Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens im Prozess

OLG Hamm – Beschluss vom 14.08.2012 — Aktenzeichen: I – 25 W 203/12

In seinem Beschluss vom 14.08.2012 hat das OLG Hamm hierzu ausgeführt, dass der unterlegene Gegner gem. § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO die Kosten eines von der Gegenseite eingeholten Privatgutachtens zu tragen hat, wenn dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, wobei solche Kosten nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nur ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren — unbeschadet etwaiger Erstattungsansprüche aus materiellem Recht — berücksichtigungsfähig sind (vgl. Übersicht bei Stein/Jonas/Bork, 21. Auflage, § 91 -„Privatgutachten“ ; Baumbach/Hartmann, 56.Auflage, § 91 Rd-Nr. 102 – „Gutachten‟). Entscheidend ist nicht allein das Kriterium einer „Prozessbezogenheit“, sondern die Frage der Notwendigkeit, die kritisch zu prüfen ist. Im Falle prozessbegleitender Gutachten sind an die Notwendigkeit dabei besonders strenge Anforderungen zu stellen, da während des Prozesses eine Beweisaufnahme nämlich grundsätzlich nur im Rahmen der gerichtlichen Beweisanordnungen stattfindet. Die Klärung strittiger Tatsachenfragen ist nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren. Daher ist die Notwendigkeit eines Privatgutachtens nur ausnahmesweise zu bejahen, wenn ein Privatgutachten dazu dient, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern oder Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen zu formulieren oder wenn die Partei nur auf der Basis eines Privatgutachtens in der Lage ist, substantiiert und sachgerecht auf den Vortrag der fachlich versierten Gegenpartei schriftsätzlich vortragen zu können.

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Unbedachte Risiken des „Versicherungs-Hoppings“

OLG Celle, Urteil vom 10.5.2012 — Aktenzeichen: 8 U 213/11

Leitsatz
Kann ein Versicherungsnehmer (VN) einer Wohngebäudeversicherung nicht den sog. Vollbeweis nach § 286 ZPO erbringen, wann ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, und hat der VN innerhalb der für den Schadenseintritt in Betracht kommenden Zeitspanne den Wohngebäudeversicherer gewechselt, geht die Unklarheit bzgl. des Schadenseintrittzeitpunktes zu Lasten des VN, mit der Folge, dass dieser keine Versicherungsansprüche gegen die in Betracht kommenden Versicherer durchsetzen kann.

Sachverhalt
Der Kläger unterhielt für sein Einfamilienhaus bis zum 30.06.2003 eine Wohngebäudeversicherung bei der X-Versicherung, ab dem 01.07.2003 dann anschließend „lückenlos“ bei der Y-Versicherung, der jetzigen Beklagten. Am 24.07.2004 stellte der Kläger einen Wasserschaden in Form von Durchfeuchtungen in der Küche fest. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter äußerte sich dahingehend, dass aufgrund des Schadenbildes davon ausgegangen werden könne, dass der Schaden ursächlich bereits vor Beginn des bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages entstanden sein müsse. Demgegenüber kam der von der X-Versicherung beauftragte Gutachter zu der Einschätzung, dass Schadenverlauf und Schadenumfang eindeutig darauf hinwiesen, dass der Schaden allenfalls wenige Monate, u.U. sogar nur Wochen vor der Schadenfeststellung eingetreten sei. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtlich beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, den genauen Schadenzeitpunkt nicht sicher feststellen zu können. Ein Schadeneintritt vor dem 01.07.2003 sei eher unwahrscheinlich, aber aus technischer Sicht nicht auszuschließen. Auch weitere vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten kamen zu dem Ergebnis, eine seriöse Festlegung des Schadenzeitpunktes sei nicht möglich. Im Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, aufgrund einer Anzahl von Umständen und Indizien sei von einem konkreten Schadeneintrittzeitpunkt während der bei der Beklagten bestehenden Gebäudeversicherung, also ab dem 01.07.2003, auszugehen. Die Beklagte habe daher bedingungsgemäß Versicherungsleistungen zur Schadenbeseitigung zu erbringen.

Entscheidung
Das OLG Celle hat mit Urteil vom 10.05.2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe auch im Klageverfahren nicht mit dem zu fordernden Beweismaß des Vollbeweises nach § 286 ZPO nachgewiesen, dass der Schaden ab dem 01.07.2003 und damit während des Versicherungszeitraums bei der Beklagten eingetreten sei.

Nach dem Maßstab des § 286 ZPO müsse für das Gericht zur persönlichen Gewissheit feststehen, dass der Versicherungsfall im Versicherungszeitraum bei der Beklagten eingetreten sei. Dass dies „gut möglich“ oder „überwiegend wahrscheinlich“ sei, genüge dabei nicht.

