Der Geschäftsführer einer eingetragenen Gesellschaft haftet nicht persönlich für die aufgrund der Beurkundung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung und deren Eintragung anfallenden Notargebühren

OLG Köln, Beschluss vom 18.09.2017 — Aktenzeichen: WX 204/17

Leitsatz
Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer einer eingetragenen Gesellschaft haftet nicht persönlich als Kostenschuldner nach §§ 29, 30 GNotKG für die aufgrund der Beurkundung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung und deren Eintragung anfallenden Notargebühren. Eine Haftung wegen etwaiger Durchgriffsansprüche oder verspäteter Insolvenzantragsstellung muss der Notar vor dem Prozessgericht geltend machen.

Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1) war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter einer Immobilienservice-GmbH. Der Beteiligte zu 2) beurkundete einen Beschluss der Gesellschafterversammlung der Immobilienservice-GmbH betreffend die Änderung der Firma und die Verlegung des Geschäftssitzes. In der Urkunde ist bestimmt worden, dass die durch die Urkunde und deren Durchführung entstehenden Kosten seitens der Gesellschaft zu tragen seien. Nachdem der Notar und Beteiligte zu 2) die mittlerweile insolvente GmbH in Anspruch genommen hatte, berechnete er dem Beteiligten zu 1) die Kosten für die Beurkundung. Das Landgericht Köln hat die Kostenrechnung des Beteiligten zu 2) aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beteiligte zu 1) sei nicht als Auftraggeber im Sinne des § 29 Nr. 1 GNotKG anzusehen. Kostenschuldner sei alleine die vertretene Gesellschaft gewesen. Dies gelte auch, wenn der Geschäftsführer einer GmbH gleichzeitig alleiniger Gesellschafter sei. Anders als im Fall der Neugründung einer GmbH habe der Beteiligte zu 1) keine eigenen Erklärungen abgegeben, sondern sei als Beschlussorgan tätig geworden. Schließlich könne der Beteiligte zu 1) auch nicht wegen verspäteter Insolvenzantragstellung oder aus den Erwägungen einer Durchgriffshaftung als Kostenschuldner in Anspruch genommen werden. Als Kostenschuldner nach § 29 Nr. 3 GNotKG komme nur in Betracht, wer allgemein kraft Gesetzes für die Kostenschuld eines anderen haftet. Diese Regelung betreffe allein solche Vorschriften, in denen ausdrücklich bestimmt sei, dass eine im Gesetz bezeichnete Person für Verschulden einzustehen hat, das in der Person eines anderen entstanden ist.

Entscheidung
Das OLG Köln bestätigt die Auffassung des Landgerichts Köln. Eine Entscheidung zu Lasten des Beteiligten zu 1) gemäß § 29 Nr. 1 GNotKG scheidet aus, da nach dieser Grundregel die Zahlung der Kosten einer Beurkundung derjenige schuldet, der dem Notar den Auftrag erteilt hat. Da der Beteiligte zu 1) als gesetzlicher Vertreter der Immobilienservice-GmbH gehandelt hatte, war er nicht als Auftraggeber anzusehen. Die weiteren Erwägungen des Landgerichts Köln hat das OLG Köln vollständig bestätigt.

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MS PCE Madeira: Oberlandesgericht Nürnberg kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität feststellen

OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.10.2017 — Aktenzeichen: 4 U 545/17

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der MS PCE Madeira Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Der Kläger macht unter anderem geltend, der Hinweis auf eine aktuelle Markterholung und den damit verbundenen Anstieg der Charterraten sowie auf erfreuliche Ertragsreserven sei eine im Februar 2011 zu Schiffsbeteiligungen geäußerte unzutreffende Ansicht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG mit Beschluss zurückgewiesen.

