Anforderung an die Unterschrift des Rechtsanwalts am Ende der Berufungsschrift

Beschluss des BGH , Urteil vom 11.4.2013 — Aktenzeichen: VII ZB 43/12

Häufig ist die Unterschrift von Anwälten auf Schreiben und Schriftsätzen kaum lesbar. Teilweise kürzen Anwälte ihre Unterschrift auch ab. Der BGH hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Anforderungen an eine formgültige Unterschrift zu stellen sind.

Leitsatz
1. Der Schriftzug eines Rechtsanwalts am Ende einer Berufungsschrift erfüllt die Anforderungen an die nach § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift nur, wenn er erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen.
2. Ist der diesen Anforderungen nicht entsprechende Schriftzug so oder geringfügig abweichend von den Gerichten längere Zeit ohne Beanstandung als formgültige Unterschrift hingenommen worden, kann der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass er den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO entspricht. Wird der Schriftzug vom Berufungsgericht in einem solchen Fall nicht als Unterschrift anerkannt, ist der Berufungskläger in der Regel gegen Versäumung der Berufungsfrist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Sachverhalt
In einem Verfahren vor dem OLG Nürnberg hatte eine Rechtsanwältin in der Berufungsbegründung unter der maschinschriftlichen Namensangabe „K.R. Rechtsanwältin“ mit einem abschließenden unleserlichen Schriftzug unterschrieben. Der Vorsitzende wies in der Folge darauf hin, dass die Berufungsschrift keine Unterschrift, sondern eine „Streichung“ des dort maschinschriftlich angegebenen Namens aufweise. Allenfalls könne es sich bei dem Schriftzug um eine Paraphe handeln, die keine formgültige Unterschrift darstelle. Die Rechtsanwältin beantragte darauf hin für die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und trug vor, sie unterzeichne alle Schriftsätze ausnahmslos mit ihrem Nachnamen L.. Über die Jahre habe sich die Unterschrift zu dem nun aktuellen seit dem Jahre 2007 praktizierten Schriftbild immer weiter abgeschliffen. Die Unterschrift sei bisher von keiner Seite, auch nicht vom Berufungsgericht, beanstandet worden. Im Hinblick darauf sei der von ihr vertretenen Beklagten jedenfalls wegen unverschuldeter Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren. Das OLG hatte den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist. Zwar sei die Berufungsfrist wegen nicht formgültiger Unterschrift versäumt worden. Bei der zu leistenden Unterschrift muss es sich nach dem äußeren Erscheinungsbild um einen Schriftzug handeln, der erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen. Einen Schriftzug, der seinem äußeren Erscheinungsbild nach eine bewusste und gewollte Namensabkürzung darstelle, genügt den an eine eigenhändige Unterschrift zu stellenden Anforderungen nicht. Gemessen daran habe es sich bei der Unterschrift der Rechtsanwältin nicht um eine formgültige Unterschrift gehandelt.

Es sei aber weder der Beklagten, noch der Rechtsanwältin ein Schuldvorwurf zu machen. Zwar habe sich ein Rechtsanwalt über den Stand der Rechtsprechung zu informieren; der Rechtsanwältin der Beklagten musste daher bekannt sein, welche Anforderungen für eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmter Schriftsätze bestehen. Allerdings genießt ein Rechtsanwalt über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus einen verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz, der eine Vorwarnung gebiete, falls der selbe Spruchkörper die von ihm längere Zeit gebilligte Form eine Unterschrift nicht mehr hinnehmen will. Dies war vorliegend der Fall, so dass die Rechtsanwältin darauf vertrauen dufte, dass ihre Unterschrift den der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entsprach. Die Wiedereinsetzung war daher zu bewilligen.

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