Genau diese Gewissheit sei aber aufgrund der Ergebnisse der Gutachten im Beweisverfahren ebenso wenig zu gewinnen gewesen wie aus den sonstigen Umständen. Auch streite kein Anscheinsbeweis für den Kläger, da sich ein typischer Geschehensablauf im Hinblick auf den Schadeneintritt und -verlauf gerade nicht feststellen lasse.

Schließlich ergäbe sich auch nichts anderes aus Normen des materiellen Rechts. Die hiesige Beklagte wie auch die frühere Wohngebäudeversicherung, die X-Versicherung, hafteten nur alternativ. Lasse sich, wie hier, die Haftung des einen Versicherers nicht feststellen, ergäbe sich daraus nicht zwingend im Umkehrschluss, dass der andere hafte. Spezialgesetzliche Regelungen (z.B. in § 830 Abs. 1 S.2 BGB oder § 252 S.2 BGB) seien auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht anzuwenden. Ein allgemeiner Rechtssatz dergestalt, dass alle diejenigen, die möglicherweise für einen bestimmten Erfolg einzustehen haben, dem Geschädigten haften,es sei denn, sie bewiesen, dass ihre Verantwortung ausscheide, gebe es im Versicherungsrecht aber nicht.

Das Urteil des OLG Celle zeigt, dass selbst bei einem „geglückten“ Versicherungswechsel hieraus erhebliche Risiken bestehen: Aufgrund der abgegrenzten Versicherungszeiträume läuft der VN Gefahr, bei schleichenden oder sich langsam entwickelnden und erst nach und nach zu Tage tretenden Schäden nicht mehr beweisen zu können, in welchen Versicherungzeitraum der Schadenseintritt fällt. Kann er dies nicht beweisen, droht trotz feststehender, generell versicherter Schäden, dass der VN auf seinem Schaden „sitzen bleibt“.

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Zeichnet sich vorzeitig ab, dass der Patient zu einem späteren Zeitpunkt in eine Entscheidungssituation geraten kann, so hat der Arzt in diesem Moment die Pflicht, über Alternativmethoden aufzuklären.

BGH, Urteil vom 17.5.2011 — Aktenzeichen: VI ZR 69/10

Leitsatz
Ist eine Schnittentbindung aufgrund besonderer Umstände relativ indiziert und deshalb eine echte Alternative zu einer vaginal-operativen Entbindung, besteht eine Pflicht zur Aufklärung der Mutter über die Möglichkeit der Schnittentbindung.

Sachverhalt
Die Mutter des Klägers war in der 39. Schwangerschaftswoche stationär in der gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses aufgenommen. Die Geburt schritt nur langsam voran, so dass die Mutter des Klägers um Durchführung einer Schnittentbindung bat, was die Beklagte ablehnte. Diese unternahm den zweimaligen Versuch, den Kläger mittels Saugglocke zu entbinden. Nach dem zweiten misslungenen Versuch führte die Beklagte sodann eine Notsectio durch. Der Kläger kam mit einer schweren metabolischen Azidose zur Welt und musste reanimiert werden. Er ist seit der Geburt schwerstgeschädigt. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Entscheidung
Der BGH hat festgestellt, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft eine Pflicht zur Aufklärung über die Alternative einer Schnittentbindung verneint hat.

Es ist ständige Rechtsprechung des BGH, dass eine Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit dann erforderlich ist, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die zu variierenden Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (BGH, Urteil vom 22.09.1987 — VI ZR 238/86; Urteil vom 15.02.2000 — VI ZR 48/99; Urteil vom 21.11.1995 — VI ZR 329/94).

Bei einer normalen Entbindungssituation besteht daher grundsätzlich keine besondere Veranlassung für den geburtleitenden Arzt, die Möglichkeiten einer Entbindung zu erörtern und hierüber aufzuklären. Solange nur eine theoretische Möglichkeit von Risiken besteht, bedarf es einer derartigen vorgezogenen Aufklärung nicht, damit der Patient (hier: die werdende Mutter) nicht ohne Grund mit Hinweisen über unterschiedliche Gefahren und Risiken während des Geburtsvorganges belastet wird.

In dem vorliegenden Fall war das Geburtsentbindungsrisiko konkret. Es bestanden deutliche Anzeichen dafür, dass der Geburtsvorgang sich in eine derartige Entscheidungssituation entwickeln wird. Dieser dauerte bereits seit längerer Zeit an. Die Mutter des Klägers hatte bereits selbst darum gebeten, eine Schnittentbindung durchzuführen. Bereits zwei Stunden vor der Notsectio hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass die alternative Möglichkeit einer Sectio besteht.

