Architektenhaftung bei fehlerhafter Einschätzung der Machbarkeit der Vorstellung des Bauherrn

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OLG Hamm, Urteil vom 7.5.2014 — Aktenzeichen: 12 U 184/12

Leitsatz
Der mit der Vollarchitektur beauftragte Architekt muss die vom Bauherrn geäußerten Wunschvorstellungen auf ihre Machbarkeit hin überprüfen und planerisch realisieren. Kommt der Architekt im Rahmen der Überprüfung der Machbarkeit fehlerhaft zu der Einschätzung, dass die Wunschvorstellungen nicht zu realisieren seien, haftet er auch dann, wenn der Bauherr seine Wunschvorstellung aufgrund der ihm vom Architekten mitgeteilten fehlerhaften Einschätzung aufgibt.

Sachverhalt
Der Bauherr verlangt von dem beklagten Architekten Schadensersatz. Der Architekt sollte im Rahmen der Vollarchitektur ein exklusives Wohnhaus nebst Garage planen. Der Bauherr hatte eine Skizze angefertigt, die eine rechtwinklig zur Straße verlaufende direkte Zufahrt zur Garage nebst einer bogenförmigen Zufahrt zum Haus vorsah. Zugleich sollte unter einem Vordach des Eingangs die Möglichkeit bestehen, aus einem breiten Auto gleichzeitig auf beiden Autoseiten auszusteigen. Nach Planung der Garage auf der Westseite des Hauses stellte sich heraus, dass die rechtwinklige Zufahrt wegen des hohen Gefälles nicht möglich war, das gewünschte Ein- und Aussteigen aus einem breiten Auto unter dem Vordach wegen der Stützen des Vordaches gleichfalls ausgeschlossen war. Allerdings – so der Sachverständige – hätten die Wünsche des Bauherrn auf der Ostseite des Gebäudes verwirklicht werden können aufgrund der dortigen Geländegegebenheiten. Das Landgericht verurteilte den Architekten zur Zahlung der Mehrkosten der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Zufahrt und der Kosten der Versetzung der Stützen. Der Architekt legte Berufung ein. Im Zuge der Planung habe sich herausgestellt, dass auf der Westseite diese Wünsche nicht zu realisieren gewesen seien. Dies sei mit dem Bauherrn besprochen worden, der Bauherr habe die Planung, die zu dem Ist-Zustand geführt hätte, akzeptiert.

Entscheidung
Das OLG weist die Berufung des beklagten Architekten zurück. Der Beklagte habe die vom Kläger skizzierten Wunschvorstellungen auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen gehabt, er hätte planerisch diese weitestmöglich realisieren müssen. Wenn der Architekt bei der Überprüfung der Machbarkeit fehlerhaft zu der Einschätzung gelangt, dass die Wünsche nicht zu realisieren seien, entlastet es ihn nicht, wenn der Bauherr aufgrund dieser fehlerhaften Wertung seine eigene Wunschvorstellung aufgebe.

Praxistipp
Ausgehend vom subjektiven Fehlerbegriff führt die Nichtberücksichtigung der Bauherrenwünsche in der Planung des Architekten zur Haftung. Damit liegt es im originären Interesse des Architekten, Inhalt und Umfang der verbindlich vereinbarten Planungsaufgaben klar zu bestimmen. Der Architekt kann selbst bei der Genehmigung einer abgeänderten Architektenplanung der Haftung nicht entgehen. Eine Haftung ist nur ausnahmsweise zu verneinen für den Fall, dass der Bauherr genau wusste oder aber hätte wissen müssen, dass seine Wünsche umsetzbar waren und er diese Wünsche durch die Zustimmung zur (Um-) Planung freiwillig aufgibt.

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