Insolvenzanfechtung: Vorsatzanfechtung bei Weiterleitung von Geldbeträgen durch Treuhänder

BGH, Urteil vom 26.4.2012 — Aktenzeichen: IX ZR 74/11

Leitsatz
Ein uneigennütziger Treuhänder unterliegt der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Der vorgenannte uneigennützige Treuhänder ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Die Beklagte ist die Steuerberatersozietät der Schuldnerin. Die Schuldnerin überweist 33.000,00 EURO an die Beklagte. Die Beklagte tilgt mit diesem Geld weisungsgemäß offene Beitragsrückstände der Schuldnerin bei verschiedenen Krankenkassen sowie Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Schuldnerin. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Zahlungsklage 33.000,00 EURO. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren über 33.000,00 EURO weiter.

Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG Hamburg auf und verweist die Sache zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH vertritt entgegen der Auffassung des OLG die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO bestehen können. Der BGH bejaht die objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO durch die Überweisungen des Schuldners an die Beklagte in Höhe von 33.000,00 EURO. Durch die Überweisungen an die Beklagte habe sich die Schuldnerin der 33.000,00 EURO entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Kein gleichwertiges Surrogat der abgeflossenen Zahlungsmittel sei der zunächst noch bestehende Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte gewesen. Der BGH hält ausdrücklich daran fest, dass bereits die Weggabe von Geldern an einen uneigennützigen Treuhänder des Schuldners für dessen Gläubiger benachteiligend ist. Der zahlungsvermittelnde Verwaltungstreuhänder sei nicht schutzwürdig. Er habe Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Durch die Ausführung einer vorsätzlichen gläubigerbenachteiligenden Weisung, die der Treuhänder als solche erkenne, werde er anfechtungsrechtlich nicht entschuldigt. Der uneigennützige Treuhänder sei unter diesen Umständen gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet.

Der BGH hat das Verfahren nur deshalb an das OLG Hamburg zurückgewiesen, da das OLG keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO getroffen hat. Allerdings hat der BGH positiv festgestellt, dass auf der Grundlage des Revisionsvortrages der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin vorlag. Wenn — was der BGH revisionsrechtlich unterstellt — die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO greifen, so wäre auch die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB zur Zahlung der 33.000,00 EURO an den Kläger verpflichtet.

Anmerkung
Zu beachten ist, dass der BGH die Rechtsprechung BGHZ 124, 298, 301 ff ausdrücklich aufgibt, indem er dem uneigennützigen Treuhänder die Möglichkeit nimmt, sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

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Erstattung der Patentanwaltskosten?

BGH, Urteil vom 21.12.2011 — Aktenzeichen: I ZR 196/10

Leitsatz
Wenn auch ein Patentanwalt an der Abwehr einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung mitwirkt, können die entstandenen Kosten nur beansprucht werden, wenn der Anspruchsteller darlegt und nachweist, dass die Mitwirkung des Patentanwalts erforderlich war. Die Notwendigkeit der außergerichtlichen Mitwirkung eines Patentanwalts neben einem Rechtsanwalt kann nicht generell bejaht werden.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte nach einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung auf Erstattung der entstandenen Patentanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin. Der Klägerin wurde der Vertrieb von Schuhen untersagt, die mit einer bestimmten Streifenkennzeichnung versehen waren. Die Klägerin beauftragte Rechtsanwälte mit der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung. Die Rechtsanwälte der Klägerin zogen einen Patentanwalt hinzu. Die Klägerin hat die Beklagte auf Erstattung der Patentanwaltskosten in Anspruch genommen. Das OLG Nürnberg hat angenommen, die Beklagte sei zur Zahlung der geltend gemachten Patentanwaltsgebühren verpflichtet.

