Werbung für alkoholfreies Bier mit „vitalisierend“ zulässig?

OLG Hamm, Urteil vom 20.5.2014 — Aktenzeichen: 4 U 19/14

Leitsatz
Das OLG Hamm hat eine Brauerei zur Unterlassung der Angabe „vitalisierend“ für alkoholfreies Bier verurteilt.

Sachverhalt
Die beklagte Brauerei bewarb alkoholfreies Bier mit der Angabe „vitalisierend“ und bildeten auf den Etiketten die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko ab. Die Unterlassungsklage des Klägers hat das Landgericht abgewiesen. Das OLG hebt das Urteil auf und verurteilt die Brauerei zur Unterlassung.

Entscheidung
Der Wettbewerbssenat des OLG Hamm hat die Werbung mit dem Begriff „vitalisierend“ für das Bier untersagt, weil dieser Werbeaussage keine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt gewesen sei. Die streitgegenständliche Werbung verstoße gegen Art. 10 Abs. 3 der Europäischen Health Claim VO, Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Mit dem Begriff „vitalisierend“ habe die Beklagte für ein Lebensmittel geworben. „Vitalisierend“ sei eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe. Bereits aus dem Wortsinn ergebe sich dies, da „vitalisierend“ für „beleben“ und „anregen“ stehe. Für den Verbraucher bringe das Adjektiv „vitalisierend“ eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zum Ausdruck. Deshalb suggeriere die Beklagte, dass der Konsum des alkoholfreien Bieres eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bewirke. Dies gelte unabhängig von dem Umstand, dass gedanklich eine Verbindung zum Werbeträger Vitali Klitschko hergestellt werden könne. Nach Art. 10 Abs. 3 HCVO seien derartige gesundheitsbezogene Angaben nur zulässig, wenn ihnen eine in der Liste nach Art. 13 oder 14 der HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sei (sog. Kopplungsverbot). Das alkoholfreie Bier der Beklagten enthalte Stoffe, die in den Listen mit zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben beschrieben würden. Die Werbung sei also unzulässig, da die Beklagte der unspezifischen Angabe „vitalisierend“ keine zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt habe.

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Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bei Überweisung über das Konto eines Familienangehörigen des Schuldners

BGH, Urteil vom 24.10.2013 — Aktenzeichen: IX ZR 104/13

Leitsatz
Zahlt der Schuldner durch Überweisung über das Konto seines Vaters, so kann sich der Gläubiger als Anfechtungsgegner nicht der Möglichkeit verschließen, dass die Zahlung auf eine Rechtshandlung des Schuldners beruht und die Gläubiger benachteiligt.

Sachverhalt
Der Schuldner war zahlungsunfähig. Er teilte dem späteren Beklagten mit, dass er zur Zahlung außer Stande sei. Forderungen zog der Schuldner im Einverständnis mit seinem Vater über dessen Konto ein. Der Schuldner veranlasste später Zahlungen von diesem Konto des Vaters an den Beklagten. Der Insolvenzverwalter erklärte die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Der BGH bejaht die Gläubigerbenachteiligung. Die Gutschriften auf dem Konto des Vaters seien als Treugut des Schuldners zu werten. Wenn folglich Überweisungen zu Lasten dieses Treuguts erfolgten, werde das haftende Vermögen verkürzt. Der Beklagte (Gläubiger) habe als Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gekannt. Damit stellten sich die inkongruenten Leistungen als Beweisanzeichen sowohl für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch dessen Kenntnis beim Gläubiger dar. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass keine überhöhten Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 S.2 InsO gestellt werden dürfen. Insoweit reiche die allgemeine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Anfechtungsgegner. Nicht erforderlich sei, dass der Anfechtungsgegner sämtliche Umstände kenne, aus denen sich dieser Vorsatz ergebe. Der Beklagte habe sich nicht der Kenntnis verschließen können, die Zahlungen seien mit Benachteiligungsvorsatz erfolgt.

