgeltungsvereinbarung hat der Auftragnehmer seine Gewährleistungsansprüche gegen die Subunternehmer an den Auftraggeber abgetreten. Gleichzeitig hat er sich verpflichtet, dem Auftraggeber erforderliche Auskünfte und Unterlagen zur Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche zu erteilen. Auf seinen noch offenen Werklohn hat der Auftragnehmer verzichtet.

Nachdem es dem Auftraggeber nicht gelungen war, die an ihn abgetretenen Ansprüche gegen die Subunternehmer durchzusetzen, hat er den Auftragnehmer auf Mängelbeseitigung und hilfsweise auf Zahlung von Vorschuss oder Schadenersatz verklagt.

Entscheidung
Bereits das Landgericht Erfurt hat die Klage des Auftraggebers mit Urteil vom 18.01.2013 abgewiesen. Das Oberlandesgericht Jena hat die Berufung des Auftraggebers zurückgewiesen und der Bundesgerichtshof der Nichtzulassungsbeschwerde des Auftraggebers nicht stattgegeben.

Nach Abschluss der dargestellten Abgeltungsvereinbarung kann der Auftraggeber vom Auftragnehmer keine Mängelbeseitigung mehr verlangen. Folglich kann er auch keine Zahlung von Vorschuss oder Schadenersatz verlangen. Mit der Vereinbarung, die Mängelbeseitigung an den Objekten eigenständig durchzuführen, hat der Auftraggeber auf die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Auftragnehmer verzichtet. Dem Einwand des Auftraggebers, dass er Ansprüche gegen die Subunternehmer mangels ausreichender Auskünfte oder Unterlagen des Auftragnehmers nicht durchsetzen konnte, sind die Gerichte nicht gefolgt.

Praxishinweis
Nach alledem ist festzuhalten, dass es einem Auftragnehmer durch Abschluss einer Abgeltungsvereinbarung mit dem Auftraggeber möglich ist, einen abschließenden Verzicht des Auftraggebers auf Gewährleistungsansprüche zu vereinbaren. Durch die gleichzeitige Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Auftragnehmers gegen die Subunternehmer an den Auftraggeber trägt der Auftraggeber das Risiko der Durchsetzung solcher Ansprüche. Wenn es dem Auftraggeber nicht gelingt, Ansprüche gegen die Subunternehmer durchzusetzen, muss er im Rahmen eines möglichen Folgeprozesses gegen den Auftragnehmer beweisen, dass ihm dies nicht gelungen ist, weil der Auftragnehmer der vereinbarten Verpflichtung zur Mithilfe durch die zur Verfügungstellung von Auskünften und Unterlagen nicht nachgekommen ist.

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Bauüberwachung von Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten

OLG Koblenz, Urteil vom 20.12.2012 – Aktenzeichen: 1 U 926/11; BGH, Beschluss vom 05.02.2015 – Aktenzeichen: VII ZR 13/13

Leitsatz
1. Der bauüberwachende Architekt hat die Übereinstimmung der Ausführung des Objekts mit der Baugenehmigung, den Ausführungsplänen und den Leistungsbeschreibungen sowie den anerkannten Regeln der Baukunst/Technik und den einschlägigen Vorschriften zu überprüfen sowie das Koordinieren der an dem Baugeschehen fachlich Beteiligten durchzuführen. Als örtlicher Bauführer muss er die Baustellen und die dortigen Unternehmer oder Handwerker „im Griff“ haben.

2. Der Umfang der Bauaufsichtspflicht, also insbesondere die Häufigkeit der Baustellenbesuche, kann weder sachlich noch zeitlich generell bestimmt werden, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, sind im Zweifel nicht zu überwachen.

3. Der bauüberwachende Architekt muss sein Augenmerk allerdings auf schwierige oder gefahrträchtige Arbeiten richten, wobei Isolierungs- und Abdichtungsarbeiten, Dach- und Dacharbeiten allgemein zu den besonders kritischen Bauabschnitten zählen.

Sachverhalt
Der Kläger ist Bauherr und hat gegen den von ihm mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten auf die Zahlung von Schadenersatz geklagt. Das ausführende Unternehmen verwendete anstatt der ausgeschriebenen Dübel „No-Name-Dübel“. Der Abstand der Lattung überstieg den im Leistungsverzeichnis vorgesehenen. Außerdem kam es zu Feuchtigkeitsschäden an einer Attika des Neubaus. Bei sämtlichen Mängeln handelt es sich um Ausführungsfehler. Der Kläger verlangt die Kosten zur Beseitigung der Mängel.