Entscheidung
Der BGH hat der Revision der Beklagten teilweise stattgegeben. Die Klägerin könne von der Beklagten zwar die Erstattung der gerichtlichen Kosten, nicht aber die Erstattung der außergerichtlichen Patentanwaltskosten beanspruchen. Der BGH führt aus, dass sich der Regelung des § 140 Abs. 3 Markengesetz nicht die Wertung entnehmen lässt, dass auch die Kosten für die außergerichtliche Mitwirkung eines Patentanwalts in einer kennzeichen-rechtlichen Angelegenheit ohne Prüfung der Erforderlichkeit immer zu erstatten sind, sofern ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach gegeben ist. Das BGH sieht insoweit für eine Privilegierung der patentanwaltlichen Tätigkeit keinen Raum. Keinesfalls sind derartige Kosten für die außergerichtlichen Mitwirkung eines Patentanwalts ohne Prüfung der Erforderlichkeit zu erstatten. Es bedarf vielmehr grundsätzlich einer gesonderten Prüfung, ob es notwendig war, zur außergerichtlichen Verfolgung einer Markenverletzung neben einem Rechtsanwalt auch noch einen Patentanwalt zu beauftragen. Da im Streitfall die Klägerin nicht konkret vorgetragen hat, weshalb es erforderlich war, zusätzlich einen Patentanwalt einzuschalten, hat der BGH der Revision stattgegeben.

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Tiefbauunternehmer beschädigt Stromleitung – ohne konkreten Nachweis keine Schadenspauschale!

BGH, Urteil vom 8.5.2012 — Aktenzeichen: VI ZR 37/11

Leitsatz
Bei Beschädigung einer Stromleitung durch einen Bauunternehmer bedarf es des konkreten Vortrages von Tatsachen, die für eine Schadensschätzung ausreichen. Eine Übertragung der Rechtsprechung zu Unfallschäden, nach der dem Geschädigten eine Schadenspauschale in Höhe von 25,00 € auch dann zusteht, wenn er den Aufwand für die Regulierung nicht konkret vorträgt, ist nicht auf die Beschädigung von Energieversorgungsanlagen zu übertragen.

Sachverhalt
Ein Bauunternehmer beschädigt bei Tiefbauarbeiten die Stromleitungen eines Netzbetreibers. Der Versicherer des Unternehmers reguliert die Sachschäden an den Stromleitungen. Neben den Sachschäden begehrt der Netzbetreiber allerdings eine Pauschale von 25,00 €. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass sich ein Mitarbeiter zur Örtlichkeit begeben habe, ein Unternehmer sei mit der Reparatur beauftragt worden, der Schädiger habe ermittelt werden müssen, es sei Kontakt zum Haftpflichtversicherer aufgenommen worden. Diese Aufwendungen seien durch die geltend gemachte Pauschale abzugelten.

Entscheidung
Der BGH verneint einen Anspruch auf Ersatz der Pauschale von 25,00 €. Der BGH verkennt nicht, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der durch die Regulierung des Schadens angefallenen Kosten wie beispielsweise Telefongebühren, Porto-/Fahrtkosten zählen. Entscheidend ist für den BGH jedoch der Umstand, dass der Netzbetreiber (Kläger) keine konkreten Tatsachen hierzu vorgetragen hat. Der BGH verneint eine abstrakte Berechnung des Schadens. Eine Analogie zur Rechtsprechung im Rahmen der Abwicklung von Unfallschäden scheidet nach der Entscheidung des BGH aus. Die Handhabung bei Unfallschäden beruhe auf dem Umstand, dass die Regulierung von Unfallschäden ein Massengeschäft sei. Auf die Beschädigung von Energieversorgungsanlagen sei diese Rechtsprechung nicht zu übertragen, ebenso nicht auf sonstige Schadenfälle bei vertraglicher Haftung. Bereits dem Grunde nach verneint der BGH mit dem obigen Urteil im übrigen eine Haftung für den Zeitaufwand der Mitarbeiter des Stromnetzbetreibers bei der Regulierung, da der Geschädigte für den eigenen Zeitaufwand vom Schädiger grundsätzlich keinen Ersatz verlangen könne.

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Mängel vor Abnahme: Keine Kostenerstattung ohne Auftragsentziehung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2010 — Aktenzeichen: 21 U 159/09

Leitsatz
Treten Mängel vor Vollendung der Arbeiten und vor Abnahme des Baus auf, so kann der Auftraggeber nicht ohne vorangegangene wirksame Auftragsentziehung die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers durch einen anderen Unternehmer beseitigen lassen. Erforderlich ist das Setzen einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung unter Androhung, nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen. Erst dann kann der Auftraggeber Mängelbeseitigungskosten vom Auftragnehmer ersetzt verlangen.