Anmerkung
Die Entscheidung des BGH begegnet Zweifeln. Offen bleibt, weshalb ein Gläubiger davon ausgehen muss, dass auf dem Konto des Dritten sich das benannte „Treugut“ befinden soll. Wenn beispielsweise eine Anweisung auf Kredit vorläge, wäre eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben (BGH WM 2008, 2224). Auch könnte es durchaus sein, dass der Geschäftsführer einer insolventen GmbH von einem Konto, welches nicht dem Unternehmen zuzuordnen ist, Überweisungen wegen ausstehender Sozialversicherungsbeiträge oder anderweitiger Schulden vornimmt. Eine Anfechtung nach § 133 InsO würde auch dann ausscheiden.

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Kein Werklohn bei Schwarzarbeit

BGH, Urteil vom 10.4.2014 — Aktenzeichen: VII ZR 241/13

Leitsatz
Der BGH entscheidet, dass ein Unternehmer, der bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verstoßen hat, keinen Anspruch auf Zahlung von Werklohn für seine Werkleistung hat.

Sachverhalt
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Werklohn von 13.800,00 € einschließlich Mehrwertsteuer, darüber hinaus eine weitere Barzahlung in Höhe von 5.000,00 €, die ohne Rechnung gestellt werden sollte. Die Klägerin (Werkunternehmerin) führte die Arbeiten aus, der Beklagte zahlte nur teilweise. Die Werklohnklage blieb in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht erfolglos. Die Klägerin legte Revision ein.

Entscheidung
Der BGH entscheidet, dass ein Restwerklohnanspruch der Klägerin nicht besteht. Durch die Vereinbarung einer Barzahlung von 5.000,00 € ohne Rechnung und ohne Mehrwertsteuer verstießen die Vertragsparteien bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Damit ist der gesamte Werkvertrag nichtig, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein vertraglicher Werklohnanspruch ist folglich nicht gegeben (so bereits BGH NJW 2013, 3167). Auch hat der BGH bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin verneint. Zwar wären solche denkbar, da der Beklagte die Werkleistung erhalten hat. Grundsätzlich kann ein Unternehmer, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht habe, vom Besteller die Herausgabe der Leistungen, bei Unmöglichkeit Wertersatz verlangen. Dies gilt aber nach der Entscheidung des BGH in diesem Fall nicht, da § 817 S. 2 BGB greift. Die Rückforderung ist nämlich ausgeschlossen, wenn beide Parteien gegen das gesetzliche Verbot verstoßen. Genau dies ist hier der Fall. Nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien verstößt gegen das gesetzliche Verbot (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz), sondern auch die aufgrund dieser Vereinbarung erfolgende Leistung. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass dem auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen stehen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die Schwarzarbeit zu verhindern, erfordere eine strikte Anwendung der Vorschrift. Fazit: Die Schwarzgeldabrede führt für beide Vertragsparteien zu großen Nachteilen: Erstens verliert – entsprechend der schon bisherigen Rechtsprechung des BGH – der Auftraggeber sämtliche Gewährleistungsansprüche, zweitens entsteht erst gar kein Werklohnanspruch auf der Seite des Auftragnehmers.

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Bauhandwerkersicherung nach Kündigung des Bauvertrages

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.3.2014 — Aktenzeichen: VII ZR 349/12

Diese Entscheidung ist wichtig für alle Unternehmer, die ihre Forderungen sichern möchten. Entscheidend ist, dass eine schlüssige Darlegung der Ansprüche und so auch des Vergütungsanspruches gem. § 649 S. 2 BGB reicht. Im Verfahren auf Gewährung der Sicherheit ist das Bestreiten des Bestellers nach dieser Entscheidung des BGH unbeachtlich.

Leitsatz
Der Unternehmer kann auch nach einer Kündigung des Bauvertrages gemäß § 648 a Abs. 1 BGB noch eine Sicherheit für die noch nicht bezahlte Vergütung verlangen. Dies ist jedoch nicht in Höhe der ursprünglich vereinbarten Vergütung möglich. Vielmehr muss die dem Unternehmer nach Kündigung regelmäßig geringere Vergütung schlüssig berechnet werden.

