Beratung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: Wann ist ein Hinweis auf die Insolvenzreife des beratenen Unternehmens geschuldet?

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.1.2018 — Aktenzeichen: 4 U 4/17

Sachverhalt
Die Klägerin macht als Insolvenzverwalter einer AG (Schuldnerin) gegen die Beklagte als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus verschiedenen Beratungsverträgen Ansprüche geltend. Die Beratungsverträge wurden im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Sanierung der Schuldnerin geschlossen. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Ersatz eines Schadens wegen Verzögerung der Insolvenzantragsstellung geltend. Insbesondere behauptet die Klägerin, die Beklagte habe im Rahmen der erteilten Aufträge die Insolvenzreife der Schuldnerin überprüfen müssen. Inhaltlich hätten sich die Beratungsverträge mit der Fortführungsfähigkeit der Schuldnerin und etwaigen notwendigen Neuausrichtungen beschäftigt. Die Umsetzung solcher Maßnahmen sei bei einem Vorliegen von Insolvenzgründen unmöglich und jede weitere Beratung zu einer etwaigen Sanierung obsolet. Nach Auffassung der Klägerin sei im Rahmen der Erstellung des Sanierungsgutachtens daher das Nichtvorliegen von Insolvenzgründen zu prüfen gewesen. Dies ergebe sich nach Auffassung der Klägerin auch aus den heranzuziehenden Vorschriften nach dem IDWS 6 — Standard. Bei einer ordnungsgemäßen Prüfung hätte die Beklagte zu dem Ergebnis einer Insolvenzreife kommen müssen, da Verlustausgleichsansprüche von Tochtergesellschaften der Schuldnerin eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin begründet hätten. Bei einer solchen Feststellung wären weitere Zahlungen in Höhe von ca. 82 Mio. Euro nicht mehr geleistet worden. Diesen Betrag begehrt die Klägerin nun von der Beklagten.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat die Klage bis auf einen geringen Teil — hierbei ging es um eine Vergütung der Beklagten — abgewiesen. Zunächst führt das OLG aus, dass durch die Verlustausgleichsansprüche der Tochtergesellschaften keine Insolvenzreife der Schuldnerin eingetreten war, die eine Hinweispflicht der Beklagten hätte begründen können. Die Verlustausgleichsansprüche führten nach Auffassung des OLG bis zur Insolvenzantragsstellung nicht zu einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, da die Ansprüche bis zu diesem Zeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinne nicht fällig waren. Nach der Rechtsprechung des BGH führt die Fälligkeit einer Forderung nach § 271 Abs. 1 BGB nicht notwendig dazu, dass eine Forderung auch im insolvenzrechtlichen Sinne fällig und deshalb bei der Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO zu berücksichtigen ist. Sinn und Zweck des § 17 InsO verlangen vielmehr das Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung. Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine nach § 271 Abs. 1 BGB fällige Forderung den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulässt. Eine Forderung ist in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, ergibt. Nach diesen Maßstäben war eine insolvenzrechtliche Fälligkeit der Verlustausgleichsansprüche nicht festzustellen. Es fehlte an einem „ernsthaften Einfordern“, weil die Ansprüche tatsächlich gestundet waren und die Stundung bis zur Stellung dieses Insolvenzantrages aufrechterhalten blieb. Dabei kann die insolvenzrechtliche Fälligkeit auch nicht daraus hergeleitet werden, dass eine Vereinbarung der Stundung von Verlustausgleichsansprüchen konzernrechtlich verbreitet für rechtlich unzulässig gehalten und eine Verpflichtung der abhängigen Gesellschaft angenommen wird, einen Verlustausgleichsanspruch bei Fälligkeit oder spätestens bei Jahresabschlusses geltend zu machen. Es kommt nämlich nicht auf die rechtliche Verbindlichkeit, sondern auf den tatsächlichen Willen des Gläubigers an, die Forderung nicht geltend zu machen. Nach Auffassung des OLG fehlte es daher bereits an der Insolvenzreife der Gesellschaft.

