Haftung des Architekten wegen einer Baukostengarantie

Haftung des Architekten aus Baukostengarantie OLG Köln, Beschluss vom 27.06.2016 – 19 U 203/15 BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – VII ZR 198/16 (Zurückweisung der NZB)

Leitsatz
An den Inhalt einer Baukostengarantie sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Garantieerklärung muss zu entnehmen sein, dass der Architekt persönlich verpflichtet sein sollte, auch ohne Verschulden für sämtliche Mehrkosten einzustehen.

Sachverhalt
Der Kläger ist Bauherr, der Beklagte Architekt. Der Beklagte erstellte für den Bauherren zu dem Bauprojekt eine Unterlage und bezifferte die „reinen“ Baukosten mit 101.000,00 €. Im Ergebnis haben sich die Baukosten mehr als verdoppelt. Der Bauherr begehrt vom beklagten Architekten Schadensersatz in Höhe von mehr als 90.000,00 €. Zur Begründung führen die Bauherren an, durch die Vorlage der Kostenaufstellung des Architekten sei eine Baukostengarantie mit verbindlicher Obergrenze vereinbart worden. Das Landgericht hat die Klage des Bauherrn abgewiesen, dieser hat Berufung eingelegt.

Entscheidung
Das OLG Köln – durch den BGH bestätigt, s. o. – hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Ansprüche aus einer Baukostengarantie aus § 280 Abs. 1 BGB bestünden nicht. Die Unterlage zum Bauprojekt mit der Nennung der Baukosten stelle bei der gem. §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung keine Übernahme einer Baukostengarantie dar. An den Inhalt einer derartigen Garantieerklärung seien grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Für die Annahme einer derartigen Bausummengarantie müsse erkennbar sein, dass der Architekt sich unabhängig von der Frage des Verschuldens persönlich verpflichten wollte, für sämtliche den angegebenen Betrag der Baukosten übersteigenden Mehrkosten einzustehen. Das OLG Köln führt ergänzend aus, dass selbst die (bloße) Zusicherung einer Baukostensumme regelmäßig nicht ausreicht. Grund für diese restriktive Auslegung ist das für einen derartigen Garantievertrag für einen Architekten verbundene Risiko.

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Kein Anspruch des Architekten auf Übertragung der Schadensbeseitigung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.2.2017 — Aktenzeichen: VII ZR 242/13

Leitsatz
Die von einem Architekten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung „Wird der Architekt wegen eines Schadens am Bauwerk auf Schadensersatz in Geld in Anspruch genommen, kann er vom Bauherrn verlangen, dass ihm die Beseitigung des Schadens übertragen wird“ ist wegen Verstoßes gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Sachverhalt
Der Kläger (Bauherr) beauftragte den Beklagten (Architekten) mit der Erbringung sämtlicher Leistungsphasen. Der Architekt stellte einen Formularvertrag mit der oben wiedergegebenen Klausel zur Schadensbeseitigung. Nach Fertigstellung des Hauses rügt der Kläger Schallmängel der Wohnungstrennwände. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten in Anspruch. Der Beklagte als Architekt beruft sich auf die obige Selbsteintrittsklausel. Wegen der Klausel weist das Landgericht die Klage ab und das Oberlandesgericht die Berufung zurück, sowohl Land- als auch Oberlandesgericht bejahen den Mangel des Architektenwerks.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil des Oberlandesgerichts auf. Zur Begründung führt der BGH an, dass die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung wegen Verstoßes gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei. Die Klausel benachteilige den Kläger (Bauherr) entgegen Treu und Glauben unangemessen. Der Architekt habe den Planungs- und Überwachungsfehler verschuldet, der sich bereits im Bauwerk verwirklicht habe. In diesen Fällen schulde der Architekt grundsätzlich Schadensersatz in Geld. Dies folge daraus, dass es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung handele, § 280 Abs. 1 BGB. Mit der obigen Klausel werde der Anspruch des Bauherrn beschränkt, ohne ihm einen angemessenen Ausgleich oder das Recht zu gewähren, die Ausübung der Selbstbeseitigungsoption ablehnen zu können. Die Klausel erfasse auch Fälle, in denen ein Bauherr die Beseitigung des Schadens am Bauwerk selbst nicht vornehmen und sich mit einem finanziellen Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts begnügen wolle. Zudem sei die Klausel auch anwendbar, wenn der Bauherr in Folge der fehlerhaften Leistung des Architekten das Vertrauen in dessen Kompetenz und Leistungsfähigkeit verloren habe, ihm also eine Beseitigung durch den Architekten unzumutbar sei. Letztlich verkürze die Klausel das Recht des Bauherrn, den mit der Beseitigung der Mängel am Bauwerk zu beauftragenden Unternehmer selbst auswählen zu dürfen.