Das Berufungsgericht hatte hier undifferenziert nur darauf abgestellt, dass nach den Feststellungen des in der Berufungsinstanz eingeholten Gutachtens des Sachverständigen eine zwingende Indikation für eine Schnittentbindung verneint hatte. Hiervon zu differenzieren ist aber die Pflicht zur vorgezogenen Aufklärung der Patienten in dem Moment, in dem sich deutliche Anzeichen für eine spätere Entscheidungssituation zeigen.

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Kein Deckungsschutz in der privaten Haftpflichtversicherung bei sado-masochistischen Spielen

LG Essen bestätigend OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2011, I-20 U 10/11, Urteil vom 7.12.2010 — Aktenzeichen: 17 O 166/10

Das LG Essen hat mit Urteil vom 07.12.2010 — zwischenzeitlich rechtskräftig — die Klage eines Versicherungsnehmers gegen seine private Haftpflichtversicherung abgewiesen, weil im konkreten Fall kein Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers für Schäden bestand, die der Versicherungsnehmer einer dritten Person im Rahmen von erotischen „Spielchen“ zufügte.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Frühjahr 2009 hielt sich der Kläger mit der später Geschädigten sowie einem weiteren Bekannten in seiner Wohnung auf. Er schenkte der Geschädigten einen Ledergürtel, den diese sich mit der Bemerkung um den Hals legte, dies sei eine „schöne Kette“. Der Kläger verstand diese Handlung als Aufforderung dazu, den Gürtel leicht zuzuziehen, da es ähnliche Handlungen zwischen den Beteiligten schon häufiger zuvor gegeben hatte. In der Vergangenheit hatte der Kläger beispielsweise zuvor die Geschädigte leicht mit der Hand geschlagen und ihr leichte, schnell vergehende Schmerzen zugefügt, da auch die Geschädigte an derartigen Tätigkeiten Gefallen fand. Der Kläger ließ nach kurzer Zeit den Gürtel dann zunächst wieder los. Nach weiteren 5 Minuten wandte er sich erneut der Geschädigten zu, die auf der Couch saß und den Gürtel immer noch um den Hals liegen hatte. Der Kläger zog die Geschädigte an dem Gürtel von der Couch herunter und führte sie wie einen Hund auf allen Vieren hinter sich her. Hiergegen wehrte sich die Geschädigte nicht. Der ebenfalls vor Ort befindliche Bekannte beobachtete sämtliche dieser Handlungen. Nach einigen Metern brach die Geschädigte zusammen und blieb auf dem Bauch liegen, wovon sowohl der Kläger wie auch der anwesende Zeuge äußerst überrascht waren. Beide hatten zunächst nicht den Eindruck, dass etwas Schlimmes passiert sei. Vielmehr zog der Kläger noch einmal am Gürtel, stellte dann allerdings fest, dass die Geschädigte bewusstlos war. Daraufhin wurde der Gürtel sofort gelockert, und die Geschädigte kam wieder zu Bewusstsein.

Bei dem Vorfall erlitt die Geschädigte nicht unerhebliche Verletzungen. Der Kläger wurde nachfolgend in einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe sowie darüber hinaus zur Zahlung von 2.000,00 € Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren verurteilt.

Mit der Klage verlangte der Kläger nunmehr von seiner privaten Haftpflichtversicherung Deckungsschutz mit dem Ziel, dass die beklagte Haftpflichtversicherung einerseits diejenigen Schadensersatzansprüche der Geschädigten befriedigt, die bereits durchgesetzt waren, und ihm andererseits auch für eine zukünftige Inanspruchnahme durch die Geschädigte oder sonstoge Dritte (Krankenversicherung u.ä.) entsprechende Deckung gewährt.

Die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung setzte dem im Wesentlichen zwei Argumente entgegen: Einerseits liege ein Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne des § 103 VVG n. F. bzw. § 152 VVG a. F. mit daraus resultierender Leistungsfreiheit vor. Andererseits berief sich die Versicherung auf die in den Versicherungsbedingungen getroffene Regelung zur Privat-Haftpflichtversicherung, mit folgendem Inhalt:

„Versichert ist
die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson
aus den Gefahren des täglichen Lebens — mit Ausnahme der Gefahren
(…) einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung – (…).“

Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen. Das OLG Hamm hat der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung keine Erfolgsaussichten beigemessen — Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO -, was letztendlich zur Rücknahme der Berufung durch den klagenden Versicherungsnehmer führte.