Entscheidung
Das OLG ist der Auffassung, dass die Darstellung zu einer aktuellen Erholung des Marktes nicht unzutreffend war und der Kläger nicht dargelegt hat, woran der Vermittler eine angebliche Fehlerhaftigkeit der Aussage hätte erkennen können. Darüber hinaus kommt das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte vorgetragen wurden, aus denen sich ergeben musste, dass der im Prospekt geschätzte Schrottwert von 3,6 Millionen USD nicht vertretbar geschätzt wurde.

Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht den klägerisch geltend gemachten Prospektfehlern eine Absage erteilt.

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Das OLG München hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Steuerberatervertrag mit einer Kommanditgesellschaft Schutzwirkung zugunsten der Kommanditisten entfaltet

OLG München, Urteil vom 27.9.2017 — Aktenzeichen: 15 U 4586/16

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen einer unrichtigen Steuererklärung. Die Klägerin war Kommanditistin einer KG. Die Beklagte erstellte für die KG eine Steuererklärung und übernahm eine Angabe der Klägerin hinsichtlich des Standes ihres Kapitalkontos nicht in die Steuererklärung auf. Die der Klägerin hierdurch entstandenen Kosten verlangt diese nun von der Beklagten ersetzt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie gegenüber der Klägerin nicht unmittelbar aufgrund des Steuerberatungsvertrages mit der KG haftet, da die Klägerin wegen des haftungsbegründenden Sachverhaltes schon vertragliche Ansprüche gegen die KG hat.

Entscheidung
Das OLG hat der Klage bis auf einen kleinen Teil stattgegeben. Das OLG ist der Auffassung, dass die Beklagte der Klägerin wegen der nicht in die Steuererklärung übernommenen Angaben zum steuerlichen Kapitalkonto haftet, da der mit der KG geschlossene Steuerberatervertrag Schutzwirkung zugunsten der Klägerin entfaltet. Die steuerlichen Interessen der Klägerin waren von Beginn an unmittelbar Gegenstand des Steuerberatungsvertrages der Beklagten mit der KG, da die einheitlichen Feststellungen zum Gewinn der Personengesellschaft der späteren Besteuerung der einzelnen Gesellschafter zugrunde gelegt wurden. Die Einbeziehung der Gesellschafter in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages lag erkennbar im Interesse der KG, was der Beklagten bei dem überschaubaren Gesellschafterkreis der KG auch bekannt war; steuerrechtlich und wirtschaftlich betraf die Tätigkeit der Beklagten sogar in erster Linie die Interessen der einzelnen Gesellschafter und nicht die (formal) als Auftraggeberin auftretende Personengesellschaft. Die Klägerin wurde von der Beklagten anlässlich der Steuererklärung zudem unmittelbar angesprochen, als die Beklagte mit ihr Kontakt aufnahm, um die anstehende Steuerklärung inhaltlich abzustimmen. Nach Auffassung des OLG ist die Klägerin auch schutzbedürftig, obwohl ihr vertragliche Schadensersatzansprüche gegen die KG zustehen. Dies begründete das Oberlandesgericht damit, dass die KG der Klägerin auf Grundlage des Gesellschaftervertrages keine steuerrechtliche Beratung, sondern nur deren formale Beteiligung bei der Sachverhaltsvermittlung und die Übernahme von deren Angaben schuldet. Dagegen reicht die Pflicht der Beklagten weit darüber hinaus, da sie eine umfassende steuerrechtliche Beratung schuldet. Die gesellschaftsrechtliche Haftung der KG vermag daher die vertragliche Haftung der Beklagten als Berufsträgerin nicht als gleichwertig zu ersetzen, sodass die Klägerin schutzbedürftig ist.

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Hinweispflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners

BGH, Urteil vom 7.9.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 71/16

Leitsatz
Der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen.

Sachverhalt
Der Kläger wurde von der Beklagten in einem Anlageberatungsprozess vertreten und hat dort gegenüber der Insolvenzschuldnerin einen Betrag von ca. 24.000,00 € erstritten. Anstatt allerdings die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben, wurde eine Vereinbarung mit der Insolvenzschuldnerin getroffen, nach der diese Aktien verpfändet und verkauft. Ein Teil des Erlöses sollte an den Kläger zur Abgeltung der Ansprüche aus dem erstrittenen Urteil gezahlt werden. Der Kläger erhielt dann auch einen Betrag in Höhe von ca. 32.000,00 €. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde diese Zahlung angefochten und der Kläger musste eine Rückzahlung leisten.