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Ohne Stundenlohnvereinbarung keine Stundenlohnvergütung

LG München, Urteil vom 6.5.2014 — Aktenzeichen: 27 U 103/14; NZB zurückgewiesen: BGH B. v. 01. Juni 2016 – VII ZR 131/14

Leitsatz
Stundenlohnarbeiten sind als solche nur zu vergüten, wenn diese ausdrücklich vereinbart worden sind. Auch ohne Stundenlohnvereinbarung kann sich grundsätzlich ein Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen ergeben.

Sachverhalt
Der Auftraggeber (AG) erteilt dem Auftragnehmer (AN) den Auftrag für die Beschichtung von Stahlträgerprofilen. Geschuldet ist die Beschichtung einschließlich aller erforderlichen Nebenarbeiten. Für zusätzliche Arbeiten weist der Vertrag eine Schriftformklausel aus. Der AN stellt nach Vertragsschluss fest, dass die Stahlträger für seine eigenen Leistungen nicht geeignet sind. Vielmehr sind noch Vorarbeiten zu erbringen. Der AN ist der Meinung, dass es sich bei diesen Arbeiten um Mängelbeseitigungsarbeiten an den Leistungen der Vorunternehmer handele. Diese möchte er nach Stundenaufwand abrechnen. Die Verhandlungen zwischen AG und AN führen zu keinem Ergebnis. Der AG teilt jedoch mit, der AN solle mit den Arbeiten beginnen. Der AN führt die Arbeiten aus. Für die oben genannten Vorarbeiten verlangt der AN knapp 200.000,00 €, die er einklagt.

Entscheidung
Der AN unterliegt in sämtlichen Instanzen. Das OLG München hält fest, dass Stundenlohnarbeiten nur dann vergütet werden, wenn diese ausdrücklich vereinbart worden sind. Da im Streitfall eine Schriftformklausel vereinbart worden war, hätte zudem dieses Erfordernis hier beachtet werden müssen. Für eine konkludente Abbedingung dieses Schriftformerfordernisses gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auch könne die Äußerung des AG, der AN solle mit den Arbeiten beginnen, nicht so verstanden werden, dass seine Arbeiten (teilweise) auf Stundenlohnbasis abgerechnet werden könnten. Da unstreitig ein Hauptauftrag bestand, habe sich die Aufforderung des AG auch schlicht auf die Ausführung des Hauptauftrages beziehen können. Scheidet eine Abrechnung nach Stundenaufwand aus, verbleiben noch weitere denkbare Anspruchsgrundlagen (§ 632 BGB; § 2 Absatz 8 VOB/B, Geschäftsführung ohne Auftrag). Ein Anspruch auf der Basis dieser Grundlagen scheiterte deshalb, weil es dem AN nicht gelang, die zusätzlichen Arbeiten nachvollziehbar von den Arbeiten abzugrenzen, die der AN nach dem Vertrag sowieso schuldete.

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Symptomrechtsprechung: Alle Ursachen von der Mängelrüge erfasst