Sachverhalt
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Ausführung von Bauarbeiten. Nach teilweiser Durchführung der Arbeiten kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis. Die Klägerin rechnete die erbrachten Leistungen ab sowie den entgangenen Gewinn hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen. Die Klägerin begehrte im Übrigen eine Sicherung für die Vergütung der erbrachten Leistungen und auch für den entgangenen Gewinn. Das Berufungsgericht sprach der Klägerin die verlangte Sicherung sowohl auf die erbrachten Leistungen als auch auf den entgangenen Gewinn zu. Der BGH bestätigt diese Entscheidung nur hinsichtlich der Sicherung für die Vergütung der erbrachten Leistungen, im Übrigen hat der BGH die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Der BGH entscheidet, dass der Unternehmer auch nach der Kündigung des Bauvertrages noch eine Sicherheit für noch nicht bezahlte Vergütung verlangen kann. Erforderlich ist, dass der Unternehmer die ihm nach Kündigung zustehende und regelmäßig geringere Vergütung als ursprünglich vereinbart schlüssig zu berechnen hat. Einwendungen des Bestellers gegen die schlüssige Berechnung der Vergütung werden nicht zugelassen, da ansonsten der Rechtsstreit verzögert würde. Der Unternehmer wäre nicht effektiv geschützt, weil er während des Rechtsstreits ohne Sicherung wäre. Die damit verbundenen Nachteile hat nach Auffassung des BGH der Besteller hinzunehmen.

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Kenntnis des Sozialversicherungsträgers von Zahlungseinstellung bei verzögerter Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge?

BGH, Urteil vom 7.11.2013 — Aktenzeichen: IX ZR 49/13

Leitsatz
Tilgt der Schuldner Sozialversicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum jeweils mit einer Verspätung von mehreren Wochen, kann nicht automatisch die Wertung erfolgen, dass der Sozialversicherungsträger aus diesem Umstand auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste.

Sachverhalt
Die Schuldnerin zahlte von Februar bis Dezember 2006 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 16.000,00 € an die beklagte Sozialversicherungsträgerin. Monatlich wurden zwischen 1.300,00 € bis 2.300,00 € einschließlich Säumniszuschläge/ Mahngebühren gezahlt. Hintergrund war, dass die Zahlungen jeweils 3 – 4 Wochen nach Fälligkeit erfolgten. Der Sozialversicherungsträger hatte weder mit der Zwangsvollstreckung und auch nicht mit der Stellung eines Eröffnungsantrages gedroht, um die jeweiligen Zahlungen zu erzwingen. Im Februar 2007 erfolgte ein Eigenantrag. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet. Der BGH hatte den Tatbestand des § 133 Abs. 1 InsO auszulegen. Der BGH stellt fest, dass allein die Verspätung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen immerhin stets um fast einen Monat über 11 Monate hinweg nicht auf eine Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungseinstellung schließen lässt. Erst eine mehrmonatige komplette Nichterfüllung von Sozialversicherungsbeiträgen führe dazu, dass daraus auf eine Zahlungseinstellung zu schließen sei. Genau dieser Sachverhalt lag erkennbar nicht vor. Da fortlaufend die Beitragsforderungen (hier einschließlich Säumniszuschläge/ Mahngebühren) vollständig erfüllt wurden, könne nicht daraus zwingend geschlossen werden, dass die Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern ihre Verbindlichkeit nicht erfüllt habe oder erfüllen werde.

Anmerkung
Die Entscheidung des BGH gibt dem Sozialversicherungsträger breiteren Handlungsspielraum. Wichtig ist allerdings in einer derartigen Situation, dass der Sozialversicherungsträger als Gläubiger keinen Druck erzeugt (z. B. durch Androhung des Insolvenzantrages, Androhung der ZV). Eine derartige Vorgehensweise lässt dann den Rückschluss darauf zu, dass eine Zahlungseinstellung anzunehmen ist, von der der Sozialversicherungsträger Kenntnis hat, so dass auch von der Kenntnis des Sozialversicherungsträgers vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auszugehen ist.

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Sind Tippfehler-Domains zulässig?

BGH, Urteil vom 22.1.2014 — Aktenzeichen: I – ZR 164/12 – wetteronline.de

Leitsatz
Der BGH hat entschieden, dass die Benutzung einer „Tippfehler-Domains“ gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoßen kann.