Der Kläger macht nunmehr Schadensersatzansprüche gegen seinen ehemaligen Anwalt geltend mit der Behauptung, dieser habe darüber informieren müssen, dass die in letzter Konsequenz freiwillig erfolgte Zahlung insolvenzrechtlich anfechtbar war.

Entscheidung
Nachdem die Klage von dem OLG abgewiesen wurde, hat der BGH das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Hierzu führt der BGH zunächst aus, dass ein Rechtsanwalt seinen Auftrag so zu erledigen hat, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Ein Rechtsanwalt, der mit der zwangsweisen Durchsetzung einer Forderung beauftragt worden ist und einen Titel gegen einen Schuldner des Mandanten erwirkt hat, hat zügig die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Insolvenz des Schuldners des Mandanten bevorsteht, muss der Anwalt den Mandanten über das mögliche Risiko der fehlenden Insolvenzfestigkeit gemäß § 88 InsO ebenso hinweisen wie auf die Anfechtbarkeit erhaltener Sicherheiten und Zahlungen gemäß §§ 130, 131 InsO. Zwar kann der Anwalt seinem Mandanten das mit der Insolvenz des Schuldners verbundene Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderungen nicht abnehmen. Für Entwicklungen, die nicht vorhersehbar waren, haftet auch er nicht. Jedoch muss er den Mandaten soweit belehren, dass dieser — wie auch in anderen Fällen – in Kenntnis der absehbaren Chancen und Risiken einer eigenverantwortlichen Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.

Vorliegend hielt es die beklagte Anwaltskanzlei im Jahre 2005 für möglich, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet werden würde. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass eine Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin außerhalb des kritischen Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich Bestand hat, während Rechtshandlungen des Schuldners gegebenenfalls bis zu 10 Jahre vor dem Eröffnungsantrag angefochten werden konnten. Die dann unterlassene Zwangsvollstreckung wäre nur dann nicht pflichtwidrig gewesen, wenn pfändbares Vermögen nicht vorhanden war oder mit den Möglichkeiten, welche die Zivilprozessordnung bietet, nicht ermittelt werden konnte. Da vorliegend der Kläger hinreichend zu verwertbarem Vermögen vorgetragen hat, kommt nach Auffassung des BGH grundsätzlich eine Pflichtverletzung der Beklagten in Betracht.

Der BGH hat aber ausgeführt, dass im weiteren zu ermitteln ist, ob eine eingeleitete Zwangsvollstreckung – die Beklagte hat über 200 weitere Gläubiger vertreten, nicht unmittelbar zu einer Insolvenz der Schuldnerin geführt hätte. Denn in dem Fall ist wohl davon auszugehen, dass keiner der von der Beklagten vertretene Gläubiger befriedigt worden wäre.

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Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, bei der Erstellung eines Jahresabschlusses einen von den Gesellschaftern erklärten Rangrücktritt auf rechtliche Wirksamkeit hin zu überprüfen