Des Weiteren lehnt das OLG generell eine Prüfungspflicht aus den bestehenden Verträgen ab. Für die Pflichten des Beraters aus einem im Zusammenhang mit einer Unternehmenssanierung geschlossenen Beratungsvertrag besteht keine gesetzliche Regelung. Daher ist für Art und Umfang der Pflichten des Sanierungsberaters ausschließlich das im Wege der Vertragsauslegung anhand der dienstvertraglichen Vereinbarung zu ermittelnde Pflichtenprogramm maßgebend. Im Rahmen der Verkehrssitte kommt zur Ermittlung der tatsächlichen Übung eine Heranziehung des zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses geltenden IDW-Standards in Betracht. Dem IDW-Standard kann aber keine verbindliche Vorgabe für eine geschuldete Sanierungsberatung entnommen werden; denn der IDW-Standard entfaltet keine einer gesetzlichen Regelung vergleichbare Bindungswirkung, sondern kann lediglich als Kriterium zur Konkretisierung der sich ohnehin aus der vertraglichen Vereinbarung ergebenden Pflichten dienen. Nach diesen Maßstäben war aus den Beratungsverträgen keine vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu entnehmen, dass Bestehen von Insolvenzgründen zu prüfen, die sich aus einer konzernrechtlichen Unzulässigkeit der Stundung von Verlustausgleichsansprüchen ergeben könnten. Der von der Beklagten zu erfüllende Pflichtenkatalog enthielt nach dem Vertragstext keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Prüfung der Insolvenzreife. Vielmehr war der Pflichtenkatalog klar formuliert. Zudem sprach für die Vertragsauslegung, nach der die Beklagte keine Prüfung einer Insolvenzreife schuldete, dass die Schuldnerin das Fehlen einer solchen Prüfung zu keinem Zeitpunkt beanstandet hat.

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OwnerShip MS MarCliff Schifffahrtsgesellschaft: Landgericht Hamburg kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität erkennen

LG Hamburg, Urteil vom 11.1.2018 — Aktenzeichen: 332 O 98/16

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen der Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der OwnerShip MS MarCliff Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG. Der Kläger macht u.a. geltend, das Totalverlustrisiko sei unzureichend dargestellt worden. Zudem soll die Darstellung zum unternehmerischen Charakter der Beteiligung und zum Wechselkursrisiko unzutreffend gewesen sein. Dies soll insbesondere ein angeblich nicht dargestelltes Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG betroffen haben. Fehlerhaft soll auch ein Hinweis auf eine mögliche Umflaggung des Schiffes nach dem Flaggenrechtsgesetz und zu Schiffsgläubigerrechten unterlassen worden sein.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht ist der Auffassung, dass der Prospekt nicht fehlerhaft ist. Das Landgericht sieht das vermeintlich bestehende Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG als nicht aufklärungsbedürftig an. Den Vortrag zu angeblichen Risiken einer möglichen Umflaggung nach dem Flaggenrechtsgesetz hält das Landgericht nicht für substantiiert. Einen Hinweis auf Schiffsgläubigerrechte nach § 596ff. HGB hält das Landgericht nicht für erforderlich, da es sich hierbei um ein allgemeines wirtschaftliches Risiko ohne besonderen Bezug zur Anlage handelt, auf das nicht gesondert hinzuweisen ist. Insgesamt hält das Landgericht den Prospekt für korrekt und hat somit den geltend gemachten Prospektfehlern eine Absage erteilt.

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Aufklärungspflichten des Notars bei Übertragung von Eigentumswohnungen einer WEG

OLG Schleswig, Urteil vom 14.12.2017 — Aktenzeichen: 11 U 43/17

Leitsatz
1. Klärt ein Notar den Wohnungseigentümer im Falle einer verwalterlosen WEG nicht über das Erfordernis der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zu einer beabsichtigten Eigentumsübertragung auf und holt der Notar im Rahmen des Vollzuges einer Eigentumsübertragung die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht ein, obwohl die Teilungserklärung das Zustimmungserfordernis durch diese oder den Verwalter vorsieht, verletzt er seine Amtspflichten.

2. Wird die Regelung des § 12 Abs. 2 S. 1 WEG, wonach die Zustimmung aus einem wichtigen Grund versagt werden darf, nicht in die Teilungserklärung aufgenommen, wird diese dadurch nicht unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 WEG zusätzlich gelten.

Sachverhalt
Der Kläger war Eigentümer mehrerer Wohnungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Er beabsichtigt, einige Wohnungen zu verkaufen. In der Teilungserklärung war aufgenommen, dass eine Eigentumsübertragung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer oder des Verwalters steht. Nicht aufgenommen war der gesetzlich in § 12 Abs. 2 Abs. 1 WEG geregelte Passus, wonach die Zustimmung nur aus einem wichtigen Grund versagt werden kann.

