Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darf nicht unter einer Bedingung erfolgen

Beschluss des BGH vom 01.06.2017 — Aktenzeichen: V ZB 106/16

Leitsatz
Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung unwirksam, die Fristverlängerung ist hingegen wirksam.

Sachverhalt
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte gegen ein Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die bereits verlängerte Berufungsbegründungsfrist sollte erneut verlängert werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte den entsprechenden Antrag und versicherte anwaltlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Fristverlängerung zugestimmt habe. Der Vorsitzende des Berufungssenates verfügte wie folgt:

„Fristverlängerung wird mit der Maßgabe gewährt, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine Zustimmung erteilt hat“.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilte dann nach Einreichung der Berufungsbegründung mit, er habe die Zustimmung nicht erteilt. Offensichtlich gab es hierzu ein Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten. Die Berufung wurde daraufhin als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

Entscheidung
Der BGH hat festgestellt, dass die Berufungsbegründung fristgemäß eingelegt wurde. Die Auffassung des OLG, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei wegen Fehlens der Bedingung, unter der sie gewährt worden sei, unwirksam, ist nach Auffassung des BGH unzutreffend. Der BGH hat festgestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht unter einer Bedingung verlängert werden kann, da die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bedingungsfeindlich ist. Der Berufungsführer, der um eine solche Verlängerung nachsucht, muss anhand der Antwort des Gerichts zweifelsfrei feststellen können, wann die Frist abläuft. Dies folgt aus dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Hierzu gehört, dass Fristen, von deren Einhaltung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels abhängt, eindeutig bestimmbar sind. Daran fehlt es, wenn eine Fristverlängerung unter einer Bedingung gestellt werden könnte. Der Ablauf der Begründungsfrist wäre dann nämlich nicht kalendermäßig und damit klar bestimmbar, sondern hänge von dem Nachweis des Eintritts der gesetzten Bedingung ab. Von solchen Unwägbarkeiten dürfen die Rechtsmittelgerichte die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht abhängig machen. Ob die Frist auch in dem Fall als verlängert gilt, wenn das Gericht bewusst über die Einwilligung des gegnerischen Prozessbevollmächtigten getäuscht worden wäre, war vorliegend nicht zu entscheiden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien über das Vorliegen des Einverständnisses gekommen.

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Hausverwalterhaftung bei herabstürzenden Ästen und Bäumen

Beschluss des OLG Oldenburg vom 11.05.2017 — Aktenzeichen: 12 U 7/17

Sachverhalt
Eine Frau hatte ihr Auto unter einer Rotbuche in einer Wohnanlage geparkt. Als sie zum Auto zurückkam, war ein Ast heruntergefallen und hatte das Auto beschädigt. Die Frau verlangt Schadensersatz von der Hausverwaltung, die von den Eigentümern mit der Unterhaltung der Wohnanlage beauftragt worden war. Sie ist der Auffassung, die Hausverwaltung habe den Baum nicht ausreichend untersucht und überwacht. Ein Sachverständigengutachten hatte ergeben, dass die Rinde an der Astgabelung länglich verdickt war, was ein Anzeichen für eine mögliche Instabilität ist. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Hausverwaltung fachmännischen Rat einholen müssen.

Entscheidung
Das OLG Oldenburg sieht dies anders. Zwar müsse der Eigentümer eines Baumes grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass von dem Baum keine Gefahr ausgehe. Er müsse daher auch Bäume auf Schäden und Erkrankungen und auf ihre Standfestigkeit hin regelmäßig untersuchen. Dies gelte in erhöhtem Maße, wenn der Baum im Bereich von Verkehrsflächen stehe und damit potentiell andere Personen gefährde. Von Gemeinden und Städten sei zu erwarten, dass sie die Straßenbäume regelmäßig von qualifizierten Personen darauf kontrollieren ließen, ob trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder andere Anhaltspunkte vorlägen, die eine nähere Untersuchung der Bäume nahelegten. Für Privatleute seien die Anforderungen aber geringer. Diese müssten nicht laufend, sondern nur in angemessenen zeitlichen Abständen eine äußere Sichtprüfung durchführen. Es könne nur eine – gründliche – Sichtprüfung auf für einen Laien erkennbarer Probleme verlangt werden, also etwa abgestorbene Teile, Rindenverletzungen oder sichtbarer Pilzbefall. Nur wenn danach Probleme erkannt würden, müsse ein Baumfachmann hinzugezogen werden. Vorliegend sei die Instabilität des Baumes nur für ein Baumfachmann mit forstwirtschaftlichem Wissen, nicht aber für einen Laien erkennbar gewesen. Der Hausverwaltung sei daher kein Vorwurf zu machen. Die Klägerin nahm nach dem entsprechenden Hinweis des Senats die Berufung zurück.

