Keine Kündigung für Kündigungsabsicht

Stefan KrappelStefan Krappel

Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 17.7.2019 — Aktenzeichen: 3 Ca 500/19

Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten Arbeitnehmer seit dem Jahr 2016, beschloss aber, sich eine neue Anstellung zu suchen. Also informierte er seinen Arbeitgeber frühzeitig über seine Kündigungsabsicht und kündigte mit Schreiben vom 22.01.2019 mit verlängerter Frist zum 15.04.2019. Der Beklagten gefiel das gar nicht. Sie machte von der kürzeren vertraglich vorgesehenen Kündigungsfrist Gebrauch und kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 31.01.2019 fristgerecht zum 28.02.2019, weil der Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht hatte, mit ihr nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen.

Entscheidung
Das Arbeitsgericht Siegburg hat der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben.

Im Anwendungsbereich des KSchG hat der Arbeitgeber darzulegen, weshalb die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt ist. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts waren hier rechtfertigende Gründe, insbesondere im Verhalten und in der Person des Klägers, nicht erkennbar; zwar könne der Abkehrwille eines Arbeitnehmers im Ausnahmefall eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, ein solcher Ausnahmefall lag hier abe rnicht vor.

Tatsächlich ist es möglich, den Arbeitnehmer nur für dessen Ankündigung gehen zu wollen, betriebsbedint zu kündigen — jedenfalls dann, wenn Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten seien und der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft gerade an der Hand hat; vorliegend konnte der Arbeitgeber allerdings auf eine bereits bei ihm beschäftigte Mitarbeiterin zurückgreifen.

Im Übrigen kommt es natürlich darauf an, wie der Arbeitnehmer seinen Beendigungswillen kundtut und zu welchem Zeitpunkt er gehen will. Je nach Einzelfall kann der Arbeitgeber hieraus Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung ziehen.

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Verjährung bei mehreren Pflichtverletzungen

Stefan KrappelStefan Krappel

BGH, Urteil vom 6.6.2019 — Aktenzeichen: IX ZR 104/18

Sachverhalt
Der beklagte Anwalt vertrat den Kläger in einem Scheidungs- und Versorgungsausgleichsverfahren. Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau reichten bei Gericht Fragebögen ein, aus denen sich Auskünfte über Versorgungsanwartschaften ergaben. Auskünfte zu den Versorgungsanwartschaften der Ehefrau als Beamtin holte das Amtsgericht nicht ein. Der Beklagte unterließ es, das Amtsgericht auf die Versorgungsanwartschaften der Ehefrau hinzuweisen. Am 11.12.2001 erließ das Amtsgericht einen Beschluss zum Versorgungsausgleich, der im Januar 2002 rechtskräftig wurde.

Mit Schriftsatz vom 23.07.2002 stellte der Beklagte für den Kläger einen Abänderungsantrag zum Versorgungsausgleich nach § 10 a VAHRG, der erst nicht beschieden wurde. Mit Beschluss vom 12.12.2013 wies das Amtsgericht den Antrag nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 und nach Ablauf der Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 3 VersAusglG zurück.

Als der Kläger im April 2016 vorzeitig verrentet wurde, erhielt er eine Rente in Höhe von 954,43 €; die Rente beliefe sich auf monatlich 1.111,45 €, wenn im Rahmen des Versorgungsausgleichs auch die Versorgungsanwartschaften der geschiedenen Ehefrau berücksichtigt worden wären.

Der Kläger warf dem Beklagten vor, nicht gegen den Beschluss vom 11.12.2001 vorgegangen zu sein und das Abänderungsverfahren fehlerhaft durchgeführt zu haben. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht der Berufung stattgegeben.

Entscheidung
Die dagegen gerichtete Revision des beklagten Anwalts hatte Erfolg. Die Ansprüche des Klägers waren verjährt.

Nach § 51 b BRAO aF verjährte der Anspruch des Mandanten gegen den Anwalt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden war.