Sachverhalt
Die Klägerin betreibt unter der Domain „www.wetteronline.de“ einen Wetterdienst. Der Beklagte ist Inhaber einer bewusst angelehnten Domain unter der Bezeichnung „www.wetteronlin.de“. Nutzer, die aufgrund eines Tippfehlers (Weglassen des Buchstabens „e“ bei „wetteronline“) auf die Internetseite der Beklagten gelangen, werden von dort aus auf eine Seite geleitet, auf der sich Werbung für Krankenversicherungen befindet. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie in unlauterer Weise behindert werde, zugleich sei ihr Namensrecht verletzt. Die Klägerin hat den Beklagten daher u. a. auf Unterlassung sowie Einwilligung in die Löschung des Domainnamens „www.wetteronlin.de“ in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten im Wesentlichen verurteilt. Die Berufung des Beklagten vor dem OLG Köln war erfolglos.

Entscheidung
Der BGH hat das Urteil des OLG Köln aufgehoben. Abgewiesen hat der BGH die Klage, soweit die Anträge auf die Verletzung eines Namensrechtes gestützt waren. Der BGH weist darauf hin, dass eine Unterscheidungskraft der Bezeichnung „wetteronline“ zu verneinen ist, es handele sich um einen rein beschreibenden Begriff. Mit „wetteronline“ werde schlicht der Geschäftsinhalt der Klägerin beschrieben; die Klägerin biete im Internet (online) Informationen zum Thema „Wetter“ an. Allerdings hat der BGH angenommen, dass die konkrete Benutzung der Tippfehler-Domain sehr wohl unter dem Gesichtspunkt des Abfangens von Kunden gegen § 4 Nr. 10 OWG verstößt, sofern der Nutzer nicht zugleich auf der sich öffnenden Internetseite auf den Umstand hingewiesen wird, dass er sich gerade nicht auf der Seite „wetteronline“.de befinde. Der BGH hat hingegen den Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Domainnamens „wetteronlin.de“ abgewiesen. Insoweit ist nämlich eine rechtlich zulässige Nutzung denkbar, die bloße Registrierung des Domainnamens behindere insoweit die Klägerin nicht unlauter.

Anmerkung
Wird ein Domainname zu geschäftlichen Zwecken genutzt, empfiehlt es sich grundsätzlich, von der Verwendung einer rein beschreibenden Bezeichnung abzusehen. Namensrechtliche Unterlassungsansprüche entfallen bei Verwendung einer lediglich beschreibenden Bezeichnung. Nicht wehren kann sich darüber hinaus der betroffene Domaininhaber, wenn eine derartige „Tippfehler-Domain“ zudem rein privat oder aber gar nicht („under construction“) genutzt wird.

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Haftet Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines erwachsenen Familienangehörigen?

BGH, Urteil vom 8.1.2014 — Aktenzeichen: I-ZR 169/12 – BearShare

Leitsatz
Der BGH hat entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht.

Sachverhalt
Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzuganges, in dessen Haushalt auch sein volljähriger Sohn lebt. Die Klägerinnen mahnten den Beklagten ab mit der Behauptung, dass über seinen Internetanschluss fast 4000 Musikaufnahmen, an denen sie Urheberrechtsschutz besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden seien. Der Beklagte weigert sich, die geltend gemachten Abmahnkosten zu zahlen. Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte macht geltend, dass sein bereits damals erwachsener Sohn die Dateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht habe. Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht zum weit überwiegenden Teil ebenso.

Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG Köln auf. Der BGH weist die Klage vollständig ab. Der BGH weist darauf hin, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber an volljährige Familienangehörige auf familiärer Verbundenheit beruhe und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich seien. Gerade im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und dem eigenverantwortlichen Erwachsenen darf der Anschlussinhaber dem Erwachsenen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder aber überwachen zu müssen. Erst wenn der Anschlussinhaber Anhaltspunkte habe für einen Missbrauch des Internetanschlusses, so müsse der Anschlussinhaber entsprechende zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderliche Maßnahmen ergreifen.

Praxistipp
Die oben angeführte Entscheidung des BGH hat Bedeutung über den konkreten Fall hinaus. Dem Abgemahnten wird in Zukunft die Entscheidung des BGH eine Argumentationshilfe sein, sofern im Privathaushalt des Abgemahnten weitere Personen leben. Auch steht anzunehmen, dass die Rechtsprechung sich fortentwickeln wird im Hinblick auf das Alter des tatsächlich Handelnden. Als zwingende tatbestandliche Voraussetzung hat auch der BGH die Volljährigkeit des tatsächlich Handelnden nicht genommen. Insoweit ist anzunehmen, dass auch in Zukunft einerseits auf das familiäre Vertrauensverhältnis, andererseits auf die schlichte Einsichtsfähigkeit auch des noch nicht Volljährigen abzustellen sein wird.