Nach erfolgter Beurkundung konnte der Kläger eine Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht erlangen. Die Versagung der Zustimmung war auch zulässig, da der Kläger mit dem Verkauf der Wohnungen den alleinigen Zweck verfolgte, eine Stimmrechtsmehrheit zu schaffen. Auf die in Folge der Beurkundung entstandenen Kosten nimmt der Kläger nun den beklagten Notar in Anspruch.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Schleswig war der Notar gem. § 17 abs. 1 und 2 BeurkG verpflichtet, über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Hierzu gehört auch die Belehrung, dass nach den Bestimmungen in der Teilungserklärung eine Zustimmung der anderen Eigentümer zu einer Eigentumsübertragung erforderlich ist. Die Regelung in der Teilungserklärung war auch nicht deshalb unwirksam, weil die gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG, wonach die Zustimmung nur aus einem wichtigen Grund versagt werden darf, nicht aufgenommen war. Die Teilungserklärung ist nach Auffassung des OLG nicht sittenwidrig und verstößt nicht gegen ein gesetzliches Gebot, da die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 WEG zusätzlich Wirkung entfalten.

Im Ergebnis war deshalb der Notar verpflichtet, auf das Zustimmungserfordernis hinzuweisen und ggf. die Zustimmung einzuholen. Die kausalen durch die Beurkundung verursachten Kosten müssen daher an den Kläger nach Auffassung des OLG Schleswig erstattet werden.

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Erbringung einer Betreuungsleistung für einen anderen ohne Vergütung: Abgrenzung eines Gefälligkeitsverhältnis von einem Auftragsverhältnis

OLG München, Urteil vom 21.12.2017 — Aktenzeichen: 23 U 3519/16

Leitsatz
Es besteht ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne der §§ 662 f. BGB zwischen dem Leistungsempfänger und dem Leistenden, wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden umfassende Vollmacht erteilt, ihn in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, soweit gesetzlich zulässig, insbesondere sein Vermögen und seine Einkünfte zu verwalten. Aufgrund dessen stehen objektiv erkennbar für den Leistungsempfänger ganz wesentliche Interessen auf dem Spiel und er vertraut ersichtlich auf eine umfassende und ordnungsgemäße Verwaltung seiner Einkünfte und seines Vermögens durch den Leistenden.

Sachverhalt
Der Kläger macht Ansprüche gegen den Beklagten aus einer angeblich pflichtwidrigen Betreuung gelten. Dem Beklagten war eine Vorsorgevollmacht seitens der Betreuten erteilt worden. Der Beklagte tätigte im Rahmen dieser Vorsorgevollmacht mehrere Geschäfte, wie zum Beispiel einen Pflegevertrag mit dem Kläger. Zudem verwaltete der Beklagte das Vermögen der Betreuten. Eine Vergütung erhielt er hierfür nicht. Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, es läge lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis zwischen ihm und der Betreuten vor, weshalb Ansprüche der Betreuten ihm gegenüber – diese macht der Kläger aus abgetretenem Recht geltend – nicht bestünden.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht München kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Beklagten und der Betreuten nicht nur ein Gefälligkeitsverhältnis, sondern ein Auftragsverhältnis bestand. Allein der Umstand, dass keine Vergütung vereinbart war, führt nicht dazu, dass keine Geschäftsbesorgung mit den entsprechenden Pflichten vereinbart war. Für die Annahme eines bloßen Gefälligkeitsverhältnis war anhand objektiver Kriterien und auch für den Beklagten erkennbar, dass die Möglichkeit, auf die wesentlichen Interessen der Betreuten einzuwirken, nicht lediglich eine Gefälligkeit darstellt und somit eine vertragliche Bindung im Sinne eines Geschäftsbesorgungsvertrages nach den §§ 662 f. BGB zustande gekommen ist. Hiernach haftet der Beklagte dann als Beauftragter für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit. Dabei sind die Maßstäbe, die grundsätzlich an einen Betreuer zu stellen sind, auf das Geschäftsbesorgungsverhältnis anzuwenden.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das OLG München gleichwohl zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte nicht wegen nichtgezahlter Pflege- und Unterbringungskosten haftbar gemacht werden kann. Den Pflege- und Unterbringungskosten stand ein gleichwertiger Vermögenswert für die Betreute, nämlich die Nutzung der Pflegeeinrichtung, gegenüber, so dass der Betreuten kein Schaden entstanden ist.