Im vorliegenden Fall ging es um zwei verschiedene Pflichtverletzungen. Einerseits hatte der Beklagte seinem Mandanten nicht empfohlen, gegen den Beschluss vom 11.12.2001 Rechtsmittel einzulegen, obwohl die Auskünfte zu Versorgungsanwartschaften nicht vollständig eingeholt worden waren; im Übrigen wurde im Abänderungsverfahren pflichtwidrig nicht auf ein Abschluss des Verfahrens rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum Versorgungsausgleich hingewirkt.

Rechtsfehlerhaft — so der BGH — sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zwei eigenständige Pflichtverletzungen vorlägen und es am Zurechnungszusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen fehle. Das Berufungsgericht vertrat hier insoweit die Auffassung, die nachfolgende Pflichtverletzung hätte eine neue, rechtzeitig gehemmte Verjährung ausgelöst.

Der BGH geht jedoch davon aus, dass der dem Kläger entstandene Schaden nicht erst der zweiten Pflichtverletzung des Beklagten zuzurechnen ist, sondern bereits infolge der ersten Pflichtverletzung. Nach Auffassung des BGH entsteht der Schaden bereits dann, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechtert hat; dafür genügt es, dass der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag seine Höhe auch noch nicht beziffert werden können; es müsse nicht feststehen, dass die Vermögenseinbuße bestehen bliebe und damit endgültig wird; nach diesen Grundsätzen sei vorliegend der Schaden des Klägers mit dem Beschluss vom 11.12.2001 eingetreten, aufgrund dessen sich die Vermögenslage des Klägers schon verschlechterte. Nach Auffassung des BGH ist durch die zweite Pflichtverletzung der bereits erlittene Schaden nur verfestigt, nicht aber neu begründet worden. Die weitere Vermögensverschlechterung in Folge der Untätigkeit des Beklagten im Abänderungsverfahren war bei der gebotenen wertenden Betrachtung nach Auffassung des BGH daher nur ein adäquater Folgenachteil der ersten Pflichtverletzung.

Nur der Vollständigkeit halber stellte der BGH fest, dass der Eintritt der Verjährung nicht über die Grundsätze der Sekundärhaftung (zum alten Verjährungsrecht) abzuwenden war; die im September 2015 eingereichte Klage konnte auch etwaige Sekundäransprüche nicht erfassen, die zum 11.12.2007 verjährt waren.

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Kausalverläufe beim Anwaltsregress

Stefan KrappelStefan Krappel

LG Münster, Urteil vom 16.4.2019 — Aktenzeichen: 09 S 99/17

Leitsatz
Im Rahmen der Kausalität muss das Regressgericht prüfen, wie das Gericht im Vorprozess entschieden hätte. Nicht in jedem Fall aber ist die Beweisaufnahme zu wiederholen – so die Berufungskammer des Landgerichts Münster.

Sachverhalt
Der Kläger hat die Beklagten wegen fehlerhafter anwaltlicher Vertretung in Anspruch genommen.

Im Vorprozess stritt der Kläger, vertreten durch die Beklagten, um folgenden Sachverhalt: Der Kläger verkaufte einem Käufer ein Wohnmobil mit einem Wasserschaden. Inwieweit er im Vorfeld über diesen und seinen Umfang aufgeklärt hatte, war streitig. Bei Übergabe, die in Anwesenheit eines weiteren Zeugen des Käufers geschah, wurde der Wasserschaden bemerkt. Der Käufer erklärte den Rücktritt und hilfsweise die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung; im Prozess nahm der Kläger den Käufer auf Erfüllung in Anspruch.

In einer ersten mündlichen Verhandlung wurde die Ehefrau des Klägers dazu angehört, welche Angaben der Kläger u.a. telefonisch gegenüber dem Käufer gemacht hatte. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte das Vorliegen eines älteren Wasserschadens.

In einer zweiten mündlichen Verhandlung wurde der gegnerische Zeuge zum Umfang des Wasserschadens bei Übergabe angehört.

Die beklagten Rechtsanwälte hatten versäumt, den Kläger über diesen Termin zu informieren und berichteten ihm auch nicht vom Ergebnis des Termins.

Der Kläger verlor den Vorprozess in erster Instanz. Das Gericht stützte sein Urteil hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels auf das Sachverständigengutachten sowie die Aussage des gegnerischen Zeugen; hinsichtlich des arglistigen Verschweigens des Mangels stützte das Gericht sein Urteil auf die Aussage der Ehefrau.