LG Münster, Urteil vom 23.8.2017 — Aktenzeichen: 110 O 40/16

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer GmbH. Er macht Schadensersatzansprüche aus behaupteter Falschberatung im Rahmen eines „allgemeinen Steuerberatungsmandats“ gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte hatte einen Jahresabschluss gefertigt und festgestellt, dass die Gesellschaft buchmäßig überschuldet sei. Die Beklagte stellte weiter fest, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorläge, da der Gesellschafter und der frühere Gesellschafter für seine Forderungen gegen die Gesellschaft einen Rangrücktritt zugunsten der übrigen Gläubiger erklärt hatten. Der Kläger ist der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin sei tatsächlich insolvenzrechtlich überschuldet gewesen, da der erklärte Rangrücktritt unwirksam gewesen sei. Die Beklagte habe nach Auffassung des Klägers hinsichtlich der Wirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarung eine Prüfpflicht getroffen. Den durch die verspätete Insolvenz eingetretenen Schaden verlangt der Insolvenzverwalter nunmehr ersetzt.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichtes ist der Beklagten ein Beratungsverschulden nicht vorzuwerfen. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Haftung eines Steuerberaters in Betracht, wenn der Berater nicht nur eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus in der Bilanz eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft ausschließt. Bei einer solchen Auskunft handelt es sich aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung nicht um eine bloße Gefälligkeit des Beraters, sondern um eine erbrachte zusätzliche Bewertung, auf deren Richtigkeit ein Auftraggeber vertrauen darf. Allerdings bestand vorliegend nach Auffassung des Landgerichts keine Pflicht der Beklagten, die rechtliche Wirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarungen zu prüfen. Zwar gehört die Insolvenz- und Sanierungsberatung als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers. Damit ist aber nicht gesagt, dass ein Steuerberater in der Folge für alle im Rahmen der Insolvenzberatung anzutreffenden Fragen rechtsberatend tätig werden darf und/oder muss. Die sich im folgenden Fall stellende Frage, ob ein Steuerberater im Rahmen der Prüfung der Insolvenzreife die etwaige zivilrechtliche Unwirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung aufgrund einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für die Zukunft juristisch prüfen muss und darf, verneint das Landgericht. Es handelt sich nach Auffassung des Landgerichts um ein erkennbar hochkomplexes schuldrechtliches/insolvenzrechtliches Problem, dass in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich diskutiert wird. Für die Beantwortung einer solchen Rechtsfrage ist ein Steuerberater beruflich nicht ausgebildet. Es würde sich um eine klassische Rechtsberatung handeln, die einem Steuerberatung durch § 5 RDG untersagt ist und die nicht mehr als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters eingestuft werden kann. Der Steuerberater hat folglich bei der Prüfung der Insolvenzreife lediglich die Pflicht, das Vorliegen einer Rangrücktrittsvereinbarung als solcher zu überprüfen. Von deren Wirksamkeit kann und darf er ausgehen, wenn nicht offensichtlich Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Die Beurteilung der Insolvenzreife muss und darf er dann ohne Berücksichtigung dieser zurückgetretenen Schulden vornehmen.

Ein Anspruch besteht nach Auffassung des Landgerichtes auch dann nicht, wenn die Rangrücktrittsvereinbarung von der Beklagten entworfen und dem Kläger zur Verfügung gestellt worden wäre, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen. Denn selbst wenn ein entsprechendes Formular von Seiten eines Steuerberaters einem Mandanten zur Verfügung gestellt wird, will ein Steuerberater damit aus Sicht des Mandanten diesem eine Gefälligkeit erweisen und keine (offensichtlich unzulässige) Rechtsberatung betreiben. Sofern ein Steuerberater die (Beratungs-) Tätigkeiten nicht abrechnet, kann und darf ein Mandant, dem von einem Steuerberater Vordrucke oder Musterverträge vorgelegt werden, nicht erwarten, dass der Steuerberater hier eine ihm nicht zustehende Rechtsberatung unter Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz leisten will.

Folglich kommt das Landgericht im Ergebnis dazu, dass die Beklagte keine Pflicht verletzt hat.

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Haftung des Betreuers für die Rückforderung von Sozialleistungen

VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 20.6.2017 — Aktenzeichen: 6 K 1374/14

Sachverhalt
Eine Berufsbetreuerin hatte Einkünfte aus Kindergeld bei der Beantragung von Wohngeld nicht angegeben. Nachdem der Wohngeldbehörde dies aufgefallen war, forderte diese das überzahlte Wohngeld, auch rückwirkend, zurück. Das VG Frankfurt (Oder) ist der Auffassung, dass die Betreute grob fahrlässig gehandelt hat und somit eine Rückforderung auch für die Vergangenheit noch möglich war.