Der Beklagte haftet der Betreuten aber in einem anderen Punkt, nämlich, weil er das Vermögen und die Einkünfte nicht ordnungsgemäß verwaltet hat. Über eine nicht unerhebliche Summe konnte der Beklagte den Nachweis nicht erbringen, dass diese zugunsten der Betreuten verwendet wurde. In diesem Umfang wurde der Beklagte zum Schadensersatz verurteilt.

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Das Landgericht Düsseldorf äußert sich zu den Pflichten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei Erstellung eines Konzernabschlusses mit Blick auf eine mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft

LG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2017 — Aktenzeichen: 13 O 481/14

Sachverhalt
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der Schuldnerin Ansprüche gegen die beklagte Wirtschafsprüfungsgesellschaft geltend. Die Beklagte war mit der Prüfung des Einzel- und des Konzernabschlusses beauftragt. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe übersehen, dass die Schuldnerin aufgrund bestehender Verlustausgleichsansprüche ihrer Tochtergesellschaften bereits zum Zeitpunkt des Bilanzstichtages zahlungsunfähig gewesen sei.

Entscheidung
Das Landgericht sieht keine Pflichtverletzung der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Grundsätze über die Bilanzierung nach Fortführungswerten, die der BGH für den Steuerberater aufgestellt hat, als Mindestvoraussetzungen auch für die Tätigkeit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Abschlussprüfer gelten. Geschuldet ist die Erstellung des Jahresabschlusses nach den handelsrechtlichen Vorschriften, ohne die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten zu überschreiten. Konkret bedeutet dies, dass die Beklagte als Wirtschaftsprüferin den nach Fortführungswerten aufgestellten Jahresabschluss nicht ohne eine hinreichende Fortführungsprognose attestieren durfte, wenn sie ernsthafte Indizien kannte, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen ließen. Dies könnte vorliegend der Fall gewesen sein, wird aber von der Klägerseite nicht geltend gemacht. Der einzige von der Klägerseite vorgeworfene Umstand, die Beklagte habe Verlustausgleichsansprüche der Tochtergesellschaften unzutreffend eingeordnet, greift nach Auffassung des Landgerichts nicht durch. Nach Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte nicht pflichtwidrig verkannt, dass die Vereinbarung über das Stehenlassen der Verlustausgleichsansprüche unzulässig gewesen sein könnte. Der Abschlussprüfer schuldet keine umfassende Rechts- und Wirtschaftsprüfung. Vor diesem Hintergrund konnte und musste die Beklagte die etwaige Unzulässigkeit der Verrechnungspraxis nicht erkennen. Da durch das Stehenlassen der Verlustausgleichsansprüche in der Vergangenheit diese Ansprüche insolvenzrechtlich nicht fällig waren, musste die Beklagte die Ansprüche bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigen. Folglich hatte die Beklagte auch keine über die Testierung des nach Fortführungswerten aufgestellten Jahresabschluss hinausgehende Hinweispflicht auf eine etwaige Insolvenzreife. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Vorstand der Schuldnerin die existenzbedrohliche Situation bekannt war.

Im Ergebnis hat das Landgericht daher die Klage abgewiesen.

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Das OLG Frankfurt äußert sich zu der Pflicht des Notars, die Geschäftsfähgkeit der Urkundsbeteiligten zu prüfen

OLG Frankfurt, Urteil vom 6.12.2017 — Aktenzeichen: 4 U 178/16

Sachverhalt
Der beklagte Notar hatte von einem unter Betreuung stehenden Grundstückseigentümer eine Grundschuld zu Gunsten der Klägerin beurkundet. Grundlage war ein Darlehensvertrag, aus dem die Klägerin einen erheblichen Betrag an den Betreuten in Unkenntnis der bestehenden Betreuung auszahlte. Im Rahmen der Betreuung war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden. Die Betreuung bestand aus psychischen Gründen, nicht aus physischen Gründen.

Bei der Beurkundung hatte der beklagte Notar sich weder von der Geschäftsfähigkeit des Betreuten überzeugt, noch Hinweise auf eine eventuell schwebende Unwirksamkeit der beurkundeten Erklärungen vermerkt. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Beklagte zwar keine eigene Kenntnis von der Anordnung der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt hatte; allerdings hatte der Beklagte einer dritten Person, einem ehemaligen Anwalt, gestattet, seine Kanzleiräumlichkeiten und auch das Kanzleipersonal für eigene Tätigkeiten zu nutzen. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte der Dritte sich für den Betreuten im Betreuungsverfahren bestellt und Tätigkeiten vorgenommen. Dies war in der Kanzlei des Beklagten auch aktenkundig. Allerdings erfolgte vor der Beurkundung keine entsprechende Kontrolle einer Vorbefassung in der Kanzlei des Beklagten.