Entscheidung
Mit Urteil vom 20.12.2012 hat das OLG Koblenz dem Kläger Recht gegeben. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 05.02.2015 zurückgewiesen.

Zwar muss ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt einfache, gängige Arbeiten nicht besonders überwachen. Schwierige oder schadenträchtige müssen hingegen intensiv überwacht werden. Insbesondere bei Isolierungs- und Abdichtungsarbeiten sowie Dachdecker- und Dacharbeiten handelt es sich um solche schwierigen schadenträchtigen Arbeiten, die einer besonderen Überwachung bedürfen. Bei einer ausreichenden Überwachung wäre es dem Architekten möglich gewesen, sämtliche Mängel bei ihrer Entstehung zu entdecken.

Praxishinweis
Ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt haftet gesamtschuldnerisch mit dem ausführenden Unternehmen, dessen Ausführungsfehler er im Rahmen der Bauüberwachung nicht entdeckt hat. Im Innenverhältnis zwischen Architekt und ausführendem Unternehmen enthaftet den ausführenden Unternehmer die Behauptung nicht, er sei nicht ausreichend überwacht worden. Gegebenenfalls hätte also ein ausführender Unternehmer einen Großteil des entstandenen Schadens zu tragen. Hierbei kommt es selbstverständlich auf den jeweiligen Einzelfall an.

In jedem Fall empfiehlt es sich, ein Bautagebuch zu führen, um im Nachhinein nachweisen zu können, in welchem Umfang eine Überwachung vorgenommen worden ist.

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Sittenwidrigkeit eines Werkvertrages bei grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

Landgericht Gießen, Urteil vom 23.7.2014 — Aktenzeichen: I-S 56/14

Leitsatz
1. Ein Werkvertrag ist bereits dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung.

2. Das gilt auch, wenn sich die Größenordnung des groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in absoluten Zahlen nur im niedrigen vierstelligen Eurobereich bewegt.

Sachverhalt
Der Kläger beauftragte die Beklagte im Jahr 2011 mit der Durchführung von Werkleistungen. Bereits das Angebot der Beklagten lag über dem ortsüblichen und angemessenen Preis. Der später abgerechnete Werklohn betrug 2.787,78 €. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat festgestellt, dass ortsüblich und angemessen ein Preis in Höhe von 996,03 € gewesen wäre. Der Werklohn hat den Wert der Gegenleistung somit um das 2,79-fache überstiegen. Das Amtsgericht Büdingen (Az.: 2 C 549/13) hat die Klage auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Werklohns abgewiesen.

Gegen das amtsgerichtliche Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

 

Entscheidung
Das Landgericht Gießen hat der Berufung des Klägers stattgegeben.

Zur Begründung hat es festgestellt, dass gegenseitige Verträge nach § 138 I BGB wucherähnliche Rechtsgeschäfte mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit darstellen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und ferner mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. In den Fällen, in denen das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob erscheint, kann daraus der Schluss auf die bewusste oder grob fährlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes gezogen werden.

Von einem derart groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt, ist auch bei Werkverträgen bereits dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung.

Praxishinweis
Selbstverständlich ist ein Werkvertrag nicht dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig, wenn der Vertragspartner um den überhöhten Preis weiß oder als Fachmann Kenntnis besitzen müsste. Keinesfalls sollte das Recht des Auftraggebers ausgeschränkt werden, ein beliebiges Unternehmen zu beauftragen.

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Sachleistung in der Sachversicherung

LG Dortmund, Urteil vom 26.8.2014 — Aktenzeichen: I-11 S 7/14

Muss ein Sachversicherer Versicherungsleistungen stets in Form eines Geldbetrags erbringen?

Leitsatz
Ein Sachversicherer kann Versicherungsleistungen auch in Form von Handwerksleistungen erbringen. Hierbei handelt es sich dann um eine Leistung an Erfüllung statt. (red. Leitsatz)

Sachverhalt
Die Klägerin erlitt einen bei der Beklagten versicherten Hausratschaden. Mit einem von der Beklagten vorgelegten Formular beauftragte sie die Beklagte als Hausratsversicherung mit der Wahrnehmung von Reparaturarbeiten. Sie berechtigte die Hausratsversicherung zur Schadenbeseitigung andere Unternehmen zu beauftragen.