Der Kläger wechselte zwischen den Instanzen den Rechtsanwalt; in der Berufungsinstanz wurde die Ehefrau als Zeugin dafür angeboten, dass der gegnerische Zeuge das streitgegenständliche Wohnmobil gar nicht betreten habe und überhaupt keine Aussagen zum Zustand des Wohnmobils haben machen können, weshalb es jedenfalls am Arglistnachweis fehle; der entsprechende Beweisantritt wurde in der Berufungsinstanz als verspätet zurückgewiesen; der Kläger verlor das Verfahren insgesamt.

Im Regressverfahren stellte der Kläger zwar unstreitig, dass das Fahrzeug grundsätzlich bei Übergabe mangelhaft war; er warf den Beklagten aber vor, dass man keine Gelegenheit gehabt habe, die Ehefrau noch einmal früher als Zeugin dafür zu benennen, dass der gegnerische Zeuge das Wohnmobil gar nicht betreten habe; er habe deshalb keine richtigen Angaben zum Umfang des Wasserschadens machen können; es sei dem Kläger nicht nachzuweisen gewesen, dass er arglistig gehandelt habe.

Entscheidung
Die Berufungskammer des Landgerichts Münster hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil in erster Instanz zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH hat das Regressgericht nicht zu prüfen, wie das Gericht im Vorprozess hypothetisch bei anderer Handhabung entschieden hätte, sondern wie es richtigerweise hätte entscheiden müssen.

Im vorliegenden Fall bestand nach Auffassung der Berufungskammer jedoch keinerlei Verknüpfung zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden, sodass eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht geboten war. Der gegnerische Zeuge war im Vorprozess allein dazu angehört worden, ob bei Übergabe des Fahrzeuges ein Mangel in Form eines Wasserschadens vorlag. Auch das Urteil bezog sich insoweit nur auf die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorlag.

Die Beantwortung der Frage wiederum, ob der Kläger den Käufer arglistig getäuscht hatte, hatte das Gericht im Vorprozess allein darauf gestützt, welche Angaben die Ehefrau des Klägers gemacht hatte; der Kläger hatte nach dieser Aussage gegenüber dem Käufer insofern „ins Blaue hinein“ Angaben gemacht, die der Arglist gleichstünden. Ohnehin war nach Auffassung der Berufungskammer eine Anhörung des Zeugen untunlich, da dieser über das Zustandekommen des Kaufvertrages keine Angaben machen konnte.

Der in Anspruch genommene Rechtsanwalt, der versäumt hat, einen Gegenzeugen zu benennen, muss daher bei seiner Verteidigung sorgfältig differenzieren. Die hypothetische Beweisaufnahme des Vorprozesses ist nicht zwingend nachzuholen. Vielmehr sind Konstellationen denkbar, in denen sich die behauptete Zeugenaussage gar nicht ausgewirkt hätte. Hierauf ist das Regressgericht hinzuweisen, damit es nicht davon ausgeht, es habe schlicht den Vorprozess unter Einbeziehung eines übersehenen Zeugen zu wiederholen.

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Praktikant oder Mindestlohnempfänger?

Stefan KrappelStefan Krappel

BAG, Urteil vom 30.1.2019 — Aktenzeichen: 5 AZR 556/17

Leitsatz
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich zu den zeitlichen Grenzen von Praktika geäußert, die drohen gegen das Mindestlohngesetz zu verstoßen. Das BAG hat entschieden, dass Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums ableisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt, wobei das Praktikum aus persönlichen Gründen unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden kann, wenn die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen.

Sachverhalt
Die Klägerin war Praktikantin bei der Beklagten. Für die Dauer von drei Monaten sollte die Klägerin den Betrieb kennenlernen, um sich für eine Berufsausbildung zu orientieren. Eine Vergütung sollte nicht gezahlt werden.

Am 06.10.2015 begann die Klägerin. In der Zeit vom 03.11. bis 06.11.2015 war sie arbeitsunfähig abwesend.

Über die Weihnachtsfeiertage trat die Klägerin „Urlaub an“, wobei die Klägerin mit der Beklagten absprach, dass die Klägerin erst am 12.01.2016 in das Praktikum zurückkehren würde.