Entscheidung
Das OLG Frankfurt ist der Auffassung, dass der Beklagte der Klägerin nach § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO haftet. Das OLG Frankfurt meint, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, sich im Rahmen der streitgegenständlichen Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Betreuten zu überzeugen und in den Niederschriften sowohl auf die sich aufgrund der bestehenden Betreuung ergebende schwebende Unwirksamkeit der beurkundeten Erklärungen als auch auf das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hinzuweisen. Zwar könne ein Notar bei volljährigen Urkundsbeteiligten grundsätzlich von deren voller Geschäftsfähigkeit ausgehen. Zur weiteren Klärung ist ein Notar aber dann verpflichtet, wenn erkennbare Indizien für Zweifel an der Geschäftsfähigkeit eines Urkundsbeteiligten vorliegen. In diesem Punkt ist das OLG Frankfurt der Meinung, dass der Beklagte die Informationen über die Betreuung, die in seiner Kanzlei vorlagen, hätte kennen müssen. Die Tätigkeit des Dritten, der im Rahmen des Betreuungsverfahrens für den Betreuten tätig war, hätte dem Beklagten bei ordnungsgemäßer Kanzleiorganisation bekannt sein müssen. Dass die Betreuung nicht allein wegen physischer Umstände angeordnet war, konnte der Beklagte ebenfalls erkennen, so dass eine Betreuung aufgrund psychischer Umstände naheliegend war. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte sich über die Geschäftsfähigkeit des Betreuten vergewissern und entsprechende Hinweise in die Urkunde aufnehmen müssen.

Die Pflichtverletzung des Notars führte zu einem kausalen Schaden, da die Eintragung der Grundschulden von der Betreuerin nicht genehmigt wurde und der Betreute bereits über das Geld verfügt hatte, so dass der Klägerin ein Schaden entstanden war.

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Der BGH äußert sich zur Berechnung der Vertriebsprovisionen bei geschlossenen Fonds und zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der nicht rechtzeitigen Übergabe des Emissionsprospektes

BGH , Urteil vom 19.10.2017 — Aktenzeichen: III-ZR 565/16

Leitsatz
1. Anlagevermittler und Anlageberater haben den Erwerber einer von ihm vermittelten Kapitalanlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten. In die Berechnung der Vertriebsprovision ist ein auf das Beteiligungskapital zu zahlendes Agio einzubeziehen.

Orientierungssatz: Der Anleger trägt für die nicht rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospektes die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis der negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei für die behauptete fehlende Übergabe substantiiert bestreiten muss. Im Regelfall geschieht dies durch die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben wurde. Begegnen im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu bringen vermag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden.

Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds in Anspruch. Nach Auffassung des Klägers überschritten die Vertriebsprovisionen inklusive Agio im Verhältnis zu dem von den Anlegern einzubringenden Eigenkapital eine Höhe von 15 %. Die Beklagtenseite war der Auffassung, dass die Quote von 15 % nicht überschritten worden sei, da das Agio bei der Berechnung außen vor gelassen werden müsse. Ohne Einbeziehung des Agios lagen die Vertriebsprovisionen bei genau 15 % im Verhältnis zu dem einzubringenden Eigenkapital.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung hinsichtlich der aufklärungspflichtigen Höhe von Provisionen und Vertriebskosten das Agio hinzuzurechnen ist. Der BGH begründet dies damit, dass es für den Anleger bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Anlage auf den von ihm insgesamt zu zahlenden Betrag ankommt. Für den Anleger sei es allein von Bedeutung, in welchem Umfang das von ihm eingebrachte Eigenkapital in das Anlageobjekt investiert wird und wie hoch seine Rendite bezogen auf diese Summe ist; denn der Anleger wird stets den Gesamtbetrag seiner Investitionen (einschließlich Agio) betrachten, um beurteilen zu können, ob sie sich hinsichtlich Werthaltigkeit und Rendite lohnt. Keine Rolle spielt es dabei nach Auffassung des BGH, dass dem Anleger bewusst ist, dass das Agio nicht in das Investitionsobjekt fließt, sondern für Kosten und Vergütungen verwendet wird. Übersteigen danach die bei dem Fonds anfallenden Kosten inklusive des Agios im Verhältnis zu dem von den Anlegern einzubringenden Eigenkapital eine Grenze von 15 %, ist hierüber aufzuklären.