Sachverhalt
Der Auftraggeber beauftragt den Handwerker mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten. Nach mehreren Unterbrechnungen erklärt der Auftraggeber, dass er auf die Arbeiten des Handwerkers keinen Wert mehr lege, die anfallenden Arbeiten werde dieser selbst erledigen. Er — der Auftraggeber — habe einen Sachverständigen eingeschaltet. Der Auftraggeber leitet ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem tatsächlich Mängel bestätigt werden. Nunmehr macht der Auftraggeber die Zahlung eines Kostenvorschusses gerichtlich geltend. Das Landgericht verurteilt den Unternehmer auf Zahlung von ca. 20.000,00 € Kostenvorschuss.

Entscheidung
Das OLG Düsseldorf — bestätigt durch den BGH mit Beschluss vom 26.01.2012 — hebt das Urteil des Landgerichts auf und weist die Klage des Bauherrn ab. Unter Hinweis auf § 4 Nr. 7 VOB/B sowie § 8 Nr. 3 VOB/B führt das OLG Düsseldorf aus, dass ohne Setzung einer angemessenen Frist zur Mängelbeseitigung unter Androhung, nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen, der Auftraggeber vor Vollendung der Arbeiten und vor Abnahme des Baus grundsätzlich Mängelbeseitigungskosten nicht vom Handwerker ersetzt verlangen kann. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Handwerker ernsthaft und entgültig die vertragsgemäße Fertigstellung verweigere.

Praxis-Tipp
Handwerker/Bauunternehmer sollte — wenn es um Mängel vor Vollendung der Arbeiten geht –
keinesfalls entnervt die Mängelbeseitigung verweigern. So besteht noch die Hoffnung, dass der Bauherr auf dem glatten Eis der VOB/B ausrutscht und die Formalien (Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und Androhung der Auftragsentziehung) unbeachtet lässt.

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Korrektur der Rechtsprechung des BGH zur Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Masseforderungen

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2011 — Aktenzeichen: IX ZR 10/11

Leitsatz
Erfüllt der Insolvenzverwalter ein Dienstverhältnis des Schuldners weiter, so kann gegen die Entgeltforderung der Masse nicht mit einer Insolvenzforderung aufgerechnet werden. Dienstverhältnis des Schuldners besteht nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn die Dienstleistung nur durch Begründung erheblicher Masseschulden erbracht werden kann.

Sachverhalt
Die Schuldnerin war Trägerin einer Privatschule. In dieser Schule ließen die Beklagten ihren Sohn unterrichten. Das monatliche Schulgeld betrug 250,00 €. Die Beklagten gewährten der Schuldnerin vor der Insolvenz ein Elterndarlehen. Bei Insolvenzeröffnung wurde der Schulbetrieb und die Unterrichtung des Sohnes fortgeführt. Der Insolvenzverwalter nimmt die Beklagten auf Zahlung des Schulgeldes für die drei Monate ab Insolvenzeröffnung in Höhe von insgesamt 750,00 € in Anspruch. Die Beklagten erklären mit der vorinsolvenzlichen Darlehensforderung die Aufrechnung. Die Vorinstanzen bejahten Aufrechnungsmöglichkeit.

Entscheidung
Der BGH verweigert den Beklagten die Aufrechnungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Unzutreffend sei die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Schulvertrag nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO fortführen müssen. § 108 InsO greife nach dem Regelungszweck im Streitfall nicht ein, da der Dienstvertrag vom Insolvenzverwalter unter Begründung von Masseverbindlichkeiten mit den Mitteln eines zur Masse gehörenden Dienstleistungsunternehmens erfüllt werden müsse. Mit dieser Entscheidung rückt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Forderungen der Masse ist unzulässig.

Praxis-Tipp
Praktische Auswirkungen wird die vorgenannte Entscheidung beispielsweise haben auf das Mietrecht. Eine Aufrechnung mit vorinsolvenzlichen Mietnebenkostenguthaben gegen Mietzinsforderungen insolventer Vermieter werden künftig vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des BGH nicht mehr möglich sein.