Erst am 25.01.2016 endete das Praktikum und die Klägerin forderte unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung in Höhe von über 5.400,00 € nach dem Berufsbildungsgesetz.

In erster Instanz war die Klägerin noch erfolgreich, in zweiter Instanz blieb sie erfolglos.

Entscheidung
Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung zusteht.

Mindestlohn steht allen Arbeitnehmern und auch Praktikanten im Sinne von § 26 BBiG zu. § 22 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG sieht eine Ausnahme hiervon vor, wenn ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums abgeleistet wird; in diesem Fall muss kein Mindestlohn gezahlt werden.

Im vorliegenden Fall war die mögliche Zeit von drei Monaten rein objektiv überschritten.

Nach Auffassung des BAG ist die Norm aber nicht rein an den Kalendertagen zu beurteilen. Vielmehr sind Unterbrechungen des Praktikums innerhalb dieses Rahmens möglich, wenn der Praktikant hierfür persönliche Gründe habe und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhingen.

Diese Voraussetzungen nahm das BAG im vorliegenden Fall an; das Praktikum sei wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen worden.

Arbeitgeber müssen im Einzelfall sehr sorgsam prüfen, ob es zulässig ist, das Praktikum über drei Kalendermonate hinaus zu verlängern. Schon die Überschreitung um einen Tag kann zur Vergütungspflicht für das gesamte Praktikum führen.

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Entscheidungsfreiheit des Patienten

OLG Köln, Urteil vom 16.1.2019 — Aktenzeichen: 5 U 29/17

Sachverhalt
Die Klägerin stürzte und wurde bei der Beklagten zu 1) nachts eingeliefert. Nach Diagnose einer nicht dislozierten geschlossenen medialen Oberschenkelhalsfraktur wurde die Indikation zur Operation gestellt.

Bei der Beklagten zu 1) war es ständige Übung, die Patienten nach Durchführung des Aufklärungsgesprächs zur Unterschrift auf dem Einwilligungsformular zu bewegen. So geschah es auch bei der Aufklärung durch den Beklagten zu 2), obwohl die Klägerin zunächst Zweifel an der Operation und der Qualifikation der Ärzte äußerte.

Geschlossene Reposition und Osteosynthese erfolgten am nächsten Morgen durch die Beklagten zu 3) und zu 4).

Die Klägerin hat behauptet, die Behandlung sei rechtwidrig gewesen; infolge der Behandlung habe sie noch heute Beeinträchtigungen.

Vor dem Landgericht war die Klage der Klägerin erfolglos.

Entscheidung
Vor dem Senat des OLG Köln war die Klägerin hingegen teilweise erfolgreich und erhielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € zugesprochen.

Das OLG Köln hat hierzu in seiner Entscheidung in Anlehnung an § 630e BGB und die Rechtsprechung des BGH ausgeführt, dass dem Patienten bei einem Eingriff, der erst in etwa zwölf Stunden stattfinden soll, eine den Umständen entsprechende Bedenkzeit für den Patienten verbleiben muss, die bis kurz vor den Eingriff reicht; die Übung, die Patienten direkt nach der Aufklärung zur Unterschrift zu bewegen sei an sich schon bedenklich.

Nach der Anhörung der Parteien gelangt der Senat zu der Auffassung, dass die Klägerin ihre Entscheidung nicht wohlüberlegt gefällt haben kann, sondern in einer Drucksituation. Deshalb wäre es — so der Senat — Pflicht der Beklagten zu 3) und zu 4) gewesen, sich bei der Klägerin zu vergewissern, ob sie bei der Entscheidung aus der Nacht bleibe oder nicht.

Besonderheit des Falles war zudem, dass die Beklagte die Operation noch mehrere Stunden nach vorne gelegt hatte — von der Mittagszeit in die Morgenstunden. Auch dies verschärfte nach Auffassung des OLG Köln das Pflichtenprogramm der Beklagten; die Klägerin traf nach der Unterzeichnung der Einwilligungserklärung von sich aus keine Pflicht mehr, Bedenken anzumelden.