Des Weiteren hat der BGH festgestellt, dass eine solche Aufklärung nach ständiger Rechtsprechung durch rechtzeitige Übergabe eines Emissionsprospektes erfolgen kann. Für die nicht rechtzeitige Übergabe ist der Anleger darlegungs- und beweispflichtig. Wird hierzu vom Anleger mit hinreichender Substanz vorgetragen, muss der Vermittler dies substantiiert bestreiten. Dabei muss dem Vermittler die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben worden ist, zumutbar sein. Begegnet im Einzelfall die nicht beweispflichtige Partei im Hinblick auf eine ihr obliegende Substantiierungslast ebenfalls Schwierigkeiten, weil sie die entsprechenden Tatsachen nicht kennt und auch nicht in Erfahrung zu verbringen mag, kann von ihr eine solche Substantiierung nicht gefordert werden. Anderenfalls würde in einem solchen Fall, in dem sowohl der darlegungs- und beweisbelasteten Partei als auch der Gegenpartei Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, letztlich die Darlegungslast vollständig umgekehrt und der Gegenpartei — unabhängig von ihren Kenntnissen und Erkenntnismöglichkeiten — auferlegt. Dies wäre durch die Darlegungsschwierigkeiten des Anspruchstellers bei negativen Tatsachen nicht gerechtfertigt. Begegnet demnach die für die negative Tatsache nicht beweispflichtige Partei — mit zumutbarem Aufwand nicht überwindbaren — Schwierigkeiten und kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt von keiner Partei aufgeklärt werden, geht dies zu Lasten der Partei, die die Darlegungslast trägt — im vorliegenden Fall des Anlegers.

Bewertung: Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung der aufklärungspflichtigen Kosten das Agio mit einzubeziehen ist. Nicht geklärt ist allerdings die Frage, was in den Fällen passiert, in denen einem Anleger das Agio erlassen wurde und ob auch dann das Agio bei der Berechnung der aufklärungspflichtigen Kostenquote zu berücksichtigen ist.

Des Weiteren hat der BGH festgestellt, dass in den Fällen, in denen eine Anlagevermittlungsgesellschaft zum Beispiel von einem früher dort tätigen Handelsvertreter keine Auskünfte erhält, lediglich verpflichtet ist, Nachfragen bei dem Vermittler hinsichtlich der Übergabe des Prospektes und der Umstände der Vermittlung zu stellen. Antwortet der damalige Vermittler auch mehrfach nicht auf entsprechende Anfragen, ist ein darüberhinausgehendes Vorgehen von der Vermittlungsgesellschaft nicht gefordert. Um der Substantiierungslast dann zu genügen, kann sich die Vermittlungsgesellschaft auf die schriftlichen Unterlagen und somit die üblicherweise in den Zeichnungsscheinen von den Anlegern bestätigte Übergabe des Emissionsprospektes berufen. Im vorliegenden Fall hatte der Anleger behauptet, er habe den Prospekt überhaupt nicht erhalten. Gleichwohl hatte er den Erhalt des Emissionsprospektes im Zeichnungsschein quittiert. Dem BGH genügte die von der Vermittlungsgesellschaft auf das von dem Kläger unterschriebene Empfangsbekenntnis gestützten Behauptung einer erfolgten Prospektübergabe. Nach Auffassung des BGH ist dann über diesen Punkt ggfls. Beweis durch Vernehmung des Anlegers zu erheben, wobei der Anleger nach wie vor beweisen muss, dass er den Prospekt nicht erhalten hat.