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SHB Altersvorsorgefonds KG: Landgericht Ellwangen kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität feststellen

LG Ellwangen , Urteil vom 28.4.2017 — Aktenzeichen: 2 O 406/16

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der SHB Innovative Fondskonzepte GmbH & Co. Altersvorsorgefonds KG. Der Kläger macht geltend, es habe sich um eine hochriskante Anlage gehandelt, worüber er nicht aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus sei die SHB Anlage nicht plausibel, d.h. wirtschaftlich tragfähig gewesen. Der Prospekt sei fehlerhaft, da für die gewählte Beteiligungsform keine Angaben gemacht worden seien. Die Beklagte stellt diese Vorwürfe in Abrede.

Entscheidung
Das Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Anlageberatung pflichtgemäß und die Anlage plausibel war. Prospektfehler kann das Landgericht nicht erkennen. Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat sich nicht bestätigt, dass die Beklagte die Anlage als risikolos dargestellt hat. Zudem ist nach Auffassung des Landgerichts nicht ersichtlich, dass der streitgegenständliche Fonds mit der Anlagestrategie des Klägers unvereinbar war. Dabei streitet nach Auffassung des Landgerichts ein entsprechendes Protokoll für die Darstellung der Beklagten. Nach Auffassung des Landgerichts fällt es in den Verantwortungsbereich des Klägers, sich das entsprechende Dokument vor der Unterzeichnung noch einmal vollständig durchzulesen und ggf. erforderliche Berichtigungen vorzunehmen. Aus dem Protokoll ergab sich eine korrekte Aufklärung über die Anlage. Eine fehlende Plausibilität oder einen Prospektfehler konnte das Landgericht anhand der Behauptungen der Klägerseite nicht festmachen.

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Zur Begründetheit eines aus abgetretenem Recht verfolgten Schadensersatzanspruchs gegen einen Notar

BGH , Urteil vom 20.4.2017 — Aktenzeichen: III ZR 398/15

Leitsatz
Versäumt es der Notar das Optionsrecht an Grundstücken durch eine Auflassungsvormerkung grundbuchmäßig zu besichern, so steht dem Zessionar, an den sämtliche Rechte aus dem Optionsvertrag abgetreten wurden, kein Anspruch auf entgangenen Gewinn für die nach Ausübung des Optionsrechts beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke, Zinsen für ein aufgenommenes Darlehen sowie ihm entstandener Kosten gem. § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO gegen den Notar zu, wenn die Grundstücke an einen Dritten veräußert werden. Ein derartiger Schaden ist von der abgetretenen Forderung nicht mitumfasst, sondern stellt einen nach Inhalt, Umfang und zugrunde liegendem Lebenssachverhalt anderen Gegenstand der Forderung dar, wenn der Zedent weder zum Zeitpunkt der Abtretung seiner Rechte noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Ende des Optionsraums in der Lage war, seine Rechte aus dem Optionsvertrag auszuüben und Eigentümer der Grundstücke zu werden.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung. Der Sohn der Klägerin schloss einen Optionsvertrag über den Kauf eines Grundstücks ab. Obwohl im Optionsvertrag geregelt, wurde eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs durch den Beklagten nicht bewirkt. Das Grundstück wurde von dem Optionsgeber weiterveräußert. Nach dieser Weiterveräußerung trat der Sohn der Klägerin sämtliche Rechte aus dem Optionsvertrag an die Klägerin ab. Diese erklärte die Ausübung der Option. Der nunmehr neue Eigentümer verweigerte mit Erfolg die Übertragung der Grundstücke.