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Kauf von Baumaterial: Bei Streckengeschäften Vertragsverhältnisse beachten

OLG München, Urteil vom 23.4.2013 — Aktenzeichen: 18 U 2305/12

Leitsatz
Liefert der Hersteller Baumaterial aufgrund eines Streckengeschäftes direkt an einen Bauunternehmer als Letztkäufer, wirkt die Mängelrüge des außerhalb der Lieferkette stehenden Bauherrn gegenüber dem Erstverkäufer nicht zugleich im Verhältnis zwischen Erstkäufer und -verkäufer.

Sachverhalt
Der Bauherr beauftragt den Auftragnehmer mit der Lieferung und Verlegung von Platten. Der Auftragnehmer bestellt die Platten bei einem Baustoffhändler, der wiederum sie beim Hersteller ordert. Absprachegemäß liefert der Plattenhersteller das Material direkt an den Auftragnehmer. Nach Verlegung stellt der Bauherr Risse fest. Der Bauherr rügt den Mangel beim Auftragnehmer und beanstandet den Mangel zugleich auch beim Hersteller. Sonstige Mängelrügen gibt es nicht. Der Bauherr verlangt vom Auftragnehmer den Austausch der Platten. Der Auftragnehmer wiederum nimmt den Händler in Anspruch. Sodann begehrt der Händler vom Hersteller der Platten Schadensersatz. Der Hersteller meint, ein Schadensersatzanspruch sei ausgeschlossen, da der Baustoffhändler den Mangel der Ware nicht unverzüglich ihm gegenüber angezeigt habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hält es für ausreichend, dass der Bauherr den Mangel gegenüber dem Hersteller rügte.

Entscheidung
Das OLG München hebt das landgerichtliche Urteil auf. Entgegen der Ansicht des Landgerichts weist das OLG München darauf hin, dass grundsätzlich gemäß § 377 HGB die Obliegenheit besteht, dass der Käufer dem Verkäufer gegenüber einen Mangel rügen muss. Das OLG verkennt nicht, dass bei den sogenannten Streckengeschäften der weiterverkaufende Zwischenhändler die Untersuchung und auch Rüge seinem Abnehmer überlassen darf. Dieser kann wirksam für den Zwischenhändler bei dessen Verkäufer rügen. Hier allerdings hat das Landgericht verkannt, dass die vorgenannt beschriebene Lieferkette beim Käufer des Baustoffhändlers (hier: Auftragnehmer) endet. Der Bauherr ist einem solchen Fall überhaupt nicht eingebunden in das Streckengeschäft.

Anmerkung
Bei den am Bau üblichen Streckengeschäften ist Vorsicht geboten. Verstöße gegen die Prüfungs- und Rügeobliegenheit führen zum Verlust der Mängelansprüche. Es reicht, wenn der Letztabnehmer unverzüglich einen Mangel gegenüber dem Verkäufer anzeigt. Nicht jedoch reicht es, wenn ein Dritter (Bauherr), der überhaupt nicht eingebunden ist in das Streckengeschäft, die Rüge ausspricht. Will der Erstkäufer (hier: Baustoffhändler) Mängelrechte gegenüber dem Verkäufer (hier: Hersteller) geltend machen, muss er dafür sorgen, dass die richtige Person dem Hersteller den Mangel anzeigt (hier: endweder Erstkäufer selbst oder aber dessen Abkäufer).

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Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst

BGH, Urteil vom 13.11.2013 — Aktenzeichen: I ZR 143/12 Geburtstagszug

Leitsatz
An den Urheberrechtsschutz von Gewerken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen als an den von Werken der zweckfreien Kunst

Sachverhalt
Die Klägerin ist Spielwarendesignerin und zeichnete für die Beklagte Entwürfe für einen Zug aus Holz („Geburtstagszug“). Die Klägerin meint, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke. Angesichts des großen Verkaufserfolges des Geburtstagszuges sei die gezahlte Vergütung zu gering. Die Klägerin nimmt die Beklagte deshalb auf Zahlung einer weiteren angemessenen Vergütung in Anspruch.