Entscheidung
Gibt ein Betreuer die Einkünfte aus Kindergeld bei der Beantragung von Wohngeld für den Betreuten nicht an, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Betreuer hinsichtlich der fehlerhaften Angabe grob fahrlässig gehandelt hat mit der Konsequenz, dass die Wohngeldbehörde das überzahlte Wohngeld, auch rückwirkend, zurückfordern kann. Insoweit ist das Verschulden des Betreuers dem Wohngeldempfänger regelmäßig zuzurechnen. Der Beklagte war berechtigt, die Bewilligungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, weil sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, § 45 Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X. Die aufgehobenen Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die zumindest grob fahrlässig und in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, weil die Kindergeldzahlungen an die Klägerin nicht mitgeteilt wurden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Hier handelte zunächst die frühere Betreuerin der Klägerin im vorgenannten Sinne grob fahrlässig, in dem sie bei den in dem Zeitraum von 2005 – 2010 gestellten Wohngeldanträgen das Kindergeld nicht angab. Das solche Geldzahlungen anzugeben waren, hätte sie bereits den Hinweisen in den Antragsformularen entnehmen können. Dort wurde darauf hingewiesen, dass sonstige Einkünfte im Sinne der §§ 22 EstG ff. auch Unterhaltszahlungen für wohngeldrechtlich Einkommen darstellen können und somit anzugeben sind. Unabhängig hiervon musste sie als Berufsbetreuerin wissen, dass die Kindergeldzahlungen den Wohngeldanspruch der Klägerin beeinflussen bzw. beeinflussen können.

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Spielraum des Insolvenzverwalters bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit

BGH, Urteil vom 20.7.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 310/14

Leitsatz
1. Dem Insolvenzverwalter steht bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die (drohende) Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu. Dessen Einhaltung kann das Gericht des Haftungsprozesses umfassend nachprüfen.

2. Die vom Insolvenzverwalter bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit berücksichtigte voraussichtliche Verwaltervergütung kann das Gericht des Haftungsprozesses daraufhin überprüfen, ob der Insolvenzverwalter den ihm dabei zuzugestehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat.

Sachverhalt
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter einer GmbH. Er wird vom Kläger, dem ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft, persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Der beklagte Insolvenzverwalter hatte in einem Vorprozess den Kläger auf Erstattung zurückgewährter Einlagen und auf Schadensersatz verklagt. Hierfür hatte der Beklagte eine Prozessfinanzierungsvereinbarung mit einem Prozessfinanzierer geschlossen. Die Klage aus dem Vorprozess wurde in allen Instanzen abgewiesen. Nach Abweisung der Klage in erster Instanz hatte der Beklagte Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die zugunsten des hiesigen Klägers festgesetzten Kosten wurden deshalb nicht ersetzt. Der Kläger verlangt nunmehr vom Beklagten persönlich Ersatz seiner Anwaltskosten, die aus dem Vorprozess noch offen sind. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und zu Lasten des Klägers entschieden.