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin geltend, aufgrund der pflichtwidrig nicht bewirkten Eintragung der Auflassungsvormerkung habe sie die abgetretenen Rechte aus dem Optionsvertrag nicht durchsetzen können. Den ihr dadurch entstandenen Schaden (entgangener Gewinn für die beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke, Zinsen für von ihr aufgenommene Darlehen sowie Kosten) habe der Beklagte zu ersetzen.

Entscheidung
Die Klage ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat nach Auffassung des BGH gegen den Beklagten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, da die Klägerin mit ihrem nunmehr gegen den Beklagten verfolgten Anspruch einen gänzlich anderen Schaden geltend macht, der sich von dem Gegenstand der abgetretenen Forderung maßgeblich unterscheidet und davon deshalb nicht mit umfasst war. Der nunmehr von der Klägerin geltend gemachte Schaden war bei dem Sohn der Klägerin nicht eingetreten und hätte auch nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes zu keinem Zeitpunkt bei dem Sohn der Klägerin entstehen können.

Zunächst kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der Klägerin kein originärer Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht, da der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten weder als Nebenrecht im Sinne des § 401 BGB noch als unselbständiger Bestandteil des abgetretenen Optionsrecht auf die Klägerin übergegangen ist. Die Klägerin kann daher lediglich einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht des Sohnes geltend machen. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist aber von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Vielmehr verlangt sie Ersatz entgangenen Gewinns für die von ihr nach einer Ausübung des Optionsrechts beabsichtigte Weiterveräußerung der Grundstücke und für damit verbundene Kosten. Dieser behauptete Schaden ist jedoch von der abgetretenen Forderung nicht mit umfasst, da dieser nach Inhalt, Umfang und zugrunde liegenden Lebenssachverhalt einen anderen Gegenstand der Forderung darstellt. Der mit der Klage geltend gemachte Schaden war nicht etwa in dem Anspruch mit enthalten, den der Sohn der Klägerin abgetreten hat und hätte geltend machen können, sondern unterscheidet sich inhaltlich davon und geht weiter darüber hinaus, so dass er ein aliud darstellt. Ein solcher Schaden war bei dem Sohn nicht im Grunde bereits angelegt und hätte in seiner Person auch nicht entstehen können, da dem Sohn unstreitig die finanziellen Mittel fehlten, um eine Zahlungsverpflichtung aus dem bedingten Kaufvertrag zu erfüllen und im Übrigen dem Sohn keine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt worden wäre.

Fazit
Geht ein Anspruchsteller aus abgetretenem Recht gegen einen Notar vor, so ist sehr genau zu ermitteln, ob dem Anspruchsteller überhaupt eigene Rechte gegenüber dem Notar zustehen können und ob ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch überhaupt von der Abtretung erfasst ist. Für die Bewertung gibt der BGH in dieser Entscheidung eine Richtlinie vor.

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Der Geschäftsführer sollte bei Insolvenz der GmbH die Feststellung von Forderungen zur Tabelle überprüfen und notfalls widersprechen

FG Köln, Urteil vom 18.1.2017 — Aktenzeichen: 10 K 3671/14

Sachverhalt
Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass einige in den Bilanzen ausgewiesene Verbindlichkeiten der GmbH nicht mehr passiviert werden durften, woraus Körperschaftssteuerforderungen resultierten. Hierüber wurde ein Verfahren vor dem Finanzgericht geführt. Während des finanzgerichtlichen Klageverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Steuer-forderungen wurden zur Insolvenztabelle festgestellt. Der Rechtsstreit wurde über-einstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Geschäftsführer der GmbH hatte gegen die Feststellung der Steuerforderungen des Finanzamtes zur Tabelle im Zuge des Insolvenzverfahrens keinen Widerspruch erhoben. Da die Steuerforderungen nicht aus der Insolvenzmasse der GmbH zu realisieren waren, wurde der Kläger für die Steuerrückstände in Haftung genommen. Der Geschäftsführer trägt hierzu vor, dass der Insolvenzverwalter die ursprünglichen Einwendungen gegen die festgesetzten Steuerschulden zurückgenommen habe, ohne dass sich der Geschäftsführer als hiesiger Kläger hiergegen habe zur Wehr setzen können. Im Übrigen sei er als Vertreter der GmbH im Insolvenzverfahren seiner Verfügungsmöglichkeiten beraubt gewesen.