Dabei haben übereinstimmend das LG Essen wie auch das OLG Hamm ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die beklagte Versicherung deswegen nicht eintrittspflichtig sei, weil sich bei dem Schadensereignis im Ergebnis die Gefahr einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne der vorgenannten Versicherungsbedingung verwirklicht habe. Zwar seien die Voraussetzungen dieses Risikoausschlusses nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann erfüllt, wenn die schadensstifende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich sei. Vielmehr müsse sie im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgen, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist und deshalb im erhöhten Maße die Gefahr der Vornahme schadensstifender Handlungen in sich berge. Nach dem Wortlaut setze dieses auch eine — nicht notwendig längere – gewisse Dauer voraus, und zwar insbesondere in Abgrenzung zu einer impulsiven, spontanen Handlung, die keine allgemeine „Betätigung“ sei.

Vorliegend habe aber genau eine solche Beschäftigung im Sinne der Versicherungsbedingungen und des hier vorgesehenen Ausschlusses vorgelegen. Es habe sich nämlich gerade nicht um eine impulsive, spontane Handlung des Klägers gehandelt, da sich auch nach eigenem Vorbringen des Klägers vielmehr das sexuell motivierte „Spiel“ des Zuziehens und Lockerns des Gürtels sowie des Herumführens der Geschädigten an der „Leine“ sich über einen Zeitraum von mehr als 5 Minuten und damit über eine gewisse Dauer hingezogen habe. Darüber hinaus müsse dieses „Spiel“ auch im Zusammenhang mit den vergleichbaren, ebenfalls sexuell motivierten Handlungen zwischen den beiden Beteiligten in der Vergangenheit vor dem hier entscheidenden Schadensereignis gesehen werden, so dass die Geschehnisse vom Schadenstag lediglich als Fortsetzung früherer Handlungen verstanden werden könnten. Die in Rede stehende Beschäftigung sei auch gefährlich, da sich hierdurch das Risiko für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden erhöht habe. Denn das Zuziehen eines um den Hals gelegten Gürtels sei objektiv gefährlich, was auf der Hand liege.

Auch das weiterhin erforderliche Merkmal der „Ungewöhnlichkeit“ sei erfüllt. Denn die Grenzen derjenigen Gefahren des täglichen Lebens, für die die beklagte Haftpflichtversicherung einzustehen habe, seien jedenfalls dann erreicht, wenn die fragliche Tätigkeit wegen der mit ihr verbundenen Gefahren von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer vernünftigerweise nicht mehr ausgeübt würde. Das Herumführen eines auf allen Vieren kriechenden Menschen an einem um den Hals gelegten Gürtel sei — zumindest vom Standpunkt des Durchschnittsbürgers aus betrachtet — sicherlich schon als ungewöhnlich anzusehen. Vor allem aber sei es mit erheblichen Gefahren verbunden, wenn der Gürtel dabei, wie im vorliegenden Fall, immer wieder zum Zwecke der Herbeiführung von Luftnot — sei es auch nur kurzfristig — zugezogen werde. Umso mehr gelte dies, wenn der Kläger die Geschädigte sogar nach eigenem Vorbringen an dem um den Hals gelegten Gürtel regelrecht durch die Wohnung hinter sich hergezogen habe und selbst, als diese schon regungslos am Boden gelegen habe, nochmals zugezogen habe, um sie zum „Weitermachen“ zu ermuntern.

Bezüglich des weiteren Einwandes der Versicherung, nämlich dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei, wies das OLG Hamm in seinem Beschluss darauf hin, dass der Vorsatz sich auch auf die konkreten Folgen des Schadensereignisses beziehen müsse und bedingter Vorsatz vorliegen müsse. Der diesbezügliche Nachweis sei allerdings im vorliegenden Fall nicht erbracht, da dem Kläger nicht nachzuweisen sei, dass er tatsächlich eine Luftnot mit daraus resultierender Bewusstlosigkeit der Geschädigten auch nur billigend in Kauf genommen habe.

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Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls kann zur Leistungsfreiheit führen

BGH, Urteil vom 22.6.2011 — Aktenzeichen: IV ZR 225/10

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Versicherungsnehmer(VN) einer Vollkaskoversicherung den Versicherungsfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit herbeigeführt hatte.

Der BGH hat mit Urteil vom 22.06.2011 entschieden, dass eine Vollkakso-Versicherung nicht eintrittspflichtig ist, wenn der VN grob fahrlässig im Vollrausch — im konkreten Fall hatte der Kläger zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 2,70 Promille — einen Unfall herbeiführt.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass gem. § 81 Abs.2 VVG in Fällen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer der Versicherer zur Leistungskürzung berechtigt ist in einem der Schwere der Schuld entsprechenden Verhältnis. Dies rechtfertige in besonders krassen Fällen grober Fahrlässsigekit auch eine „Kürzung der Leistung auf Null“.