Entscheidung
Nachdem das Oberlandesgericht in dem Verhalten des Beklagten eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB gesehen hat, hat der BGH dieser Auffassung einer Absage erteilt. Nach Auffassung des BGH ist das Verhalten des Beklagten nicht als sittenwidrig zu qualifizieren gewesen. Es sei vielmehr vertretbar gewesen, etwaige Ansprüche aus dem Prozessfinanzierungsvertrag nicht gegen den Prozessfinanzierer geltend zu machen, da vertragliche Unklarheiten bei der Verfolgung der in Rede stehenden Ansprüche zu erwarten waren. Auch aus anderen Gründen sei die Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht sittenwidrig gewesen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass dem Verwalter bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die drohende Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zusteht. Der Verwalter hat die Anknüpfungstatsachen und wirtschaftlichen Eckdaten sorgfältig zu ermitteln und seinen Bewertungsspielraum nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung auszuüben. Er muss von den im Zeitpunkt seiner Prüfung verfügbaren Erkenntnissen und Tatsachen ausgehen, zugleich aber die Geschäftsentwicklung für die Dauer der Fortführung des Insolvenzverfahrens berücksichtigen und die aus der Fortführung resultierenden tatsächlichen und rechtlichen Ungewissheiten einbeziehen. Bewertungsschwierigkeiten und Schätzungsungenauigkeiten sind einer solchen Prognoseberechnung immanent und hinzunehmen. Dies gilt auch für die Bewertung der voraussichtlichen Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters, die im Rahmen eines Haftungsprozesses gerichtlich überprüfbar ist. Allerdings muss sich in einem Haftungsprozess die gerichtliche Überprüfung darauf beschränken, ob der Insolvenzverwalter einen ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Eine solche Überschreitung konnte der BGH im vorliegenden Fall nicht feststellen. Vielmehr hatte der beklagte Insolvenzverwalter nachvollziehbar und nachprüfbar dargelegt, wie sich die von ihm in die Masseunzulänglichkeitsberechnung eingestellte Vergütungshöhe errechnete. Die Berechnungsgrundlage wurde angegeben; die jeweils angesetzten zu hohen Abschläge begründet. Es war daher nicht festzustellen, dass der beklagte Insolvenzverwalter seinen Beurteilungsspielraum so deutlich überschritten hätte, dass ein verwerfliches Handeln zu erkennen sei. Entsprechend habe der beklagte Insolvenzverwalter die Vergütung auch nicht verwirkt.

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Haftung des Geschäftsführers in der Insolvenz nach § 64 GmbHG

BGH, Urteil vom 4.7.2017 — Aktenzeichen: II ZR 319/15

Leitsatz
1. Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird. Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO aF sind insoweit nicht entsprechend anwendbar.

2. Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sind Arbeits- oder Dienstleistungen in der Regel nicht.

3. Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen.
Sachverhalt
Der Kläger als Insolvenzverwalter macht Ansprüche gegen den Beklagten als Director der Schuldnerin (private company limited by shares nach englischem Recht) geltend. Der Beklagte habe nach § 64 S. 1 GmbHG die Mittel zu ersetzen, die er der Schuldnerin entzogen habe. Insbesondere geht es um Zahlungen für Energie, Wasser, Kaffeeautomatenservice und Gehaltszahlungen. Nachdem das LG Düsseldorf der Klage stattgegeben hatte, hat das OLG Düsseldorf die Klage teilweise abgewiesen. Das OLG Düsseldorf war der Auffassung, dass die Ersatzpflicht des Geschäftsführers entfalle, da die Gegenleistungen für die Zahlungen in Form von Energie, Wasser und Arbeitskraft als unmittelbare oder gleichwertige Gegenleistung anzusehen seien. Hierzu zieht das OLG den Wortlaut von § 142 InsO aF heran, nachdem eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzung des § 133 Abs. 1 InsO vorliegen.

Entscheidung
Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und der Klage insgesamt stattgegeben. Nach Auffassung des BGH entfällt die Ersatzpflicht des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 S. 1 GmbHG, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Da der die Erstattungspflicht auslösende Vorgang in der Schmälerung der Masse durch die einzelnen Zahlungen besteht, ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zu einzelnen masseschmälernden Zahlungen kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist. Allerdings sind die Regelungen des Bargeschäfts nach § 142 InsO aF nicht anwendbar. Mit § 142 InsO aF wird ein anderer Zweck verfolgt, als durch das Entfallen der Ersatzpflicht des Geschäftsführers beim Ausgleich der Masseschmälerung. Die Vorschrift des § 142 InsO aF dient im Wesentlichen dem Schutz des Geschäftsgegners. § 64 GmbHG bezweckt nicht den Schutz des Geschäftsgegners, sondern der Gläubiger der insolvenzreifen Gesellschaft. Zudem liegt § 142 InsO aF der wirtschaftliche Gesichtspunkt zugrunde, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, unterlägen selbst von ihm abgeschlossene wertäquivalente Bargeschäfte der Anfechtung. Anders als § 142 InsO aF soll der Wegfall der Erstattungspflicht bei einer ausgleichenden Gegenleistung nach einer Zahlung i. S. des § 64 S. 1 GmbHG dagegen nicht eine weitere Teilnahme der Schuldnerin am Geschäftsverkehr ermöglichen. Ab Insolvenzreife darf der Geschäftsführer – abgesehen von der Ausnahme nach § 64 S. 2 GmbHG – keine Zahlungen mehr leisten, sondern hat Insolvenzantrag zu stellen. Die GmbH soll gerade nicht weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen.