Entscheidung
Das Finanzgericht teilt die Auffassung des ehemaligen Geschäftsführers und Klägers nicht. Es ist der Auffassung, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Organstellung des Geschäftsführers der GmbH unberührt geblieben ist. Der Kläger als Geschäftsführer der GmbH hätte nach § 178 Abs. 1 S. 2 InsO, § 184 InsO ein eigenes Widerspruchsrecht gehabt, welches er aber nicht genutzt habe. Infolgedessen waren wegen der widerspruchslosen Feststellung der Forderung zur Tabelle etwaige Einwendungen gegen die Steuerforderungen im Haftungsverfahren nunmehr nach § 166 AO abgeschnitten. Da diese Konstellation höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, wurde die Revision zugelassen.

Fazit
Einem Geschäftsführer im Insolvenzverfahren ist anzuraten, vorsorglich die Prüfung der Insolvenzforderungen vorzunehmen und ggf. unter Einholung von anwaltlichem Rat der Feststellung von Forderungen zu widersprechen.

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Eine unterlassene Plausibilitätsprüfung des Anlageberaters führt nicht per se zu einem Schadensersatzanspruch des Anlegers

BGH , Urteil vom 30.3.2017 — Aktenzeichen: III ZR 139/15

Sachverhalt
Die Klägerin hat den Beklagten wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Insbesondere habe der Beklagte seine Verpflichtung zur Prüfung der Plausibilität der Kapitalanlage verletzt. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Beklagte habe nicht konkret dargetan, anhand welcher konkreter Unterlagen er eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen habe, so dass nicht festgestellt werden könne, ob er die Seriosität der Anlage zutreffend geprüft habe. Über seinen unzureichenden Informationsstand habe der Beklagte die Klägerin nicht informiert, was zu einer Pflichtverletzung und im Ergebnis nach Auffassung des OLG zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin führt. Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Erwägung des OLG nicht die Verurteilung des Beklagten rechtfertigt und hat das Verfahren zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Entscheidung
Zunächst bestätigt der BGH seine Rechtsprechung, dass ein Anlagevermittler das Anlagekonzept auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu überprüfen hat. Er muss den Prospekt darauf hin überprüfen, ob er ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt abgibt und ob die Informationen sachlich richtig und vollständig sind. Entsprechend verstößt eine unterlassene und unzureichende Plausibilitätsprüfung der empfohlenen Kapitalanlage zwar gegen diese aus einem Anlagevermittlungsvertrag folgende Verpflichtung. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Prüfungs- und Offenbarungspflicht kann dies aber nur dann zu einer Haftung des Vermittlers führen, wenn die vorzunehmende Prüfung Anlass zur Beanstandung gegeben hätte, etwa, weil dem Vermittler ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das hätte aufgeklärt werden müssen. Hiernach ist jeweils festzustellen, ob eine hypothetische Untersuchung des Anlagekonzepts und der dazugehörigen Unterlagen auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte oder in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. Ob eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung vorliegt, kann deshalb nicht beurteilt werden, wenn nicht zuvor festgestellt wird, dass es an der notwendigen Plausibilität fehlt und woraus sich dies ergibt. Allein die Unterlassung der gebotenen Plausibilitätsprüfung und die fehlende Aufklärung darüber führt daher nicht zu einem Schadensersatzanspruch, wenn eine hypothetische Prüfung keine Beanstandungen ergeben hätte.

Fazit: Auch wenn ein Anlageberater das Anlageobjekt nicht (hinreichend) auf Plausibilität hin überprüft hat, begründet dies nicht per se einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Anlegers. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob es der streitgegenständlichen Anlage überhaupt an Plausibilität fehlt.

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Darf ein Insolvenzverwalter persönlich eine Geschäftschance nutzen, die er auch für die Insolvenzschuldnerin nutzen könnte?

BGH, Urteil vom 16.3.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 253/15

Leitsatz
Ob der Insolvenzverwalter für eine unternehmerische Fehlentscheidung haftet, ist am Insolvenzzweck der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unter Berücksichtigung der von den Insolvenzgläubigern getroffenen Verfahrensentscheidung zu messen.