Bei absoluter Fahruntüchtigkeit, also ab 1,1 Promille, komme in der Vollkaskoversicherung eine solche „Kürzung auf Null“ in Betracht, wobei es immer auf eine Abwägung der Umstände im Einzelfall ankomme.

Über den konkreten Fall der Kaskoversicherung hinaus hat damit der BGH die in den Instanzgerichten wie auch in der Literatur umstrittene Frage beantwortet, ob im Rahmen des § 81 Abs.2 VVG überhaupt eine Kürzung auf Null denkbar ist oder ob — in Abgrenzung zum früheren „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ des § 61 VVG a.F — immer eine Restregulierung bei grober Fahrlässigkeit geschuldet wird: Eine Kürzung auf Null ist keineswegs von vorneherein ausgeschlossen.

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Keine Amtshaftung bei fehlerhafter Behandlung eines Zivildienstleistenden

BGH, Urteil vom 26.10.2010 — Aktenzeichen: VI ZR 307/09

Leitsatz
Die ärztliche Behandlung von Zivildienstleistenden durch Vertragsärzte und Krankenhäuser mit Kassenzulassung im Rahmen der gesetzlichen Heilfürsorge erfolgt nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes.

Sachverhalt
Der Kläger erlitt bei einem Badeunfall eine Fraktur der Halswirbelsäule, weswegen er notärztlich behandelt und nachfolgend in das Krankenhaus der Beklagten eingeliefert und dort weiterbehandelt wurde. Der Kläger wirft den Beklagten eine fehlerhafte Befunderhebung und Diagnostik vor. Folge dieser Fehler sei die dauerhaft beim Kläger eingetretene Querschnittslähmung.

Zum Zeitpunkt des Unfalls und der nachfolgenden Behandlung durch die Beklagten war der Kläger Zivildienstleistender.

Die Beklagten sind einer Haftung unter anderem entgegengetreten mit dem Argument, einer persönlichen Inanspruchnahme der Beklagten (Krankenhaus und behandlende Ärzte) stehe Art. 34 GG i.V.m. § 839 Abs.1 BGB entgegen. Die Behandlung des Zivildienstleistenden stelle die Ausübung eines öffentlichen Amtes dar.

Entscheidung
Der BGH hat das vorhergehende Berufungsurteil bestätigt und der Klage stattgegeben.

Einer Haftung der Beklagten stehe nicht das Haftungsprivileg aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 Abs.1 BGB entgegen. Denn die ärztliche Heilbehandlung sei regelmäßig nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.d. Art. 34 GG (vgl.: BGHZ 63,265/270). Zwar sei anerkannt, dass die ärztliche Behandlung von Soldaten durch Truppenärzte bzw. durch private Einrichtugnen auf Weisung des Bundeswehrarztes die Ausübung eines öffentlichen Amtes darstelle, so dass in diesen Konstallationen die behandelnden Ärzte bzw. Krankenhäuser selbst nicht in Anspruch genommen werden könnten (BGHZ 120, 176/178; BGH VersR 1996, 976)). Diese für Soldaten geltenden Ansätze könnten aber nicht auf die Heilbehandlung eines Zivildienstleistenden übetragen werden, da zwar nach § 35 ZDG in Fragen der Heilfürsorge für einen Zivildienstleistenden die Bestimmungen entsprechend Anwendung finden, die für Soldaten gelten. Anders als die Bundeswehr verfüge allerdings der Zivildienst nicht über einen Sanitätsdienst. Gem. § 35 Abs. 3 ZDG habe demnach die Behandlung durch Vertragsärzte zu erfolgen. Dass das Bundesamt die Kosten zu tragen habe, ändere ebenfalls nichts daran, dass die Behandlung privatrechtlich erfolge. Der für die Ausnahme der Ausübung eines öffentlichen Amtes erforderliche enge Zusammanhang zwischen der Zielrichtung der hoheitlichen Aufgabe und deren Ausführung sei bei der Heilbehandlung von Zivildienstleistenden angesichts ihrer rechtlichen und praktischen Ausgestaltung nicht gegeben.

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Telefonische Aufklärung des Patienten vor einer Operation

BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 15.6.2010 — Aktenzeichen: VI ZR 204/09

Leitsatz
Ist der Patient, der sich einem einfachen Routineeingriff zu unterziehen hat, mit einer telefonischen Aufklärung über die Risiken der bevorstehenden Operation einverstanden, so ist diese Aufklärung nicht zu beanstanden.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger immaterieller und materieller Schäden in Anspruch aufgrund behaupteten Behandlungsfehlers während einer Leistenhernien-Operation. Die Klägerin ist minderjährig und wird durch ihre Eltern gesetzlich vertreten. Der behandelnde Arzt und spätere Operateur führte das Aufklärungsgespräch vor der Operation mit der Mutter im Behandlungszimmer. Der Vater hielt sich im Wartezimmer auf und war nicht bei dem Aufklärungsgespräch zugegen. Während die Mutter über die Risiken der Operation im Einzelnen aufgeklärt wurde, war dem Vater ein Aufklärungsbogen ausgehändigt worden, den er im Wartezimmer ausfüllte und der später von beiden Elternteilen unterschrieben wurde.