Die Klage ist sowohl beim LG Lübeck als auch beim OLG Schleswig erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Klägerin gefertigten Entwürfe seien urheberrechtlich nicht geschützt.

Entscheidung
Der BGH weist auf die Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hin, die erfolgt ist im Hinblick auf die Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahre 2004. Durch die Reform des Geschmacksmusterrechts sei ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und damit der enge Bezug zum Urheberrecht beseitigt worden. Der Schutz als Geschmacksmuster setze nicht mehr eine bestimmte Gestaltungshöhe, sondern nur die Unterschiedlichkeit des Musters voraus. Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz schließen sich nicht aus. Sie können nebeneinander bestehen. Deshalb kann der urheberrechtliche Schutz nicht mit der Begründung verneint werden, mit dem Geschmacksmusterschutz stehe der Klägerin ein dem Urheberrecht wesensgleiches Schutzrecht zur Verfügung. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst seien deshalb — so der BGH — keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen oder musikalischen Schaffens. Es genüge, dass Werke der angewandten Kunst eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der damit vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Dies gelte auch für die Entwürfe der Klägerin.

Aus vorgenannten Gründen hat der BGH das Urteil des OLG Schleswig aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das OLG Schleswig wird nun zu prüfen haben, ob die von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

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Werbung im Bereich des Gesundheitswesens

OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.2013 — Aktenzeichen: 4 U 91/13

Leitsatz
Irreführend und unzulässig sind Werbeaussagen, dass eine E-Zigarette „mindestens 1.000mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette ist“ und als „einzigen Schadstoff Nikotin enthält“.

Sachverhalt
Die Beklagte bewirbt E-Zigaretten mit den Werbeaussagen „… mindestens 1.000mal weniger schädlich als die Tabakzigarette“ und „der einzige Schadstoff, den den E-Zigarette enthält, ist das Nikotin“. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, da die Werbung irreführend und damit unzulässig sei. Das Landgericht verurteilt die Beklagte antragsgemäß. Die Beklagte legt gegen das landgerichtliche Urteil Berufung bei dem OLG Hamm ein.

Entscheidung
Das OLG Hamm verweist im Beschluss vom 10.09.2013 die Parteien auf die einhellige Auffassung des Senates, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, der Senat beabsichtige deshalb, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen.

Zur Begründung weist der 4. Zivilsenat darauf hin, dass die vorgenannte Werbung irreführend und damit unzulässig sei, der Unterlassungsanspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Da es sich bei der E-Zigarette um ein Genussmittel handele, gehe es bei der beanstandeten Werbung mit deren geringen Risiken um Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Auf diesem Gebiet seien Werbeangaben nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Der Werbende muss darlegen, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfüge. Genau diese Darlegung ist der Beklagten nicht gelungen. Auch ein vorgelegtes Gutachten eines Institutes für Rechtsmedizin überzeugt den Senat nicht, da auch dieses Gutachten nicht belegen könne, dass es sich bei den beanstandeten Werbeaussagen um zwischenzeitlich gesicherte medizinische Fachkenntnisse handele. Der Sachverständige bestätige zwar, dass im Vergleich zur üblichen Zigaretten die E-Zigaretten als untoxischer angesehen werden. Allerdings hat der Sachverständige selbst weitere Untersuchungen zur Sicherheit dieser Aussage und zu den Langzeitfolgen für notwendig erachtet. Damit könne aus dem Gutachten nicht die Aussage hergeleitet werden, die E-Zigarette sei mindestens 1.000mal weniger schädlich als die Tabakzigarette. Im Hinblick auf die weitere Werbeaussage (Nikotin der einzige Schadstoff der E-Zigarette) ergebe sich aus dem Gutachten gar, dass diese Werbeaussage unrichtig sei. Das unstreitig enthaltene Propylenglykol sei gerade nicht als unbedenklich einzustufen. Ein vorliegendes Gutachten schildere die Reizung der Nasen- Rachenschleimhaut, im Übrigen Nebenwirkungen wie trockener Mund und Kehle.

Die vorgenannten Erwägungen bilden die Grundlage des 4. Zivilsenates, die Werbung aus dem Bereich des Gesundheitswesens als irreführend und damit unzulässig zu bewerten.

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