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Sachgrundlose Befristungen

BAG, Urteil vom 23.1.2019 — Aktenzeichen: 7 AZR 733/16

Sachverhalt
Der Kläger war in den Jahren 2004 bis 2005 für die beklagte Arbeitgeberin tätig. Im Jahr 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28.02.2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18.08.2015.

Die vom Kläger erhobene Entfristungsklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch dem LArbG Stuttgart Erfolg.

Entscheidung
Das BAG hat mit seiner Entscheidung der Klage ebenfalls stattgegeben und damit seine Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung ausdrücklich geändert.

Nach Auffassung des BAG ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Im Jahr 2011 hatte das BAG noch entschieden, das TzBfG müsse verfassungskonform ausgelegt werden und erfasst nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Nachdem das BVerfG am 06.06.2018 dies als unzulässige Rechtsfortbildung am Willen des Gesetzgebers beanstandet hat, hat das BAG seine Rechtsprechung nun ausdrücklich aufgegeben.

Da der Kläger bereits in vergleichbarer Tätigkeit bei der Beklagten befristet beschäftigt war, wurde die erneute Befristung deshalb als Gesetzesverstoß und damit als unwirksam angesehen.

Das BAG hat — in Anlehnung an die Entscheidung des BVerfG — aber klargestellt, dass weiterhin Konstellationen denkbar seien, in denen es für den Arbeitgeber unzumutbar sei, den Arbeitnehmer unbefristet einstellen zu müssen, z.B. wenn die Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege. Im streitgegenständlichen Fall lagen die Tätigkeiten acht Jahre auseinander, was dem BAG aber nicht ausreichte, um zu einer Unzumutbarkeit zu gelangen.

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Grundsatz der Schadenseinheit

LG Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2018 — Aktenzeichen: 3 S 6/17

Sachverhalt
Der beklagte Anwalt hat für den Kläger im Jahr 2013 einen Arzthaftungsprozess geführt. Dabei nahm er zunächst den falschen Anspruchsgegner in eine abgesandte Klage auf. Als das Gericht ihn auf die mangelnde Passivlegitimation hinwies, nahm er die Klage zurück und reichte in Abstimmung mit dem Kläger eine neue Klage ein.

Die Gerichtskosten erhielt der Kläger im Jahr 2013 zu zwei Dritteln erstattet.

Die außergerichtlichen Kosten des falschen Beklagten wurden gegen den Kläger festgesetzt. Er erhielt den Kostenfestsetzungsbeschluss aber erst Ende 2016.

Im Jahr 2017 nahm nun der Kläger den Beklagten auf Erstattung des fehlenden Drittels Gerichtskosten und der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Das Amtsgericht hat dem Kläger die Rechtsanwaltskosten zugesprochen, während es von der Verjährung des Anspruchs auf Gerichtskosten ausging.

Entscheidung
Das LG Düsseldorf hat die Entscheidung zugunsten des Beklagten abgeändert und ist von einer Verjährung des gesamten Rückforderungsanspruchs ausgegangen.

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände. Nach Auffassung der Kammer muss sich das subjektive Moment auf Seiten des Mandanten nicht nur auf die wesentlichen tatsächlichen Umstände beziehen, sondern auch auf solche Tatsachen, aus denen sich für ihn als juristischen Laien ergibt, dass der Rechtsberater vom üblichen Vorgehen abgewichen ist.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die erforderliche Kenntnis deshalb bejaht, weil der Kläger wusste, dass die Klage zurückgenommen worden ist. Er wusste auch, dass er nicht die gesamten Gerichtskosten erstattet erhält, so dass sich der Schaden zu diesem Zeitpunkt auch manifestiert hatte.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfasst die laufende Verjährung dann auch die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten, auch wenn der Kläger erst im Jahr 2016 davon erfahren hatte. Denn nach dem Grundsatz der Schadenseinheit spielt der Zeitpunkt einzelner Schadensfolgen solange keine Rolle, als diese eine bloße Weiterentwicklung darstellen und mit ihnen bereits beim Auftreten des ersten Schadens (objektiv) gerechnet werden konnte. Der objektive Betrachter konnte aufgrund der Klagerücknahme aber von Anfang an erkennen, dass hierdurch noch weitere Kosten auf den Kläger zukommen könnten.