Zwei Tage später telefonierte der Vater mit dem zuständigen Anästhesisten. Der Inhalt dieses Telefonates ist streitig. Am Morgen vor der Operation unterzeichneten beide Elternteile das Einwilligungsformular.

Bei der Operation kam es zu Komplikationen. Die Patientin erlitt aufgrund einer atemwegsbezogenen Komplikation schwere zentralmotorische Störungen, die insbesondere die Fein- und Grobmotorik sowie die Koordinations- und Artikulationsfähigkeit beeinträchtigten.

Die Klägerin behauptet, die Aufklärung (sowohl chirurgisch als auch anästhesiologisch) sei unzureichend gewesen, da nicht beide Elternteile aufgeklärt worden seien.

Entscheidung
Das Berufungsgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Ein Behandlungsfehler wurde verneint. Aber auch eine fehlerhafte Aufklärung wurde nicht festgestellt.

Das Berufungsgericht ließ aber die Revision zum BGH zu zu der Frage:

„Genügt eine telefonische Aufklärung über die Risiken einer Anästhesie bei einer ansonsten einfachen Operation zwei Tage vor dem Eingriff den Anforderungen der Rechtsprechung an ein „vertrauensvolles Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient“, insbesondere, wenn der Arzt unmittelbar von der Operation nochmals ausdrücklich nachfragt, ob noch Unklarheiten bestehen oder Fragen offen sind?“

Der BGH bestätigte das Berufungsurteil. Es hielt einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Nach den Feststellungen des BGH sind die Eltern der Klägerin hinreichend über den geplanten Eingriff und dessen Risiken aufgeklärt worden und haben wirksam ihre Einwilligung erteilt.

1.
Dem stand nicht entgegen, dass das Aufklärungsgespräch mit dem Operateur nur mit der Mutter der Klägerin geführt worden war.

Insoweit bedarf es zwar bei einem minderjährigen Kind in den Fällen, in denen die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zusteht, vor einem ärztlichen Heileingriff der Einwilligung beider Elternteile.

Nach der Differenzierung des BGH ist aber bei Routinefällen davon auszugehen, dass der mit dem Kind bei dem Arzt erscheinende Elternteil die Einwilligung in die geplante Operation auch für den abwesenden Elternteil mit erteilen kann. Hierauf darf der Arzt vertrauen, sofern ihm keine entgegenstehenden Umstände bekannt werden.

Bei operativen Eingriffen, die schwererer Art sind und mit bedeutenderen Risiken verbunden sein können, kann sich der Arzt auf das Vorstehende aber nicht belassen und muss sich entsprechend vergewissern, ob der erschienene Elternteil auch die entsprechende Ermächtigung des abwesenden Elternteils hat.

2.
Auch die Aufklärung des Anästhesisten zwei Tage vor dem Eingriff während des Telefonats ist nicht zu beanstanden.

Nach der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass in diesem Telefonat der Vater vollständig über die Risiken der Anästhesie aufgeklärt wurde. Insoweit kann sich ein Arzt in einfach gelagerten Fällen auch bei einem telefonischen Aufklärungsgespräch davon überzeugen, dass der Patient die entsprechende Hinweise und Informationen verstanden hat. In dem vorliegenden Fall kam dem weiteren Umstand besondere Bedeutung zu, dass unstreitig der Anästhesist bei dem Telefongespräch darauf bestanden hatte, dass beide Elternteile zusammen am Morgen vor der Operation anwesend waren und somit nochmals Gelegenheit für Fragen hatten und so dann die Einwilligung zur Operation durch Unterzeichnung des Anästhesiebogens einschließlich der handschriftlichen Vermerke erteilten.

Dementsprechend verneinte der BGH einen Aufklärungsfehler, so dass die Klage insgesamt der Abweisung unterlag.