Nach Abschluss der Arbeiten machte die Klägerin geltend, diese seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden und verlangte von der Beklagten die Erbringung von Versicherungsleistungen in Geldform. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ausweislich der Versicherungsbedingungen sei die Versicherungsleistung in Geldform zu erbringen.

Das Amtsgericht Recklinghausen hat die Klage abgewiesen und zur Begründung festgestellt, die Klägerin habe die Werkleistungen an Erfüllung statt angenommen, Az.: 13 C 79/13.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Entscheidung
Das Landgericht Dortmund hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, dass der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten zwar grundsätzlich die Versicherungsleistung in Geldform zustände. Vorliegend ist der Anspruch der Klägerin durch die handwerklichen Reparaturarbeiten jedoch als Annahme an Erfüllung statt im Sinne des § 364 BGB erloschen. Bei der von der Klägerin unterschriebenen Erklärung handele es sich um eine ausdrückliche Vereinbarung einer Leistung an Erfüllung statt.

Bei dieser Leistung an Erfüllung statt kommt es auf eine Abnahme der Werkleistungen durch die Klägerin nicht an. Entscheidend ist allein, dass die Klägerin mit dem Austausch von Türen durch Handwerker einverstanden war und nicht auf eine Geldzahlung durch die Beklagte bestand.

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Regress nach § 110 SGB VII / grobe Fahrlässigkeit

LG Kiel, Urteil vom 14.2.2014 — Aktenzeichen: 6 O 173/11

Sachverhalt
Die Klägerin ist Sozialversicherungsträger und begehrt den Ersatz geleisteter Aufwendungen nach einem Arbeitsunfall ihres Versicherten. Die Beklagte ist die Arbeitgeberin des Versicherten. Der Versicherte stürzte auf einer Baustelle von einer Leiter.

Die Leiter gehörte nicht der Beklagten. Sie war dem Geschäftsführer der Beklagten, der die Baustelle alle zwei bis drei Tage kontrollierte, nicht bekannt. Der Sturz des Versicherten ereignete sich an einem Montagmittag. Die Mitarbeiter der Beklagten hatten die Leiter erstmals am Montagmorgen gesehen, an dem der Geschäftsführer der Beklagten noch nicht auf der Baustelle war. Die Leiter befand sich an der Außenseite eines Baugerüsts.

Im Inneren des Gebäudes befand sich eine weitere Leiter, die die Mitarbeiter der Beklagten nutzen sollten.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es fehlt an der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 110 Abs. 1 SGB VII. Die Beklagte verstieß gegen keine der ihr obliegenden Pflichten, da sich im Inneren des Gebäudes eine Leiter befand, die ihre Mitarbeiter nutzen sollten. Die an der Außenseite des Gebäudes befindliche Leiter, auf der es zum Sturz des Versicherten kam, war der Beklagen nicht bekannt. Die Leiter hätte der Beklagten auch nicht bekannt sein können, da selbst die Mitarbeiter der Beklagten sie erstmals bei Arbeitsantritt wenige Stunden vor dem Unfall sahen.

Der Beklagten ist also kein Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften zur Last zu legen.

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Bei Beauftragung der Abdichtung eines Kellers mit einem bestimmten vereinbarten Abdichtsystem schuldet der Auftragnehmer die Trockenlegung des Kellers

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.2.2014 — Aktenzeichen: 12 U 133/13

Die geschuldete Leistung eines Werkvertrags bestimmt sich nicht allein nach der vereinbarten Werkleistung, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll.

Leitsatz
1. Auch wenn die Bauvertragsparteien nur eine bestimmte, nämlich die in den Vertragsunterlagen näher beschriebene Ausführungsart vereinbart haben, muss der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk errichten. Andernfalls ist seine Leistung mangelhaft.

2. Eine Haftung des Auftragnehmers für Baumängel entfällt, wenn er hinreichend darüber aufgeklärt hat, dass der Auftraggeber auch nach Ausführung der Leistung mit dem Ausbleiben der geschuldeten Funktionstauglichkeit rechnen muss.

Sachverhalt
Der klagende Auftraggeber beauftragte die beklagte Auftragnehmerin mit der Ausführung eines bestimmten Abdichtungssystems für die Abdichtung von Kellern. Nach Ausführung der Arbeiten drang erneut Feuchtigkeit in den Keller ein. Die Auftragnehmerin bestritt die Verantwortlichkeit.