Er hätte deshalb bereits im Jahr 2016 verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen müssen.

Dem konnte der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben entgegenhalten, dass der Beklagte ihn nicht über den Kostenfestsetzungsbeschluss informiert hatte. Denn der Kläger war insoweit nicht schutzwürdig. Erstens wusste er von der Klagerücknahme schon im Jahr 2013. Zweitens hatte er im Jahr 2016 von den Kosten erfahren und damit zu einem Zeitpunkt, an dem er grundsätzlich noch tätig werden konnte.

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Vorsicht bei der Wiedereinsetzung

BGH, Urteil vom 19.12.2017 — Aktenzeichen: 2 StR 532/17

Sachverhalt
Das Landgericht hatte den Angeklagten am 14.07.2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine Rechtsmittelbelehrung wurde ihm erteilt. Mit Schreiben vom 24.07.2017 teilte der Verteidiger des Angeklagten dem Landgericht mit, der Angeklagte habe Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Gericht teilte am 27.07.2017 mit, dass eine Revision des Angeklagten bei Gericht gerade nicht eingegangen sei. Der Angeklagte teilte daraufhin mit, er habe bereits am 15.07.2017 zu Protokoll Revision eingelegt, was das Gericht jedoch als bloße Mitteilung, nicht als Revisionseinlegungsschrift ansah; es könne nicht nachvollzogen werden, ob, wann und in welcher Form darüber hinaus ein Schreiben vom 15.07.2017 auf dem Weg gebracht worden sei. Der verteidigende Rechtsanwalt führte aus, es dürfe dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Revisionsschrift verloren gegangen sei; ihm sei Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren — verbunden wurde dies mit einer erneuten Revisionseinlegung.

Am 17.08.2017 gelangte ein vom Angeklagten verfasstes Schreiben zu den Akten, dass den 15.07.2017 als Datum auswies und mit dem der Angeklagte gegen das Urteil „Sofortige Revision“ einlegte und mitteilte, dass er die Gründe für die Rechtsmitteleinlegung seinem Anwalt mitgeteilt habe.

Entscheidung
Der BGH hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen, weil weder den Schriftsätzen des Rechtsanwalts noch dem Schreiben des Angeklagten entnommen werden konnte, wann Kenntnis von der Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der Revision erlangt wurde. Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages, dass Angaben über die versäumte Frist, den Hinderungsgrund sowie Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses gemacht werden.

Das Urteil gegen den Beklagten ist nun rechtskräftig. Der BGH hat damit die besondere Bedeutung der Formalien beim Wiedereinsetzungsantrag erneut hervorgehoben.

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Kündigung bei heimlicher Tonaufnahme

LAG Hessen, Urteil vom 23.8.2017 — Aktenzeichen: 6 Sa 137/17

Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer hat in einer E-Mail einen Teil seiner Kollegen als „Low-Performer“ und „faule Mistkäfer“ bezeichnet und war dafür abgemahnt worden. Später wurde ihm vorgeworfen, Kollegen bedroht und beleidigt zu haben. Deshalb luden ihn Vorgesetzte und Betriebsrat zu einem Personalgespräch. Das Personalgespräch wurde vom Arbeitnehmer heimlich aufgenommen, was der Arbeitgeber erst später erfuhr.

Entscheidung
Das hessische Landesarbeitsgericht hat die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung für rechtmäßig erklärt, auch wenn der Arbeitnehmer für einen ähnlichen Verstoß noch nicht abgemahnt worden war und behauptete, nicht zu wissen, dass er Gespräche nicht aufzeichnen dürfe.

Das heimliche Mitschneiden eines Gesprächs verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gesprächsteilnehmer. Jeder soll selbst entscheiden können, welche Erklärungen gegenüber den Gesprächsteilnehmern, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Selbst die 25-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers wog nicht so schwer wie die Interessen des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen. Denn das Arbeitsverhältnis sei auch zuvor nicht intakt gewesen.

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass eine heimliche Tonbandaufnahme gravierende Konsequenzen haben kann und die mutmaßliche Beweisnot keine Aufnahme rechtfertigt.