Der Insolvenzverwalter darf keine Geschäftschance persönlich nutzen, die aufgrund der Umstände des jeweiligen Falles dem von ihm verwalteten Schuldnerunternehmen zuzuordnen ist.

Sachverhalt
Der Kläger ist Verwalter einer Wohnungs- und Baugesellschaft. Er nimmt den Beklagten, seinen Vorgänger im Amt des Insolvenzverwalters, auf Schadensersatz in Anspruch. Die Schuldnerin war Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage und bleib dies auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Jahr 2007 wurde die Liquidation und bestmögliche Verwertung des Immobilienbestandes beschlossen. Der Geschäftsbetrieb sollte vorläufig fortgeführt werden. Im Jahre 2008 wollten Käufer eine Wohnung veräußern. Sie wandten sich an den Geschäftsführer der Schuldnerin. Der beklagte Insolvenzverwalter kaufte daraufhin persönlich die Wohnung zu einem Kaufpreis von 3.000,00 €. Als Insolvenzverwalter der Schuldnerin in ihrer Eigenschaft als WEG-Verwalterin stimmte er der Veräußerung zu. Als Insolvenzverwalter der Schuldnerin in ihrer Eigenschaft als frühere Eigentümerin der Wohnung bewilligte er zudem die Löschung einer Rückauflassungsvormerkung. Die Wohnung wurde von der Schuldnerin verwaltet und vermietet. Der gesamte Immobilienbestand der Schuldnerin wurde dann veräußert, wobei sich die Erwerberin des Immobilienbestandes an den Beklagten wandte und ihm für die streitgegenständliche Wohnung einen Betrag i.H.v. 45.000,00 € anbot. Der Kläger begehrt nun von dem ehemaligen Insolvenzverwalter Schadensersatz i.H.v. 42.000,00 €. Die Klage ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden.

Entscheidung
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass es keine Verpflichtung des Beklagten zum Erwerb der Wohnung für die Masse gegeben habe. Es hätten noch drei weitere Wohnungen in der Anlage nicht im Eigentum der Schuldnerin gestanden. Zudem sei ein Hinzuerwerb der Wohnung wegen eines Leerstandes riskant gewesen. Ein Wettbewerbsverbot für den Insolvenzverwalter gebe es nicht, weshalb der Beklagte die Wohnung selbst erwerben konnte.

Der BGH erteilt dieser Auffassung eine Absage. Grundsätzlich ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der InsO obliegen. Zu seinen Pflichten gehört es, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten. Diese Pflicht hat sich am gesetzlichen Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auszurichten, welches an die handelsgesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen angelehnt ist. Maßstab aller unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Betriebsfortführung ist der Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger sowie das von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossene Verfahrensziel. Diese Pflicht ist vielfach nicht schon dann erfüllt, wenn es dem Verwalter gelingt, den Bestand der Masse zu erhalten. Vielmehr kann der Verwalter gehalten sein, bis zur endgültigen Verteilung der Masse nicht benötigte Gelder nicht nur zu sichern, sondern auch zinsgünstig anzulegen. Zur Masseverwaltungspflicht gehört auch ein allgemeines Wertmehrungsgebot. Das gilt auch und gerade im Rahmen einer Betriebsfortführung, wenn auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen des Insolvenzverfahrens. Die konkreten Pflichten des Insolvenzverwalters hängen dabei vom Einzelfall ab. Vorliegend war die Wohnung äußerst günstig zu erwerben, obwohl der objektive Wert deutlich höher war. Darüber hinaus gehörte die Wohnung zu der Eigentumsanlage, die ohnehin bis auf drei Wohnungen der Insolvenzschuldnerin gehörte. Die Wohnungseigentumsanlage wurde zudem von der Insolvenzschuldnerin verwaltet und sollte bis zum Verkauf der Wohnungen weiter betrieben werden. Darüber hinaus konnte die Wohnung vermietet werden; der Beklagte vermietet die Wohnung dann auch für 214,00 € netto im Monat. Im Ergebnis handelte es sich nach Auffassung des BGH um ein Geschäft, welches die Masse ohne sonderlichen Aufwand und ohne großes Risiko erheblich vermehrt hätte.