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Verstoß gegen DIN-Normen: Anscheinsbeweis zu Lasten des Handwerkers?

OLG Celle, Urteil vom 30.11.2011 — Aktenzeichen: 14 U 88/11

Leitsatz
Ein Verstoß gegen DIN-Normen (Dichtheitsprüfung nach Verlegung von Rohren) kann grob fahrlässig sein. Kommt es zu Feuchtigkeitsschäden, greift der Anscheinsbeweis zum Nachteil des beklagten Handwerkers für die schuldhafte Verursachung der Schäden.

Sachverhalt
Der beklagte Handwerker hatte seine Arbeiten (Verlegung von Wassrrohren) 2005 fertiggestellt. Die Feuchtigkeitsschäden traten 2007 auf. Es stellte sich die Frage, ob das OLG erstens von einem Mangel der Werkleistung des Installateurs ausgehen konnte, zweitens ob auch die Kausalität dieses Fehlers für den entstandenen Schaden zu bejahen war.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Celle hält die Klage für begründet.

Das OLG hat den Anscheinsbeweis zum Nachteil des Beklagten für die schuldhafte Verursachung der Schäden bejaht. Der Beklagte habe gegen die anerkannten Regeln der Technik grob fahrlässig verstoßen. Mit diesem Verstoß gegen das einschlägige Merkblatt für die Dichtheitsprüfungen von Trinkwasserinstallationen hat sich das OLG im Einzelnen befasst, damit die grobe Fahrlässigkeit begründet. Besondere erforderliche Sorgfalt müsse der Handwerker deshalb walten lassen, da gerade bei Verlegung von Wasserrohren im Nachhinein tatsächlich keine Kontrolle mehr stattfinden könne. Genau deshalb spreche auch der Beweis des ersten Anscheins gegen den beklagten Handwerker. Dieser hat den Inhalt, dass bei Beachtung der DIN-Normen der Schaden vermieden worden wäre.

Praxistipp
Der Handwerker muss sich vergegenwärtigen, dass er sich möglicherweise Jahre nach Erbringung der Leistungen der oben geschilderten Umkehr der Beweislast ausgesetzt sieht. Dem Handwerker ist zu empfehlen, dass bei Installation sorgfältiger auf die Dokumentation der Überprüfung der Dichtheit und Festigkeit der Installation geachtet werden muss. Nur so kann überhaupt durch Rückgriff auf die Dokumentation der zu Gunsten des Auftraggebers greifende Anscheinsbeweis erschüttert werden.

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Holländisches Bayerisches Bier?

BGH, Urteil vom 22.9.2011 — Aktenzeichen: I ZR 69/04-Bayerisches Bier II

Leitsatz
In der Bezeichnung „BAVARIA HOLLAND BEER“ kann ein unlauteres Ausnutzen der Marke „Bayerisches Bier“ liegen.

Sachverhalt
Der Streit zwischen der bayerischen Brauwirtschaft und der niederländischen Brauerei BAVARIA über die Marke „BAVARIA HOLLAND BEER“ ist noch nicht endgültig entschieden. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das zugunsten des Bayerischen Brauerbundes ergangene Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Kläger ist der Dachverband der bayerischen Brauwirtschaft. Auf seinen Antrag ist die Bezeichnung „Bayerisches Bier“ von der Bundesregierung zur Eintragung in das von der Europäischen Kommission geführte Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben angemeldet worden. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1347/01 ist die Eintragung der geographischen Angabe erfolgt. Die beklagte niederländische Brauerei ist Inhaberin der international registrierten Marke mit den Wortbestandteilen „BAVARIA HOLLAND BEER“. Diese Marke genießt in Deutschland für die Ware „Bier“ Schutz. Der Bayerische Brauerbund sieht darin eine Verletzung der geschützten geographischen Angabe „Bayerisches Bier“. Er verlangt von der Beklagten, dass sie auf den Schutz ihrer Marke in Deutschland verzichtet.