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Kausalitätsnachweis bei der Sachverständigenhaftung

OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.11.2017 — Aktenzeichen: 4 U 26/15

Sachverhalt
Der Kläger wurden wegen mehrfachen, teils schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die beklagte Sachverständige hatte im Strafverfahren ein schriftliches aussagepsychologisches Gutachten erstattet und dieses mündlich erläutert. Im Gutachten wurden die Angaben der geschädigten Zeugin mit hoher Wahrscheinlichkeit als glaubhaft eingestuft. Der BGH hat die Revision des Klägers als unbegründet angesehen (Beschluss vom 16.11.2004, Az.: 4 StR 431/04). Die daran anknüpfenden Wiederaufnahmeanträge des Klägers waren alle erfolglos.

Im Jahr 2005 erhob die geschädigte Zeugin vor dem LG Saarbrücken eine Schmerzensgeldklage, die jedoch abgewiesen wurde. Die Einschätzung der Beklagten zur Glaubhaftigkeit der Aussage wurde dort nicht geteilt. Auf die Berufung der Zeugin wurde durch das OLG Saarbrücken ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Ein neuer Sachverständiger gelangte zu dem Ergebnis, dass die Angaben der Zeugin nicht als erlebnisbegründet und nicht als glaubhaft einzuschätzen seien.

Nach einem dritten Wiederaufnahmegesuch wurde der Kläger am 07.11.2013 vom Schöffengericht des Amtsgerichts Neuenkirchen freigesprochen, nachdem die Geschädigte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte.

Wegen des unberechtigten Freiheitsentzuges hat der Kläger die Beklagte als Sachverständige in Anspruch genommen.

Entscheidung
Das OLG Saarbrücken hat eine Haftung der beklagten Sachverständigen gem. § 839 a BGB bestätigt; diese habe grob fehlerhaft ein unrichtiges Gutachten erstattet.

Nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat dies auch zu einem Schaden geführt. Allerdings hat sich das OLG Saarbrücken nicht der Auffassung des Landgerichts angeschlossen, allein bei Erstattung eines anderen Gutachtens hätten die Richter in erster Instanz anders entschieden und den Kläger freigesprochen. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken hat das Regressgericht nicht im Rahmen einer rein kausalen Betrachtungsweise aufzuklären, wie das damals beteiligte Gericht tatsächlich geurteilt hätte, wenn es nicht zu einer unrichtigen Gutachtenerstattung gekommen wäre; es hat insbesondere nicht auf die Sicht der im Strafprozess gegen den Kläger erkennenden Richter abzustellen und solche schon gar nicht als Zeugen zu vernehmen.

Stattdessen ist der Kausalverlauf danach zu beurteilen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten; das Regressgericht müsse selbst prüfen, wie das Vorverfahren richtigerweise hätte entschieden werden müssen und dafür notfalls Beweis erheben. Damit sollen nach Auffassung des OLG Saarbrücken im Prozess gegen einen Sachverständigen oder eine Sachverständige gem. § 839 a BGB die gleichen Grundsätze gelten wie im Rahmen der Anwaltshaftung; insofern sei der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor der wirklichen Kausalität zu gewähren.

Darüber hinaus hat das OLG Saarbrücken festgehalten, dass dem Kläger im Wege des Schadensersatzes nicht mehr zugesprochen werden darf, als das, worauf er rechtmäßig einen Anspruch hatte.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das OLG Saarbücken dazu gelangt, dass der Kläger bei pflichtgemäßer Begutachtung durch die Beklagte freizusprechen gewesen wäre und die ihm entstandenen Beeinträchtigungen von ihr zu ersetzen sind. Das Berufungsgericht hat diesbezüglich selbst Beweis erhoben und kam zu dem Schluss, dass die Aussage der Geschädigten Zeugin nicht als glaubhaft anzusehen ist. Selbst die geschädigte Zeugin wurde noch einmal als solche vernommen, wobei ihre Angaben im Detail jedoch im Widerspruch zu den früheren Befragungen standen. Der Senat hat hieraus den Rückschluss gezogen, dass ohne die Aussage der Zeugin eine Verurteilung nicht erfolgt wäre, so dass der Kläger im Ergebnis freizusprechen gewesen wäre.

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