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Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zusatzkrankenhaustagegeld in der PKV

AG Hamm, Urteil vom 27.8.2010 — Aktenzeichen: 19 C 67/10

Leitsatz
1. Der Versicherungsnehmer (im Folgenden: VN) einer Privaten Krankenversicherung (im Folgenden: PKV) hat keinen Anspruch auf ein zusätzliches Krankenhaustagegeld, wenn nach der diesbezüglichen Regelung in den Versicherungsbedingungen das Krankenhaustagegeld gezahlt werden soll, wenn der VN auf die Unterbringung in einem Ein- bzw. Zweibettzimmer bei einem stationären Aufenthalt verzichtet, er tatsächlich aber ein Einbettzimmer — allerdings ohne eigenes separates Bad/WC — genutzt hat.

2. Selbst wenn die PKV bei früheren Krankenhausaufenthalten des VN in der gleichen Einrichtung bzw. in einem vergleichbaren Zimmer das entsprechende Krankenhaustagegeld gezahlt hat, begründet diese einfache, zurückliegende Leistungserbringung auf einen Antrag des VN hin keinen Vertrauenstatbestand zugunsten des VN, dass auch in Zukunft ein Anspruch auf Leistungen besteht, die der VR nach den Versicherungsbedingungen eindeutig nicht schuldet.

Sachverhalt
Dem Urteil des AG Hamm lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende VN unterhielt bei der beklagten PKV eine private Krankenversicherung. In den Versicherungsbedingungen wurde u.a. bzgl. der Leistungen der PKV folgendes geregelt:

„1.2. Krankenhaustagegeldnebenkostenersatz

Wird vom Versicherungsnehmer nur auf eine der nachstehenden Leistungen
verzichtet, zahlt der Versicherer für jeden Tag einer vollstationären
Unterbringung im Krankenhaus

– (…)
– bei Verzicht auf Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer 40,00 €
Krankenhaustagegeld.“

Die VN befand sich — wie schon in früheren Jahren — in den Jahren 2009 und 2010 jeweils in einer mehrwöchigen vollstationären Krankenhausbehandlung. Die dortige Unterbringung erfolgte jeweils in Ein- bzw. Zweibettzimmern, die allerdings — nach Behauptung der VN — nicht über ein eigenes Bad/WC verfügten. Während die PKV in den Jahren vor dem Aufenthalt 2009 an die VN jeweils für die stationären Aufenthalte im gleichen Krankenhaus ein tägliches Zusatzkrankenhaustagegeld von 40,00 € wegen „Verzicht auf Ein- bzw. Zweibettbettzimmer“ abgerechnet und gezahlt hatte, lehnte sie derartige Zahlungen für die Aufenthalte 2009 und 2010 ab unter Hinweis darauf, dass die VN tatsächlich in einem Ein- bzw. Zweibettzimmer untergebracht gewesen sei, also kein Verzicht vorläge.

Die VN machte geltend, ein entsprechender Verzicht sei gegeben, weil die von Ihr aufgesuchte Einrichtung nur Ein- bzw. Zweibettzimmer aufweise, allerdings diese nicht denjenigen vergleichbar seien, die als „Ein- bzw. Zweibettzimmer“ im Sinne der Versicherungsbedingugen anzusehen seien, da eben kein separates Bad/WC für jedes Zimmer existiere. Tatsächlich habe sie also auf ein Zimmer, wie es die Versicherungsbedingungen meinten, verzichtet. Im Übrigen habe die PKV auch in den Jahren vorher das Zusatzkrankentagegeld gezahlt, so dass ein Vertrauenstatbestand bestünde, der die PKV weiterhin zur Zahlung verpflichte.

Entscheidung
Das AG Hamm hat die auf das Zusatzkrankenhaustagegeld gerichtete Klage abgewiesen.

Die Versicherungsbedingungen seien mit der hier entscheidenden Regelung eindeutig und keiner Auslegung/Interpretation zugängig. Es komme ausschließlich auf die Frage an, ob ein Ein- bzw. Zweibettzimmer genutzt worden sei oder die VN hierauf verzichtet habe. Die sanitäre Ausstattung der Zimmer sei irrelevant und in den Versicherungsbedingungen entsprechend auch nicht als Kriterium angeführt.

Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der VN bestehe ebenfalls nicht, unabhängig davon, dass die PKV in früheren Jahren bei stationären Aufenthalten mit Einbettzimmer-Unterbringung das Krankenhaustagegeld gezahlt habe. Die einfache Leistungserbringung auf einen Antrag der VN hin schaffe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass auch in Zukunft ein Anspruch auf eine Leistung bestehe, die die Versicherung nach den Versicherungsbedingungen eindeutig nicht schulde.

Allenfalls könne eine Leistungspflicht der PKV aufgrund eines Vertrauenstatbestandes in Betracht kommen, wenn eindeutig feststehe, dass die PKV die früheren Zahlungen in Kenntnís der genauen Unterbringung der Klägerin in der Klinik und in dem Bewußtsein, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein, erbracht hätte. Hierzu sei aber nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.

Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem die Berufung des Klägers durch das LG Dortmund zurückgewiesen worden ist (LG Dortmund, Beschluss vom 18.01.2011, LG Dortmund 2 S 47/10).

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Innenausgleich bei Behandlungsfehlern von Mitgliedern einer Gemeinschaftspraxis

BGH, Urteil vom 9.7.2008 — Aktenzeichen: II ZR 268/07

Leitsatz
Hat einer von mehreren Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft (…) schuldhaft verursacht, dass die Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnte, kann dies im Rahmen des Gesamschuldner-Innenausgleichs unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen.

Sachverhalt
Die Parteien des vom BGH zu beurteilenden Sachverhaltes betrieben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis von Gynäkologen in der Form einer BGB-Gesellschaft. Die Gemeinschaftspraxis wurde von einem Patienten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil einer der Mitgesellschafter schuldhaft einen Behandlungsfehler verursacht hatte. Zu entscheiden war die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Gemeinschaftspraxis als BGB-Gesellschaft im Innenverhältnis Ausgleich von dem schuldhaft handelnden Arzt verlangen kann.

Entscheidung
Der BGH hat hierzu erneut klar gestellt, dass die Grundsätze des Innenausgleichs unter BGB-Gesellschaftern in der Rechtsprechung auch des II. Zivilsenates hinreichend geklärt sei. Für eine ärztliche Gemeinschaftspraxis gelten keine Besonderheiten. Sind die Gesellschafter — wie auch in dem vom BGH zu beurteilenden Fall — zu gleichen Teilen an Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, sei dieser Maßstab grundsätzlich für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgeblich (so auch schon: BGH, Urteil vom 17.12.2001 — II ZR 382/99; BGHZ 103, 72, 76). Etwas anderes kann dann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrundeliegende Verbindlichkeit der Gesellschaft auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht. Wie auch sonst im Gesamtschuldner-Innenausgleich kann dies unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB im Innenverhältnis zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen (so bereits BGH, Urteil vom 15.10.2007 — II ZR 136/06). Dies sei in jedem Fall Einzelfall zu überprüfen.

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Zum Entschädigungsmaßstab eines Kfz, das ein Unikat ist

BGH, Urteil vom 2.3.2010 — Aktenzeichen: VI ZR 144/09

Der BGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob bei der fiktiven Schadensabrechnung eines als „Unikat“ anzusehenden Kraftfahrzeuges ein über den Wiederbeschaffungswert hinausgehender Schadensbetrag abgerechnet werden kann.

Sachverhalt
Bei einem Verkehrsunfall war der Pkw des Klägers, ein Pkw Typ Wartburg 353, Erstzulassung 1966, mit einem Rahmen und den entsprechenden Sonderausrüstungen eines Wartburg 353 W, beschädigt worden. Die Haftung des Beklagten dem Grunde nach war unstreitig. Der Beklagte zahlte den Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Darüber hinausgehend verlangte der Kläger weiteren Schadensersatz, nämlich den Differenzbetrag zu den Nettoreparaturkosten. Der Kläger begründete dies mit den Ausführungen des Sachverständigen, dass ein vergleichbares Fahrzeug auf dem Gebrauchtwarenmarkt nicht mehr zu erwerben sei und die Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeuges nur dadurch adäquat gewährleistet werden könne, indem ein Wartburg 353 erworben und mit den Original-Teilen zu einen Wartburg 353 W umgebaut wird. Den weiteren über den entschädigungspflichtigen Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Schadensbetrag verlangte der Kläger von dem Beklagten ersetzt.

Entscheidung
Der BGH wies mit Urteil vom 02.03.2010 die Klage als unbegründet ab. Dem Kläger stünden keine weiteren über den Wiederbeschaffungswert hinausgehenden Schadensersatzansprüche zu. Hierzu führte der BGH aus: Bei Fahrzeugschäden kann der Geschädigte regelmäßig Reparatur des Unfallfahrzeuges oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges verlangen. Reparaturkosten sind bis zu 30 % über den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abrechnungsfähig, wenn die Reparatur fachgerecht und entsprechend der Schätzung des Sachverständigen ausgeführt wurde. Ist eine Wiederherstellung unmöglich, wird der Schadensersatzanspruch des Klägers auch durch die Höhe des Wiederbeschaffungswertes beschränkt. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein Kfz als „Unikat“ handelt oder nicht. Nach der Sicht des BGH ist der Wiederbeschaffungswert bei Kfz in Fällen der vorliegenden Art sowohl hinsichtlich der Restitution als auch hinsichtlich der Kompensation ein geeigneter Maßstab für die zu leistende Entschädigung.

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