BGH, Urteil vom 24.8.2016 — Aktenzeichen: VII ZR 41/14

Leitsatz
Ein Mangel wird ausreichend bezeichnet, wenn der Auftraggeber die Symptome des Mangels benennt. Folge ist, dass sämtliche Ursachen für die benannten Symptome von der Mängelrüge erfasst werden. Der BGH hat im Beschlusswege diese Rechtsprechung nochmals konkretisiert. Der obige Grundsatz gilt auch, wenn die Symptome eines Mangels nur an einigen Stellen auftreten, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes tatsächlich das ganze Gebäude erfasst.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer verlangt restlichen Werklohn. Der Auftraggeber bestreitet die Forderung und macht Gegenansprüche geltend mit der Begründung, die Weiße Wanne sei undicht. In zweiter Instanz ist der Auftraggeber mit den Gegenansprüchen nur teilweise durchgedrungen. Das OLG hat einen Teil der Kosten (Sanierung der Dehn- und Arbeitsfugen) für verjährt gehalten. Eine rechtzeitige Mängelrüge liege nur bezüglich bestimmer Teilbereiche der Tiefgaragen beziehungsweise der Aufzugsschächte vor.
Entscheidung
Der BGH führt aus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichtes den Anspruch des Auftraggebers auf rechtliches Gehör verletze. Das OLG habe die Reichweite der Mängelrüge verkannt. Abzustellen sei – anders als das OLG es getan hat – nicht lediglich auf den äußeren Wortlaut des Vorbringens, sondern auf den Sinn. In zweiter Instanz habe das Gericht zwar auf die Symptomrechtsprechung des BGH Bezug genommen, sie jedoch nicht korrekt angewendet. Es reicht für eine Mängelrüge, wenn der Auftraggeber die Symptome des Mangels benennt. In diesem Fall sind sämtliche Ursachen für die bezeichneten Symptome von der Mängelrüge erfasst. Der BGH konkretisiert diese Rechtsprechung und führt aus, dass dies auch dann gilt, wenn die angegebenen Symptome nur an einigen Stellen aufgetreten sind, ihre Ursache und damit der Mangel tatsächlich jedoch das gesamte Gebäude erfasst. Aus genau diesem Grund bezog sich die seinerzeitige Rüge des Auftraggebers auf sämtliche Undichtigkeiten der Weißen Wanne in sämtlichen Bereichen der Tiefgaragen und der Aufzugsschächte.

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Pflicht des Insolvenzverwalters einer GmbH zur Aufrechterhaltung einer Geschäftsführerhaftpflichtversicherung (D&O)

BGH, Urteil vom 14.4.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 161/15

Leitsatz
Der Insolvenzverwalter einer GmbH ist deren Geschäftsführer gegenüber nicht verpflichtet, eine zu dessen Gunsten abgeschlossene Haftpflichtversicherung aufrechtzuhalten, um ihn aus einer Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlung freizustellen.

Sachverhalt
Eine mittlerweile insolvente GmbH hatte für ihren Geschäftsführer eine D&O Versicherung abgeschlossen. Die D&O-Versicherung deckte ebenfalls Ansprüche aus verbotenen Zahlungen gem. § 64 GmbHG ab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH kündigte der Insolvenzverwalter die D&O-Versicherung auf. Der Geschäftsführer wurde im Anschluss durch den Insolvenzverwalter wegen verbotener Zahlungen in Anspruch genommen. Der Geschäftsführer macht sodann Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter gem. § 60 Abs.1 S.1 InsO geltend, da in der Kündigung der D&O-Versicherung eine schuldhafte Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters zu sehen sei.

Entscheidung
Der Geschäftsführer einer insolventen GmbH hat ein großes Interesse am Fortbestehen einer D&O-Versicherung, da er nur hierdurch ausreichend gegen Ansprüche der Gesellschaft gegen ihn persönlich abgesichert ist. Gerade die vorherrschende Prozessfreudigkeit deutscher Insolvenzverwalter macht heutzutage eine derartige Absicherung für Geschäftsführer notwendig. Es ist üblich und gängig, dass Insolvenzverwalter Geschäftsführer insolventer Gesellschaften wegen einer Vielzahl von Verfehlungen in Anspruch nehmen. Hier seien neben verbotenen Zahlungen gem. § 64 GmbHG exemplarisch nur die verspätete Insolvenzanmeldung gem. § 15a InsO oder das Stammkapitalauszahlungsverbot gem. § 43 III, 30, 31 GmbHG genannt. Ob die Kündigung einer bestehenden D&O-Versicherung durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Pflichtverletzung gem. § 60 InsO darstellt, hatte der BGH vorliegend zu entscheiden gehabt. Einem Insolvenzverwalter obliegen grundsätzlich nur insolvenzspezifische Pflichten gegenüber dem Schuldner, den Insolvenzgläubigern, Massegläubigern und aus- bzw. absonderungsberechtigten Dritten. Da der Geschäftsführer einer insolventen GmbH nicht zu einer der vorgenannten Personengruppen zählt, bestehen diesem gegenüber keine insolvenzspezifischen Pflichten, die durch die Kündigung einer D&O-Versicherung verletzt werden könnten. Lediglich die Interessen der Schuldnerin selbst könnten durch die Kündigung beeinträchtigt werden, sofern Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht durchsetzbar sind. Es besteht somit keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, eine solche Haftpflichtversicherung aus Mitteln der Masse zu bestreiten, um einen Geschäftsführer von einer etwaigen Haftung zu befreien.