Zudem sieht der BGH einen Verstoß gegen die Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaft handelnden Insolvenzverwalters darin, dass der Beklagte eigennützig, ohne Berücksichtigung der Interessen der Insolvenz- und Massegläubiger ein vorteilhaftes Geschäft an sich gezogen hat, welches im engen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin stand und daher dieser zuzuordnen war.

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Darf ein Geschäftsführer sich trotz Wettbewerbsverbot an einer Konkurrenzgesellschaft beteiligen?

OLG Stuttgart, Urteil vom 15.3.2017 — Aktenzeichen: 14 U 3/14

Leitsatz
Rein kapitalistische Minderheitsbeteiligungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf deren Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und ohne Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, sind im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht umfasst.

Sachverhalt
Die Kläger machen mit ihrer Klage Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin zu 1) insbesondere aus einem angeblichen Verstoß gegen ein im Gesellschaftsvertrag fixiertes Wettbewerbsverbot. Der Beklagte hatte über eine Treuhandkonstruktion eine Gesellschaftsbeteiligung i.H.v. 12 % an einer in Konkurrenz zu der Klägerin zu 1) stehenden Gesellschaft gekauft. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Wettbewerbsverstoß verneint, da das Wettbewerbsverbot nicht für Konstellationen gelten könne, bei denen bei einer Unternehmensbeteiligung kein beherrschender Einfluss auf das Unternehmen vorläge.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichtes im Wesentlichen bestätigt. Den angeblichen Verstoß des Beklagten gegen das Wettbewerbsverbot erkennt das Oberlandesgericht nicht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann eine unternehmerische Tätigkeit im Wettbewerbsbereich einer anderen Gesellschaft gegeben sein, wenn der Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung hält oder die Gesellschaft aufgrund anderer Umstände beherrscht; hinreichend ist, dass er aufgrund seines Einflusses einzelne unternehmerische Entscheidungen beeinflussen kann. Bei rein kapitalistischen Minderheitsbeteiligungen eines Geschäftsführers an einer Konkurrenzgesellschaft ohne Einfluss auf die Geschäftsführung, ohne Tätigkeit im Unternehmen und Möglichkeit, dieses zu beherrschen oder Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidung zu nehmen, ist die o.g. Voraussetzung aber nicht erfüllt. Eine solche Beteiligung ist im Regelfall unbedenklich und von der sachlichen Reichweite eines Wettbewerbsverbots nicht umfasst. Dies liegt darin begründet, dass unter solchen Umständen ein Wettbewerbsverbot seiner Ratio nach nicht eingreift.

Fazit: Ein Geschäftsführer macht sich grundsätzlich nicht gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig, wenn er an einer Konkurrenzgesellschaft rein kapitalistisch beteiligt ist und keine Möglichkeit hat, auf unternehmerische Entscheidungen Einfluss zu nehmen.

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Vollmachten zur Auflassungserklärung und Notarhaftung