Die vorliegend für die Leistungen erlangten Gegenleistungen sind nach Auffassung des BGH nicht geeignet, die Masseverkürzung auszugleichen. Die Bewertung selbst hat danach zu erfolgen, ob die Insolvenzgläubiger die Gegenleistungen verwerten können, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt das Verfahren eröffnet ist. Das ist bei Arbeits- oder Dienstleistungen regelmäßig nicht der Fall. Dienstleistungen führen nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse und sind damit kein Ausgleich des Masseabflusses. Das gleiche gilt für Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen und auch für Materiallieferungen, die im Bewertungszeitpunkt quasi nicht verwertbar sind (hier gelieferter Kaffee im Rahmen eines „Coffee-Services“).

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Der BGH konkretisiert in einer aktuellen Entscheidung die Pflichten des Rechtsanwalts zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze per Telefax

BGH Beschluss vom 27.06.2017 — Aktenzeichen: VI ZB 32/16

Leitsatz
Der Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeberichts zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist.

Die Kontrolle des Sendeberichtes darf sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem abgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist.

Der Rechtsanwalt hat seine organisatorischen Anweisungen klar und unmissverständlich zu formulieren.

Sachverhalt
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Berufungsbegründung statt an das in die Adresszeile angegebene Oberlandesgericht an das Landgericht gefaxt. Der Schriftsatz wurde am letzten Tag der Frist gefaxt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Er hat ausgeführt, er habe die Berufungsbegründung diktiert und dabei die zutreffende Faxnummer des Oberlandesgerichts angegeben. Diese Faxnummer habe die zuständige Kanzleimitarbeiterin in den Entwurf der Berufungsbegründung übernommen. Bei der Übertragung des korrigierten Entwurfs auf den Briefbogen der Kanzlei habe die Mitarbeiterin – der allgemein erteilten Anweisung entsprechend – überprüfen wollen, ob die richtige Faxnummer angegeben sei und habe in der Handakte geblättert. Hier sei sie auf einen Schriftsatz gestoßen, in dem eine andere Faxnummer – die des Landgerichts – enthalten gewesen sei. Sie habe daraufhin diese Faxnummer in die Berufungsbegründung übernommen. Es bestehe eine allgemeine Arbeitsanweisung in der Kanzlei, dass bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ein Sendebericht zu erstellen sei und eine Überprüfung zu erfolgen habe, dass die richtige Faxnummer eingegeben und der Schriftsatz an das richtige Gericht vollständig übertragen worden sei.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dies wurde damit begründet, dass die Klägerin keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht hat, nachdem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhte.

Entscheidung
Der BGH bestätigt diese Entscheidung. Auch nach Auffassung des BGH hat die Klägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter durch eine ordnungsgemäße Organisation der Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden. So darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grundsätzlich nicht darauf beschränken, die auf diesem aufgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, etwa in den Schriftsatz eingefügte Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle, anhand eines geeigneten Verzeichnisses, vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist; denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihre Übertragung in den Schriftsatz ausschließen.