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Sicherheit gem. § 648 a BGB: Einwände des Auftraggebers sind unbeachtlich

OLG Hamm, Urteil vom 3.6.2016 — Aktenzeichen: 12 U 99/15

Leitsatz
Die Parteien eines Bauvertrags streiten oftmals über die Höhe des gem. § 648 a BGB abzusichernden Anspruches, insbesondere gilt dies für etwaige Nachtragsforderungen. Das OLG Hamm führt aus, dass eine schlüssige Darlegung der Forderungen durch den Auftragnehmer reicht, zudem Einwände des Auftraggebers unerheblich sind.

Sachverhalt
Auftragnehmer und Auftraggeber schließen einen aus zwei Losen bestehenden Vertrag über Bauarbeiten. Der Auftragnehmer verlangt eine Sicherheit gem. § 648 a BGB. Zu diesem Zeitpunkt hat der Auftragnehmer Arbeiten zum Los 2 noch nicht ausgeführt. Nach Verstreichen der Frist kündigt der Auftragnehmer den Vertrag. Nunmehr klagt der Auftragnehmer die Sicherheit gem. § 648 a BGB ein.

Entscheidung
Der Auftragnehmer ist in zweiter Instanz erfolgreich. Der 12. Zivilsenat des OLG Hamm stellt fest, dass der AN den Werklohn hinsichtlich beider Lose schlüssig dargelegt hat. Zu Los 1 geht das OLG vom Pauschalpreis aus, berücksichtigt jedoch auch zusätzliche Forderungen des AN (Nachtragsforderung). Soweit diese strittig seien, habe der AN diese schlüssig vorgetragen. An der Schlüssigkeit dieses Vortrags des AN ändere auch nichts der Einwand der AG, die Nachtragsforderungen seien bereits vertraglich geschuldet gewesen und könnten daher keinen weiteren Vergütungsanspruch auslösen. Dies sei nicht im Rahmen des Sicherungsverlangens zu klären. Zum Los 2 (Arbeiten noch nicht ausgeführt) stellt der Senat gleichfalls fest, dass der AN schlüssig ausgehend von der vertraglich vereinbarten Vergütung ersparte Aufwendungen dargelegt und zudem einen anderweitigen Erwerb substantiiert verneint habe, § 648 a Abs. 5 Satz 2 BGB. Soweit auch hier der AG die Richtigkeit der Angaben des AN bestreite, könne er im Rahmen der Entscheidung über das Sicherungsverlangen nicht gehört werden.

Praxishinweis
Zutreffend hat das OLG Hamm strittige Gegenforderungen des AG nicht berücksichtigt, § 648 a Abs. 1 S. 4 BGB. Bedenklich erscheint die Entscheidung allerdings im Hinblick auf die streitigen Nachtragsforderungen des AN. Auch hier lässt das OLG Hamm die lediglich schlüssige Darlegung des AN ausreichen. Die lediglich schlüssige Darlegung reicht sicherlich im Hinblick auf die Höhe eines Anspruches auf Zahlung einer Nachtragsforderung. Hinsichtlich des Anspruchsgrundes jedoch hätte es an dieser Stelle wegen des streitigen Sachverhalts einer Beweisaufnahme bedurft, eine lediglich schlüssige Darlegung der Nachtragsforderung reicht hier nicht.

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Schadensersatz für Privatgutachterkosten trotz möglichen selbstständigen Beweisverfahrens?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.4.2015 — Aktenzeichen: 21 U 162/14

Leitsatz
Die Kosten für ein Gutachten sind grundsätzlich vom Bauunternehmer zu erstatten, wenn er für den Mangelschaden einstandspflichtig ist. Die Einholung des Gutachtens muss im Einzelfall notwendig sein, um dem Auftraggeber über den eingetretenen Mangel zuverlässige Kenntnisse zu verschaffen. Sachverständigengutachten sind auch dann erstattungsfähig, wenn der Auftraggeber ein selbstständiges Beweisverfahren hätte einleiten können.

Sachverhalt
Der Kläger begehrt Schadensersatz gegen einen Bauunternehmer. Gegenstand sind einerseits Kosten einer Beseitigung von Mängeln im Rahmen einer Balkonabdichtung, zudem verauslagte Privatgutachterkosten. Der Kläger hatte den Beklagten mit Abdichtungsarbeiten am Balkon beauftragt, anschließend zeigte sich in den Wohnräumen Feuchtigkeit. Der Kläger holte vor Klageerhebung zwei Privatgutachten ein. Das Landgericht hat den beklagten Bauunternehmer antragsgemäß verurteilt. Der Beklagte legt Berufung ein und meint u. a., die Gutachterkosten seien nicht erstattungsfähig, da der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren hätte einleiten können und müssen.