Entscheidung
Die Klage hatte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Nach einer ersten Verhandlung Ende 2007 hat der BGH dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt

Die geographische Angabe „Bayerisches Bier“ war nach einem in der einschlägigen EU-Verordnung vorgesehenen vereinfachten Verfahren eingetragen worden. Nachdem der EuGH entschieden hat, dass es nicht auf die 1994 erfolgte Anmeldung durch die Bundesregierung, sondern auf die erst 2001 erfolgte Veröffentlichung der Eintragung im europäischen Recht ankommt, hat der BGH nunmehr das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob der mit der Klage geltenden gemachte Anspruch aus den Bestimmungen des deutschen Markengesetzes zum Schutz geographischer Herkunftsangaben (§§ 126, 127 MarkenG) hergeleitet werden kann. Dieser Schutz nach nationalem Recht tritt zwar grundsätzlich hinter den Schutz aus dem europäischen Recht zurück, besteht aber bis zur Eintragung der Angabe „Bayerisches Bier“ in dem bei der Europäischen Kommission geführten Register fort. In Betracht kommt vorliegend, dass die Marke der Beklagten den Ruf der Bezeichnung „Bayerisches Bier“ in unlauterer Weise ausnutzt (§ 127 Abs. 3 MarkenG). Ob dies der Fall ist, muss nun das OLG entscheiden.

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Vollmacht des Architekten bzgl. Werk-/Detailzeichnungen

OLG Hamm, Urteil vom 5.5.2011 — Aktenzeichen: 24 U 147/08

Leitsatz
Soweit man überhaupt eine originäre Vollmacht des Architekten annehmen will, umfasst diese nicht die Befugnis zu wesentlichen Vertragsänderungen.

Abhängig vom Bauvertrag allerdings kann sich eine Anscheinsvollmacht des Architekten beziehen auf die Art der Ausführung auf der Grundlage von Plänen.

Sachverhalt
Der Bauunternehmer macht Werklohn geltend. Der Bauherr verteidigt sich mit Mängelrechten und meint, die Fensteröffnungen seien um einige cm zu klein geraten. Ausgeführt wurden die Öffnungen nach den Plänen des Architekten, deren Maße die Öffnungen einhalten. Der Bauherr meint, der Bauunternehmer hätte nach früherem Planstand ausführen müssen.

Entscheidung
Das OLG Hamm stellt sich auf die Seite des Bauunternehmers. Das Gericht führt aus, dass der Bauunternehmer von einer bestehenden Vollmacht für eine die Bauleistung konkretisierende Anordnung durch den Architekten ausgehen durfte. Deshalb war es für das Gericht auch gleichgültig, ob der Bauherr die fortgeschriebene Planung kannte oder nicht. In der fortgeschriebenen Planung war die Bauleistung im Verhältnis von Bauherr und Bauunternehmer konkret beschrieben, die Ausführung war korrekt. Zwar gibt es keine „originäre“ Vollmacht des Architekten, da der Bauherr stets geschützt werden muss insbesondere vor zusätzlichen Vergütungsforderungen des Bauunternehmers. Wenn allerdings — wie in dem Streitfall — der Bauvertrag die Maßgabe enthält, dass nach den Werkplänen/Detailzeichnungen gearbeitet werden soll, so greifen die Grundsätze der Anscheinsvollmacht. Konkretisiert (ändert) der Architekt die Ausführung durch Änderung der Werkpläne/Detailzeichnungen, so besteht eine entsprechende Vollmacht auch zu Lasten des Bauherrn.

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Verjährung eines erst in einem zweiten Insolvenzverfahren geltend gemachten Anfechtungsanspruchs

LG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2011 — Aktenzeichen: 2b O 13/10

Leitsatz
Ein mehrere Jahre zurückliegendes und abgeschlossenes Insolvenzverfahren hindert die Geltendmachung damals bereits gegebener Insolvenzanfechtungsansprüche im Rahmen des neuen Insolvenzverfahrens nicht. Für die Verjährung der Ansprüche gemäß § 146 InsO ist allein der Zeitpunkt der Eröffnung des späteren Insolvenzverfahrens maßgblich.

Sachverhalt
Das Landgericht Düsseldorf hatte die Frage zu beantworten, wie die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs zu beurteilen ist, der in einem ersten und abgeschlossenen Insolvenzverfahren nicht verfolgt wurde, dann aber vom Insolvenzverwalter in einem weiteren Insolvenzverfahren geltend gemacht wird.