Dem Erfordernis kann allerdings auch durch die Anweisung genügt werden, die im Sendebericht ausgedruckte Faxnummer mit der schriftlich niedergelegten zu vergleichen, wenn sichergestellt ist, dass diese ihrerseits zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden ist. Dies setzt aber voraus, dass zusätzlich die generelle Anweisung besteht, die ermittelte Faxnummer vor der Versendung auf eine Zuordnung zu den vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Der Sendebericht muss dann nicht mehr zusätzlich mit der zuverlässigen Ausgangsquelle verglichen werden. Infolge des vorangegangenen Abgleichs der auf den Schriftsatz übertragenen Faxnummer mit der zuverlässigen Ausgangsquelle ist die Nummer auf dem Schriftsatz nach diesem Abgleich selbst als ausreichend zuverlässige Quelle anzusehen.

Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diesen Erfordernissen nicht genüge getan. Es fehlte an der unmissverständlichen Weisung, dass die Überprüfung, ob die Nummer des richtigen Gerichts eingegeben wurde, anhand einer zuverlässigen Quelle zu erfolgen hat. Entsprechend war die fehlerhafte Eingabe der Faxnummer von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu verschulden; das Wiedereinsetzungsgesuch war unbegründet.

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Zur Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG für Zahlungen, mit denen Arbeitsleistungen oder Vorleistungen abgegolten werden

OLG München, Urteil vom 22.6.2017 — Aktenzeichen: 23 U 3769/16

Leitsatz
1. Die Haftung des Organs für masseverkürzende Leistungen nach § 64 Satz 1 GmbHG kann nur dann entfallen, wenn der Gesellschaft ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Vermögenswert zufließt.

2. Insbesondere Zahlungen, mit denen Arbeitsleistungen abgegolten werden, sind masseschmälernde Zahlungen im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG (entgegen OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.10.2015, 6 U 169/14).

Sachverhalt
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Ansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin geltend. Insbesondere geht es um Zahlungen, die der Beklagte nach Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin für diverse Lieferanten, Arbeitnehmer und öffentliche Träger geleistet hat. Der beklagte Geschäftsführer verteidigt sich damit, wegen seiner Stellung als angestellter Geschäftsführer sei § 64 Satz 1 GmbHG nicht anzuwenden. Darüber hinaus würde seine Ersatzpflicht entfallen, da die durch die Zahlungen verursachte Schmälerung der Masse unmittelbar ausgeglichen worden sei.

Entscheidung
Das OLG München hat den ehemaligen Geschäftsführer im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Das OLG München ist zunächst der Auffassung, dass § 64 Satz 1 GmbHG anwendbar ist. Die von dem beklagten Geschäftsführer vertretene Auffassung, es seien die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zur Anwendung zu bringen, hält das OLG für unzutreffend, da es sich bei § 64 Satz 1 GmbHG nicht um eine Schadensersatznorm, sondern um einen Ersatzanspruch eigener Art handelt. Dem Zweck, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, widerspräche die Anwendung der Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung.

Den geleisteten Zahlungen stehen nach Auffassung des Oberlandesgerichts keine werthaltigen Gegenleistungen gegenüber, die eine Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG entfallen lassen könnten. Zweck der Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG ist es, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. Die Befriedigungsaussichten der Gläubiger werden aber nur dann nicht beeinträchtigt, wenn anstelle der Zahlungen ein gleichwertiger Gegenstand in das Schuldnervermögen gelangt, der genauso wie die Zahlung zum pfändbaren Haftungsbestand des Schuldners gehört. Entsprechend kann die Tätigkeit eines Arbeitnehmers keine werthaltige Gegenleistung darstellen, die bezüglich gezahlter Bruttolöhne eine Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG entfallen lassen könnte. Der Beklagte kann mit der weiteren Argumentation, er habe durch die Aufrechterhaltung des Betriebes Liquiditätszuwächse erzielt, eine Haftung nicht abwenden; denn nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich der Masseschmälerung ist im Rahmen des § 64 Satz 1 GmbHG zu berücksichtigen. Eine allgemeine Saldierung ist nicht möglich. Entsprechend wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt.

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