Entscheidung
Die Berufung des Beklagten bleibt erfolglos. Das OLG Düsseldorf führt aus, dass die Kosten für ein Privatgutachten über Ursache und Ausmaß von Mangelfolgeschäden grundsätzlich vom Bauunternehmer zu erstatten sind, wenn er auch für den eigentlichen Mangelschaden einzustehen habe. Wenn Mängel auftreten, so ist es eine typische und unmittelbare Folge, einen Gutachter mit den Feststellungen zu den Ursachen und zum Ausmaß zu beauftragen, um überhaupt Gewährleistungsrechte geltend machen zu können. Die Beauftragung muss einzelfallabhängig erforderlich sein, um dem Auftraggeber über den eingetretenen Mangel Klarheit zu verschaffen. Entgegengetreten ist der Senat dem Einwand des Beklagten, der Kläger hätte anstelle des eingeholten Privatgutachtens ein selbstständiges Beweisverfahren einleiten müssen. Das OLG führt aus, dass der Unterschied zwischen Privatgutachten und selbstständigem Beweisverfahren nicht so erheblich sei, zumal das Gericht der Hauptsache sich mit einem Privatgutachten – analog einem Gutachten im Beweisverfahren – sorgfältig auseinanderzusetzen habe. Auch wichen die Kosten beider Maßnahmen nicht entscheidend voneinander ab. Hinzu komme, dass ein selbstständiges Beweisverfahren erheblich längere Zeit beanspruche, hierauf habe der Kläger nicht verwiesen werden können.

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Muss Architekt fremde Pläne kontrollieren?

OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.10.2015 — Aktenzeichen: 22 U 48/15

Leitsatz
Ein zur Kontrolle der Ausführungsplanung verpflichteter Architekt muss sich auch mit eigenmächtigen Anordnungen/Planungsänderungen eines weiteren von seinem Auftraggeber eingeschalteten Architekten auseinandersetzen.

Sachverhalt
Der Kläger (=Auftraggeber) hatte zur Errichtung einer Tiefgarage einen Architekten mit der Planung und Kontrolle der Ausführungsplanung, einen weiteren Architekten mit der Bauleitung sowie einen entsprechenden Werkunternehmer beauftragt. Auf Bedenkenhinweis des Werkunternehmers ändert der mit der Bauleitung beauftragte Architekt die Ausführungsplanung bezüglich der Durchführung der Abdichtungsarbeiten. Wegen unzureichend ausgeführter Abdichtungsarbeiten drang in der Folge Feuchtigkeit ein. Der Kläger nimmt Planer, Bauüberwacher und Werkunternehmer auf Ersatz des Mangelfolgeschadens in Anspruch. Der Planer wendet ein, er sei nicht zum Ersatz verpflichtet, da er nicht für die geänderten Ausführungspläne und deren Umsetzung hafte.

Entscheidung
Engegen der Auffassung des Planers stellt das OLG Düsseldorf fest, dass der Planer im Rahmen der von ihm vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Erstellung und Kontrolle der gesamten Ausführungsplanung verpflichtet war, auch die von ihm nicht vorgenommenen Änderungen an der Ausführungsplanung zu prüfen. Betont hat das OLG, dass Abdichtungsarbeiten grundsätzlich keine Routinearbeiten seien und sowohl der Detailplanung als auch deren Überwachung bedürfen.
Praxistipp

Der Planer kann im Ergebnis nicht die Augen verschließen, wenn ihm bekannt wird, dass ein Dritter ohne seine Einschaltung Planänderungen vorgenommen hat. Das obige Urteil des OLG Düsseldorf zeigt, dass Abdichtungsarbeiten mit hohem Mängelrisiko nicht nur einer intensiven Bauaufsicht bedürfen, sondern zuvor einer sorgfältigen Planung. Diese Prüfungspflicht bezieht sich nach dieser Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gar auf die Kontrolle eigenmächtig von Dritten erstellten Planungsänderungen.

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„Was drauf steht, muss auch drin sein“

BGH, Urteil vom 2.12.2015 — Aktenzeichen: I ZR 45/13

Leitsatz
Weisen auf Umverpackungen Angaben oder Abbildungen auf bestimmte Bestandteile eines Produktes hin, so ist dies auch dann unzulässig, wenn das ausdrückliche Verzeichnis der Zutaten diese Teilbestandteile gerade nicht enthält.