Über das Vermögen des Schuldners wurde im Jahre 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach erfolgter Schlussverteilung wurde das Insolvenzverfahren anschließend wieder aufgehoben. Anfechtungsansprüche wurden nicht geltend gemacht. Im Jahre 2008 kam es sodann aufgrund eines Eigenantrags zu einem weiteren Insolvenzverfahren über das Vermögen dieses Schuldners. Der Kläger (Insolvenzverwalter) macht nunmehr Anfechtungsansprüche gemäß § 133 InsO geltend. Dies betrifft Zahlungen des Schuldners aus dem Jahre 2002. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Entscheidung
Das Gericht wendet § 146 Abs. 1 InsO in der neuen Fassung an. Es gelte über §§ 195, 199 Abs. 1 BGB die dreijährige Verjährungsfrist. Ausschlaggebend sei insofern, dass der Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. Da der Zahlungs- bzw. Rückgewähranspruch des § 143 InsO ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könne und dessen Bestellung naturgemäß von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhängig sei, könne ein Anfechtungsanspruch frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Entstehen gebracht werden. Ab dann kann auch lediglich die Verjährung beginnen. Zwar sei der ursprüngliche Anfechtungsanspruch aus dem ersten Verfahren bereits 2002/2003 entstanden. Dies bedeute, dass bei Zugrundelegung des § 146 InsO a.F. (bis 15.12.2004) der Anspruch verjährt sei im Jahre 2005. Durch das neue Insolvenzverfahren sei dieser Anspruch nicht wieder aufgelebt, sondern gänzlich neu entstanden mit der Folge, dass der neu entstandene Anspruch einer eigenständigen und neu beginnenden Verjährung unterlegen sei. Mit dieser Begründung hat das Landgericht den Anfechtungsanspruch für nicht verjährt gehalten.

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Verwechselungsgefahr

OLG Hamm, Urteil vom 24.5.2011 — Aktenzeichen: I-4 U 216/10

Sachverhalt
Der Anspruchsteller ist Inhaber der Marke „Warendorfer Pferdeäppel“ für die Klasse 30 und betreibt ein Café. Der Anspruchsgegner stellt Pralinen unter der Bezeichnung „Warendorfer Pferdeleckerli“ her. Der Anspruchsteller nimmt den Anspruchsgegner auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht verneint einen Unterlassungsanspruch, der Anspruchsteller legt Berufung gegen dieses Urteil vor dem OLG Hamm ein.

Entscheidung
Der 4. Zivilsenat bestätigt das landgerichtliche Urteil. Ein Unterlassungsanspruch setze voraus, dass Anspruchsgegner ein verwechselungsfähiges Zeichen im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Anspruchstellers benutzt habe. Eben diese Verwechselungsgefahr zwischen „Warendorfer Pferdeäppel“ einerseits und „Warendorfer Pferdeleckerli“ andererseits verneint der Senat. Zwar bejaht im Streitfall das OLG Hamm eine Identität der sich gegenüberstehenden Waren (Pralinen/Trüffel). Doch verneint der Senat im Ergebnis eine Verwechselungsgefahr mit der Begründung, entscheidend abzustellen sei nicht auf den Ortsbestandteil „Warendorfer“, sondern auf die weitere Teilbezeichnung
„Pferdeäppel“ sowie „Pferdeleckerli“. Hier sei auch abzustellen auf den Unterschied im Rahmen der Bedeutung der Begriffe. „Pferdeleckerli“ sei als leckere Zugabe zum Essen/Fressen bestimmt, im Wortsinn durch die Pferde. „Pferdeäppel“ seien dagegen als Exkremente die lästige Folge auch guter Ernährung der Pferde. Unterstützend hat der Senat darauf abgestellt, dass der Anspruchsgegner selbst vorgetragen habe, dass „Pferdeleckerli“ die essbaren Dinge seien, die vorne in das Pferd hinein gelangten, während die „Pferdeäppel“ das bezeichne, was nach Aufnahme der Nahrung am Schluss hinten aus dem Pferd wieder heraus komme. Mangels Verwechselungsgefahr verneint folglich das OLG Hamm den Unterlassungsanspruch des Anspruchstellers.

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