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Das Brandenburgische Oberlandesgericht äußert sich zu der Beweiskraft von unterzeichneten Beratungsprotokollen

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 2.11.2017 — Aktenzeichen: 12 U 241/16

Sachverhalt
Die Klägerin hat den Beklagten auf Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung bzw. Anlagevermittlung in Anspruch genommen. Die Klägerin hatte eine Beratungsdokumentation unterzeichnet, in der sie die Aufklärung über Risiken, die spekulative Risikobereitschaft und den Erhalt der Prospekte bestätig hat. Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin die angeblich fehlerhafte Beratung nicht bewiesen hat. Dabei komme einem von dem Anleger unterzeichneten Beratungsprotokoll eine besondere Beweiskraft zu, welche die Klägerin im vorliegenden Fall nicht entkräftet habe. Steht nämlich die Echtheit der Unterschrift eines Anlegers auf einem Protokoll nicht in Frage, wird gemäß § 440 Abs. 2 ZPO die Übereinstimmung des Urkundentextes mit dem Willen des Ausstellers vermutet, sodass Inhaltsmängel wie eine nachträgliche Manipulation von der Anspruchstellerseite zu beweisen sind. Die aus der Urkunde vorhandene Vermutung der Richtigkeit des Vorbringens der Beklagtenseite hatte die Klägerin dann nicht entkräften können.

Bewertung:

Mit angenehmer Deutlichkeit hatte sich das Brandenburgische Oberlandesgericht zu der Frage der Beweiskraft von Beratungsprotokollen geäußert. Mit der bloßen Behauptung eines Anlegers, er habe den Inhalt des Beratungsprotokolls nicht zur Kenntnis genommen und sei gleichwohl nicht über die in dem Beratungsprotokoll beschriebenen Risiken und Umstände aufgeklärt worden, kann ein Anleger die Beweiskraft der schriftlichen und von ihm unterzeichneten Protokolle und die daraus folgende Vermutung der Richtigkeit nicht entkräften.

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Ein Anwalt übermittelt versehentlich ohne Abstimmung mit dem Mandanten eine Selbstanzeige an die Finanzverwaltung. Liegt in der anschließend festgesetzten Steuer ein ersatzfähiger Schaden?

BGH, Urteil vom 9.11.2017 — Aktenzeichen: IX ZR 270/16

Leitsatz
Übermittelt der rechtliche Berater versehentlich ohne vorherige Abstimmung mit dem Mandanten eine für diesen gefertigte Selbstanzeige an die Finanzverwaltung, liegt in der anschließend gegen den Mandanten festgesetzten Steuerpflicht kein ersatzfähiger Schaden.

Sachverhalt
Die Klägerin erbrachte für mehrere Jahre monatliche Darlehenszahlungen an ihren Lebensgefährten, einen Rechtsanwalt. Sie deklarierte die Zahlungen in ihren Steuererklärungen fälschlich als Rechtsanwaltsberatungshonorar. Das Finanzamt führte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, ohne das Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden. Die Klägerin beauftragte im weiteren Verlauf den Beklagten Rechtsanwalt damit, für sie eine Selbstanzeige gegenüber dem Finanzamt vorzubereiten. Der Inhalt der Selbstanzeige wurde von der Klägerin mit dem Beklagten abgestimmt. Es war weiter vereinbart, dass die Selbstanzeige bis zu einer Freigabe durch die Klägerin nicht in den Postauslauf gehen sollte. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurde die Selbstanzeige allerdings versandt. Das darauf hin gegen die Klägerin eingeleitete Steuerstrafverfahren wurde wegen der strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt. Allerdings musste die Klägerin über 86.000,00 € an hinterzogenen Steuern nachzahlen. Die Klägerin verlangt nun von dem Beklagten Schadensersatz. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der BGH hat die Vorinstanzen bestätigt.

Entscheidung
Der BGH kommt zwar zu dem Ergebnis, dass der Beklagte eine Pflicht verletzt hat, in dem er entgegen der Weisung der Klägerin die Selbstanzeige an das Finanzamt herausgegeben hat. Nach der im Rahmen der Schadensberechnung vorzunehmenden Differenzhypothese beruht der bei der Klägerin eingetretene Vermögensverlust auf der Pflichtverletzung des Beklagten. Allerdings ist das mit Hilfe der Differenzhypothese ermittelte rechnerische Ergebnis des Schadenseintritts einer normativen Wertung zu unterziehen. Unter Berücksichtigung der normativen Wertung kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der Schaden nicht ersatzfähig ist. Eine lediglich äußerliche Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners begründet noch keine Schadensersatzpflicht; vielmehr muss der Schaden in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie deliktische Haftung. Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten, als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil. So kann auch ein entgangener Steuervorteil grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden können. Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war. Deswegen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters durch Steuerzahlungen in Folge eines versäumten Einspruchs dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf eine Steuerbefreiung hatte. Nach diesen normativen Grundsätzen ist der Klägerin in Folge der versehentlichen Versendung der Selbstanzeige durch den Beklagten ein ersatzfähiger Schaden nicht erwachsen, weil sie im Einklang mit den materiellen Recht Steuer- und Beitragsnachzahlungen unterworfen wurde.