Sachverhalt
Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „FELIX HIMBEER-VANILLE-ABENTEUER“ einen Tee, auf dessen Verpackungen sich Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten sowie Hinweise auf „natürliche Aromen“ befinden. In Wirklichkeit enthält der Tee keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeeren. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof bejaht die Irreführungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch. Das Publikum werde durch die Angaben „HIMBEER-VANILLE-ABENTEUER“ und die entsprechenden Abbildungen von Vanilleblüten und Himbeeren zu der Annahme veranlasst, in diesem Tee seien Bestandteile oder Aromen von Vanille/Himbeeren enthalten. Dies gelte auch dann, wenn sich auf der Verpackung das Verzeichnis der tatsächlichen Zutaten befinde. Dies könne nicht ausschließen, dass die Etikettierung die Käufer irre führe. Unter Hinweis auf Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 200/13 EG über die Etikettierung von Lebensmitteln weist der BGH darauf hin, dass die Etikettierung eines Lebensmittels nicht den Eindruck entstehen lassen darf, ein Bestandteil befinde sich in diesem Lebensmittel, obgleich dies – auch ausweislich eines entsprechenden Zutatenverzeichnisses – nicht der Fall sei. Der normal informierte und vernünftig aufmerksame Verbraucher könne irre geführt werden, was aus den in den Vordergrund gestellten Angaben zur Existenz von Vanille- und Himbeerbestandteilen im Tee der Fall sei.

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Änderung des kennzeichnenden Charakters der Klagemarke

BGH, Urteil vom 18.12.2014 — Aktenzeichen: I ZR 63/14

Leitsatz
Das Weglassen des Bindestrichs und die Anordnung der beiden die Klagemarke bildenden Wörter übereinander statt nebeneinander sowie das Hinzufügen einer werbeüblichen bildlichen Verstärkung, führen nicht zu einer Änderung des kennzeichnenden Charakters der Klagemarke.

Sachverhalt
Die Klägerin (K) ist Inhaberin der eingetragenen Wortmarke „POWER-HORSE“ und vertreibt unter dieser Bezeichnung einen Energy-Drink in Form einer Getränkedose. Darauf befindet sich ein sich aufbäumendes Pferd mit zwei roten Dreiecken sowie die Bezeichnungen „POWER“ und „HORSE“ untereinander. Die Beklagte (B) ist Inhaberin der Wortmarke „POWER HORN“ mit späterem Zeitrang. Die K klagte gegenüber der B auf Unterlassung gem. § 14 II Nr. 2, IV MarkenG. Das Bestehen der Verwechslungsgefahr wurde vom Berufungsgericht angenommen und der Klage statt gegeben. Die Beschwerde der B richtet sich mit der Begründung dagegen, dass das Berufungsgericht der Klage nicht hätte stattgeben dürfen, ohne auf die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke einzugehen. Die K habe aufgrund des Weglassens des Bindestrichs, der Anordnung der Wörter untereinander und der stark im Vordergrund gerückten Bildbestandteile eine eigenständige neue Marke geschaffen und damit die eingetragene Marke nicht rechtserhaltend benutzt.

Entscheidung
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten war erfolglos. Die von der B hervorgehobenen Abweichungen der benutzten Form von der Eintragung seien für den § 26 III 1 MarkenG unschädlich. Das Weglassen des Bindestrichs und die Änderung der beiden die Klagemarke bildenden Wörter übereinander statt nebeneinander führten nicht zu einer Änderung des kennzeichnenden Charakters der Klagemarke. Die Klagemarke sei kein einheitliches Wortzeichen, nicht einmal durch Zusammenschreibung, sondern lediglich durch einen Bindestrich verbundene Kombination von zwei Wörtern. Durch die rein optische Trennung bleibe der Bedeutungsinhalt unverändert und sei damit für die rechtserhaltende Benutzung unschädlich. Die Hinzufügung der Darstellung eines sich aufbäumenden schwarzen Pferdes und die Verwendung von zwei sich an den Spitzen berührenden roten Dreiecken im Hintergrund seien für die rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke unschädlich. Durch die Abbildung eines Pferdes auf der Dose der vertriebenen Energy-Drinks sei eine werbeübliche Verstärkung des die Klagemarke dominierenden Wortelements „HORSE“. Gerade das sich aufbäumende Pferd verstärke nur diesen Wortbestandteil. Auch die beiden roten Dreiecke hätten keinen Einfluss auf den kennzeichnenden Charakter der Klagemarke. Als lediglich dekorativer Hintergrund messe der Verkehr diesen keine Bedeutung für den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke und der benutzten Form bei..

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