BGH, Urteil vom 9.2.2017 — Aktenzeichen: III ZR 428/16

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Notar Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns. Der Beklagte beurkundete einen Kaufvertrag, aufgrund dessen die Klägerin und ihr Ehemann von der H. Bau GmbH eine noch zu errichtende Eigentumswohnung erwarben. Die Käufer bevollmächtigten die Verkäuferin „die Auflassung des Vertragsobjektes zu erklären und entgegenzunehmen und alle Erklärungen an das Grundbuchamt abzugeben, die zur vertragsgemäßen Umschreibung erforderlich sind“. Die Verkäuferin bevollmächtigte ihrerseits die Notariatsfachangestellten zur Abgabe aller Erklärungen, zu denen sie bevollmächtigt worden ist, wobei bestimmt war, dass der beklagte Notar seine Angestellten bei der Ausübung der Vollmacht zu überwachen habe. Während eines Urlaubes des Notars wurden die letzten Unterlagen zur Abgabe der Auflassungserklärungen vorgelegt. Die Notariatsangestellten erklärten die Auflassung aber nicht. Kurz darauf widerrief die Verkäuferin die Vollmacht. Die Klägerin musste die Auflassung von der Verkäuferin gerichtlich erwirken und verlangt nun Schadensersatz von dem beklagten Notar. Das OLG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Der BGH bestätigt das Urteil des OLG. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Der Beklagte hat seine Amtspflichten als Notar nicht dadurch verletzt, dass er es unterließ, auf seine Angestellten einzuwirken, namens der H. Bau GmbH die Auflassung der gekauften Eigentumswohnung auf die Klägerin und deren Ehemann zu erklären. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Notarangestellten nicht zu einer Auflassungserklärung für die Verkäuferin bevollmächtigt, sondern lediglich zur Abgabe der für die Auflassung erforderlichen Erklärungen der Käufer unterbevollmächtigt waren. Dies hat das OLG nach Auffassung des BGH zutreffend dem Wortlaut des Kaufvertrags entnommen, nach dem die von den Käufern bevollmächtigte Verkäuferin ihrerseits den Angestellten Vollmacht nur zur Abgabe von Erklärungen erteilt hat, „zu denen sie bevollmächtigt worden ist“. Angesichts des klaren und unzweideutigen Inhalts dieser Regelung liegt darin nicht eine Vollmacht der Verkäuferin (auch) zur Abgabe ihrer eigenen Auflassungserklärung. Gestützt wird dies dadurch, dass der Vertrag einleitend als Grundlage für die Untervollmachten auf den Passus Bezug nimmt, wo allein die von den Käufern der Verkäuferin erteilte Vollmacht geregelt ist. Erforderlich wäre gewesen, dass die Verkäuferin ihrerseits eine Vollmacht zur Abgabe ihrer Auflassungserklärung erteilt hätte. Dies war aber nicht der Fall.

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Schiffsfonds Jacky Rickmers: OLG Hamburg kann keine Prospektfehler erkennen

OLG Hamburg , Urteil vom 15.2.2017 — Aktenzeichen: 8 U 20/15

Sachverhalt
Der wirtschaftlich erfahrene Kläger macht Schadensersatzansprüche aus angeblicher Fehlberatung bei der Vermittlung einer Kapitalanlage geltend. Er behauptet, er sei unzutreffend über Risiken aufgeklärt worden. Der Emissionsprospekt sei darüber hinaus nicht geeignet gewesen, zutreffend die Risiken der Beteiligung zu schildern. Insbesondere die Zusammensetzung des Pools, in dem das streitgegenständliche Schiff fahren sollte, sei nicht hinreichend im Prospekt erläutert. Das OLG erteilt der Auffassung des Klägers eine Absage.

Entscheidung
Hinsichtlich der Frage des Totalverlustrisikos sieht das OLG die Darstellung im Prospekt, dass es bei einer Kumulation von Risiken zu einem Totalverlust kommen kann, als ausreichend an. Auch die Weichkosten sind nach der Auffassung des OLG vollständig und nachvollziehbar angegeben. Eine prozentuale Angabe der Weichkosten ist nicht erforderlich, wenn der Anteil sich mittels eines einfachen Rechenschrittes feststellen lässt, was im vorliegenden Fall gegeben war. Auch die neuerdings vielfach von Anlegerschützern kritisierte Darstellung des Poolrisikos hält nach Auffassung des OLG einer Prüfung stand. So wird in dem Prospekt nach der Auffassung des OLG korrekt über die Funktionsweise des Einnahmepools und über den Pool Manager aufgeklärt. Eine konkrete Benennung der an dem Pool beteiligten Schiffe hält das OLG nicht für erforderlich, da es sich um drei baugleiche Schwesterschiffe des aus dem Fonds bekannten Schiffes handelt. Das Risiko der Aushöhlung des Stammkapitals (§§ 30, 31 GmbHG) hält das OLG nicht für aufklärungspflichtig.

Fazit: Das im Bereich der Schiffsfonds durchaus maßgeblich OLG Hamburg hat deutlich gemacht, dass ein Anleger nicht auf jedes erdenkliche Risiko hingewiesen werden muss. Zudem hat das OLG klargestellt, dass das Fehlen von nicht risikorelevanten Informationen keinen Prospektfehler begründet.

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