Das Landgericht hat die Klage des Auftraggebers abgewiesen. Zur Begründung hat es festgestellt, der Auftraggeber habe nicht bewiesen, dass die Auftragnehmerin einen trockenen Keller schulde.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat der Berufung des Auftraggebers teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es festgestellt, dass der geschuldete Erfolg eines Werkvertrags sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbaren Leistung oder Ausführungsart richtet. Entscheidend sei vielmehr, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen solle. Wenn eine bestimmte Ausführungsart der Kellerabdichtung vereinbart sei, sei als Leistungserfolg gleichzeitig die dauerhafte Trockenlegung des Kellers geschuldet. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Werkvertrags gem. §§ 133, 157 BGB.

Eine Haftung der Auftragnehmerin wäre lediglich dann entfallen, wenn sie den Auftraggeber darauf hingewiesen hätte, dass die durchzuführenden Leistungen nicht zwangsläufig zur Trockenlegung des Keller führen mussten.

Praxishinweis
Der vorliegende Fall zeigt erneut die Wichtigkeit der ausreichenden Aufklärung des Auftraggebers durch den Auftragnehmer. Zur Vermeidung von späteren Beweisschwierigkeiten sollten erteilte Hinweise schriftlich dokumentiert werden.

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Anforderungen an die endgültige Erfüllungsverweigerung durch den Auftragnehmer

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2013 — Aktenzeichen: 22 U 81/13

Leitsatz
1. An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Auftragnehmer sind strenge Anforderungen zu stellen. Allein das Bestreiten von Mängeln reicht nicht aus, es sei denn, es ist „aus der Luft gegriffen“ oder deren Haltlosigkeit ist dem Auftragnehmer — etwa mit der Hilfe eines Sachverständigen — einsichtig gemacht worden.

2. Beseitigt der Auftraggeber einer Werkleistung von ihm behauptete Mängel der Werkleistung selbst, ohne dem Werkunternehmer zuvor eine hinreichende Möglichkeit zur etwaig erforderlichen Nacherfüllung gegeben zu haben, ist er mit diesbezüglichen Gewährleistungs- bzw. Ersatzansprüchen aus allen dafür in Betracht kommenden Rechtsgründen ausgeschlossen.

Sachverhalt
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn für Bodenbelagsarbeiten in Anspruch genommen. Zwischen den Parteien bestand Streit darüber, ob Unregelmäßigkeiten in einer Spachtelung bestanden, die lediglich durch einen vollständigen Austausch des Bodenbelags zu beseitigen wären. Die Beklagte beauftrage ein Drittunternehmen mit dem vollständigen Austausch des Bodenbelags und rechnete mit den entstandenen Kosten des Drittunternehmens auf. Die Klägerin hat eingewandt, die Beklagte habe sie nicht wirksam zur Nacherfüllung aufgefordert. Die Beklagte hat sich auf die Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen endgültiger Erfüllungsverweigerung der Klägerin berufen.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin Recht gegeben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es auf die strengen Anforderungen an die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung abgestellt. Das bloße Bestreiten von Mängeln stellt keine endgültige Erfüllungsverweigerung dar. Der Auftragnehmer muss eindeutig zum Ausdruck bringen, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen. Es muss daher ausgeschlossen erscheinen, dass er sich von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung noch umstimmen lässt. Das Bemühen des Auftragnehmers um eine gütliche Einigung und eine damit verbundene „Gesprächsbereitschaft“ stehen der Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung regelmäßig entgegen.

Vorliegend bot die Klägerin ernsthafte Verhandlungen über Streitpunkte an und brachte damit ihr „ernsthaftes Interesse an einer Fortsetzung der vertraglichen Zusammenarbeit“ (insbesondere einer Nacherfüllung) zum Ausdruck.

Praxishinweis
Wenn der Auftraggeber sein Nacherfüllungsverlangen auf eine aus seiner Sicht erforderliche Art der Nacherfüllung beschränkt, geht er ein Risiko ein. In diesem Fall trägt er die Beweislast dafür, zur Beschränkung berechtigt zu sein. Er trägt die Beweislast dafür, dass der Mangel tatsächlich nur auf die von ihm geforderte Weise zu beseitigen ist.

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