Zudem kann der mit einem rechtlichen Berater geschlossene Vertrag zwar darauf gerichtet sein, den Mandanten vor der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen, nicht aber, den Mandanten die Früchte einer von diesem vorsätzlich verübten Steuerhinterziehung zu wahren. Zweck des dem Beklagten erteilten Auftrag war es, die Klägerin vor einer Strafverfolgung zu schützen. Demgemäß oblag dem Beklagten, eine ordnungsgemäße Selbstanzeige zu verfassen, um eine Bestrafung der Klägerin zu verhüten. Zwar durfte die Selbstanzeige nach den Absprachen der Parteien nur im Einverständnis mit der Klägerin zwecks Achtung ihrer Entscheidungsfreiheit der zuständigen Behörde mitgeteilt werden. Durch das von dem Beklagten zu verantwortende Büroversehen wurde die Entscheidungsfreiheit der Klägerin beeinträchtigt und die mit der Selbstanzeige verbundene Steuerbelastung ausgelöst. Da der rechtliche Berater nicht an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten mitwirken darf, gehörte es jedoch nicht zu den vertragsgemäßen Aufgaben des Beklagten, der Klägerin durch die Vermeidung einer fahrlässigen Pflichtverletzung die Erträge der von ihr begangenen Steuerhinterziehung zu erhalten. Das Interesse der Klägerin, dass die von ihr begangene Steuerhinterziehung nicht aufgedeckt wird, ist auch im Verhältnis zu dem Beklagten nicht schutzwürdig.

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Verjährung von Schadensersatzansprüchen: rechtsmissbräuchliche Berufung auf die Hemmung der Verjährung durch Einreichung eines Güteantrags

OLG München, Urteil vom 19.10.2017 — Aktenzeichen: 23 U 1961/16

Leitsatz
1. Die 10-jährige (absolute) Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB läuft bei einem Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung mit Beginn des Tages nach Zeichnung der Anlage an und endet nach 10 Jahren mit Ablauf des Tages der Anlage.

2. Dem Anleger ist es gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Einreichung eines Güteantrages) zu berufen, wenn schon vor Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrte Schadensersatz wegen der Zeichnung einer Beteiligung an dem Equity Pictures Medienfonds III. Die Klägerin beteiligte sich am 17.12.2004 als Anlegerin. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.11.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zum Schadensersatz bis zum 20.12.2014 auf. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 02.12.2014 unter Hinweis auf die eingetretene Verjährung die geltend gemachten Ansprüche zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2014 stellte die Klägerin bei der Gütestelle einen Antrag auf Einleitung eines Güteverfahrens. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG sind die Ansprüche der Klägerin verjährt. Die 10-jährige absolute Verjährungsfrist lief mit Tagesbeginn des 18.12.2004, einen Tag nach der Zeichnung, an und endete mit Ablauf des 17.12.2014. Die Verjährung wurde durch Einreichung des Güteantrages vom 17.12.2014 nicht wirksam gehemmt, da es der Klägerin gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine Hemmung durch Einleitung des Güteverfahrens zu berufen. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Hemmung durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Güteantrages oder – wenn die Veranlassung demnächst erfolgt – schon durch Einreichung gehemmt. Auf eine solche Hemmung kann sich ein Anspruchsteller aber nicht berufen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrages feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen und dies dem Antragsteller im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. Im vorliegenden Fall war unstreitig, dass dem Klägervertreter aus der Vielzahl von bereits geführten Verfahren bekannt war, dass die Beklagte an einem Güteverfahren nicht teilnimmt. Darüber hinaus hatte die Beklagte in eindeutiger Weise im Vorfeld des Güteverfahrenes zu verstehen gegeben, die Durchführung eines Güteverfahrens abzulehnen. Die Beklagte hatte die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unter Berufung auf die eingetretene Verjährung zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund musste die Klägerin damit rechnen, dass sich die Beklagte auch im weiteren Verfahren auf die Verjährung berufen werde. Dabei ist das OLG der Auffassung, dass die Kenntnis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin von den Umständen ausreichend ist. Auf die Kenntnis der Klägerin von den näheren Umständen kommt es nicht an.

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